Predigt: Psalm 23,1-6 — Ostern 2024

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Der Herr ist mein Hirte

„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“

(Psalm 23,1)

Frohe Ostern! Millionen von Christen feiern heute Jesus, der von den Toten auferstanden ist! Unser heutiger Text ist wohl der bekannteste der 150 Psalmen und eines der berühmtesten Kapitel in der Bibel. Dafür gibt es wahrscheinlich mehrere Gründe. Denn in diesem Psalm beschreibt der König David in nur sechs Versen mit poetischen Worten, als wen er Gott in seinem Leben erfahren hat. Dieser Psalm hat wohl gerade deshalb so eine starke Anziehungskraft, weil hier nicht etwas allgemein über Gott gelehrt wird, sondern weil David seine ganz persönliche Erfahrung mit Gott wiedergibt. Und gleichzeitig gilt das, was dieser Psalm bezeugt, nicht nur in Bezug auf David, sondern beschreibt Gottes Wesens, das für jeden erfahrbar ist.

Manche fragen sich vielleicht, warum wir diesen Psalm zu Ostern studieren. Diejenigen von uns, die auch an Karfreitag hier waren, haben mit M. gemeinsam den Psalm 22 betrachtet. Dieser Psalm enthält etliche Verse, die das Leiden Jesu am Kreuz genau beschreiben bzw. die sich bei der Kreuzigung Jesu wortwörtlich erfüllt haben; zum Beispiel der Vers: „Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand“ (Ps 22,19)
Der Psalm 22 wird deshalb auch der messianische Leidenspsalm genannt. Während der Verfasser David im Psalm 22 in bedrückender Anschaulichkeit das Leiden Jesu vorausgesagt hat, beschreibt derselbe David im darauf folgenden Psalm 23 sein gesegnetes Leben mit Gott, seinem Hirten. Lasst uns heute Davids Glaubenszeugnis über sein gesegnetes Leben mit Gott, seinem Hirten und dadurch Gott selbst besser kennenlernen! Gott möge uns helfen zu verstehen, inwiefern auch der Psalm 23 prophetisch auf Jesus hinweist und wie seine Aussagen durch Jesu Tod und Auferstehung in vollem Maße in unserem Leben in Erfüllung gehen!

Was hat David über Gott bezeugt? Betrachten wir den Text! Der Psalm beginnt mit den Worten: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ David beschreibt hier zusammenfassend seine Erfahrung in seinem Leben mit Gott. Davids Leben war eigentlich alles andere als einfach oder geradlinig. Wie viele wissen, war David der siebte und jüngste Sohn seines Vaters Isai. Damals spielte das Alter und die Körpergröße noch eine viel größere Rolle als heute. David war relativ klein und sowieso der Jüngste; er musste von klein auf lernen, demütig zu sein, weil seine älteren Brüder alles besser wussten und besser konnten, und er musste oft die Arbeit machen, die kein anderer machen wollte. David musste vor allem Tag und Nacht die Schafe seines Vaters hüten. Dabei zeigte sich, dass er ein mutiger junger Mann mit einem echten Hirtenherz war. Denn wenn ein Löwe oder Wolf kam und eines der Schafe raubte, kämpfte David mit der bloßen Faust gegen das Raubtier und schlug auf es ein, bis es das erbeutete Schaf wieder freigab. Eines Tages kam der Prophet Samuel auf Gottes Befehl hin zu lsais Familie und goss – zur Überraschung aller – Salböl auf Davids Kopf und verkündete ihm, dass Gott ihn zum Fürsten über sein Volk Israel erwählt hatte.

Diese persönliche Verheißung Gottes klang großartig, aber sie bedeutete gar nicht, dass Davids Leben von da an besser oder gar glänzend wurde. Als die Philister das Land belagerten, musste David weiter zu Hause die Schafe hüten und hatte den Job, seinen Brüdern an der Front ab und zu ein Essenspaket zu bringen. Als er bei dieser Gelegenheit über die Lästerungen des riesengroßen Philisters Goliath in heiligen Zorn geriet und ihn zum Kampf herausforderte und ihn mit einer Schleuder und einem Kieselstein tötete, wurde der König Saul auf ihn aufmerksam. David wurde an Sauls Hof geholt und wurde sein persönlicher Diener. Obwohl David alles gab, um Saul als Musiker und als Soldat treu zu dienen, wurde Saul wegen Davids Erfolg im Kampf und seiner wachsenden Popularität eifersüchtig und fing an, ihn zu hassen. Für David begann eine leidvolle Zeit von etwa zehn Jahren, in denen er ständig auf der Flucht leben musste, weil Saul ihn mit seinen Leuten überall im Land verfolgte und ihn umbringen wollte. David wusste nie so recht, wem er vertrauen konnte, weil der König alle im Volk angewiesen hatte, seinen Aufenthaltsort zu verraten. Manchmal konnte David Sauls Männern nur um Haaresbreite entkommen. Wie konnte David so viele Jahre lang in einem relativ kleinen Land wie Israel der Verfolgung durch Sauls Truppen entgehen? Wie konnte David all das auch psychisch aushalten – die ständige Verfolgung und Lebensgefahr, die Tatsache, dass er fast niemandem vertrauen konnte und auf sich selbst gestellt war? Wie konnte David den Widerspruch zwischen der Verheißung Gottes, dass er der König von Israel sein sollte, und der Realität, dass er jahrelang wie der schlimmste Staatsfeind im ganzen Land gejagt wurde ertragen? Wir würden erwarten, dass er an diesem scheinbaren Widerspruch zwischen Gottes Wort und seiner sichtbaren Realität schon längst verzweifelt wäre und seinen Glauben aufgegeben hätte.

Aber was sagte David in Wirklichkeit über Gott? Er bekannte: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.“ (Ps 23,1-3)

David bekannte, dass Gott sein guter Hirte ist, der ihn auf grüne Auen und zum frischen Wasser führt. David sagte damit, dass Gott sich immer um ihn gekümmert und ihn versorgt hat. Das ist sowohl geistlich als auch praktisch zu verstehen. Gott hat ihn jahrelang während der Verfolgung versorgt, so dass er immer eine Zuflucht fand und etwas zu essen und zu trinken bekam. Gott hat ihn auch geistlich immer wieder auf eine grüne Aue geführt und ihn in seinem Kummer getröstet und ihn mit seinem Wort und seiner Gegenwart erquickt. Selbst als sich einmal Davids eigene Leute gegen ihn wandten, weil während ihres Feldzugs die Feinde ihre Frauen und Kinder überfallen und getötet hatten, heißt es, dass David sich im Herrn stärkte. David suchte gerade in der Not Gottes Nähe und seine Hilfe, und er empfing von Gott immer neu Trost, Weisheit, Orientierung und Kraft. Wegen unzähliger solcher Erfahrungen hatte David die feste Zuversicht auf Gott: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“

Obwohl David solchen Glauben lernte, wurde sein Leben nach Sauls Tod und seiner Einsetzung als König über ganz Israel keineswegs einfach. David musste jahrelang gegen verschiedene Feinde kämpfen, die sich den Israeliten entgegenstellten und sie unterjochen wollten. Er musste Intrigen in seiner Armeeführung und schwere Verbrechen wie Vergewaltigung und Mord durch seine eigenen Söhne erleben. Davids Leben war oft so dramatisch; er muss auch innerlich oft an seine Grenzen gestoßen sein.

Aber in allen Situationen erlebte er, dass Gott bei ihm war und ihn nicht im Stich ließ, dass Gott ihn hörte, wenn er ihn anrief, und ihm treu aus allen Nöten heraus half. Aufgrund unzähliger solcher Erfahrungen bekannte David: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Er hatte eine feste Zuversicht darauf, dass Gott sein Hirte ist, der ihn nie im Stich lässt. Aufgrund dessen hatte er die Gewissheit, dass es ihm auch in der Zukunft an nichts Wichtigem fehlen wird – anders ausgedrückt hatte er die Zuversicht, dass alles gut werden wird.

Dieses Glaubensbekenntnis war nicht nur oberflächlich, sondern wurde immer wieder auf die Probe gestellt. Es gab in Davids Leben wiederholt auch Zeiten, die für ihn wie ein dunkle Täler waren. Einmal machte sein Sohn Absalom einen gut vorbereiteten Aufstand gegen ihn, sodass David mit seinen Leuten aus Jerusalem fliehen musste. Er wurde vom eigenen Sohn vom Thron gestoßen und aus der Stadt gejagt und musste gegen ihn und seine Landsleute um sein Leben kämpfen, wobei der Ausgang dieses Bürgerkriegs lange ungewiss war. Diese Situation war wirklich traurig und wirklich dramatisch. Das war wohl ziemlich sicher eine der Zeiten, an die David gedacht hat, als er im Vers 4 vom finsteren Tal spricht, oder anders übersetzt vom Tal des Todesschattens. David muss so enttäuscht und so traurig über seinen Sohn und die ganze Situation gewesen sein. Außerdem war sein Leben akut bedroht, weil Absaloms Truppen ihm nachjagten. Aber auch in dieser massiven Notlage half Gott ihm und lenkte die Entwicklung so, dass David zurückkehren und wieder als König eingesetzt werden konnte. So bekennt er im Vers 4: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“ David hatte noch etliche andere Probleme erlebt, die wie finstere Täler waren. Aber er geriet nicht in Furcht, weil Gott bei ihm war.

Manche unterstellen den Christen, dass sie nur so lange glauben, wie nichts wirklich Schlimmes in ihrem Leben passiert. Tatsächlich kann vieles im Leben eintreten, was uns wie ein dunkles Tal vorkommt: Wenn wir ein so großes Problem haben, dass wir keine Lösung dafür sehen können; wenn innere oder praktische Nöte so groß werden oder so lang dauern, dass wir kein Licht am Ende des Tunnels sehen; oder wenn wir wegen verschiedener Erfahrungen nach und nach die Vision für unser Leben verlieren und in Traurigkeit geraten, aus der wir gar nicht mehr allein herauskommen.

Der Vers 4 hilft uns zu erkennen, dass es bei Nöten zwei verschiedene Faktoren gibt, nämlich einmal das Problem an sich und zum anderen, wie wir damit umgehen. David spricht vom finsteren Tal, vom Tal der Schatten des Todes, also von Wegstrecken in seinem Leben, bei denen es sehr ernste Probleme gab, die auch bedrohlich aussahen, sogar lebensbedrohlich. Aber im Kontrast dazu betont David, dass er kein Unglück fürchtete. Das heißt, er geriet nicht in Furcht. Was große, scheinbar unlösbare große Probleme wirklich schrecklich macht, ist, wenn wir ihretwegen im Herzen den Glauben an Gott verlieren und deswegen in Furcht geraten, die uns alles fraglich erscheinen lässt und uns in Gefühle der Hilflosigkeit und Verzweiflung stürzt. Dann wird das finstere Tal wirklich schrecklich. Aber David geriet auch im dunklen Tal, wo er keinen Ausweg sehen konnte, nicht in Furcht, sogar auch angesichts des Todesschattens nicht. Warum nicht? Er bekannte: „Denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich“ (4b). David geriet deshalb nicht in Furcht, weil er bewusst daran festhielt, dass Gott bei ihm ist und dass Gott sein Hirte ist. Er sah in der Not auf Gott, seinen Hirten, und wurde beim Anblick seines Steckens und seines Stabs getröstet. Viele haben schon überlegt, was mit Gottes Stecken und Stab gemeint ist.

lch halte die Auslegung für am überzeugendsten, dass mit Gottes Stecken und Stab sein Wort und sein Heiliger Geist gemeint sind, die uns in jeder Situation an Gottes Gegenwart erinnern und uns trösten. Davids Bekenntnis, dass er auch im finsteren Tal kein Unglück befürchtete, ermutigt uns, in allen Situationen und erst recht bei ernsten Problemen, bewusst an Gottes Gegenwart zu denken und uns durch sein Wort und die Gemeinschaft im Gebet von ihm trösten zu lassen.

Was bezeugte David noch über Gott? Betrachten wir Vers 5: „Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.“ Hier beschreibt David, wie weit die Güte und Liebe Gottes, seines guten Hirten, geht. Gott schützte ihn nicht nur vor Gefahren oder rettete ihn aus Notlagen. Gott deckte für ihn sogar auch einen Tisch im Angesicht seiner Feinde, salbte sein Haupt mit Öl und schenkte ihm voll ein. Dieser Vers ist offensichtlich gleichnishaft zu verstehen; es wird nirgends in der Bibel berichtet, dass Gott diese Dinge praktisch für David getan hätte, also vor ihm auf dem Schlachtfeld einen Tisch aufgebaut und ihm einen Kelch mit Wein voll einschenkt. Dass diese ausdrücke etwas Geistliches beschreiben, macht die Aussage in diesem Vers nicht weniger faszinierend. Das Haupt mit Öl zu salben, war etwas, was man für sehr geschätzte Gäste tat. Das und für den anderen einen Tisch vorzubereiten und ihm voll einzuschenken, und das trotz Kriegszustand im Angesicht der Feinde zu tun, bringt die verwöhnende Liebe Gottes zum Ausdruck, die David von Gott erfuhr. Gott war der gute Hirte Davids und er rettete ihn nicht nur in akuter Lebensgefahr, sondern er ließ David seine wohltuende Liebe auch darüber hinaus erfahren, die ihn erfreute und erquickte.

Welche Zuversicht hatte David aufgrund all dieser Erfahrungen für seine Zukunft? Er schreibt abschließend im Vers 6: „Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Haus des Herrn immerdar.“ Weil David wusste und immer wieder erfahren hatte, dass Gott sein guter Hirte ist, hatte er in seiner Gegenwart keine Angst vor einem Unglück, sondern hatte eine positive Sicht auf seine Zukunft. Praktisch gesehen war Davids Zukunft zu keinem Zeitpunkt sichergestellt, weder was seine eigene Gesundheit anging noch familiär noch politisch-militärisch. Aber durch den Glauben an Gott, der sein guter Hirte war, hatte David eine feste Zuversicht, dass ihm auch in der Zukunft sein Leben lang Gutes und Barmherzigkeit folgen würde. Er hatte insbesondere die Zuversicht, dass er immer im Haus des Herrn bleiben würde. Damit drückte er seine Zuversicht aus, dass er immer in einer richtigen Beziehung zu Gott bleiben und ewig mit ihm Gemeinschaft haben würde. War David so sicher, dass ihn keine Angriffe oder Gefahren von außen bedrohten? Oder war er sicher, dass er von sich aus nie sündigen würde und dadurch sein Bleiben im Haus Gottes bzw. in der Beziehung zu ihm gefährden könnte? David konnte sich weder des einen noch des anderen sicher sein. Im Gegenteil: Seine Erfahrung hatten ihn gelehrt, wie viele Gefahren und Problem in seinem Leben jederzeit auftauchen konnten. Er konnte sich keineswegs auf sich selbst verlassen, sondern er war schwach und für Versuchung anfällig und potenziell jederzeit fallen konnte. Aber David war sich trotzdem so sicher, dass ihm sein Leben lang Gutes und Gottes Barmherzigkeit folgen würden. Er war sich gewiss, dass er für immer bei Gott bleiben würde, weil er wusste, dass Gott sein guter Hirte ist, der ihn nie im Stich lassen, sondern ihn immer schützen, führen und leiten würde; und dass Gott dafür sorgen würde, dass er ewig bei ihm bleibt.

Wir sind beeindruckt, wie treu Gott tatsächlich mit König David war und wie Zuverlässig er ihn in seinem Leben begleitet, beschützt und aus den unterschiedlichsten Nöten gerettet hat. Und hier kommt die für uns wichtige Frage? Können wir dieselbe Zuversicht haben? An sich nicht. David war in vieler Hinsicht kein gewöhnlicher Mann, mit dem wir uns einfach vergleichen können. David war ein vielseitig talentierter Mensch, er war ein begnadeter Dichter und Musiker, ein erfolgreicher Feldherr und König über das Volk Israel, das es vierzig Jahre lang weise regierte. Er war ein treuer und mutiger Mann, der für die Gerechtigkeit und den Schutz seines Volks auf Leben und Tod kämpfte. Vor allem liebte David Gott von ganzem Herzen und diente ihm in vorbildlicher Weise. David ist die Hauptperson im Buch Samuel und wurde selbst der Autor vieler Psalmen und damit ein Mitautor der Bibel. David wurde und wird bis heute in Israel als der beste König verehrt und galt als ein Sinnbild für den wahren König, den Messias den Gott zu senden verheißen hat. Tatsächlich gab Gott David, als er alt war, die Verheißung eines Nachkommen, dem Gott den Thron ewig bestätigen würde. Die Juden verstanden es so, dass sich diese Verheißung auf den Messias bezog, den von Gott verheißenen König und Retter, der ein Reich mit Gerechtigkeit aufrichten und ewig regieren würde. Deshalb haben die Juden den Messias auch „den Sohn Davids“ genannt. David war ein Hinweis auf den wahren König und Retter, der kommen sollte. David war also eine Art Ausnahme-Mensch, jemand, mit dem wir uns nicht so leicht vergleichen können. Wer kann einfach sagen, dass er wie David Gott lieben und ihm dienen und sein Leben lang in der Liebesbeziehung zu ihm leben kann?

Andererseits haben wir vorhin schon festgestellt, dass David keineswegs vollkommen war, dass er auch Schwächen hatte, sich gerirrt hat und zum Teil in schwere Sünde geriet. Dass David sein Leben lang in einer Liebesbeziehung zu Gott und unter seiner Führung leben konnte, war also nicht wegen Davids Treue oder seine anderen Qualitäten. Es war wegen Gottes Barmherzigkeit, aus der er ihn treu liebte und sein guter Hirte war.

David war auch ein Sünder, der es nicht verdient hatte, dass Gott ihn ansieht, geschweige denn dass er immer bei ihm ist und ihm sein Leben lang hilft. Dass Gott sein Hirte war und ihn sein ganzes Leben lang leitete und schützte, wie es Psalm 23 beschreibt, war allein Gottes Barmherzigkeit. Diese Barmherzigkeit war es, worauf David vertraute und woraus er die Zuversicht schöpfte, dass ihn sein Leben lang Gutes und Barmherzigkeit begleiten und er immerdar im Haus des Herrn bleiben würde. Deshalb weist Davids Leben auf das Bedürfnis der Menschen nach dem guten Hirten hin, der die schwachen, fehlbaren Menschen mit Gottes Barmherzigkeit schützt und leitet.

Deshalb wird in Psalm 23 nicht David, seine Treue oder andere Eigenschaften gepriesen, sondern Gott, der mit seiner Güte und Barmherzigkeit David geliebt und sein guter Hirte gewesen ist. Der Psalm beschreibt das gesegnete Leben, das David trotz vieler Probleme führen konnte, weil Gott sein Hirte war und ihn mit seiner Liebe und Barmherzigkeit führte. Dieses gesegnete Leben Davids war ein Hinweis, dass wir Menschen alle den guten Hirten brauchen, den wahren König, der kommen sollte. Gottes Barmherzigkeit mit den Sündern trieb Gott dazu, nach seinem Plan schließlich tatsächlich seinen einzigen Sohn in die Welt zu senden. Das tat Gott, damit er für uns und alle gewöhnlichen Menschen der gute Hirte wird, der uns aus der Sünde rettet und uns auf den rechten Weg mit ihm leitet und in die ewige Gemeinschaft mit ihm führt. Jesus kam als ein schwaches Kind auf die Erde und wohnte mitten unter uns. Er ging gerade nicht zu den Frommen, den Reichen und Erfolgreichen, sondern predigte dem Volk die frohe Botschaft von Gottes Liebe und seinem Reich. Jesus offenbarte sich selbst im Johannesevangelium mit den Worten: „lch bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.“ (Joh 10,11)

Jesus ist der gute Hirte für alle Menschen – auch die gewöhnlichen. Jesus half den Schwachen und Kranken und wurde ein Hirte für die Menschen, die ihr Leben nicht auf die Reihe bekamen, wie Zöllner und Prostituierte. Er half einer Frau, die fünfmal geheiratet hatte, weil sie bei einem idealen Partner ihr Glück suchte, bis sie Jesus als Messias erkannte und ihn anbetete. Er half einem Mann, der schon so lange krank war, dass er selbst den Wunsch und die Hoffnung auf Heilung verloren hatte. Jesus half Zolleintreibern, von ihrer Geldgier frei zu werden, und Soldaten, barmherzig zu sein. Mit seiner Barmherzigkeit wurde Jesus der gute Hirte für alle Menschen. Jesus sagte: „lch bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.“ Um allen Arten von Sündern wirklich ein Leben in einer beständigen und heilen Beziehung zu Gott zu ermöglichen, wie es im Psalm 23 beschrieben ist, musste Jesus unsere Sünden auf sich nehmen und am Kreuz dafür sterben. Aus seiner göttlichen Barmherzigkeit nahm Jesus tatsächlich unsere Sünde auf sich und bezahlte dafür am Kreuz die Strafe mit seinem eigenen Blut (d.h. Leben). So hat er sich als der gute Hirte offenbart. Am Kreuz trug er die Sünde aller Menschen, der ganzen Welt, damit die Sünde, die auch ein Hindernis zwischen David und Gott war und die uns von Gott getrennt hat, zu tilgen, sodass wir ein gesegnetes Leben unter Gottes Leitung führen können. Dadurch dass er am Kreuz starb und auferstand, ist er der gute Hirte für uns alle geworden, damit wir unter seinem Schutz und unter seiner Leitung täglich mit Gott und für ihn leben und in Ewigkeit mit ihm Gemeinschaft haben können. Jesus ist der gute Hirte, der durch seinen Tod am Kreuz und durch seine Auferstehung unser guter Hirte geworden ist und uns auf täglich auf die grüne Aue und zu seinem frischen Wasser führt! Jesus leitet uns auf der rechten Straße, indem wir allein aus dem Glauben an ihn leben können. Selbst wenn wir durch ein finsteres Tal gehen müssen, wo wir keinen Ausweg sehen, dürfen wir 100%ig sicher sein, dass er bei uns ist, und uns täglich durch sein Wort und seinen Geist trösten lassen, bis er uns aus dem Tal herausgeführt hat. Weil Jesus als unser guter Hirte am Kreuz für uns gestorben ist, brauchen wir uns nie vor Unglück zu fürchten, sondern dürfen Ruhe haben, weil er uns schützt und uns vollständig in der Hand hat. Weil Jesus der gute Hirte ist und für unsere Sünde gestorben und auferstanden ist, dürfen wir sicher sein, dass uns unser Leben lang Gutes und Barmherzigkeit begleiten wird. Weil Jesus am Kreuz gestorben ist und auferstanden ist, dürfen wir Zuversicht haben, dass wir immerdar in seinem Haus bleiben und ihn in Ewigkeit in seinem Reich anbeten werden. Dank sei Jesus, der unser guter Hirte geworden ist. Halleluja!

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Fragebogen: Psalm 23,1-6 — Ostern 2024

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Der Herr ist mein Hirte

„Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.“

(Psalm 23,6)

  1. Dieser Psalm ist eine Art Glaubensbekenntnis von David. Was bedeutet es, dass er Gott als seinen Hirten bezeichnet hat? Denke darüber nach, was er damit über Gott aussagt. Welche Zuversicht hatte er aufgrund dessen für sein Leben (1b)?
  2. Was tut der gute Hirte für ihn nach den Versen 2 und 3? Was ist damit gemeint?
  3. Warum fürchtet sich der Verfasser auch im finsteren Tal vor keinem Unglück (4)? Was ist damit gemeint?
  4. Was tut Gott noch für ihn und was ist damit gemeint (5)? Welche feste Zuversicht hat der Verfasser deshalb für seine Zukunft (6)?
  5. Jesus hat im Johannesevangelium verkündet: „Ich bin der gute Hirte“ (Johannes 10,11). Denke darüber nach, inwiefern sich die Aussagen in diesem Psalm auf Jesus beziehen. Inwiefern hat Jesus durch seinen Tod und seine Auferstehung ermöglicht, dass wir in vollem Maß erleben können, was im Psalm 23 gesagt wird? Inwiefern hast du das in deinem Leben bisher erfahren, und welche Zuversicht darfst du für die Zukunft haben?
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Predigt: Psalm 1,1-6 (Sonderlektion)

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Wer ist glücklich?

„Er ist wie ein Baum gepflanzt an Bächen voll Wasser, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, es wird ihm gelingen.“

(Psalm 1,3 [EHÜ2016])

Tim Keller hatte einmal eine Predigtserie gehalten, mit dem Titel „Moderne Probleme – Alte Lösungen“. Eines der „modernen“ Probleme des Menschen ist, dass wir glücklich sein wollen. Jeder Mensch will glücklich sein. Auch diejenigen, die sich destruktiv verhalten. Die Frage ist, warum es ein „modernes“ Problem ist. Vielleicht liegt das daran, dass es uns auf der einen Seite extrem gut geht: Wir hatten in Europa eine sehr lange Zeit der politischen Stabilität, wir leben in einem materiellen Reichtum, der vor 100 oder 200 Jahren absolut unvorstellbar war, wir haben ein extrem hochwertiges Gesundheitssystem, wir haben mehr Optionen, was Bildung und Karrieren angeht als es jemals der Fall war. Und trotzdem gibt es so viel unglückliche und unzufriedene Menschen.
Viele kluge Menschen auf in unserer Zeit haben sich damit beschäftigt, was den Menschen glücklich macht. Wir gehen nachher noch ein wenig darauf ein. David Brooks hat vor einem Monat in der New York Times einen Artikel veröffentlicht, der sehr viel Aufsehen erregt und viel diskutiert wurde. Der Titel hieß: „Um glücklich zu sein, ist die Ehe wichtiger als die Karriere.“ Das hätten wir uns auch denken können. Brooks schreibt:

„Wir könnten viel tun, um die Heiratsrate zu erhöhen, indem wir die Löhne erhöhen; finanzielle Unsicherheit hemmt die Heirat. Aber als Kultur könnten wir unser nationales Glücksniveau verbessern, indem wir dafür sorgen, dass sich die Menschen auf das konzentrieren, was primär ist – die Ehe und intime Beziehungen – und nicht auf das, was zwar wichtig, aber sekundär ist – ihre Karrieren.“

Keine Frage, Partnerschaft und Beziehung können sehr zum Glück beitragen. Aber nicht jeder kann, und nicht jeder wird heiraten. Und viele Ehen sind unglücklich. Und auch die besten Ehen haben ein Ende.
Frage ist wie wir zu glücklichen Menschen werden können? Wer ist ein glücklicher Mensch? Das ist für uns alle relevant. Und ob ihr es glaubt oder nicht, unser heutiger Text gibt eine profunde Antwort auf diese Frage. Ich möchte euch gerne einladen, einen frischen Blick auf diesen alten und vielleicht auch bekannten Text zu werfen. Je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto reichhaltiger und schöner fand ich ihn.
Der heutige Text sagt uns:

1. Das glückliche Leben ist real
2. Wie der glückliche Mensch ist
3. Wie wir zu den Glücklichen werden können

1. Das glückliche Leben ist real
Das erste Wort, mit dem die 150 Psalmen beginnen, ist das Wort „glücklich“. Dieses Wort wird 25 weitere Male in den Psalmen erwähnt. Das hebräische Wort ist „asre“. Es wurde benutzt, wenn andere Personen auf die gesegnete Person blickten: „Wow, diese Person dort ist wirklich gesegnet! Diese Person hat ein gutes Leben!“ Die Königin von Saba gebrauchte dieses Wort, als sie über das Throngefolge von Salomo sagte: „Glücklich sind deine Männer, glücklich deine Diener, die allezeit vor dir stehen und deine Weisheit hören.“ Das ist die Bedeutung von diesem Wort. Viele Jahrhunderte später begann Jesus seine Bergpredigt mit den Worten „selig …“, und er meinte damit ebenfalls „glücklich“.
Was wir hier unbedingt mitnehmen und verstehen müssen, ist die Tatsache, dass das Glück real ist. Der Psalmist und Jesus haben nicht einfach von einem Zustand gesprochen, der theoretisch möglich aber praktisch unmöglich ist. Sie machen Werbung dafür: „Das Glück ist real, und wenn du willst, dann kannst du zu einem glücklichen und gesegneten Menschen werden. Wir wünschen uns für dich, dass du glücklich bist.“ Und das ist so wichtig, weil so viele Menschen desillusioniert sind.
In dem Film „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ muss die Hauptfigur mit ansehen, wie seine große Liebe einen anderen Mann heiratet. Eine Schlüsselfrage, die in diesem Film immer wieder gestellt wird, ist: „Bist du glücklich?“ Doctor Strange muss sich dieser Frage mehrmals stellen: „Bin ich glücklich?“, und ist überzeugt davon, dass sein Glück an eine Liebe gebunden ist, die er nicht haben kann. Seine Gegnerin ist die mächtige Zauberin Wanda Maximoff. Wie Doctor Strange ist sie ebenfalls auf der Suche nach ihrem Glück. Sie glaubt, dass ihr Glück davon abhängig ist, eine Mutter zu sein. Für dieses Ziel ist sie bereit, ganze Welten in Schutt und Asche zu legen, nur um festzustellen, dass die Kinder, die sie für sich gewinnen wollte, sie abscheulich finden. Am Ende des Films fragt Strange Wong, seinen Freund und Mentor: „Bist du glücklich?“ Wong ist überrascht diese Frage zu hören. Doctor Strange erläutert: „Ich dachte, die Welt zu retten, würde mich glücklich machen. Aber dem ist nicht so.“ Am Ende findet er sich damit ab, dass er wohl niemals wirklich glücklich sein wird, weil er nicht das haben kann, was er haben will.
Vielleicht geht es euch ähnlich? Vielleicht glaubt ihr einfach nicht daran, dass es wahre Erfüllung und Freude und Glück gibt. Vielleicht denkt ihr auch, dass Glück einfach nur eine Illusion ist? Vielleicht denkt ihr, dass das Trachten nach Glück nichts anderes als Haschen nach dem Wind ist. Vielleicht seid ihr sogar ein wenig zynisch, was die Hoffnung auf ein glückliches Leben angeht. Der Text heute macht deutlich, dass das nicht stimmt. Gott will uns zu glücklichen Menschen machen. Unser Glück liegt ihm am Herzen. Das Glück ist real. Vers 1 sagt: „Glücklich der Mensch…“ Und du kannst und darfst und sollst dieser glückliche Mensch werden.

2. Wie der glückliche Mensch ist
Vers 1 zeigt uns zum einen, wie der glückliche Mensch nicht ist: Er folgt nicht nach dem Rat der Frevler; er steht nicht auf dem Weg der Sünder; er sitzt nicht im Kreis der Spötter. Der Rat und der Weg beziehen sich auf das, was wir denken und wie wir uns verhalten. Drei Verben werden hier verwendet: gehen, stehen und sitzen. Viele Kommentatoren haben hier eine Steigerung gesehen. Es beginnt damit, dass man in die völlig verkehrte Richtung geht, dass man auf dem falschen Weg verharrt also stehen bleibt; es endet damit, dass er dort sitzt, wo die Spötter sitzen. Sitzen bedeutet ein Dazugehören. Diejenigen, mit denen man gemeinsam sitzt, das sind die Leute, zu denen man dazu gehört. Das ist mit ein Grund, weshalb die religiösen Leiter sich so über Jesus ärgerten: Jesus saß mit den Sündern und den Zöllnern. Er gab damit zu verstehen, dass er einer von ihnen war.
Um nicht falsch verstanden zu werden: In Vers 1 geht es nicht so sehr darum, mit wem wir abhängen. Man könnte den Eindruck bekommen, dass wir nicht zu viel Zeit mit „Sündern“ verbringen sollten. Fakt ist, wir sind alle Sünder. Vers 1 spricht davon, wie wir denken, wie wir handeln, und was unsere Identität bestimmt. Es geht um die Frage, was unsere Gesinnung beeinflusst und bestimmt. Ist unser Gedankengut größtenteils von einer Weltanschauung geprägt, in der Gott überflüssig ist? Was ist das, womit wir unsere Herzen füttern?
Den Kontrast finden wir dann in Vers 2: „sondern sein Gefallen hat an der Weisung des HERRN, bei Tag und bei Nacht über seine Weisung nachsinnt“. Die Glücklichen sind diejenigen, die Freude am Gesetz haben. Und das ist vielleicht für viele von uns schwer begreiflich und schwer zugänglich. Wiederum haben wir hier zwei Verben, die in engem Zusammenhang stehen. Auf der einen Seite hat man richtig Lust auf das Wort Gottes. Man freut sich darauf, man kann nicht genug davon kriegen, man liebt es. Auf der anderen Seite beschäftigt man sich damit Tag und Nacht. Das Wort Nachsinnen heißt sprichwörtlich, es mit leiser Stimme vor sich herzusagen. Damals hat man laut und hörbar gelesen. Das tut der Psalmist. Und der Kreislauf geht dann folgendermaßen: Weil man Lust am Gesetz hat, beschäftigt man sich damit Tag und Nacht; weil man sich mit dem Gesetz Tag und Nacht beschäftigt, hat man immer mehr Lust daran.
Wie ist dann also der glückliche Mensch? Negativ ausgedrückt: Er lässt seine Gesinnung und sein Verhalten nicht von dem bestimmen, was gottlos und verkehrt ist: Positiv formuliert: Er hat eine gesunde Sucht nach dem Wort Gottes und lässt sich davon Tag und Nacht füttern. Das ist der glückliche Mensch.
In den Versen 3 und 4 finden wir einen weiteren, krassen Kontrast. Die Auswirkungen der jeweiligen Lebensmodelle werden bildhaft miteinander verglichen. Vers 3: „Er ist wie ein Baum, gepflanzt an Bächen voll Wasser, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, es wird ihm gelingen.“ Wir alle können dieses Bild gut nachvollziehen. Wir hatten in den vergangenen Jahren einige richtig trockene Sommer, in denen es teilweise monatelang Dürre gab. Die Bäume sahen am Ende des Sommers gar nicht gut aus. Auf dem Weg nach Darmstadt fahre ich an einen Wald vorbei, der zu einem großen Teil aus Baumleichen besteht, weil die Bäume mit der Hitze und Dürre nicht klarkommen. Ein Baum der am Bach gepflanzt ist, hat dieses Problem nicht. Seine Wurzeln reichen in die Tiefe. Er wird niemals Mangel an Wasser haben.
Der Gegensatz in Vers 4 könnte nicht größer sein: „Nicht so die Frevler: Sie sind wie Spreu, die der Wind verweht.“ Ein Baum hat Substanz und Gewicht und etwas Bleibendes. Seine Wurzeln reichen so tief in die Erde, dass ein wenig Wind ihm nichts anhaben kann. Spreu ist genau das Gegenteil davon. Es hat keine Substanz, kaum Gewicht, nichts Bleibendes; und es hat auch keinen besonderen Wert. Wind war eines der Mittel der Wahl, um die Spreu vom Weizen zu trennen.
Die Konsequenz dessen wird in den Versen 5 und 6 erläutert: „Darum werden die Frevler im Gericht nicht bestehen noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten. Denn der HERR kennt den Weg der Gerechten, der Weg der Frevler aber verliert sich.“ Wir erinnern uns an die Geschichte im Buch Daniel. Der babylonische König feiert ein großes Fest und entweiht die Gefäße aus dem Tempel in Jerusalem. Aus dem Nichts taucht eine Hand auf, die etwas auf die Wand schreibt. Der König wird kreidebleich. Er ruft den Propheten Daniel, der diese Worte übersetzt. Gott hatte die Tage seiner Herrschaft gezählt und ihnen ein Ende bereitet. Der König wurde gewogen und für zu leicht befunden. Dieser prunkvolle Herrscher war wie Spreu. Er hatte keine Substanz, kein Gewicht, keinen bleibenden Wert.
Bevor wir fortfahren, wollen wir kurz darüber nachdenken, was es praktisch für uns bedeutet. Das Bild von dem Baum verdeutlicht uns eine wichtige Sache: Der glückliche Mensch ist ein Prozess. Es passiert nicht von heute auf morgen. Es braucht Wachstum und stetige Veränderung. Wenn wir uns das biologische Wachstum anschauen, egal ob es Pflanzen sind, oder die Vermehrung von Bakterien oder Hefe oder das Wachstum von Kindern oder das von unseren Haaren und Fingernägeln: Was alle diese Prozesse gemeinsam haben, ist, dass es so langsam vonstatten geht, dass wir das Wachstum nicht wirklich sehen können. Wir können noch so angestrengt hinschauen, wir werden das Wachstum nicht in Echtzeit sehen. Und trotzdem wird alles, was lebt, wachsen. Erst nach Wochen oder Monaten fällt uns auf: „Das ist aber groß geworden.“
Hier ist der Punkt: Wir alle verändern uns. Einer meiner Lieblingsprediger hat einen Youtube-Kanal. Er beginnt manche seiner Videos mit folgenden Worten: „Du wirst dich heute verändern. Also warum nicht zum Besseren verändern?“ Und diese Worte sind so wahr: Ob du willst oder nicht, ob du dir dessen bewusst bist oder nicht, du wirst dich heute verändern. Die Frage ist, ob wir uns zum Guten oder zum Schlechten hin verändern. Thomas Friedman schrieb vor ein paar Jahren: „Wenn Menschen an die Spitze einer Organisation aufsteigen und Macht erlangen, tun sie gewöhnlich eines von zwei Dingen: Entweder sie schwellen an oder sie wachsen.“ Wachstum ist ein gesundes, organisches Größer- und Stärkerwerden. Anschwellen ist ein ungesundes, unorganisches und krankhaftes Größerwerden.
Du wirst dich heute verändern. Du hast heute die Möglichkeit, ein wenig mehr in Liebe und Freude und Hoffnung zu wachsen; oder du hast die Möglichkeit anzuschwellen, bitterer, zynischer und egoistischer zu werden. Wachstum ist anstrengend. Wachstum ist häufig schmerzhaft. Wachstum bedeutet Verletzlichkeit.
C.S. Lewis hat einmal folgendes geschrieben:
„Zu lieben bedeutet, verletzlich zu sein. Wenn du irgendetwas liebst, wird dein Herz ausgewrungen und möglicherweise gebrochen. Wenn du sicher sein willst, dass es unversehrt bleibt, darfst du es niemandem schenken, nicht einmal einem Tier. Umschließe es sorgfältig mit Hobbys und kleinen Genüssen; vermeide alle Verwicklungen. Schließe dein Herz sicher ein in den Sarg deiner Selbstsucht. Aber in diesem Sarg, sicher, dunkel, unbeweglich, luftlos, wird es sich verändern. Es wird nicht zerbrechen; es wird unzerbrechlich, undurchdringlich, unauslöschlich werden.“
Das sind die zwei Möglichkeiten, die wir jeden Tag aufs Neue haben.
Wer ist der glückliche Mensch? Wir haben gesehen, dass es ein Weg ist, ein Wachstumsprozess, eine Veränderung unseres Herzens und unseres Lebens. Zwei Wege werden uns in diesem Psalm vorgestellt. Wir können uns nur in zwei völlig entgegengesetzte Richtungen verändern. Welche Veränderung wirst du heute erfahren?

3. Wie wir zu den Glücklichen werden können
Das Geheimnis des glücklichen Lebens ist eine ständige Beschäftigung mit dem Wort. Das ist es, was uns verändert. Wir wollen im letzten Teil darüber nachdenken, wie das genau geschieht. Ein Prediger hat mal etwas scherzhaft gemeint, dass wir die Bibel mehr lesen und mehr studieren müssen. Stellen wir uns folgendes Szenario vor:
Wir sind im Reich Gottes. Der Engel Gabriel fragt uns, welchen von den berühmten Menschen der Bibel wir gerne als erstes kennenlernen wollen. Vielleicht Apostel Johannes? Oder Paulus? Oder David? Es stellt sich heraus, dass sich vor jeden dieser Leute eine lange Schlange gebildet hat. Das wird noch eine Weile dauern, bis wir mit ihnen reden können. Aber dann sagt er uns: „Ich stelle euch einer anderen biblischen Berühmtheit vor.“ Wenig später kommt ein Mann auf uns zu. Wir fragen ihn: „Wer bist du?“ Er antwortet: „Ich bin Zefanja. Und? Wie fandet ihr das Buch, das ich geschrieben habe?“ Würden wir in dieser Situation wirklich darauf antworten müssen: „Es tut mir so leid. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.“ Und während wir uns in Grund und Boden schämen, kommt ein anderer Mann auf uns zu. Er heißt Obadja und hatte auch ein Buch geschrieben.
Frage: Wie können wir zu den Menschen werden, die sich liebend gerne Tag und Nacht mit dem Gesetz beschäftigen? Drei Dinge müssen wir verstehen. Zum einen, im Wort Gottes geht es nicht primär um Regeln, sondern um Geschichte. Vers 2 verwendet das Wort Gesetz (torah). Bei Gesetzen denken wir vielleicht an etwas, was ungefähr so spannend ist wie das Bürgerliche Gesetzbuch. Aber mit Gesetz gemeint waren in der Regel die fünf Bücher Mose, die Heilige Schrift, die es damals gab. Wenn wir diese Bücher lesen, merken wir schnell, dass es hauptsächlich um Narrative geht. Es ist die Geschichte von der Erschaffung der Welt, die Geschichte der Patriarchen, die Geschichte der Befreiung Israels aus der Sklaverei. Die Geschichte war das, was die Identität des Volkes Israel prägte. Und das ist viel ansprechender und anregender als ein Katalog von moralischen Geboten und Verboten. Oder anders gesagt, die Gebote des Volkes Israel sind untrennbar mit seiner Geschichte verbunden.
Das bringt uns zum nächsten Punkt, in Gottes Wort geht es nicht um irgendeine Geschichte, sondern es geht um unsere Geschichte. Wie können wir zu den Menschen werden, die sich Tag und Nacht mit Gottes Wort auseinandersetzen? Wenn wir verstehen, dass die Geschichte, die von Gott und Israel handelt, auch unsere Geschichte ist. Es geht um unser Leben, es geht um unsere Rettung, es geht darum, wie der Gott Israels auch zu unserem persönlichen Gott wird; und es geht darum, wie aus allen Menschen, die das persönlich erfahren, die Familie Gottes wird. Zu Beginn der Predigt habe ich Glücksforscher zitiert, die gesagt haben, dass Ehe glücklicher macht als Karriere. Und da ist etwas Wahres dran. Beziehung kann glücklich machen. Es ist aber primär die Beziehung zu dem Gott, der uns geliebt hat und uns gerettet hat. Und es ist die Beziehung zu anderen Menschen aufgrund der Tatsache, dass wir von Gott geliebt und gerettet sind. Das ist das, was uns glücklich macht.
N.T. Wright ist einer der größten Theologen unserer Zeit, der das neue Testament routinemäßig auf Griechisch liest und der mehr über die Bibel weiß als wir alle zusammengenommen. Er wurde gefragt, wo er sonntags den Gottesdienst besucht. Und der Interviewer meinte dann: „… also, ich würde nicht gerne der Pastor der Gemeinde sein wollen, in der N.T. Wright in der Zuhörerschaft sitzt.“ Bei jedem zweiten Satz könnte jemand wie er denken: „Das stimmt nicht ganz; das ist aber schlecht recherchiert; da hat er aber den biblischen Text völlig missverstanden.“ Wright antwortete darauf: „Wenn ich sonntags in den Gottesdienst gehe, dann bin ich ein Christ wie jeder andere. Ich muss ebenfalls das Evangelium von Jesus Christus hören. Ich muss ebenfalls die Botschaft hören, dass Gott mich liebt.“ Und das fand ich wunderbar. In unserer persönlichen und gemeinsamen Beschäftigung mit dem Wort Gottes sollte es vor allem darum gehen: Wir brauchen die gute Nachricht, was Gott in Jesus Christus für uns getan hat, um uns zu erlösen. Und wir müssen immer wieder aufs Neue hören, wie sehr Gott uns liebt.
Als letztes, wir müssen zwischen Glück und Vergnügen unterscheiden. Vor einiger Zeit hatte ich aus einem Artikel zitiert, in dem ein weiser Autor schrieb: „Wählen Sie Genuss statt Vergnügen. Vergnügen macht süchtig und ist tierisch; Genuss ist gewollt und menschlich.“ Zur Unterscheidung: Vergnügen ist Spaß und Freude, die wir einfach so auf Knopfdruck haben wollen. Genuss ist eine Freude, in welche wir Zeit, Mühe und Arbeit investieren müssen, um ihn zu haben. Ein paar Beispiele: Wenn wir Hunger haben und schnell etwas bei McDonalds holen, ist das Vergnügen; unser Hunger wird zumindest kurzzeitig gestillt. Die Zucker, Fette und Salze, die in diesem Essen enthalten sind, machen Freude. Aber wir alle sind uns darin einig, dass ein mit Liebe zu Hause zubereitetes Essen aus guten Zutaten, das mit Freunden oder in der Familie genossen wird, das Potenzial hat, uns auf eine ganz andere und viel längerfristige Weise Freude zu bereiten. Oder, wenn uns langweilig ist, dann könnten wir den ganzen Tag auf der Couch rumhängen und eine neue Serie bei Netflix „binge-watchen“; das macht Freude. Aber es ist qualitativ nichts zu der Freude, die man haben kann, wenn man raus geht an die frische Luft, um den Tag draußen in der Natur zu genießen.
Hier ist die große Frage an uns: Auf einer Skala von 0 bis 100, (Null bedeutet langweilig ohne Ende und Hundert bedeutet die beste Zeit unseres Lebens), wie viel Freude und wie viel Spaß macht uns das Lesen in der Bibel? Was würden wir sagen? In dem Film „Owning Mahowny“, geht es um einen Bankangestellten, der spielsüchtig wird. Er kommt schließlich ins Gefängnis, weil er seine Bank um einige Millionen Dollar betrogen hatte, die er komplett verzockt hatte. Am Ende des Films, nachdem er seine Haftstrafe abgesessen hat, wird er gefragt, wie viel Vergnügen ihm das Zocken bereitet, auf einer Skala von 0 bis 100. Er windet sich etwas und sagt dann: „100.“ Dann fragt der Therapeut ihn: „Wie viel Vergnügen hast du maximal außerhalb des Zockens?“ Er überlegt lange und antwortet: „20.“ Und dann fragt sein Therapeut: „Kannst du dir vorstellen, den Rest deines Lebens mit einem maximalen Vergnügen von 20 zu leben?“ Mahowney antwortet: „Ja. 20 ist gut.“ Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit. Mahowney hat nie wieder gezockt. Warum? Weil Zocken trotz des Vergnügens sein Leben ruiniert hatte. Und weil Zocken ihn nicht glücklich machte, ganz anders als zum Beispiel die Beziehung zu seiner Frau.
Vergnügen und Glück sind nicht dasselbe. Und ja, es gibt Momente, in denen es anstrengend sein kann, die Bibel zu lesen. Es gibt sehr viele Momente, in denen wir liebend gerne etwas anderes tun wollen. Aber wenn wir uns auf Gott und sein Wort einlassen, wenn wir Teil werden von Gottes großer Rettungs- und Liebesgeschichte, wenn dieses Drama uns anfängt zu packen, dann beginnen wir eine Reise. Wir machen uns auf den Weg, die glücklichsten Menschen zu werden, die wir sein können.

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Fragebogen: Psalm 1,1-6 (Sonderlektion)

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Ein gesegneter Mensch

„… sondern hat Lust am Gesetz des Herrn und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht!“

(Psalm 1,2)

  1. Was vermeidet ein gesegneter Mensch aktiv (1)? Worauf beziehen sich der „Rat der Gottlosen“, der „Weg der Sünder“ und „wo die Spötter sitzen“?
  2. Was genießen gesegnete Menschen aktiv (2a)? Inwieweit macht es ihnen Freude (2b)? Was bedeutet es, über das Wort zu sinnen (Markus 4,20.24)?
  3. Wie sind diejenigen, die über das Gesetz des Herrn nachsinnen (3a)? Was sind die Merkmale von Bäumen, die an Bächen gepflanzt sind (3b)? Welche Früchte tragen sie?
  4. Was passiert mit dem gesegneten Menschen (3c)? Warum wird das, was er macht, gut (1. Mose 39,3; Josua 1,7.8; Römer 8,28)?
  5. In welcher Hinsicht sind die Gottlosen wie Spreu, die der Wind verweht (4)? Was wird mit den Gottlosen am Tag des Gottlosen geschehen (5)? Welche Art von Mensch erkennt Gott an und was ist das Ende der Bösen (6)?
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