Predigt: 1. Timotheus 6,1-21

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Ergreife das ewige Leben

„Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.“

(1. Timotheus 6,12)

Timotheus stand als junger Gemeindeleiter vor der Herausforderung, dass in der Gemeinde in Ephesus einige Leute eine Irrlehre verbreiteten, die Unruhe und Streit in die Gemeinde brachte und viele zum Abfall vom Glauben zu führen drohte. Apostel Paulus hat ihm in den ersten fünf Kapiteln verschiedene Lehren und Anweisungen gegeben, wie er mit dem Problem umgehen sollte. Vor allem hat er Timotheus immer wieder ermutigt, selbst fest im Glauben zu stehen und sein Leben vor Gott vorbildlich zu führen. Im letzten Kapitel gibt Paulus zunächst Anweisungen an die Sklaven in der Gemeinde und beleuchtet nochmals das Problem der Irrlehrer. Am Ende richtet er Worte an die Reichen. Aber im Zentrum des Textes steht die starke Ermahnung an Timotheus, dass er einen guten geistlichen Kampf kämpfen und das ewige Leben ergreifen sollte. Diese Ermahnung gilt nicht nur für Timotheus, sondern für alle Christen. Sie lehrt uns, dass wir einen geistlichen Kampf führen müssen, um in dieser Welt wirklich im Glauben an Jesus zu bleiben und das ewige Leben zu ergreifen. Manche mögen die Vorstellung vom Kampf nicht. Von Natur aus will jeder lieber angenehm und ohne Schwierigkeiten leben. Manche fragen sich, wieso wir als Christen geistlich kämpfen müssen, obwohl wir aus Gnade durch Jesus die Sündenvergebung und die Kindschaft Gottes bekommen haben. Wir wollen daher heute auf zwei Fragen Antwort finden. Erstens, warum müssen wir als Christen geistlich kämpfen? Zweitens, was ist der gute Kampf des Glaubens und wie können wir ihn führen?

1. Worte an die Sklaven (1-2)
In den frühen christlichen Gemeinden gab es viele Sklaven, die wegen ihrer Stellung oft demütiger waren und das Evangelium leichter annahmen. Im Evangelium fanden sie wahre Freiheit als Kinder Gottes und wurden in der Gemeinde als Geschwister im Glauben angenommen. Viele von ihnen müssen sich gefragt haben, ob sie sich weiter ihren Herren unterordnen und ihnen dienen sollten. Was sagte Paulus dazu? „Alle, die als Sklaven unter dem Joch sind, sollen ihre Herren aller Ehre wert halten, damit nicht gegen den Namen Gottes und die Lehre gelästert werde. Welche aber gläubige Herren haben, sollen diese nicht verachten, weil sie Brüder sind, sondern sollen ihnen umso mehr dienstbar sein, weil sie gläubig und geliebt sind und sich bemühen, Gutes zu tun. So lehre und mahne!“ Paulus sagte klar, dass sie ihren Herren weiter dienen und in vorbildlicher Weise arbeiten sollten, damit nicht gegen den Namen Gottes und das Evangelium gelästert würde. Wenn viele gläubige Sklaven gegen ihre Herren rebelliert und ihre Arbeit verweigert hätten, wären Gottes Name und das Evangelium von vielen Menschen verlästert worden, und sie hätten vielen ein Hindernis auf dem Weg zur Rettung bereitet. Deshalb sollten die Sklaven weiter vorbildlich arbeiten, damit Gott geehrt und sein Evangelium weiter verbreitet werden konnte. Diejenigen, die das Glück hatten, gläubige Herren zu haben, sollte das nicht ausnutzen, sondern sollten ihnen umso williger dienen, weil sie gläubig und von Gott geliebt waren und sich bemühten, Gutes zu tun.
Was können wir hier lernen? Die Sklaverei ist zum Glück in großem Maße abgeschafft, wenn auch noch lange nicht vollständig. Aber wir können den Vers 1 auch auf uns beziehen, wenn wir als Angestellte in einer Firma arbeiten. Denn das Motiv, aus dem die gläubigen Sklaven ihre Herren aller Ehre wert halten sollten, sollte auch unser Leitmotiv bei der Arbeit sein. Als Christen sollten auch wir an unserer Arbeitsstelle so gut wie möglich arbeiten, nicht für uns selbst, sondern damit wir unseren Vorgesetzten und Kollegen keinen schlechten Eindruck von Jesus vermitteln und ihnen Anlass geben, über Gott und das Evangelium zu lästern. Wenn ein Christ seine Arbeit nachlässig macht, kann er dadurch einen schlechten Eindruck vom Evangelium erwecken. Wenn wir dagegen bewusst vor Gott arbeiten und unser Bestes tun, können wir einen guten Eindruck von Jesus vermitteln und andere zu ihm einladen.

2. Mahnungen wegen der Irrlehrer und wegen Geldgier (3-10)
In den folgenden Versen geht Paulus nochmals auf die Irrlehrer ein. Was war eigentlich ihr Problem? Betrachten wir die Verse 3-5: „Wenn jemand anders lehrt und bleibt nicht bei den heilsamen Worten unseres Herrn Jesus Christus und bei der Lehre, die der Frömmigkeit gemäß ist, der ist aufgeblasen und weiß nichts, sondern ist süchtig nach Fragen und Wortgefechten. Daraus entspringen Neid, Hader, Lästerung, böser Argwohn, Schulgezänk solcher Menschen, die zerrüttete Sinne haben und der Wahrheit beraubt sind, die meinen, Frömmigkeit diene dem Gewinn.“ Hier führt Paulus ihre geistlichen Probleme auf. Ihr grundlegendes Problem war, dass sie stolz waren und nicht bei den heilsamen Worten Jesu bzw. beim Evangelium blieben. Sie hörten es zwar, hatten aber ein krankhaftes Verlangen danach, alles Mögliche in Frage zu stellen und mit anderen darüber zu streiten. Dadurch hatten sie die Wahrheit in sich verloren, und ihr Sinn war so zerrüttet, dass sie meinten, mit ihrer scheinbaren Frömmigkeit materiellen Gewinn machen zu können. Sie waren im Herzen geldgierig und ihre Gesinnung war verdorben.
Was sagte Paulus dazu? „Ein großer Gewinn aber ist die Frömmigkeit zusammen mit Genügsamkeit“ (6). Frömmigkeit ist eine Gesinnung und Lebensweise, bei der Gott im Mittelpunkt steht und die auf ihn ausgerichtet ist. Geldgier hat dagegen den eigenen materiellen Vorteil zum Ziel und steht der Frömmigkeit völlig entgegen. Deshalb ist Frömmigkeit nur dann ein großer Gewinn für uns, wenn wir genügsam sind. Paulus erklärt die Genügsamkeit so: „Denn wir haben nichts in die Welt gebracht; darum können wir auch nichts hinausbringen. Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so wollen wir uns damit begnügen.“ Das ist die Einstellung der Genügsamkeit, die Paulus lehrt. Wir leben in einer Zeit, in der uns durch verschiedene Kanäle ständig suggeriert wird, dass wir dieses und jenes bräuchten, um glücklich zu sein. Dadurch werden in uns die Habgier und die Geldgier angeregt, die das Gegenteil der Genügsamkeit sind. Wir müssen lernen, genügsam und mit dem, was wir haben, zufrieden zu sein, damit wir in der Frömmigkeit wachsen können, die für uns ein echter, großer Gewinn ist.
Was passiert mit den Menschen, die Geldgier in ihrem Herzen zulassen? Betrachten wir die Verse 9 und 10: „Denn die reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Verstrickung und in viele törichte und schädliche Begierden, welche die Menschen versinken lassen in Verderben und Verdammnis. Denn Geldgier ist eine Wurzel alles Übels; danach hat einige gelüstet und sie sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel Schmerzen.“ Die meisten Menschen halten den Wunsch, reich zu werden, für normal und harmlos und lassen dieses Verlangen leicht in ihrem Herz zu. Dieser Wunsch wird in vielen Nachrichten und sozialen Medien noch gefördert und verharmlost. Aber Gottes Wort sagt uns in diesem Vers, dass Geldgier ein übles Verlangen und sogar die Wurzel alles Übels ist. Geldgier treibt so viele Menschen dazu an, sich anderen gegenüber lieblos und rücksichtslos zu verhalten, zu lügen und zu betrügen, anderen materiellen oder gesundheitlichen Schaden zuzufügen, sie auszunutzen und zu unterdrücken oder sogar zu versklaven. Geldgier hat eine toxische Wirkung im eigenen Leben. Diejenigen, die reich werden wollen, fallen in viele Versuchungen und innere Verstrickungen und in törichte Begierden, die ihnen selbst schaden und die sie schließlich in Verderben und Verdammnis untergehen lassen. Geldgier ist wie Krebs, der sich im ganzen Herzen ausbreitet und den geistlichen Wunsch, Gott und seine Herrlichkeit zu erkennen und das ewige Leben in seinem Himmelreich zu erlangen, schleichend zerstört. Geldgier zerstört auch schon vorhandenen Glauben. Paulus scheibt, dass einige, die danach gelüstet hat, bereits vom Glauben abgeirrt waren und sich selbst viel Schmerzen machten. Wenn jemand die Geldgier in sein Herz lässt, kommen viele weitere schädliche Begierden dazu. Geldgier treibt Menschen dazu, sich von Jesus abzuwenden, woraufhin sie viele innere Qualen haben und unter den Begierden leiden, die ihr Herz gefangen nehmen. Jesus warnte seine Jünger eindringlich vor der Geldgier, als er sagte: „Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat“ (Lk 12,15). Im Neuen Testament wird abgesehen vom Unglauben vor keiner Sünde so stark gewarnt, wie vor der Geldgier. Wir müssen uns wirklich vor Geldgier hüten. Aber wie können wir das tun?

3. Ermahnung zum geistlichen Kampf (11-16)
Wie ermahnte Paulus Timotheus? Vers 11 sagt: „Aber du, Mensch Gottes, fliehe das! Jage aber nach der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut!“ Paulus spricht Timotheus als „Mensch Gottes“ direkt an und gibt ihm zwei starke Aufforderungen: Zum einen sollte er vor der Geldgier fliehen. Geldgier ist so gefährlich, dass man davor fliehen soll, wie man vor einem ausgebrochenen Löwen auf der Straße flieht oder vor einem bewaffneten Amokläufer. Ein Mensch Gottes sollte also größtmöglichen Abstand zur Geldgier halten und auch keine kleinen Kompromisse damit machen.
Gleichzeitig sollte er aktiv nach dem Guten jagen, nämlich nach der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut. „Jagen“ ist wiederum ein starker Ausdruck, dahinter steht das Bild eines Läufers im Stadion, der mit seiner ganzen Kraft auf das Ziel zu jagt. Mit solcher Entschlossenheit sollte Timotheus danach jagen, in einer rechten Beziehung zu Gott zu leben, in der Frömmigkeit und im Glauben zu wachsen und stets Liebe, Geduld und Sanftmut gegenüber seinen Mitmenschen zu haben. Diese starke Aufforderung beschreibt die Dynamik, die auch unser Glaubensleben haben. Das Glaubensleben kann keine Routine sein, denn wir stehen in dem geistlichen Spannungsfeld, wo wir entschlossen vor der Habgier und anderen Begierden fliehen und mit ganzer Kraft der rechten Beziehung zu Gott, echter Frömmigkeit und Glauben, sowie Liebe, Geduld und Sanftmut gegenüber unseren Mitmenschen jagen sollen. Wie können wir das tun? Tatsächlich können wir nicht einfach so leben. Es erfordert einen geistlichen Kampf.
Wie ermutigt Paulus Timotheus dazu? Lesen wir gemeinsam den Vers 12: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.“ Wie angekündigt, wollen wir diesen Vers mit zwei Fragen betrachten.
Erstens: Warum sollen wir geistlich kämpfen?
Die Anweisung, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen, weist darauf hin, dass wir uns in einem geistlichen Krieg befinden. Es ist der Kampf des Widersachers gegen Gott, durch den er den Bau von Gottes Reich stören und mit seinen Dämonen verhindern will, dass die Kinder Gottes das ewige Leben im Gottes Reich erlangen. Wir sollen diese Realität begreifen und bereit werden, geistlich zu kämpfen.
Tatsächlich erleben wir in unserem Glaubensleben, dass uns viele Dinge auf unserem Weg mit Jesus hindern. Manchmal haben wir einfach so viel Arbeit, dass wir uns kaum Zeit nehmen, um auf Jesus zu hören und die Beziehung zu ihm zu pflegen. Dann kann unsere Beziehung zu ihm leicht oberflächlich werden. Diese Gefahr besteht auch in der Zeit, wenn es uns gut geht und alles glatt läuft. In dieser Zeit besteht die Gefahr, dass weltliche Wünsche in uns aufkommen oder andere Dinge uns wichtiger werden. Darum müssen wir auch in der „guten Zeit“ geistlich kämpfen.
Oft begegnen uns aber Schwierigkeiten, die einen geistlichen Kampf erfordern. Das können geistliche Probleme oder eine leichte oder schwere Krankheit von uns oder einer nahestehenden Person sein; oder Probleme bei der Kindererziehung, Probleme bei der Arbeit oder in der Beziehung zu anderen. Gerade in Schwierigkeiten müssen wir geistlich kämpfen, dass wir im Glauben an Jesus fest bleiben und sie durch den Glauben an ihn überwinden können. Wenn wir nicht geistlich kämpfen, werden wir unweigerlich schwächer. Gott lässt aber Probleme in unserem Leben zu, nicht damit wir daran scheitern, sondern damit wir dadurch ihn als den souveränen Gott und seine Gnade in Jesus tiefer ergreifen, uns von falschen Zielen und lauwarmer Haltung reinigen und uns ihm völlig ergeben.
Wir müssen auch deshalb geistlich kämpfen, weil der Widersacher Gottes aus seinem Neid immer wieder Gottes Kinder angreift und versucht, sie vom rechten Weg abzubringen und zu Fall zu bringen. Er nutzt dazu viele Möglichkeiten. Eine häufige Art der Versuchung ist, dass er uns Dinge in der Welt als erstrebenswert vorgaukelt und versucht, dass wir sie zu unserem Ziel machen; allem voran Geld und damit verbundenes Ansehen und Macht. Eine andere Versuchung ist das Verlangen nach Vergnügen. Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen in einem wohl nie dagewesenen Ausmaß danach streben, ihr Leben zu genießen und möglichst viel Wohlbefinden und Spaß zu haben. Wir wissen, dass die Menschen durch nichts in der Welt wirklich zufrieden werden und dass wir wahre Zufriedenheit nur in der Liebesbeziehung zu Jesus finden. Aber dieses Wissen allein macht uns gegen die Versuchung nicht ausreichend immun. Wir müssen geistlich kämpfen, damit wir nicht versuchen werden, uns solche Dinge zu wünschen oder uns darauf einzulassen und Jesus als unserer ersten Liebe untreu zu werden. Das gleiche gilt auch für die Versuchung im sexuellen Bereich.
Zweitens: Wie können wir dann den guten Kampf des Glaubens führen?
Wie im physischen Krieg ist es auch beim geistlichen Kampf wichtig, dass wir eine klare Orientierung haben, worum und wie wir kämpfen sollen. Nach Vers 11 sollen wir darum kämpfen, dass wir den sündigen Begierden entfliehen, allen voran der Liebe zum Geld und zur Welt. Andererseits sollen wir darum kämpfen, dass wir täglich in der Gerechtigkeit, in der Frömmigkeit und im Glauben an Jesus leben und dass wir unseren Nächsten mit Liebe, Geduld und Sanftmut begegnen können. Beim guten Kampf des Glaubens geht es also vor allem darum, beständig in einer richtigen Beziehung zu Jesus zu leben, seine Gnade immer klarer zu erkennen, unsere Hoffnung ganz darauf setzen und das ewige Leben ergreifen. Damit wir den guten Kampf des Glaubens erfolgreich kämpfen können, ist es auch wichtig, dass wir ihn nicht mit bloßen Händen bzw. nur mit unserer Willenskraft kämpfen, sondern die geistlichen Waffen, die Gott uns dafür bereitstellt, ergreifen und gebrauchen. Wenn wir jeden Morgen den Panzer der Gerechtigkeit anziehen und unseren Kopf mit dem Helm des Heils schützen und den Schild des Glaubens und das Schwert des Geistes bzw. das Wort Gottes ergreifen, können wir erfolgreich geistlich kämpfen und geistliche Siege erfahren. Möge Gott uns helfen, täglich den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen, dabei Jesu Gnade und Hilfe immer neu zu erfahren und das ewige Leben zu ergreifen!
Was sagt Paulus Timotheus nach seiner Ermahnung zum geistlichen Kampf? Die Verse 13 und 14 lauten: „Ich gebiete dir vor Gott, der alle Dinge lebendig macht, und vor Christus Jeus, der unter Pontius Pilatus bezeugt hat das gute Bekenntnis, dass du das Gebot unbefleckt und untadelig bewahrst bis zur Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus.“ Hier ermahnt Paulus Timotheus feierlich dazu, das Gebot unbefleckt und untadelig zu bewahren. „Das Gebot“ kann sich auf die Anweisungen beziehen, die Paulus Timotheus in diesem Brief gegeben hat; man kann es auch umfassender auf den Willen Gottes beziehen, den Gott im Evangelium offenbart hat. Paulus ermahnt Timotheus vor Gott, der mit seiner Macht alle Dinge lebendig macht, und vor Jesus Christus, der vor Pontius Pilatus bekannt hat, dass er der Christus, der Sohn Gottes, ist, obwohl er wusste, dass er deswegen sterben musste. Timotheus sollte also im Blick auf Jesu klare Haltung vor dem Kreuz und im Glauben an die Auferstehung dem offenbarten Willen Gottes konsequent gehorchen und dafür jeden Tag einen guten geistlichen Kampf kämpfen.
Wie lange sollen wir geistlich kämpfen? Betrachten wir die Verse 14b-16: „… bis zur Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus, welche uns zeigen wird zu seiner Zeit der Selige und allein Gewaltige, der König aller Könige und Herr aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, der da wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann, den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann. Dem sei Ehre und ewige Macht! Amen.“ Diese Verse beschreiben, wann der geistliche Kampf endet. Wir müssen nicht endlos kämpfen. Der geistliche Kampf hört auf, wenn unser Herr Jesus Christus erscheinen wird und der allmächtige und ewige Gott sein herrliches, ewiges Reich aufrichten wird. Dann werden alle, die in Jesus geblieben sind, getröstet werden und bei der himmlischen Hochzeit zu Tisch sitzen und von ihm bedient werden und sich ewig an ihm erfreuen. Gelobt sei der ewige Gott, der uns dazu berufen hat! Möge Gott jedem von uns helfen, für dieses Ziel jeden Tag den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen!
4. Mahnung an die Reichen (17-21)
Bevor Paulus seinen Brief abschließt, richtet er noch Worte an die Reichen in der Gemeinde: „Den Reichen in dieser Welt gebiete, dass sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den unsicheren Reichtum, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darbietet, es zu genießen; dass sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gerne geben, zum Teilen bereit sind und sich selbst einen Schatz sammeln als guten Grund für die Zukunft, damit sie das wahre Leben ergreifen“ (17-19). In der Gemeinde gab es Leute aus allen Gesellschaftsschichten, darunter auch Reiche. Sie waren materiell privilegiert. Nach diesen Versen stehen die Reichen aber geistlich in verschiedenen Gefahren. Zum einen können sie leicht stolz werden, weil sie mehr besitzen und sich mehr leisten können als andere. Stolz ist aber ein sehr ernstes geistliches Problem, weil er nicht nur die Liebesbeziehung zu anderen Menschen zerstört, sondern Menschen vor Gott hochmütig machen und sie zu Fall bringen kann (Sprüche 16,18). Zum anderen sind Reiche in der Gefahr, dass sie sich auf ihren Reichtum verlassen, der ihre Zukunft scheinbar absichert, anstatt auf Gott, der unser Leben in seiner Hand hält.
Timotheus sollte ihnen gebieten, nicht stolz zu sein, auch nicht auf den unsicheren Reichtum zu hoffen, sondern auf Gott, der seine Kinder gern ausreichend versorgt. Diesen Glauben an Gott sollten sie nicht nur haben, sondern ihn auch praktizieren, indem sie mit ihrem Geld gute Werke tun und gerne mit anderen teilen und sich so einen Schatz im Himmel sammeln, damit sie das wahre ewige Leben erlangen. Gott achtet darauf, ob man nur „theoretisch“ auf Gott seine Hoffnung setzt, oder ihn auch praktisch zum Ziel seines Lebens gemacht hat.
Was bedeutet das für uns? Hier wird nicht gesagt, dass Reichtum an sich verwerflich wäre. Aber unser Text warnt uns im vorderen Abschnitt davor, nach Reichtum zu trachten, ihn zum Ziel zu machen. In diesen Versen hier lernen wir, dass es sehr wichtig ist, dass diejenigen, die reich sind, damit richtig umgehen. Ich weiß nicht, ob jemand in unserer Gemeinde reich ist. Aber im Vergleich zu den Menschen damals sind wir wohl alle materiell in einer besseren Situation als die meisten damals. Deshalb dürfen wir uns auch diese Verse zu Herzen nehmen. Wir sollten nicht auf das, was wir haben, stolz sein noch darauf vertrauen. Vielmehr sollten wir unsere Hoffnung auf Gott setzen und gerne mit anderen teilen und uns so einen Schatz im Himmel sammeln. Jesus sagte seinen Jüngern: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo Motten und Rost sie fressen und wo Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motten noch Rost sie fressen und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“ (Matthäus 6,19-21). Heute überlegen viele, wie sie ihr Geld am besten investieren können, auch wenn sie nur 50 oder 100 Euro im Monat übrighaben. Hier lernen wir aber, dass wer aus dem Glauben seinen Besitz mit anderen teilt, sich einen Schatz für die ewige Zukunft sammelt. Wer das nicht nur theoretisch weiß, sondern praktisch danach lebt, kann sein Herz vor der Geldgier hüten und sein ganzes Herz Gott geben, sodass Gott ihm das ewige Leben geben kann.
Was schreibt Paulus ganz zum Schluss seines Briefs? Verse 20 und 21 sagen: „O Timotheus! Bewahre, was dir anvertraut ist, und meide das ungeistliche lose Geschwätz und das Gezänk der fälschlich so genannten Erkenntnis, die einige verkünden; sie sind vom Glauben abgeirrt. Die Gnade sei mit euch!“ Paulus ermahnt ihn noch einmal, das ihm anvertraute Evangelium festzuhalten und Diskussionen mit den Irrlehrern zu vermeiden und befahl ihn und die anderen Gläubigen der Gnade Gottes an.
Heute haben wir gelernt, warum wir einen guten Kampf des Glaubens führen sollen und wie wir das tun können. Gott helfe jedem von uns, täglich einen guten Kampf des Glaubens zu kämpfen, damit wir alle Hindernisse überwinden und Jesus immer tiefer erkennen und das ewige Leben ergreifen können!

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Fragebogen: 1. Timotheus 6,1-21

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Ergreife das ewige Leben

„Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.“

(1. Timotheus 6,12)

 

  1. Wie sollten sich die gläubig gewordenen Sklaven gegenüber ihren Herren verhalten (1; Epheser 6,5-8)? Warum (2)? Wie können diese Anweisungen heute angewandt werden?
  2. Was sind die Probleme derjenigen, die nicht bei den heilsamen Worten Jesu bleiben, sondern anders lehren (3-5; 2.Petrus 3,16)? Warum meinen sie, Frömmigkeit diene dem materiellen Gewinn (5b)?
  3. Was ist wirklich ein großer Gewinn (6; Philipper 4,11-13) Welche Einstellung sollten wir deshalb haben (7.8)? In was fallen diejenigen, die reich werden wollen? (9) Warum ist Geldgier eine Wurzel allen Übels (10)?
  4. Wovor sollte Timotheus als Mensch Gottes fliehen? Wonach sollte er jagen (11)? Warum sollte er den guten Kampf des Glaubens kämpfen (12; vgl. 1,18)? Wie können wir das tun (12; 2.Korinther 10,3-5)? Was gebot Paulus Timotheus feierlich (13-16)
  5. Welche Anweisung gab er den Reichen (17-19)? Was sollten sie tun, um das wahre Leben zu ergreifen? Wozu ermahnte er Timotheus schließlich (20-21)?

 

 

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Predigt: 1. Timotheus 5,1-25

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Die Gemeinde: deine Familie

„Ehre die Witwen, wenn sie wirklich Witwen sind!“

(1. Timotheus 5,3)

Wir haben gesehen, dass es zum Verständnis vom 1. Timotheusbrief einen wichtigen Schlüssel gibt: Falsche Lehrer trieben ihr Unwesen in der Gemeinde von Ephesus. Sehr wahrscheinlich waren unter den falschen Lehrern Älteste. Und wir können ziemlich sicher davon ausgehen, dass Frauen ein Teil dieses Problems waren. Paulus geht das Problem an, indem er sehr konkrete und sehr spezifische Anweisungen gibt, was Timotheus inmitten dieser Situation tun sollte – so spezifisch, dass er ihm sogar in Vers 23 sagt, dass er nicht nur Wasser trinken sollte, sondern auch etwas Wein.
Dieser Hintergrund ist wichtig zum Verständnis unseres heutigen Texts. Es geht darum, wie die Witwen in der Gemeinde versorgt werden sollten. Wir könnten meinen, dass das nur bedingt etwas mit unserer Gemeinde zu tun hat. Wir sind immer noch eine relativ junge Gemeinde. Wir scheinen andere Probleme zu haben, als uns um Hinterbliebene zu kümmern. Und doch glaube ich daran, dass uns dieser Text richtig viel zu sagen hat. Es stecken ein paar Annahmen dahinter, die richtig relevant für uns sind.
Folgende Punkte können wir mitnehmen: erstens, die Gemeinde ist deine Familie; zweitens, jede Familie braucht Regeln zum Zusammenleben; drittens, die christliche Familie hat eine identitätsstiftende Grundlage.

1. Die Gemeinde ist deine Familie
Wir sehen den ersten Punkt in den ersten zwei Versen. Wir lesen da: „Einen älteren Mann sollst du nicht grob behandeln, sondern ihm zureden wie einem Vater. Mit jüngeren Männern rede wie mit Brüdern, mit älteren Frauen wie mit Müttern, mit jüngeren wie mit Schwestern, in aller Zurückhaltung!“ Timotheus war der temporäre Leiter in Ephesus. Als Leiter hatte er eine ganze Reihe von schwierigen Gesprächen zu führen. Wir können davon ausgehen, dass es bei einigen von diesen Gesprächen richtig zur Sache ging, dass der Ton etwas rauer werden konnte. Aber das sollte Timotheus nicht davon abhalten, respektvoll zu sein. Timotheus sollte ältere Männer niemals hart angehen. Paulus sagte nicht, dass Timotheus die älteren Männer nicht ermahnen sollte. Wenn es entsprechenden Grund gab, sollte er das tun. Aber er sollte es so tun, wie er seinen eigenen Vater ermahnen würde: mit Liebe und Respekt.
In diesen zwei Versen erwähnt Paulus Väter, Mütter, Brüder und Schwestern. Uns fällt hier auf, welche Arten von Verwandtschaften Paulus nicht erwähnt. Paulus spricht nicht von Onkeln und Tanten oder Nichten und Neffen; er erwähnt keine Opas und Omas oder Enkelkinder; er nennt hier auch keine Cousins und Cousinen, zweiten oder dritten Grades. Er spricht von den engsten Familienmitgliedern, die man haben kann. Außer dem Ehepartner gibt es keine engere Bindung. Viele Stellen in der Bibel weisen uns darauf hin, dass wir innerhalb der Gemeinde Brüder und Schwestern sind. In Matthäus 23,8 sagte Jesus: „Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder.“ Und Jesus hatte damit gemeint, dass die Gemeinschaft der Gläubigen aus Brüdern und Schwestern besteht.
Was bedeutet das dann für uns? Mindestens zwei Anwendungen können und sollten wir hier unbedingt mitnehmen. Zum einen bedeutet es, dass unsere Beziehungen hier in dieser Gemeinde wirklich wichtig sind. Übrigens gilt das nicht nur für unsere lokale Gemeinde hier, sondern definitiv auch gemeindeübergreifend. Aber weil Jesus uns gelehrt hat, dass wir unsere Nächsten lieben sollen, lass uns gerne hier in diesem Raum anfangen. Neben dir, vor dir und/oder hinter dir sitzen dein Bruder und deine Schwester. Die Person, neben der du sitzt, ist nicht egal. Sie kann dir nicht gleichgültig sein. Und vielleicht bist du hier reingekommen und hast erst einmal geschaut, neben wem du dich sitzen kannst. Vielleicht dachtest du, dass du mit der Person neben dir, nichts gemeinsam hast, weil du denkst, dass ihr Null gemeinsame Interessen habt, weil ein kultureller Unterschied besteht, weil der Altersabstand zu groß ist. Wenn du eher zu den Älteren gehörst, dachtest du vielleicht, dass du mit der jüngeren Person neben dir nichts anfangen kannst, weil er oder sie jeden zweiten Satz mit den Worten beginnt: „Ey Digger …“ Wenn du zu den Jüngeren gehörst, denkst du vielleicht, dass du mit den Älteren nichts anfangen kannst, weil sie noch nicht einmal wissen, was TikTok ist.
Aber Fakt ist, dass wir uns da nicht mehr irren könnten. Das, was dich mit der Person neben dir verbindet, ist größer, stärker, weitreichender, langanhaltender als die Beziehungen zu deiner leiblichen Familie, weil Jesus eure gemeinsame Grundlage ist. Der kleinste gemeinsame Nenner ist Jesus, und Jesus ist größer als das ganze Universum. Die Person, neben der du gerade sitzt, ist wichtig. Die Person, neben der du sitzt, ist dein Bruder und deine Schwester. Eines Tages wirst du deine ganze Ewigkeit mit ihm oder mit ihr verbringen. Also fang besser jetzt schon an, dich für die andere Person zu interessieren. Fang jetzt schon an, deren Wohlbefinden auf deinem Herzen zu haben.
Eine weitere Anwendung hat etwas mit dem Aspekt der Qualität der Beziehungen zu tun. Denken wir einmal kurz über die Beziehungen nach, die wir in unserem Leben haben: unsere Freundschaften, der oder die Ehepartner/in oder Verlobte, unsere Eltern, unsere Kinder, die Kollegen, die Mannschaft im Sportverein, unser Bekanntenkreis. Im Prinzip ist es so, dass man zwei Arten von Beziehungen unterscheiden kann, ganz grob gesprochen. Auf der einen Seite sind Geschäftsbeziehungen und dann gibt es Bundesbeziehungen. Und das erfordert ein paar erklärende Worte.
Wenn wir das Wort „Geschäftsbeziehungen“ hören, dann denken wir an unser Berufsleben, die Kunden, um die wir uns kümmern müssen, Networking usw. Das, was diese Art von Beziehungen im Wesen ausmacht, ist, dass sie an Bedingungen geknüpft sind. Solange wir einen Benefit haben, solange es uns etwas bringt, bleiben wir in dieser Beziehung. Wenn wir aber merken, dass wir dauerhaft mehr investieren müssen als wir herausbekommen, dass es uns nur Nachteile, Mühe, Strapazen und Stress bringt, dann beenden wir diese Beziehung. Geschäftsbeziehungen sind kein Selbstzweck.
Bundesbeziehungen funktionieren ganz anders. Sie beruhen auf der Tatsache, dass wir ein Versprechen abgeben, dass wir uns freiwillig dazu verpflichten. Wenn wir uns auf eine solche Beziehung einlassen, dann verbleiben wir auch dann noch darin, wenn es uns Nachteile bringt. Wir bleiben auch dann noch in der Beziehung, wenn es uns nichts als Nachteile bringt. Denken wir zum Beispiel an unsere Kinder: wir pflegen und hegen sie, ernähren sie, haben schlaflose Nächte ihretwegen, kleiden und baden sie, und lesen ihnen zum tausendsten Mal ihr Lieblingsbuch vor, das wir schon längst auswendig gelernt haben. Und was ist der Dank? Sie werden Teenager und sagen uns: „Was hast du denn jemals für mich getan? Du verstehst mich nicht! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben!“ Nichts als Ärger.
Ich kann mich an eine Situation erinnern, in der ich mich (natürlich völlig zurecht) über eine Person geärgert habe. Ich weiß nicht mehr, was genau ich in dieser Situation gesagt hatte. Aber meine Frau hatte sich das angehört, und dann zu mir gesagt: „Das, was du damit sagst, heißt ja nichts anderes als dass deine Liebe an Bedingungen geknüpft ist.“ Meine Antwort darauf war: „Genau, meine Liebe ist konditional. Ich liebe unsere Kinder so lange, wie sie sich zu benehmen wissen!“
Ich hatte mich mit Kollegen unterhalten, wie sie mit ihren Kindern klarkommen. Und einer von ihnen sagte zu mir: „Ich sehe die Mühen und Opfer als einen Generationenvertrag.“ Obwohl Kindererziehung echt anstrengend ist, bleiben wir in dieser Beziehung und absorbieren den ganzen Schmerz. Wir enterben die Kinder nicht einfach (zumindest noch nicht). Warum? Weil wahre Liebe bedingungslos ist. Weil die Beziehung an sich einen Wert hat. Und wisst ihr was? Am Ende des Tages machen uns diese Art von Bundesbeziehungen viel glücklicher. Es macht das Leben erst lebenswert.
Das Problem unserer westlichen Gesellschaft ist, dass so viele unserer Beziehungen selbst unter Freunden oder in der Gemeinde oder selbst beim Ehepartner, meistens unbewusst als Geschäftsbeziehungen gelebt werden. Vermutlich ist das einer der Hauptgründe, weshalb mehr als ein Drittel der Ehen in Deutschland geschieden werden: „Warum sollte man in einer Ehe leben, in der man selbst nicht glücklich wird?“ Damit meine ich nicht häuslichen Missbrauch und Gewalt: Natürlich sollte man aus einer Beziehung raus, in der man misshandelt wird. Aber in unserer Kultur ist der Glaube tief verankert, dass Ehe und Partnerschaft dazu da sind, dich glücklich zu machen; und wenn du in der Partnerschaft nicht glücklich bist, dann ist es die Beziehung nicht wert.
Wir sehen Ähnliches auch in der Gemeindezugehörigkeit. Tim Keller schrieb in einem Aufsatz: „Gläubige wechseln oft die Gemeinde und die christliche Gemeinschaft, sobald sie sich in einer ihrer Beziehungen unwohl oder unglücklich – oder auch nur gelangweilt und uninspiriert – fühlen.“ Und genau so sollten die Beziehungen in der Gemeinde nicht sein. Brüder und Schwestern zu sein, bedeutet, dass wir einander eine verbindliche Zusage machen; dass wir auch dann füreinander einstehen, wenn es unangenehm ist oder gar nicht gut läuft. Die Beziehungen in der Gemeinde sind kategorisch Bundesbeziehungen, nicht Geschäftsbeziehungen.
Ein letztes Beispiel, bevor ich weitermache. Vor einigen Wochen waren die christlichen Hochschulgruppenleiter bei uns zu Hause zum Frühstück. Pastor J.L. war auch dabei. Es gab eine ziemlich lange und verfahrene Diskussion, weil bei einer gemeinsamen Veranstaltung ein Prediger eine ziemlich kontroverse Predigt gehalten hatte. Mitarbeiter der einen Hochschulgruppe hatten den Raum verlassen, weil sie mit der Predigt nicht klarkamen. Ihr Leiter stellte sich hinter seine Mitarbeiter. Am gleichen Tisch saß aber gleichzeitig derjenige, der den Prediger eingeladen hatte, und er fühlte sich persönlich angegriffen. Es ging eine ganze Weile hin und her. Irgendwann hat J.L. interveniert. J.L. wendete sich an den Leiter, dessen Leute während der Versammlung gegangen waren. Und er sagte einen dieser Sätze, die ich nicht vergessen kann: „Du bist ein Leiter. Also trägst du Mitverantwortung für den Prediger, auch wenn du mit der Nominierung nicht einverstanden warst. Es ist ein Prinzip christlicher Einheit, auch das mitzutragen, was nicht gut läuft, und jemanden den Rücken freizuhalten, auch wenn man nicht einverstanden ist.“ Es bedeutet nicht, dass kein Raum für Ermahnung vorhanden ist; es bedeutet nicht, dass man nicht sagt, wenn einem etwas nicht passt. Aber es bedeutet, dass die Beziehung im Vordergrund steht; dass wir auch dann zur Beziehung stehen, wenn es uns wirklich kostet, einschließlich unserer Glaubwürdigkeit.
Welche Beziehungen hast du, die nicht Geschäftsbeziehungen sind, wo es nicht primär um deine Erfüllung, um dein Glück und um deine Bedürfnisse geht? Welche Beziehungen hast du in der Gemeinde?

2. Jede Familie braucht Regeln im Zusammenleben
In den Versen 3–16 gibt Paulus Anweisungen bezüglich der Versorgung der Witwen. Wir alle wissen, dass Witwen damals in einer extrem verletzlichen Lage waren. In der Regel waren Witwen auf Hilfe von außen angewiesen. In der Bibel sind Witwen ein Sinnbild für Hilfsbedürftigkeit. Aber was in den Augen der Menschen gering aussieht, ist so wertvoll in Gottes Augen. Wir lesen in Vers 5: „Eine Frau aber, die wirklich eine Witwe ist und allein steht, setzt ihre Hoffnung auf Gott und betet beharrlich und inständig bei Tag und Nacht.“ Uwe Schäfer hatte sich voller Respekt über die alten Frauen geäußert, die beten können: „Und wenn sie dann auch noch anfangen, im Gebet zu weinen, dann bekommen sie bei Gott einfach alles durch.“ In Boston hatte ich einmal an einem christlichen Symposium teilgenommen, wo auch ein Vertreter der russischen Kirche gesprochen hatte. Er erzählte, wie jemand etwas verächtlich über die Gemeinde Jesu in Russland gesagt hatte: „Eure Gemeinde besteht doch nur aus alten Frauen. Was macht ihr, wenn eure alten Frauen tot sind?“ Seine Antwort war: „Sie werden durch die nächste Generation von alten Frauen ersetzt.“
In Gottes Augen sind Witwen großartige Menschen. Die Gemeinde hatte die Aufgabe, diese Witwen zu versorgen. Welches Problem gab es in der Gemeinde Ephesus? Ein Problem war, dass das sehr viel Geld kostete. Und die Gemeindekasse gab das einfach nicht mehr her. Es gab zu viele Frauen, die versorgt werden mussten. Die Frage war dann, ob wirklich alle Frauen zurecht Hilfe bekamen.
Paulus stellt folgende Kriterien auf: Eine Witwe die Kinder oder Enkel hat, soll von ihren Angehörigen versorgt werden. In Vers 8 sagt Paulus, dass Angehörige, die nicht für ihre eigenen Hilfsbedürftigen aufkamen, schlimmer sind, als die Ungläubigen. D. h., selbst von Nichtchristen erwartete die Gesellschaft, dass sie sich um ihre Angehörigen kümmerten. Christen, die das nicht machten, waren in diesem Sinne schlimmer als ihre nicht gläubigen Nachbarn. Neben der Tatsache, dass Witwen alleinstehend sein sollten, kamen charakterliche Qualifikationen hinzu. Wir finden in dieser Liste gewisse Parallelen zu den Qualifikationen, die von Ältesten und Diakonen erwartet werden: Die Witwen, die von der Gemeinde versorgt werden sollten, waren mindestens 60 Jahre alt, Frau von einem Mann, was vermutlich bedeutet, dass sie zeit ihres Lebens ihrem Ehemann treu war, bekannt für ihre guten Werke, hatte Kinder großgezogen, war bekannt für ihre Gastfreundschaft und Dienerschaft. In Vers 3 schrieb Paulus: „Ehre die Witwen, wenn sie wirklich Witwen sind!“ In seinen Augen waren das die „richtigen“ Witwen, die primär von der Gemeinde versorgt werden sollten. Sie sollten auf die Liste.
In den Versen 11–15 schreibt Paulus welche Witwen nicht auf die Liste kommen sollten: jüngere Frauen. Ihnen gab er den Rat, dass sie heiraten sollten. Idealerweise sollten sie Familien gründen, Kinder zur Welt bringen. Warum diese Anweisung? Weil anscheinend diese Witwen vorher ein ziemlich gutes Leben hatten: Sie wurden von der Gemeinde versorgt, hatten aber keine besonderen Aufgaben. Für sie wurde Klatsch und Tratsch ihre Hauptmission.
Was können hier mitnehmen? Ich denke nicht, dass diese Anweisungen eine allgemeine Abhandlung darüber sind, wie eine Gemeinde ihre Witwen zu versorgen hat. Dieser Brief ist keine Bedienungsanleitung für die Gemeinde. Zum Beispiel denke ich nicht, dass die Grenze von 60 Jahren absolut ist, und dass eine alleinstehende Frau heute, die Hilfe braucht und die vielleicht nur 55 Jahre alt ist oder 59 Jahre und 10 Monate, nicht von der Gemeinde versorgt werden darf. Paulus gibt sehr spezifische Anweisungen an eine Gemeinde, die in einer sehr speziellen Lage war. Und was wir hier sehen, ist, dass Paulus nicht nur ein großartiger Visionär war. Er war auch ein Macher. Er hatte genug praxisnahe Gemeindeerfahrung, um pragmatische Lösungen zu finden.
Jede Familie braucht Regeln fürs Zusammenleben. Und vor diesem Hintergrund denke ich, dass es gut und hilfreich ist, dass eine Gemeinde eine Gemeindesatzung hat. Und dass es die Regel gibt, dass Essensreste nicht einfach in der Mülltonne entsorgt werden und unter der Woche zu einer Brutstätte für Fliegen werden, sondern dass wir organische Abfälle direkt draußen entsorgen. Auch dieser Aspekt gehört zu einem Familienleben dazu.

3. Die christliche Gemeinde hat eine identitätsstiftende Grundlage
Wir haben gesehen, dass Paulus‘ Verständnis von christlicher Gemeinde eine Familie ist. Und wir haben gesehen, dass eine Familie sich um die Menschen kümmern soll, die ansonsten niemanden haben. So weit so religiös. Das Christentum ist nur ein Glaube, der dazu auffordert, dass wir uns um die Bedürftigen kümmern. Und es könnte den Eindruck erwecken, dass es zwei Kategorien von Menschen gibt: diejenigen, die helfen können und die anderen, die Hilfe brauchen; diejenigen, die was haben und was abgeben können und die anderen, die arm sind und nichts haben; diejenigen, die gut im Leben dastehen und die anderen, die ihr Leben nicht auf die Reihe kriegen.
Wenn wir den Text betrachten, dann sehen wir, dass Paulus das überhaupt nicht so sah. Im Gegenteil, die Witwen, die versorgt werden sollen, haben nicht nur Qualifikationen, sondern Ansehen und Würde. Es sind die Witwen, die nicht unbedingt auf Hilfe von der Gemeinde angewiesen sind und es doch tun, die Paulus kritisiert. Vertauschte Rollen! Wie kommt das? Es hat etwas mit der Identität zu tun, die es uns erst erlaubt, Teil von Gottes Familie zu werden. Wie wurden wir zu Gottes Familie?
In Johannes 15,14 sagt Jesus zu seinen Jüngern: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“ Das waren seine Worte in der Nacht vor seinem gewaltsamen Tod. Und wir sehen einen bemerkenswerten Wechsel in Jesu Wortwahl, nachdem er am Kreuz gestorben und auferstanden war. In Johannes 20,17 spricht Jesus zu Maria Magdala: „Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“ Wie wurden wir also Teil von Gottes Familie? Am Kreuz wurde Jesus, der eine und der wahre Sohn Gottes vom Vater verlassen. Jesus verlor die Liebe, die Anerkennung, die freundliche Zuwendung des Vaters als er starb. Jesus bietet uns einen wunderbaren Tausch an: sein vollkommenes Leben gegen unser verkorkstes Leben; sein Status als geliebter Sohn gegen unseren Status als Feinde Gottes; seine Identität gegen unsere Namenslosigkeit. Unsere Identität als Brüder und Schwester Jesu ist, dass wir Sünder sind, die von Gott unendlich geliebt sind und gerettet sind durch das Opfer seines Sohnes.
Das heißt, dass es im Evangelium nicht die Helfer und die Hilfsbedürftigen gibt. Wir sind allesamt die Hilfsbedürftigen. Wir alle sind die Witwe, die in Jesus den wahren Bräutigam gefunden haben. Wir alle sind die Waisenkinder, die in Gott ihren wahren Vater gefunden haben. Wir alle sind die verlorenen Söhne, die durch unseren wahren älteren Bruder Jesus gefunden wurden. Und wenn wir bereit sind, diese Hilflosigkeit immer und immer wieder neu einzugestehen und zu bekennen, dann haben wir die eine Grundlage, Jesus immer wieder neu zu begegnen. Und das ist der Grund, weshalb die wirklich hilfsbedürftigen Witwen, die alten Frauen, die niemanden hatten außer Jesus, in Paulus Augen so würdevoll und so wertvoll waren.
Lasst mich mit einem Beispiel abschließen. Joni Eareckson-Tada ist eine ältere Frau, die als 17-jähriges Mädchen einen Badeunfall hatte und seither querschnittsgelähmt ist. Sie sitzt seit mehr als fünf Jahrzehnten im Rollstuhl. Als eine behinderte Person ist sie ein Beispiel von Hilfsbedürftigkeit. Sie braucht Hilfe beim Aufstehen, Hilfe beim Waschen, Hilfe beim Anziehen, Hilfe für die einfachsten Dinge des Lebens. Eines Nachts wollte sie weinen, aber sie wusste, dass sie noch nicht einmal in der Lage war, sich selbst die Tränen abzuwischen. Also hat sie ihren ganzen Kummer geschluckt.
Bei einem Vortrag hat sie Folgendes gesagt:
„Ich hoffe, dass es möglich ist, im Himmel meinen Rollstuhl mit dabei zu haben. Wenn es möglich wäre, diesen Rollstuhl mit mir im Himmel zu haben, dann würde ich zu meinem Heiland gehen, und ich würde ihm folgendes sagen: ‚Herr Jesus, siehst du diesen Rollstuhl da? Bevor du ihn in die Hölle schickst, möchte ich dir etwas bekennen. Du weißt das alles bereits. Aber gib mir das Vergnügen, dich zu preisen, wenn ich dir das sage. Je schwächer ich in diesem Ding dort war, desto mehr habe ich mich auf dich gestützt. Und je mehr ich mich auf dich gestützt habe, desto mehr habe ich erkannt, wie stark du bist. Ich bin so dankbar.‘ “
Liebe Brüder und Schwestern, was ist eure Schwäche, die euch auf solche Art und Weise zu Jesus bringt?

 

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Fragebogen: 1. Timotheus 5,1-25

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Vom richtigen Umgang mit anderen in der Gemeinde

„Ehre die Witwen, die allein sind!“

(1. Timotheus 5,3)

  1. Wie sollte Timotheus mit älteren und mit jüngeren Männern umgehen? Und wie mit älteren und mit jüngeren Frauen (1.2)?
  2. Welche Witwen sollte die Gemeinde ehren (d. h. offiziell anerkennen und versorgen) (3-10)? Warum sollte eine Witwe, die Kinder oder Enkel hat, von diesen versorgt werden (4.8; vgl. 16)? Was schreibt Paulus über jüngere Witwen (11-15)?
  3. Wie sollten die Ältesten, die der Gemeinde gut vorstehen, geehrt werden (17.18)? Wie sollte Timotheus als Leiter mit Klagen gegen Älteste umgehen? Warum (19-21)?
  4. Welche Ratschläge gab Paulus ihm schließlich (22.23)? Welche geistliche Einsicht sollte er haben (24.25)? Was kannst du in diesem Text lernen?
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