Predigt: Hebräer 13,1 – 3 (Sonderlektion 7)

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Bleibt fest in der brüderlichen Liebe

„Bleibt fest in der brüderlichen Liebe.“

(Hebräer 13,1)

Heute betrachten wir das letzte Kapitel des Hebräerbriefs. Die Empfänger, die früher Verfolgungen durch den Glauben mit Freude ertragen hatten, waren inzwischen geistlich müde und angesichts neuer Verfolgungen im Glauben an Jesus schwankend. Der Verfasser stellte ihnen im Kap. 11 viele Männer und Frauen aus der Bibel vor Augen, die aus dem Glauben gelebt und dadurch Gottes Anerkennung erlangt haben. In Kap. 12 ermutigte er sie, angesichts der vielen Zeugen ihren geistlichen Lauf mit Geduld weiter zu laufen und dabei zu Jesus aufzusehen, der um der vor ihm liegenden Freude willen das Kreuz erduldet und sich zur Rechten des Thrones Gottes gesetzt hat und so Anfänger und Vollender des Glaubens ist. Der Verfasser erinnerte sie, dass der Segen, den der heilige Gott im Neuen Bund anbietet, unvergleichlich größer ist als der im Alten Bund, und ermahnte sie, aufzupassen, dass sie Jesus, der vom Himmel zu ihnen redet, nicht abweisen. Wie sollten sie nach dieser großen Ermahnung dann leben? Im Kap. 13 finden wir konkrete Anweisungen, wie sie und auch wir praktisch aus dem Glauben leben und den Lauf gut laufen können. Vor allem anderen ermahnt er dazu, in der brüderlichen Liebe fest zu bleiben. Gott möge jeden ermutigen, aus dem Glauben zu leben und dazu vor allem die brüderliche Liebe zu erneuern!

Wozu ermahnt der Verfasser die Gläubigen vor allem andern? Betrachten wir den Vers 1: „Bleibt fest in der brüderlichen Liebe.“ Vor allem andern ermutigt er sie dazu, in der brüderlichen Liebe fest bleiben. Mit brüderlicher Liebe ist die Liebe zu den Glaubensgeschwistern gemeint. Sie ist nicht bloß eine von vielen christlichen Tugenden, sondern sie ist Jesus größtes Herzensanliegen. Das können wir daran erkennen, dass Jesus seinen Jüngern am Abend vor seiner Kreuzigung nach der Fußwaschung die Liebe untereinander geboten hat: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt“ (Joh 13,34.35). Brüderliche Liebe ist keine Option, sondern eine wesentliche Eigenschaften von Christen und ihr Erkennungsmerkmal. Sie ist Jesus so wichtig, dass er sie uns als „neues Gebot“ ausdrücklich befohlen hat. Unsere alte sündige Natur liebt sich selbst am meisten und kann deshalb andere nicht tiefgehend und beständig lieben. Sie ist davon abhängig, ob uns jemand von Natur aus sympathisch ist und wir uns davon etwas versprechen, emotional oder praktisch. Auf diese Weise suchen sich die Menschen bewusst oder unbewusst ihre Freunde aus und bauen Beziehungen auf und beenden sie auch wieder, wenn die Beziehung zum anderen zum Beispiel anstrengend wird oder mehr von mir abverlangt, als dass sie mir bringt, oder weil man neue, interessantere Freunde gefunden hat. Eine alte Frau erzählte mir öfter von ihrem Freundeskreis, in dem sich sechs etwa Gleichaltrige seit Jahren regelmäßig treffen und die Hochs und Tiefs in ihrem Leben miteinander teilen. Als bei einem Treffen letztes Jahr eine Freundin ein für sie wichtiges Thema anschnitt, aber niemand in der Runde darauf weiter einging, schrieb sie danach den anderen einen vorwurfsvollen Brief und kündigte ihnen die Freundschaft, mit dem Hinweis, dass sie vor kurzem eine neue, interessantere Freundin gefunden hat. Das ist kein krasser Fall, aber ein Beispiel dafür, wie unsere eigene Bereitschaft und Fähigkeit, andere zu lieben, begrenzt und vom eigenen Interesse abhängig ist.
Brüderliche Liebe ist aber von ihrem Wesen her anders, von der Grundlage und vom Ziel her. Ihre Basis ist die Liebe Jesu, mit der er uns einseitig und bedingungslos geliebt hat und für uns gestorben ist, als wir noch in der Selbstliebe und Sünde blind und gefangen waren. Die brüderliche Liebe kommt daher, dass wir diese Liebe Jesu zu uns persönlich annehmen, und wenn wir uns bewusst werden, dass Jesus mit derselben Liebe alle seine Kinder liebt. In dem Maß, wie diese Liebe Jesu in uns bleibt, haben wir in uns Motivation und Kraft, die eigenen Glaubensgeschwister zu lieben. Diese Liebe ist nicht abhängig davon, wie sehr mir andere sympathisch sind, wie sie sich mir gegenüber verhalten oder ob ich alles verstehe und gut finde, was sie sagen und tun. Denn das Ziel der brüderlichen Liebe liegt nicht in uns selbst, sondern im anderen.

Wie wertvoll ist es, solche brüderliche Liebe untereinander zu haben! Wie schön ist es, Brüder und Schwestern zu haben, die Jesus lieb haben und den gleichen Lauf des Glaubens laufen und uns allein dadurch immer wieder ermutigen! Wie tröstlich ist es, wenn wir erleben, dass Brüder und Schwestern uns lieben, obwohl wir mangelhaft sind und ihren Erwartungen nicht immer entsprechen, und die bereit sind, uns mit Rat und Tat zu helfen, wenn wir Hilfe brauchen. Brüderliche Liebe ermöglicht uns Beziehungen, in denen wir unsere Schwächen oder Probleme nicht verstecken und den anderen etwas vorspielen müssen, sondern wo wir darüber reden und den anderen um Rat und um Gebetsunterstützung bitten können. Wie ermutigend ist es, wenn wir Anliegen miteinander teilen und dann erfahren, dass Gott unser Gebet erhört und dem anderen oder uns selbst geholfen hat. Ich meine, dass die Schwestern unter uns diese Erfahrung zurzeit mehr machen als die meisten Brüder, weil sie sich mehr austauschen und zusammen beten. Wie schön ist es, Brüder und Schwestern zu haben, mit denen wir über alles mögliche reden und mit denen wir gemeinsam Zeit verbringen und Freude teilen können. Ich meine, dass hier die Älteren von den Jüngeren lernen können. Als ich gestern ins Gemeindehaus kam, saßen einige Jugendliche und Kinder am Computer und haben gemeinsam ein EM-Spiel geschaut. Fast jeden Samstag treffe ich im Gemeindehaus Kinder und Jugendliche, die miteinander Zeit verbringen. Natürlich haben die meisten Erwachsenen mehr Aufgaben und weniger freie Zeit als Schüler. Aber es ist wohl nicht nur eine Frage der Zeit. Studenten haben auch viel zu lernen und müssen nebenher noch arbeiten; aber sie nehmen sich trotzdem irgendwie Zeit zur Gemeinschaft mit anderen, offenbar aus dem Bewusstsein, dass miteinander Zeit zu verbringen an sich wertvoll ist. Darin können wir Älteren von ihnen lernen.

Betrachten wir noch einmal den Vers 1. Die Empfänger hatten ohne Frage brüderliche Liebe. Sie halfen sich gegenseitig, als ihnen ihre Güter geraubt wurden, und sie besuchten die Brüder, die im Gefängnis waren. Aber der Verfasser ermahnte sie, dass sie in der brüderlichen Liebe fest bleiben sollten. Ihm war bewusst, dass auch wenn sie früher in der Not ihre Liebe großartig unter Beweis gestellt hatten, das nicht bedeutete, dass sie automatisch einander immer so lieben würden. Die Umstände im Leben ändern sich immer, mit den Umständen und Erfahrungen ändern sich auch die Gedanken und Einstellungen, bei uns selbst und bei den Glaubensgeschwistern. Das ist normal. Was sich aber nie ändern soll, ist die brüderliche Liebe untereinander. Davon lebt eine Gemeinde, und davon lebt letztlich jeder Einzelne in der Gemeinde.

In den letzten 15 Monaten hat sich durch die Coronapandemie für uns alle vieles geändert. Homeoffice, Online-Unterricht von zu Hause und die zahlreichen Kontaktbeschränkungen haben unser Leben verändert. Als Gemeinde konnten wir seit über einem Jahr nicht mehr alle zusammen Gottesdienst feiern und anschließend beim Essen über alles Mögliche reden. Ich bin dankbar, dass wir den Gottesdienst sowie Bibelstudium, Austausch- und Gebetsstunde online oder on- und offline weiterführen und dadurch unsere geistliche Gemeinschaft am Leben halten konnten. Aber das ist doch nicht dasselbe. Und dass wir uns gegenseitig nach Hause einladen, war teilweise sogar verboten. Automatisch haben wir uns an den neuen Zustand in gewissem Maße gewöhnt, ihn bewusst oder unbewusst als neue Normalität akzeptiert. Wie werden wir uns verhalten, wenn die Beschränkungen wieder aufgehoben sind?

Betrachten wir noch einmal den Vers 1: „Bleibt fest in der brüderlichen Liebe.“ Gott will, dass wir in der brüderlichen Liebe fest bleiben. Gott will, dass unsere Liebe zu den Geschwistern nicht von der Situation oder von unseren Gefühlen und Stimmung abhängen. Gott wünscht sich, dass wir uns untereinander herzlich lieben, das ist sein größter Wunsch neben dem Wunsch, dass wir ihn von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzer Kraft lieben. Und wir wissen, dass das zusammenhängt. Wenn unsere Liebesbeziehung zu Jesus gesund ist, haben wir auch herzliche brüderliche Liebe, und wenn wir in Jesus bleiben, bleiben wir auch fest in der brüderlichen Liebe. Wenn wir in der Liebe zu den Geschwistern bleiben, hilft uns das sehr, in einer rechten Liebesbeziehung zu Jesus zu bleiben und darin zu wachsen. Wir wollen die heutige Aufforderung zum Anlass nehmen, zu prüfen, wie es um unsere Liebe zu Glaubensgeschwistern steht. Lasst uns auf Jesus sehen und seine große hingebungsvolle Liebe zu uns neu annehmen! Lasst uns für unseren Mangel an Liebe Buße tun und unsere Brüder und Schwestern neu von Herzen lieben. Und lasst uns diese Liebe ausleben.

Wie können wir die brüderliche Liebe ausleben? Wie hat der Verfasser die Empfänger dazu ermutigt? Betrachten wir die Verse 2 und 3: „Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt. Denkt an die Gefangenen, als wärt ihr Mitgefangene, und an die Misshandelten, weil auch ihr noch im Leibe lebt.“ Dieses Wort ermutigt uns dazu, gastfrei zu sein und an der Situation herzlich Anteil zu nehmen. Andere einzuladen, ist eine schöne Gelegenheit, seine Liebe zu Glaubensgeschwistern auszudrücken, sowohl für die, die den anderen dienen, als auch für die, die diesen Dienst annehmen. Tatsächlich geht es nicht um die Qualität des Essens oder ob die Wohnung frisch geputzt ist. Es geht darum, Zeit miteinander zu verbringen, einander zuzuhören und dadurch einander besser kennen zu lernen und die Lage des anderen besser zu verstehen. Es ist eine gute Möglichkeit, Liebe zu üben und in der Liebe untereinander zu wachsen. Deshalb: Wer keine Zeit hat, einen Kuchen zu backen, kann beim Lidl einen Kuchen kaufen. Wer keine Zeit hat, aufzuräumen, kann sich zum Spaziergang verabreden. Wer keine Zeit für ein langes Treffen hat, kann sich für eine halbe Stunde verabreden.

Durch die ständigen Nachrichten über die Coronapandemie ist für manche die Sorge vor einer Ansteckung zu einem Hindernis geworden, andere einzuladen. Sich mit anderen zu treffen, ist für uns nicht mehr gewöhnlich und kann uns wie etwas Gefährliches vorkommen. Das war zeitweise auch so, aber inzwischen hat sich die Situation stark verbessert. Die Infektionsrate ist deutschlandweit unter 10, das heißt dass sich von 100.000 Einwohner pro Tag nur etwa anderthalb Ansteckungen gibt. In ganz Heidelberg gibt es pro Tag nur etwa zwei Ansteckungen! Deswegen ist es inzwischen erlaubt, dass sich wieder bis zu zehn Erwachsene aus drei Haushalten plus ihre Kinder untere 14 zu Hause ohne Masken treffen dürfen. Ich sage nicht, dass wir ab jetzt unvorsichtig sein und bestehende Kontaktbeschränkungen ignorieren sollen. Aber wir sollen unser Bewusstsein von unnötiger Sorge und Angst frei machen, damit wir nicht davon bestimmt werden, sondern tun können, was Gott sich wünscht und was sich unsere Geschwister wünschen.

Welchen Grund nennt der Verfasser, warum die Empfänger gastfrei sein sollten? Betrachten wir nochmals den Vers 1. Er verweist darauf, dass dadurch einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt haben. Habt ihr euch auch gefragt, warum er das schreibt? Offenbar nimmt er auf die Stelle in Genesis Kap. 18 Bezug, die wir vor wenigen Monaten betrachtet haben, wo Abraham drei Fremde freundlich zu sich einlädt und sie bewirtet, ohne zu wissen, dass es sich in Wirklichkeit um Gottes Engel handelt. Der Verfasser wusste besser als wir, dass das nach der Bibel ein einmaliges Ereignis in der Geschichte war, das sich so nicht wiederholt hat. Warum erwähnt der Verfasser das dann an dieser Stelle als Argument dafür, gastfrei zu sein? Indirekt sagt er dadurch ja, dass die Erfahrung von Abraham damals auch eine Relevanz für Christen hat, die Glaubensgeschwister einladen. Ist das unangemessen? Nein, kann es nicht sein! Er deutet dadurch auf den großen Segen hin, den wir bekommen, wenn wir Glaubensgeschwister einladen und mit ihnen Gemeinschaft haben. Abraham wurde dadurch, dass er die drei Fremden einlud, durch die Gemeinschaft sehr gesegnet. Denn Gott half seiner Frau Sara, ihren verbliebenen Unglauben zu erkennen und Buße zu tun und daran zu glauben, dass Gott ihr tatsächlich ein Kind geben konnte. Und Abraham konnte beim anschließenden Gespräch mit Gott von dem wichtigen Gebetsanliegen erfahren, dass Gottes Gericht über Sodom kommen musste, und er konnte daraufhin erleben, dass Gott seine inständige Fürbitte erhörte und seinen Neffen und dessen Töchter aus Sodom rettete. Das heißt natürlich nicht, dass wir alle auch die gleiche Erfahrung machen werden wie Abraham. Aber wenn wir Glaubensgeschwister einladen, freut Gott sich darüber sehr und will nicht nur unsere Geschwister, sondern auch uns selbst segnen.

Dies habe ich selbst vielfach erfahren dürfen. Als wir über dem Gemeindehaus gewohnt haben, hatten wir öfter Gelegenheit, Gäste zum Essen einzuladen, weil es buchstäblich naheliegend war. Jedes Mal haben wir erlebt, dass wir durch die dabei entstehende Gemeinschaft selbst sehr ermutigt und getröstet wurden. Seit Pfingsten haben wir angefangen, sonntags nachmittags Geschwister nach Hause einzuladen. Das war nur wenige Male bisher, aber jeder Besuch war eine große Freude und hat uns den Wunsch gegeben, viel mehr Gemeinschaft mit den Geschwistern zu haben.

Lasst uns die brüderliche Liebe untereinander erneuern und darin fest bleiben! Durch diese Liebe kann jeder von uns geistlich weiter wachsen und gesund bleiben. Wenn wir Liebe untereinander haben, bilden wir eine Umgebung, in der unsere jungen Leute und alle, die hierher kommen, erkennen können, dass Jesus unter uns lebt. Möge Gott uns helfen, alle Hindernisse zu überwinden und unsere Wohnung neu zu öffnen und herzlich Anteil aneinander nehmen. Möge Gott dadurch alle unter uns segnen!

 

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Fragebogen: Hebräer 13,1 – 25 (Sonderlektion 7)

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Jesus Christus, derselbe auch in Ewigkeit

„Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“

(Hebräer 13,8)

  1. Wie sollen wir, die ein unerschütterliches Reich empfangen, gegenüber den anderen Gläubigen gesinnt sein handeln (1-3)? Warum sollen wir die Ehe in Ehren halten (4)?
  2. Warum sollen wir nicht geldgierig sein? Wie können Geldgier vermeiden und uns an dem genügen lassen, was da ist (5.6)?
  3. Welche Haltung sollen wir unseren Lehrern gegenüber einnehmen, die uns Gottes Wort gesagt haben (7)? Wem sollen wir vor allem folgen? Warum (8)?
  4. Warum sollen wir uns nicht von verschiedenen fremden Lehren verwirren lassen? Wodurch wird unser Herz fest (9)? Wo hat Jesus gelitten und wozu? Was bedeutet die Einladung, zu Ihm hinauszugehen und seine Schmach zu tragen (10-13)?
  5. Auf welche Stadt hoffen wir nämlich (14)? Welches Opfer sollen wir Gott allezeit darbringen (15.16)?
  6. Betrachte die Verse 17-25. Welches Verhalten unseren Lehrern gegenüber ist für uns selbst gut? Was war das Gebetsanliegen des Verfassers für die Empfänger?

 

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Predigt: Hebräer 12,14 – 29 (Sonderlektion 6B)

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Ermahnung zur Heiligung

„Jagt nach dem Frieden mit jedermann und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird!“

(Hebräer 12,14)

Seit einer Woche hat wieder die Schule begonnen. Das Schuljahr neigt sich wieder dem Ende zu. Gegen Ende des Schuljahres fanden ja gewöhnlicherweise die Bundesjugendspiele statt. Als Kind mochte ich den 100m-Lauf, aber vor dem 1000m-Lauf fürchtete ich mich. Ich war relativ schnell, hatte aber nicht so viel Ausdauer. Weil die letzten Meter so qualvoll waren, war ich immer sehr froh, wenn ich diesen Lauf endlich hinter mich hatte. Das Bild des Marathons, mit dem wir uns letzte Woche beschäftigt hatten, ist daher ein ausgezeichnetes Bild, um die Ausdauer und Geduld des christlichen Glaubenslebens zu beschreiben. Heute werden wir uns mit einem weiteren ausgezeichneten Bild beschäftigen. Es ist das Bild des Nachjagens. Es beschreibt, welche Einstellung wir bzgl. der Heiligung einnehmen sollen. Wir wollen uns mit dem heutigen Text anhand von drei Fragen auseinandersetzen:
1. Was bedeutet es, der Heiligung nachzujagen?
2. Was brauchen wir, um der Heiligung nachzujagen?
3. Wie können wir der Heiligung nachjagen?

Teil 1: Der Heiligung nachjagen (V. 14)
Die erste Anweisung erfahren wir in Vers 14. „Jagt nach dem Frieden mit jedermann und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird!“. Der Apostel greift erneut ein Bild auf. Es ist das Bild des „Jagens“? Jemanden zu jagen bedeutet, jemanden zu verfolgen, an etwas dranbleiben, etwas im Fokus behalten, etwas nicht aus den Augen zu verlieren, nicht aufgeben.
Und was ist das, an das wir dranbleiben und das wir im Fokus behalten sollen? Was ist das, worin wir auf keinen Fall innerlich aufgeben sollen? Der Apostel nennt im Vers 14 zwei Dinge: 1. Frieden mit jedermann und 2. die Heiligung, wobei dem Frieden nachzujagen schon ein Teil der Heiligung ist. Die Aufforderung, dem Frieden nachzujagen, ist ziemlich krass, wenn wir an die Situation der damaligen Zuhörer denken. Sie wurden beraubt, gefangengenommen und öffentlich bloßgestellt. Die damaligen Zuhörer haben große, ja besser gesagt eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit erfahren. Was möchte man in solch einem Fall am liebsten tun? Sich rächen, verfluchen, verwünschen usw. Aber stattdessen sollten sie dem Frieden nachjagen, und zwar mit jedermann, also auch mit deren schlimmsten Verfolgern.
Das Bild des Jagens passt ausgezeichnet zum Thema „Frieden“. Was man jagt, sind ja entweder Tiere oder Feinde. Beide haben eins gemeinsam: sie sind etwas, was sehr schnell entweicht. Wer ein Reh jagen will, muss mucksmäuschenstill sein. Die kleinsten Geräusche und schon ist es weg. Der Friede unter den Menschen ist in der Tat auch etwas, das sehr sehr schnell verschwinden kann. Wer viel mit Menschen zu tun hat, weiß das. Wie leicht geschehen unter Menschen Spannungen. Schon das kleinste Missverständnis kann zu Unfrieden führen. In der Tat ist der Friede etwas, das schnell entweicht. Es ist etwas, dem man nachjagen muss. Etwas, woran man dranbleiben muss. Etwas, dem man hinterher sein muss. Ich musste zum Beispiel letztens dem Frieden nachjagen, als ich mir einen Scherz bei jemanden erlaubt hatte, den er gar nicht als Scherz aufgefasst hatte. Als ich es mit ihm klären wollte, sagte die Person, dass sie schnell zum Bahnhof müsse. Daraufhin sagte ich, dass ich ein Stück mit ihr laufen würde.
Uns sollte bewusst sein, dass die Aufforderung zum Frieden mit jedermann nicht nur im Hebräerbrief auftritt, sondern auch in anderen Stellen der Bibel – zum Beispiel in Ps. 34,15: „lass ab vom Bösen und tue Gutes, suche Frieden und jage ihm nach!“; Röm 12,18.19: „Wenn möglich, soviel an euch ist, lebt mit allen Menschen in Frieden! Rächt euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn [Gottes]!“; 1. Petr 3,11: „er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach!“ Eph 4,3: „Befleißigt euch, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens“ Mt 5,9: „Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen.“ In vielen Stellen der Bibel werden wir also dazu aufgefordert, dem Frieden nachzujagen. Das zeigt, wie wichtig es ist. Die zuletzt erwähnte Bibelstelle aus Mt 5 macht deutlich: Gerade daran, dass wir dem Frieden nachjagen, erkennen die Leute, dass wir Gottes Kinder sind. Mit anderen Worten: Es ist ein mächtiges Zeugnis.
Die Aufforderung, dem Frieden nachzujagen, ist aber besonders schwierig, wenn man von anderen große Ungerechtigkeit erfährt, wie es bei den Hebräern der Fall war. Das kann einem so vorkommen, als würde man ständig gegen das offene Messer laufen. Wie können wir diese geistliche Herausforderung, dem Frieden nachzujagen, gerecht werden? Ich möchte hierzu drei Punkte herausstellen: Ich denke, einer der wichtigsten Punkte ist das Vergeben. Ohne Vergebung werden wir verbittert. Ohne zu vergeben, suchen wir andere Wege, um mit einem Konflikt fertig zu werden. Zweitens ist mir in der letzten Zeit ein Wort aus 1. Korinther 6, 7-9 wichtig geworden: „Es ist nun schon überhaupt ein Fehler an euch, dass ihr Rechtsstreitigkeiten miteinander habt. Warum lasst ihr euch nicht lieber unrecht tun? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen?“ Zum Frieden nachjagen kann es auch dazugehören, sich Dinge gefallen zu lassen, anstelle auf sein Recht zu bestehen. 3. Sprüche 10,12: „aber Liebe deckt alle Vergehen zu.“ Zum Frieden nachjagen gehört es auch, dass man über viele Dinge hinwegsieht. Wer jeden Fehler des anderen kritisiert, kann nicht erwarten, Frieden mit anderen zu haben. Wer wegen jeder Kleinigkeit beleidigt ist, hat vergessen, dass er selbst ein begnadigter Sünder ist. Wenn wir um Jesu willen dem Frieden nachjagen, werden wir in der Heiligung wachsen und das Bild Christi wird in uns mehr und mehr Konturen bekommen.
Was sind aber die Grenzen des Nachjagens von Frieden? In Mt 10,34 sagt Jesus: „Meint nicht, dass ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Wir sollen dem Frieden nachjagen, aber nicht auf Kosten der Wahrheit. Wenn der Frieden mit anderen voraussetzt, dass wir unseren Glauben nicht treu sein können, dann müssen wir der Wahrheit gegenüber dem Frieden Priorität geben. Deswegen heißt es ja in Röm 12: „Wenn möglich, soviel an euch ist, lebt mit allen Menschen in Frieden!“
Betrachten wir noch einmal Vers 14. Die zweite Sache, der wir nachjagen sollen, ist die Heiligung. Warum muss man der Heiligung nachjagen? Die Heiligung ist kein Selbstläufer. Wir haben drei Gegner, die uns von der Heiligung abhalten: 1. unsere verdorbene Natur, 2. der Teufel und 3. die Welt. Diese drei Gegner leisten gegenüber jedem Heiligungsbestreben Widerstand. Der gefährlichste davon ist unsere verdorbene Natur. Ihr nicht zu widerstehen, führt automatisch zu einem Leben in Sünde. Nicht die Heiligung, sondern ein Leben in Sünde ist ein Selbstläufer. Daher ist die Heiligung eine Sache, der man nachjagen muss. Mit anderen Worten: Die Heiligung ist eine Sache, an die man dranbleiben muss und die vollsten Einsatz erfordert. Sie ist eine Sache, die nicht aus den Augen verloren gehen darf. Die Heiligung ist eine Sache, die nicht nach Lust und Laune geschieht, sondern konsequent erfolgt. In 2. Petrus 1,5 heißt es: „so setzt eben deshalb allen Eifer daran und reicht in eurem Glauben die Tugend dar“.
Das Bild des Nachjagens ist auch im Zusammenhang der Heiligung treffend und ausgezeichnet. Jemanden nachzujagen bedeutet ja, jemandem hinterherzulaufen. Allerdings nicht nur irgendwie hinterherlaufen, sondern schnell. Besser gesagt: Man rennt jemandem hinterher. In dem Prozess der Heiligung sollen wir solche sein, die nicht langsam, sondern schnell wachsen. In Hebr. 5,12 heißt es: „Denn während ihr der Zeit nach Lehrer sein solltet, habt ihr wieder nötig, dass man euch lehrt, was die Anfangsgründe der Aussprüche Gottes sind; und ihr seid solche geworden, die Milch nötig haben und nicht feste Speise“ Wir haben letzte Woche das Bild vom Marathon betrachtet. Es ist ein wunderbares Bild um die Ausdauer im Glaubensleben zu veranschaulichen, aber nicht ein Bild dafür, dass es egal ist, wie man läuft. Wie andere Bilder der Bibel veranschaulicht es einen oder mehrere Aspekte, ist aber nicht in jeder Hinsicht anwendbar. Zum Beispiel sagt Jesus über sich selbst, dass er kommen wird, wie ein Dieb. Mit dem Bild des „Diebes“ möchte Jesus die Art und Weise seines Kommens beschreiben, nämlich überraschend und unerwartet. Allerdings würden wir Jesus großes Unrecht tun, wenn wir Jesus in jeglicher Hinsicht mit einem Dieb vergleichen würden. Oder hier ein anderes Beispiel: Jesus sagt: „seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“ Mit dem Bild der „Schlange“ will Jesus nur einen Aspekt verdeutlichen, nämlich klug sein. Eine Schlange ist aber auch listig. Sollen wir auch in dieser Hinsicht wie die Schlangen sein? Nein! Um nicht missverstanden zu werden, macht Jesus den Zusatz: „und ohne Falsch wie die Tauben.“ So ist es auch mit dem Bild des „Marathons“. Es ist nur begrenzt auf den geistlichen Lauf anwendbar. Um die Art und Weise des Laufens zu beschreiben, verwendet der Apostel nämlich ein anderes Bild. Es ist eben das Bild des „Nachjagens“, wo es ja gerade um ein schnelles Laufen geht. Man kann von Heidelberg nach Mannheim mit dem Zug fahren, theoretisch kann man nach Mannheim auch auf allen Vieren kommen, allerdings auf Kosten der Gesundheit. Ebenso auch mit der Heiligung: Wenn sich Christen Zeit mit der Heiligung lassen, kann es gut sein, dass Gott viele Probleme in ihr Leben schickt, um sie in der Heiligung voranzutreiben. Ihr Weg zum Himmelreich geht dann durch viele Leiden hindurch.
Betrachten wir weiter Vers 14. Am Ende von Vers 14 heißt es: „ohne die niemand den Herrn sehen wird.“ Mit diesen Worten verleiht der Apostel der Aufforderung zur Heiligung einen ernsthaften Nachdruck. Einfach gesagt: Gott macht das nicht mit, wenn ein Christ nicht nach der Heiligung trachtet. Die Zeit auf dieser Erde dient als Vorbereitung auf die Ewigkeit mit Christus. Ohne Heiligung ist man auf die Ewigkeit mit Christus nicht vorbereitet. In Mt 5,8 gibt es einen ähnlich lautenden Vers: „Glückselig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Ein reines Herz ist das Gegenteil von einem geteilten oder götzendienerischen Herz. Wir werden auf dieser Erde nie sündlos sein, aber der Prozess der Heiligung muss zu dem Punkt kommen, dass wir Gott von ganzem Herzen lieben. Gott teilt sich den Thron auf unserem Herzen nicht. Gott ist solange mit uns nicht fertig, bis unser Herz ihn einzig und allein anbetet. Ist ja eigentlich auch logisch: Wozu soll ein götzendienerisches Herz Christus schauen? Solch ein Herz findet nichts Schönes an Jesus? Es kann mit seiner Herrlichkeit nichts anfangen. Im Himmelreich sind Scharen von Geschöpfen, die den Herrn Jesus Tag und Nacht anbeten. Was hat dort jemand zu suchen, der ein geteiltes Herz hat? Wie können wir der Heiligung nachjagen?

Teil 2: Die Gnade Gottes nicht versäumen (V. 15 – 17)
Betrachten wir gemeinsam Vers 15: „Und achtet darauf, dass nicht jemand die Gnade Gottes versäumt.“ Die Kraft für die Heiligung bekommen wir ja durch die Gnade Gottes. Die Heiligung erfordert unseren ganzen Einsatz, geschieht aber dennoch nicht aus eigener Kraft, sondern aus Gnade. Das hört sich widersprüchlich an. Ich versuche es mit einem Bild zu verdeutlichen: Um ein Auto in Gang zu setzen, müssen wir es tanken, den Schlüssel drehen, das Pedal treten, die Gänge schalten, bremsen und lenken. Doch niemand von uns würde behaupten, dass das Autofahren aus eigener Kraft geschieht. Es geschieht aus der chemischen Energie, die im Benzin ist. Da ich in der Regel Fahrrad fahre, weiß ich allzu gut, wie sehr sich ein Fahren aus eigener Kraft von einem Fahren mit fremder „Kraft“ unterscheidet. In 2. Petr. 1,3 heißt es: „Da seine göttliche Kraft uns alles geschenkt hat, was zum Leben und [zum Wandel in] Gottesfurcht dient“ Unser Anteil an der Heiligung besteht darin, dass wir die Gnadenmittel Gottes voll in Anspruch nehmen. Man missversteht die Botschaft des Evangeliums, wenn man meint, dass sie eine Legitimation für ein halbherziges Christenleben sei. Gerade weil uns in Christus alle Gnade zur Heiligung gegeben ist, lautet das Motto des Evangeliums: „Heiligung – jetzt erst recht!“
Wir haben in der letzten Lektion erfahren, dass Gott die Leiden der Hebräer gebrauchte um sie zu züchtigen. Dies erinnert an Röm. 8,28, wo es heißt: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind.“ Probleme, Konflikte, Leiden, besondere Herausforderungen, unerfüllte Wünsche u.Ä. gebraucht Gott, um seine Kinder zu formen, sodass sie dem Bild Christi ähnlicher werden. Insofern sind auch solche Dinge Gnade.
Was ist aber, wenn man diese Dinge nicht als Gnade Gottes annimmt? Betrachten wir hierzu das Ende von Vers 15. Es kommt zur Bitterkeit. Verbitterte Menschen murren, sind unzufrieden und reden schlecht über Menschen, die Umstände und damit letztendlich auch gegen Gott. In der Gemeinde üben sie einen destruktiven Einfluss aus. Sie stecken andere mit ihrer Bitterkeit an, sodass durch sie viele verunreinigt werden. Für die restlichen, die sich nicht von ihnen beeinflussen lassen, sind sie eine Last. Bitterkeit ist also kein kleines Problem. Daher darf die Wurzel von Bitterkeit erst gar nicht aufsprießen. Bitterkeit sollte schon in seinen Anfängen identifiziert und behandelt werden. Hierzu wieder ein Bild: Ein kleines Pflänzchen woanders zu verpflanzen, erfordert nicht viel Aufwand. Was ist aber, wenn aus diesem Pflänzchen ein Baum geworden ist? Dann ist das Verpflanzen äußerst aufwendig.
Was ist die Wurzel der Bitterkeit? Betrachten wir hierzu Vers 16. Im Vers 16 kommt der Apostel auf die alttestamentliche Person Esau zu sprechen. Er wird als Gottloser bezeichnet, weil er wegen einer Speise sein Erstgeburtsrecht verkauft hatte. In 1. Mose 25,34 heißt es: „So verachtete Esau das Erstgeburtsrecht.“ Er hatte die Gnade Gottes leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Er hatte keine Wertschätzung gegenüber dem Segen bzw. der Gnade Gottes. Die Wurzel der Bitterkeit ist, dass man die Wertschätzung gegenüber der Gnade Gottes verliert. Folglich kann man besondere Umstände nicht als Gnade annehmen. Man wird verbittert.
Angesichts der schrecklichen Leiden waren die Hebräerchristen versucht, ihre Hoffnung übers Bord zu werfen und als verbitterte Menschen zu verenden. Doch was sollten sie aus dem Beispiel Esau lernen? Das Resultat davon, dass Esau den Segen bzw. die Gnade Gottes verachtete, wird am Ende von Vers 17 beschrieben. Dieser Teil vom Vers ist aber nicht so einfach zu verstehen. Was bedeutet das, dass Esau die Buße mit Tränen suchte? In 1. Mose wird nichts darüber berichtet, dass Esau Buße tun wollte – vielmehr das Gegenteil: Er wollte hernach noch seinen Bruder umbringen. In 1. Mose wird berichtet, dass er nicht die Buße, sondern den Segen mit Tränen suchte. Esau sagte nämlich zu seinem Vater: „Hast du ⟨nur diesen⟩ einen Segen, mein Vater? Segne mich, auch mich, mein Vater! Und Esau erhob seine Stimme und weinte.“ Man kann den letzten Teil von Vers 17 auch so übersetzen: „obgleich er ihn (also den Segen) mit Tränen suchte.“ Jedenfalls passt diese Übersetzung besser zu dem Bericht aus Genesis. Dass ein Mensch mit Tränen Gott um Vergebung bittet, aber Gott sagt: „Ne, mache ich nicht“ – dafür kenne ich in der gesamten Bibel keim Beispiel. Der Ausdruck „fand keinen Raum zur Buße“ bekräftigt die Auslegung, dass Esau nicht Buße tat, eben weil er keine Buße mehr tun konnte. Zusammengefasst: Obwohl Esau den Segen mit Tränen suchte, konnte er seine Entscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das Beispiel Esau ist eine Warnung, Gottes Gnade nicht als etwas Billiges anzusehen, sondern sie hochzuachten.
Wie half der Apostel den Hebräern die Größe der Gnade und Segen Gottes neu zu sehen?

Teil 3: Die Größe der Gnade im Neuen Bund (V. 18 – 29)
Betrachten wir die Verse 18 bis 24. Als Gott dem Volk Israel die 10 Gebote gab, war seine Erscheinung furchterregend. Sie wird mit den Wörtern „Dunkel“ und „Finsternis“, „brennender Berg“, „Ungewitter“, „Posaunenschall“ und „unerträglichen Worten“ beschrieben. Gott erschien den Israeliten als einen unnahbaren, gefährlichen und bedrohenden und nicht zuletzt als einen unheimlichen Gott. Seine Worte waren 0,0 Gnade, so unerträglich, dass die Israeliten Mose baten, dass Gott nicht mehr mit ihnen reden solle. So wie Gott den Israeliten auf dem Berg Sinai begegnet war, ebenso haben auch wir es aufgrund unserer Sündhaftigkeit verdient, dass Gott uns als einen unnahbaren, gefährlichen, bedrohenden und nicht zuletzt als einen unheimlichen Gott begegnet. 0,0 Gnade – das ist unsere eigentliche Lage.
Doch in den Vers 22-24 erfahren wir, wie Gott mit uns in Wirklichkeit umgeht: Hier ist nicht mehr von einem brennenden Berg die Rede, sondern vom Berg Zion, der für Gottes Heil und Segen steht; es ist nicht mehr von einem unnahbaren Gott die Rede, sondern von einem willkommenden Gott, ein Gott, der ins himmlische Jerusalem, wo auf die Gläubigen eine Festversammlung mit Myriaden von Engeln wartet, willkommen heißt; nicht mehr von der Androhung des Todes, sondern von einem vollen Anteil am Heil, nämlich am himmlischen Jerusalem, der Gemeinde, an dem Mittler Jesus und seinem Blut. Abels Blut klagte vor Gott an, Jesu Blut aber rechtfertigt uns. Nicht mehr von unerträglichen Worten ist die Rede, sondern von Namen, die in den Himmeln angeschrieben sind, also von voller Gnade; nicht mehr ist von einem ohnmächtigen Mittler, der selber sich fürchtete und zitterte, die Rede, sondern von Jesus, dem Mittler des neuen Bundes. Durch den Kontrast zum Alten Testament leuchtet die Gnade Gottes noch mehr auf. Wer einmal die Wertschätzung der Gnade und Segen Gottes verloren hat, hole sich einmal in Erinnerung, was seine eigentliche Lage vor Gott wäre. Der denke darüber nach, wie Gott ihm aufgrund seiner Sündhaftigkeit eigentlich begegnen müsste. Eine größere Gnade bedeutet aber nicht nur eine größere Wertschätzung, sondern auch mehr Verantwortung. Daher die Ermahnung in Vers 25: „Habt acht, dass ihr den nicht abweist, der redet!“ Hebr. 1,1 -2 heißt es: „Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn.“ Gottes Reden zu uns geschah am deutlichsten durch seinen Sohn, viel deutlicher als durch die Propheten. Denn nirgendswo klarer, als in seinem Sohn, können wir Gottes Liebe und Barmherzigkeit hören. Gerade dieses Reden durch Seinen Sohn abzuweisen, hat ein viel heftigeres Gericht zu Folge als das Gesetz abzuweisen. Im Kontext der vorherigen Verse bedeutet „Abweisen“, dass die Botschaft des Evangeliums ohne praktische Konsequenzen der Heiligung bleibt.
Welche Schlussfolgerung sollen wir aus dem Ganzen ziehen? Betrachten wir hierzu Vers 28. Die Schlussfolgerung ist Dankbarkeit! Nach mehreren anderen Übersetzungen steht zwischen dem Wort „dankbar“ und „dienen“ das Wort „wodurch“. Echte Dankbarkeit zeigt sich also darin, dass man Gott dienen möchte. Denn wie kann man von Dankbarkeit sprechen, wenn man nicht das Anliegen hat, Gott zu dienen?
Ein Dienen, das Gott gefällt, ist ein Dienen mit Scheu und Furcht! Wer hätte das gedacht? Wir würden eher erwarten, dass da so etwas steht wie „Dienen mit Freude“ oder „Dienen vom Herzen“, aber nein, dasteht: „mit Scheu und Furcht“. Was bedeutet das? Damit ist nicht die sklavische Furcht gemeint. Es geht hier nicht darum, aus Angst vor Gott zu dienen. Es geht um eine Furcht, die aus der Hochachtung gegenüber der Gnade Gottes kommt. Lasst mich mal versuchen, das an einem Bild zu erklären: Angenommen du hast ein teures elektrisches Gerät gekauft, wie zum Beispiel ein hochqualitatives Laptop. Gerade weil es so wertvoll ist, geht man damit sehr vorsichtig um. Man würde es niemals werfen, nicht einmal mit dreckigen Händen anfassen. Bildschirm darf nur mit einem Mikrofasertuch gereinigt werden. Niemand darf an den Computer dran, als nur du allein usw. Kurz gesagt: Man geht damit hochachtungsvoll um, gerade weil man weiß, wie wertvoll dieses Gerät ist. Und so ist es auch mit der Gnade. Wer verstanden hat, wie kostbar diese Gnade ist, geht mit ihr nicht leichtfertig um, sondern mit Hochachtung, oder wie es der Apostel sagt: mit „Scheu und Furcht“. Stell dir vor, jemand benutzt seinen nigelnagelneuen Laptop als Fußabtreter. Wir könnten uns so etwas nicht ansehen. Es tut regelrecht weh. Noch grausamer ist es, mit der Gnade Gottes, die ja noch viel kostbarer ist, leichtfertig umzugehen. In 1. Kor 6,20 heißt es: „Denn ihr seid teuer erkauft; darum verherrlicht Gott in eurem Leib“. In der zweiten Strophe von „amazing grace“ heißt es:

Die Gnade hat mich Furcht gelehrt und auch von Furcht befreit
seitdem ich mich zu Gott bekehrt bis hin zur Herrlichkeit.

Das ist je genau das: Die Gnade befreit uns einerseits von der Angst des Gerichts, andererseits lehrt sie uns auch Gottesfurcht. Schließlich heißt es: „denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.“ Im Neuen Testament wird die Heiligkeit Gottes zwar von der Gnade Gottes überstrahlt1, aber nicht aufgehoben. Wir haben es nach wie vor mit einem heiligen Gott zu tun. Dies zu wissen, hilft uns, die Gnade Gottes nicht als selbstverständlich anzusehen, sondern ihr mit Hochachtung zu begegnen.

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1 Vgl. Laubach, F. in: Wuppertaler Studienbibel, S. 268. SCM R. Brockhaus.

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Fragebogen: Hebräer 12,1-29 (Sonderlektion 6) – Teil 2: 12-29

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Lasst uns aufsehen zu Jesus

„Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.“

(Hebräer 12,2)

Teil 1

  1. Was meint der Verfasser mit eine solche Wolke von Zeugen? Was bedeuten sie für uns? Warum vergleicht er das Glaubensleben mit einem Langstreckenlauf? Welche Haltung ist dabei erforderlich? Was musst du alles ablegen, um laufen zu können?
  2. Wie können wir zu Jesus aufschauen? Inwiefern ist Jesus der Anfänger und Vollender des Glaubens? Welches Leiden hat er erduldet und wie hat Gott ihn belohnt? Warum sollten die Empfänger und auch wir an Jesus denken (3)?
  3. Bis zu welchem Punkt hatten sie noch nicht gekämpft, aber was hatten sie vergessen (4)? Welche Bedeutung hatte ihr Leiden? Was sollten sie über Gottes Erziehung erkennen (5-9)? Was ist das Ziel von Gottes Erziehung und ihre Frucht (10.11)? Was heißt das für uns?

Teil 2

  1. Wie sollen die Gläubigen inmitten des Leidens den Lauf des Glaubens laufen (12.13)? Wonach sollen wir als Christen jagen und warum (14)?
  2. Worauf muss jeder in der Gemeinde achten? Was ist eine „bittere Wurzel“, wie entsteht sie und was passiert, wenn sie aufwächst (15)? Was tat Esau und warum? Was war das Resultat (16.17)? Welche Warnung erhalten wir hier?
  3. Welcher grundsätzliche Unterschied besteht zwischen dem Berg, zu dem die Israeliten im Alten Testament kamen, und dem Berg, zu dem wir Christen im Neuen Testament kommen (18-24)? Warum fürchteten sich Mose und die Israeliten?
  4. Warum dürfen wir den Herrn nicht abweisen (25)? Welche Verheißung gab Gott über seine zukünftige Erscheinung (26.27)? Was bedeutet es, dass wir ein Reich empfangen, das nicht erschüttert wird? Mit welcher Haltung sollen wir deshalb Gott dienen (28.29)?
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