Predigt: Die Gemeinde, die Jesus unter uns bauen will – Gesendet zur Mission 7 – Offenbarung 5

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Das höchste Ziel von allem: Anbetung

„Sie riefen mit lauter Stimme:
Würdig ist das Lamm, das geschlachtet ist, /
Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit, /
Kraft und Ehre, Lob und Herrlichkeit.“

Offenbarung 5,12

Offenbarung 5 ist eines dieser Texte, die man eigentlich nicht predigen sollte. Eigentlich sollte er einfach nur vorgelesen werden. Und danach sollten wir diesen Text auf uns einwirken lassen, bis wir veränderte Menschen sind.
Es geht heute um nichts weniger als den Sinn des Lebens. Aus christlicher Perspektive hat der Sinn des Lebens mit ekstatischer Freude und Begeisterung zu tun. Wir Christen verwenden in diesem Zusammenhang das Wort „Anbetung“. Der Text ist voller Anbetung. Wir wollen anhand des Textes über drei Fragen nachdenken:
1. Was ist Anbetung? 2. Warum sollten wir anbeten? 3. Wie können wir anbeten?

1. Was ist Anbetung?
Im Text sehen wir verschiedene Elemente, die alle zur Anbetung dazu gehören. Zum einen sehen wir, dass Anbetung mit unserem Körper geschieht. In Vers 8 lesen wir: „Als es das Buch empfangen hatte, fielen die vier Lebewesen und die vierundzwanzig Ältesten vor dem Lamm nieder.“ Und in Vers 14 lesen wir: „Und die vierundzwanzig Ältesten fielen nieder und beteten an.“ Die meisten Ausleger gehen davon aus, dass die 24 Ältesten im Prinzip Engel sind. Und wir lesen zweimal, dass die Geschöpfe im Himmel vor dem Lamm niederfallen. Sie gehen auf die Knie und fallen auf ihr Angesicht. Anbetung hat etwas Körperliches an sich.
Viele von uns sind jetzt nicht so diejenigen, die viel mit dem Körper ausdrücken wollen. Ich weiß gar nicht, wer von uns gerne tanzt. Wenn wir bei uns Lieder singen, und das Lobpreisteam bittet uns, aufzustehen, tun wir das manchmal mit einer gewissen Behäbigkeit. Aber gehen wir mal von einem anderen Szenario aus: das Fußball-Stadion während einem Champions-League-Spiel; oder während einem Länderspiel bei der Weltmeisterschaft. Was sehen wir da? Wir sehen 50,000 oder noch mehr Fans vor Begeisterung springen, tanzen, gestikulieren, Farbe bekennen, Schals präsentieren, Krach machen. Wofür? Wegen 22 Spielern in der Mitte, die einem Ball hinterherlaufen. Kleines Gedankenexperiment: stellen wir uns vor, Außerirdische kommen unseren Planeten besuchen. Und das Erste, was sie zu sehen bekommen ist, ist ein Bundesligaspiel: BVB gegen München. Sie würden vermutlich denken, dass wir Menschen völlig verrückt sind. Ich sage nicht, dass Fußball Anbetung ist; obwohl das auf manche Fans durchaus zutrifft. Aber Fußball hat auf jeden Fall Elemente von Anbetung: ein Ausdrücken von Begeisterung mithilfe unseres ganzen Körpers. Wir sitzen nicht still da.
Zum Niederfallen gibt es noch einen weiteren Punkt zu sagen: Es drückt Unterordnung aus; es drückt Hingabe aus. Es ist das, was Diener vor ihrem König und Herrn tun mussten. Anbetung ist ein Dienst: Man erkennt an, dass es etwas Höheres und Größeres gibt; und man gibt zu erkennen, dass man sich unter diese Herrschaft begibt. Ich kann mir vorstellen, dass das vielen modernen Menschen überhaupt nicht gefällt. Ich werde in ein paar Minuten etwas mehr dazu sagen.
Der nächste Aspekt ist, Anbetung hat auch etwas Rationales an sich. In den Versen 9 und 10 hören wir, wie die Ältesten Jesus preisen. Das Entscheidende ist: sie preisen nicht nur. Sie sagen auch wofür und weshalb genau: „Würdig bist du, / das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du wurdest geschlachtet / und hast mit deinem Blut / Menschen für Gott erworben / aus allen Stämmen und Sprachen, / aus allen Nationen und Völkern und du hast sie für unseren Gott / zu einem Königreich und zu Priestern gemacht; / und sie werden auf der Erde herrschen.“ Das ist eine ziemlich ausführliche Begründung, weshalb sie ihn preisen. Und das ist dann auch der Unterschied zu Fußball. Natürlich kann Fußball aufregend sein; aber am Ende des Tages geht es um einen Ball, der auf ein Tor geschossen wird. Per Definition kann es nicht wichtig sein.
Die Begeisterung im Himmel ist kategorisch eine völlig andere, weil die Ekstase sehr rational begründet ist. Und das steht so ziemlich genau im Gegensatz zu allem, was viele Menschen über den Glauben denken. Der Tagesspiegel hatte vor ein paar Jahren verschiedene Professoren zu dem Thema befragt, ob Glauben und Vernunft vereinbar sind. Die große Mehrheit sagte eindeutig nein. Soziologie-Professorin Nina Degele aus Freiburg sagte z.B.: „Glaube hat so viel mit Vernunft zu tun wie ein Fisch mit einem Fahrrad, nämlich herzliche wenig.“
Die Bibel spricht eine ganze andere Sprache. Anbetung ist eben nicht einfach nur Emotion, Gefühle, Ekstase. Anbetung beruht immer auf rationalen Begründungen. Die Bibel sagt nicht einfach: „Freut euch! Einfach deshalb, weil es schön, sich zu freuen.“ Sie sagt: „Freut euch in dem HERRN.“ Die Bibel sagt nicht einfach „Preist den HERRN.“ Sie sagt: „Preist den HERRN, denn seine Güte währt ewiglich.“ D.h., sie spricht den Verstand des Menschen an, genauso wie sein Herz. Man kann sich natürlich immer noch darüber streiten, ob das, was die Bibel wahr ist oder nicht. Aber der Punkt, der sich nicht leugnen lässt, ist der, dass die Bibel den Anspruch erhebt, Wahrheiten zu vermitteln, die von unserem Verstand erfasst, geprüft, verstanden und verdaut werden sollen. Anbetung findet niemals in einem Vernunftsvakuum statt.
Noch ein Punkt: Anbetung ist immer ein Ausstrecken nach dem Unendlichen. Der Preis in Offenbarung 5 ist unbeschreiblich und gigantisch: Es beginnt mit den Ältesten, und den vier Lebewesen, die sich direkt am Thron befinden. In Vers 11 stimmen unzählige Engel ein: „Ich sah und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron und um die Lebewesen und die Ältesten; die Zahl der Engel war zehntausend mal zehntausend und tausend mal tausend.“ Und das ist immer noch nicht alles. In Vers 13 heißt es: „Und alle Geschöpfe im Himmel und auf der Erde, unter der Erde und auf dem Meer, alles, was darin ist, hörte ich sprechen: Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm / gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit.“ Die Anbetung breitet sich in immer größeren Wellen aus. Es ist, wie wenn man ein Stein ins Wasser wirft: ausgehend von der Einwurfstelle gehen kreisförmige Wellen aus. Der Unterschied ist: im Wasser werden die Wellen nach und nach kleiner werden, je weiter sie sich entfernen. Aber hier ist das Gegenteil der Fall. Die Wellen werden größer und türmen sich immer weiter auf. Das macht etwas mit uns.
Die meisten von uns lieben Musik. Ganz offensichtlich nicht die gleiche Art von Musik. Aber praktisch jeder Mensch liebt irgendeine Form von Musik. Der berühmte Dirigent Zubin Mehta erzählte, wie er als junger Student die Wiener Philharmoniker unter dem Altmeister Karl Böhm gehört hatte. Er war von diesem Klang zutiefst fasziniert. Und er sagte, dass seither jedes Konzert, das er selbst dirigiert, der Versuch ist, diesen Klang zu rekonstruieren. Ich glaube, ich verstehe ziemlich genau, was er meint. Ohne anmaßend sein zu wollen, glaube ich nicht, dass Zubin Mehta meinte, dass er auf der Suche nach dem Klang der Wiener Philharmoniker der 50er Jahre ist. Ich denke, dass er etwas anderes meinte. Es ist die Suche nach einer Schönheit, die unendlich ist, die nicht von dieser Welt ist, sondern eigentlich himmlisch ist. Jeder Mensch ist in irgendeiner Form auf der Suche nach dieser Schönheit. Wir wollen nicht nur das Schöne finden und genießen; wir wollen in dem Schönen baden und mit dem Schönen vereint sein.
Um noch einen Musiker zu zieren: für Leonard Bernstein war Beethoven der größte Komponist aller Zeiten. Bernstein sagte: „Beethoven brach alle Regeln und schuf Werke von atemberaubender Richtigkeit. Richtigkeit – das ist das Wort! Wenn du das Gefühl hast, dass jede Note, die auf die letzte folgt, die einzig mögliche Note ist, die in diesem Moment, in diesem Kontext, richtig sein kann, dann hörst du wahrscheinlich Beethoven. … Unser Junge hat das echte Zeugs, den Stoff vom Himmel, die Kraft, dich am Ende spüren zu lassen: Etwas stimmt in der Welt. Es gibt etwas, das durchgängig regiert, das konsequent seinem eigenen Gesetz folgt: etwas, dem wir vertrauen können, das uns nie im Stich lässt.“ Hier ist das, was Bernstein damit meinte: Beethovens Musik ist ein Hinweis darauf, dass es so etwas gibt, was objektiv wahr und schön ist. Anbetung ist ein Ausstrecken nach dem Unendlichen: nach etwas, was objektiv herrlich ist, objektiv schön ist, objektiv wahrhaftig ist, objektiv gut und gütig ist.
Offenbarung 5 sagt, dass Gott diese Person ist: unendlich gut und unendlich wunderbar. Er ist das Zentrum und das Objekt der Anbetung. Um zusammenzufassen, Anbetung ist die bewundernde Verehrung Gottes, die durch unser ganzes Sein zum Ausdruck kommt, durch unseren Körper, unser Intellekt, unsere Emotionen und unseren Willen.

2. Warum sollten wir anbeten?
N.T. Wright, der große NT-Theologe, hat Offenbarung 5 mit einer Bühne verglichen, auf der ein unglaubliches Schauspiel stattfindet. Die Musik beginnt. Sie ist grandios und großartig. Aber die Frage ist dann: wo bleiben die Schauspieler? Und plötzlich merkt man als Zuschauer: „Moment einmal, … wir alle sind heute die Akteure. Ich bin Teil von der Aufführung.“ Und genau das ist der Fall. Ich habe zu Beginn gesagt, dass dieser Text eine offene Einladung an dich ist, ein Anbeter zu werden. Und falls du jetzt denkst: „Warum sollte ich das? Das passt nicht nur mir“, möchte ich dir gerne sagen: jeder Mensch, ohne Ausnahme ist ein Anbeter.
Tim Keller hat am Freitag folgendes auf Twitter geschrieben: „Zwei Behauptungen: Erstens, dass alle Menschen ihr Leben auf Glauben gründen – auf empirisch nicht belegbare Glaubensannahmen. Zweitens, dass alle Menschen anbeten – ihre letzte Liebe und Hoffnung auf etwas richten. Ich denke, diese Behauptungen haben ihren Wert, aber ich sehe auch, wie sehr sie Atheisten/Agnostiker verärgern. Diskutiert mal schön.“
Vorhin habe ich gesagt, dass Anbetung das Ausstrecken nach dem Unendlichen ist. Ich denke, dass praktisch alle Menschen das auf die ein oder andere Weise tun, aber es vielleicht nicht so nennen. Hier sind zwei Beispiele, die ich aus Filmen aufgegriffen haben, und mit denen sich viele Menschen identifizieren können.
In dem Marvel Film Doctor Strange (den ich durchaus empfehlen kann, nicht unbedingt wegen der Qualität des Films, sondern wegen vieler guter Zitate), gibt es einen unglaublich ehrgeizigen und egozentrischen Arzt, der seine Karriere über alles stellt. Er trifft in dem Film auf eine Zauberin, die von den anderen die Älteste genannt wird, die ihn unter ihre Fittiche nimmt. Nach einem Kampf, in dem Doctor Strange jemand töten musste, beklagt sich Dr. Strange: „Als ich Arzt wurde, hatte ich geschworen, dass ich niemanden schaden werde. Und ich habe gerade einen Mann umgebracht. Ich bin Arzt geworden, um Leben zu retten, nicht Leben zu nehmen.“ Die Älteste antwortet darauf: „Du bist Arzt geworden, um ein Leben vor allen anderen zu retten. Dein eigenes.“ Dr. Strange sagt dann: „Du durchschaust mich also immer noch?“ Ihre Antwort: „Ich sehe das, was ich immer gesehen habe: dein aufgeblasenes Ego.“ Die Älteste hat recht: Jeder von uns versucht sein eigenes Leben zu retten. Und wir wenden uns etwas oder jemanden zu, um diese Rettung zu suchen: es kann Geld sein, Anerkennung und Status, oder die Romanze des Lebens, der oder die Partnerin fürs Leben.
Hier ist ein anderes Beispiel. Es gibt auf Youtube einen kurzen, sehr schön gemachten Dokumentarfilm über einen sympathischen Ramen Koch namens Kunimoto. Als Restaurant-Besitzer arbeitet er unglaublich hart. Wenn man die Stunden aufsummiert, in denen er arbeitet, kommt man auf 80 Wochenstunden fast ununterbrochener, physischer, anstrengender Arbeit. Der Filmer, der die Geschichte erzählt, sagt dazu: „Wenn du gedenkst, der Eigentümer von einem Geschäft zu sein, denkst du, dass du der Chef von allen bist. Und sicher, das bist du irgendwie auch… Aber was du vielleicht nicht weißt, ist, dass das Geschäft dich besitzt. Und anstelle eines Chefs hast du alle deine Kunden, die du zufrieden stellen musst. Wenn du denkst, dass du die schmutzigen Aufgaben loswirst, wirst du vielleicht enttäuscht sein, festzustellen, dass du sie trotzdem alle erledigen musst. … Kunimoto ist der Erste, der kommt, und der Letzte, der geht.“ Ich finde den Satz so erstaunlich: „Nicht du besitzt das Geschäft. Das Geschäft besitzt dich.“
Frage: Was ist es, was dich nachts wach hält? Um was machst du dir Sorgen? Sorgen sind Gedanken, die wie Geier um ein Problem herumkreisen. Um was kreisen sich deine Gedanken? Und was sind die ersten Gedanken, die dir spontan in den Sinn kommen, wenn du dein Smartphone nicht in der Hand hast? Die Wahrscheinlich ist groß, dass es genau das ist, was du anbetest. Es ist das, wovon du dir Rettung erhoffst: wovon du hoffst, dass es dein Leben mit Sinn erfüllt. Vorhin haben wir gesehen, dass Anbetung mit Unterordnung zu tun hat. Und vielleicht denken wir, dass wir unsere eigenen Chefs sind; dass niemand uns Vorschriften macht; dass wir autonom entscheiden, was wir für unser Leben wollen. Aber es ist nur eine Illusion. Fakt ist, dass wir alle jemanden dienen: häufig ist es unsere Arbeit und unsere Karriere. Oder es können die Kinder sein, für die man sich pausenlos aufreibt, weil man ihnen das Leben ermöglichen will, das man selbst nicht haben konnte, weil man sein eigenes ich durch sie verwirklichen will. Der deutsch-koreanische Philosoph Byung-Chul Han sprach davon, dass wir vielleicht keine Sklaventreiber mehr über uns haben; aber wir beuten uns selbst leidenschaftlich aus.
Du bist bereits ein Anbeter. Solange du Gott nicht anbetest, wirst du die Erfahrung machen, dass das, was du anbetest, nicht halten können wird, was es verspricht. Wie oft hattest du in deinem Leben bereits das Gefühl: „Ich bin so froh darüber, dass ich befördert wurde und mehr Geld bekomme. Aber es hält nicht, was es versprochen hat.“ Oder: „Der Urlaub war schön. Aber eigentlich hatte ich es mir besser vorgestellt.“ Oder: „Die Flitterwochen mit meinem Traumpartner waren wunderbar; aber wenn ich ganz ehrlich bin, hat irgendetwas gefehlt.“
Oder aber, du wirst die Erfahrung machen, dass das, was du anbetest, wirklich hart und unnachgiebig ist. Ich kannte eine Studentin, die Musikwissenschaft studiert hatte. Aber Musikwissenschaft war nicht das, was sie eigentlich wollte. Eigentlicher war ihr Lebenstraum, eine Pianistin zu werden. Dieser Traum ist wie eine Seifenblase zerbrochen, als die Musik-Professoren ihr mitteilen mussten, dass ihre Hände dafür zu klein sind. Unsere Gesellschaft ist ja voll von irgendwelchen Heldengeschichten, in denen Menschen bekennen: „Mir wurde gesagt, das packst du nie!“ Aber wenn man nur an sich glaubt und hart arbeitet, dann kann man alles erreichen. Und wisst ihr was? Das sind die Ausnahmen, die die Regeln bestätigen. Was macht das mit einem, wenn man sich etwas mehr als alles andere wünscht, und man erfährt: „Du bist ungeeignet. Du bist unzureichend.“ Als sie diese Geschichte erzählte, musste sie weinen. Viel später erst habe ich verstanden, dass da ganz klar eine Verletzung war, die nicht ausgeheilt war. Ihr Objekt der Anbetung war, eine Pianistin von Weltrang zu werden. Das war es, was sie anbetete. Und dieser Ersatzgott hatte ihr nicht vergeben. Wenn das, was du anbetest, nicht Gott ist, wirst du entweder enttäuscht werden, weil es nicht hält, was es verspricht oder es wird dich niedermachen.
Aber in Gott selbst findest du ein Objekt der Anbetung, das groß genug ist, um deinen größten Erwartungen standzuhalten. Gott ist herrlich und schön, um uns für immer zu begeistern; er wird uns nicht enttäuschen. Und gleichzeitig finden wir einen Herrn, der gnädig und gütig ist, uns alle unsere Vergehen und Versagen zu vergeben.

3. Wie können wir anbeten?
Man könnte hier so viel aus dem Text herausziehen, z.B. was es bedeutet, dass sie ein neues Lied singen. Aber ich möchte zum Schluss nur einen Punkt erwähnen, der uns hoffentlich Anstoß gibt, mehr und mehr zu Menschen zu werden, die ein Leben der Anbetung führen.
Es braucht eine kontinuierliche Beschäftigung mit der frohen Botschaft von Jesus, dem Evangelium. Was ist der Grund für die unbeschreibliche Anbetung im Text? Das Lamm empfängt das Buch. Das ist der Grund. Vers 9: „Und sie sangen ein neues Lied und sprachen: Würdig bist du, / das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen;“ Vielleicht fragt ihr euch: Was hat das zu bedeuten? Was hat es mit dem Buch auf sich? Warum das ganze Drama wegen des Buchs?
Lasst mich ganz kurz ausholen. In Kapitel 5,1 ist von einer Buchrolle die Rede, die außen und innen beschrieben ist. Die Tatsache, dass sie außen und innen beschrieben ist, ist außergewöhnlich. Es bedeutet, dass der Inhalt des Buches reichhaltig und überfließend ist. Im weiteren Verlauf von Offenbarung erfahren wir, was der Inhalt von diesem Buch ist. Das Buch handelt von Gottes großartigen Plänen für unsere Welt. Gott erschuf die Welt. Seine Intention war es, das Projekt Welt mit uns Menschen gemeinsam zu gestalten. Aber wir Menschen haben uns sofort disqualifiziert, als wir in Sünde und Ungehorsam gefallen sind. Dann war Gottes Plan, sich eine Person zu erwählen und durch deren Nachkommen diese gefallene Welt wiederherzustellen. Israel heißt der Plan. Aber das AT dokumentiert das kontinuierliche Versagen von Israel. Wir Menschen sind unwürdig und Israel hat es vermasselt. Und weil dem so ist, findet sich niemand im Himmel und auf der Erde, der das Buch öffnen kann und Gottes Pläne ausführen kann. Vers 4 sagt: „Da weinte ich sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch zu öffnen und hineinzusehen.“ Es scheint niemand da zu sein, der das Böse besiegen und diese Welt zu einem guten Ende bringen würde.
Johannes wird getröstet. Vers 5: „Da sagte einer von den Ältesten zu mir: Weine nicht! Siehe, gesiegt hat der Löwe aus dem Stamm Juda, der Spross aus der Wurzel Davids; er kann das Buch und seine Siegel öffnen.“ Hier ist das Besondere: Der Engel sagt, dass es eine Person gibt, die Mensch ist und stellvertretend alle Menschen repräsentiert; und dass diese Person der Nachkomme Davids ist, also auch für Israel steht. Wir erwarten den Auftritt des Löwen: der siegreiche König, der die Finsternis besiegt und das Böse überwunden hat. Wer ist dieser Held?
In einem der wunderbarsten Wendepunkte der ganzen Bibel lesen wir dann: „Und ich sah: zwischen dem Thron und den vier Lebewesen und mitten unter den Ältesten stand ein Lamm; es sah aus wie geschlachtet und hatte sieben Hörner und sieben Augen…“ Wir erwarten einen starken, mächtigen, brüllenden Löwen. Aber der Löwe ist ein Lamm. Jesus hat das Böse besiegt. Aber nicht durch politische Raffinesse, nicht durch militärische Gewalt, nicht durch Unterdrückung. Er hat das Böse besiegt, indem er geschlachtet wurde; er hat gewonnen, indem er für alle gestorben ist und auferstanden ist. Es war die einzige Möglichkeit, Sünde zu vernichten, ohne uns zu vernichten; es war die einzige Möglichkeit, die Finsternis zu vertreiben, ohne uns zu vertreiben; es war die einzige Möglichkeit, Bosheit zu richten, ohne uns zu richten. Das ist das Evangelium. Das ist die frohe Botschaft von Jesus Christus.
Jesus ist der Löwe, der das Lamm ist, das geschlachtet ist. Jesus ist stark, und er ist sanftmütig; er ist mächtig, und er ist freundlich; er ist gefährlich und er ist verletzlich; er ist König, und er ist Diener; er ist Priester, und er ist das Opfer; er ist hoch erhöht, und er hat sich ganz erniedrigt. Er überwindet alle Gegensätze, und er vereint, was vorher unvereinbar scheint.
Er ist für dich gestorben. Was hätte er noch tun können, um dich zu gewinnen? Wenn du das verstanden hast, dann beginnt dein Herz zu singen. Anbetung.

 

 

 

 

 

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Fragebogen: Die Gemeinde, die Jesus unter uns bauen will – Gesendet zur Mission 7 – Offenbarung 5

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Das höchste Ziel von allem: Anbetung

Der Text heute ist Offenbarung 5. In gewisser Weise soll diese Lektion nicht nur den Abschluss bilden vom Thema „Mission“, sondern die vorherigen 20 Lektionen zusammenfassen.

Kannst du kurz (!) den Kontext von Offenbarung 5 zusammenfassen? Johannes weint, weil niemand würdig ist, die Buchrolle zu öffnen. Warum?
Einer der Ältesten tröstet Johannes und sagt, dass der Löwe aus dem Stamm Juda, der Spross aus der Wurzel Davids würdig ist, die Siegel zu brechen und das Buch zu öffnen (V5). Der Löwe stellt sich als Lamm heraus. Was bedeutet das?

In Vers 8 beginnt ein gewaltiger Lobpreis. Wofür wird Jesus gelobt?
Beschreibe, wie der Preis in den folgenden Versen Kreise zieht.
Für diese himmlische Szene gibt es eigentlich keine Worte, nicht wahr? An dieser Stelle dürfen wir gerne einen Moment innehalten.

Die große Frage lautet: wie kann dieser Preis, der im Himmel Alltag ist, Teil von deinem Leben im Hier und Jetzt werden?
Wie könnte das aussehen?

John Piper sagte einmal folgendes: „Mission ist nicht das höchste Ziel der Gemeinde. Anbetung ist das höchste Ziel. Der Grund weshalb es Mission gibt, ist der, weil es Anbetung nicht überall gibt. Anbetung ist das Höchste, nicht die Mission, weil Gott der Höchste ist, nicht der Mensch. Wenn dieses Zeitalter vorüber ist und die Millionen Erlösten vor dem Thron Gottes auf ihr Angesicht fallen, wird es Mission nicht mehr geben. Es ist eine vorübergehende Notwendigkeit. Aber Anbetung bleibt in Ewigkeit.“
Bist du mit dieser Aussage einverstanden? Warum oder warum nicht?

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Predigt: Die Gemeinde, die Jesus unter uns bauen will – Gesendet zur Mission 6 – Matthäus 25,31-46

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Barmherzigkeit

„Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“

(Matthäus 25,40)

Wir hören heute die vorletzte Predigt zum Thema „Mission“. Bisher haben wir betrachtet, wie Jesus seinen Jüngern die Vision von der großen Ernte für das Evangelium gegeben und sie aufgefordert hat, Gott zu bitten, dass er Arbeiter in seine Ernte sende (Mt 9,35-38). Wir haben erfahren, wie Paulus in verschiedenen Städten das Evangelium auf unterschiedliche Weise verkündigt und dabei jeweils den kulturellen und religiösen Hintergrund seiner Zuhörer berücksichtigt hat. Heute betrachten wir Jesu letzte Predigt im Matthäusevangelium vor seiner Gefangennahme. Davor hatte er nach dem Einzug in Jerusalem den Jüngern die Rede über die Endzeit gehalten. Danach hatte er ihnen durch drei Gleichnisse gesagt, wie sie bis zu seiner Wiederkunft leben sollten, und dabei erklärt, wer ins Himmelreich kommt und wer nicht (Gleichnis vom treuen und vom bösen Knecht (24,45-51); von den klugen und törichten Jungfrauen (25,1-13); von den anvertrauten Talenten (14-30)). Mit dem heutigen Text schließt Jesus seine Rede an sie ab. Jesus kündigt darin konkret an, dass er als König wiederkommen wird und alle Menschen vor ihm versammelt, und dass die einen ins Himmelreich eingehen werden, die anderen aber ins ewige Feuer gehen müssen. Es ist also eine konkrete Prophezeiung, bei der Jesus ein Bild gebraucht (Trennung von Schafen und Böcken). Durch das Gespräch des Königs mit den beiden Gruppen veranschaulicht er den Grund, warum die einen gerettet und die anderen verflucht werden. Lasst uns heute lernen, was Jesus von uns Gläubigen unbedingt erwartet.

Wie beginnt Jesus seine Rede? Er sagt in den Versen 31 und 32a: „Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sich setzen auf den Thron seiner Herrlichkeit, und alle Völker werden vor ihm versammelt werden.“ Jesus sagt seine Wiederkunft nicht gleichnishaft, sondern klar und deutlich voraus. Dabei wiederholt er das Wort Herrlichkeit. Als Jesus zuerst auf die Erde kam, kam er als ein Baby in einem Stall in Niedrigkeit. Aber hier betont Jesus, dass er in Herrlichkeit kommen wird. Wenn auf ein König oder Staatspräsident eines anderen Lands Deutschland einen offiziellen Staatsbesuch abstattet, dann stehen am Flughafen vielleicht zwanzig oder dreißig Soldaten Spalier, um ihm Ehre zu erweisen. Letzte Woche hat zum Beispiel die Königin von Dänemark einen Staatsbesuch in Deutschland gemacht und wurde am Flughafen von einem hohen Beamten und einigen Soldaten der Bundeswehr empfangen. Das gilt als eine große Ehre, die nur wenigen Menschen zuteil wird. Aber wenn der König Jesus wiederkommt, wird es mit nichts auf der Welt zu vergleichen sein. Alle Engel werden mit ihm sein, um ihm Ehre zu erweisen; nach der Offenbarung gibt es viele Millionen Engel. Jesus wird sich nicht auf einen Stuhl aus Holz setzen, sondern auf den Thron seiner Herrlichkeit. Jesus wird herrlich sein, auch wenn er richtet.

Alle Völker werden vor ihm versammelt werden, und er wird sie scheiden, wie ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet. Hier verwendet Jesus ein Bild, das den Menschen damals sehr vertraut war. Damals war es üblich, dass man Schafe und Ziegen zusammen weiden ließ. Am Abend trieb man alle Tiere zusammen und trennte die Schafe von den Ziegen, weil man sie in unterschiedliche Ställe bzw. Unterstände brachte. Dazu trieb man die Tiere in eine Art Gang, der so schmal war, dass am Ende jedes Tier einzeln vor dem Hirten stand. Der machte dann je nachdem, ob es ein Schaf oder eine Ziege war, auf der rechten oder auf der linken Seite das Gatter auf, sodass die Tiere genau getrennt wurden.

Durch dieses Bild macht Jesus anschaulich, dass nach seiner Wiederkunft jeder einzeln vor ihm stehen wird. Heute denken die meisten, dass sie ihre Religion oder Weltanschauung beliebig wählen könnten und dass es nur darum ginge, ob sie selbst damit im Leben „zurechtkommen“. Immer mehr Menschen denken, dass es gar keine Wahrheit gäbe, die über ihnen steht, und sie lehnen Gott und sein Wort und seinen Sohn leichtfertig ab oder erkennen ihn nur formal und oberflächlich an. Diejenigen, die an Jesus glauben und ihm in ihrem Leben ernsthaft nachfolgen, sehen für viele wie Narren oder wie Fanatiker aus, weil sie auf Gott ihre Hoffnung setzen, den sie nicht sehen und deshalb nicht für real halten. Aber wenn Jesus wiederkommen wird in seiner Herrlichkeit, werden alle Menschen vor ihn gebracht und jeder wird einzeln vor ihm stehen. Niemand kann sich dann vor ihm verstecken. Niemand kann sich auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, zum Beispiel einer gläubigen Familie oder einer bestimmten Gemeinde, berufen; jeder wird einzeln vor dem König stehen und von ihm beurteilt werden. Der König wird jeden entweder zu seiner Rechten oder zu seiner Linken stellen. In dieser Welt scheint es viele mögliche Wege zu geben, und jeder hat die Neigung, seinen eigenen Weg für richtig zu halten. Immer mehr Menschen behaupten, dass jeder Weg richtig sei, wenn man sich dabei gut fühlt und anderen keinen Schaden zufügt. Aber wenn Jesus wiederkommt in seiner Herrlichkeit, wird es nur zwei Möglichkeiten geben.

Welche sind das? Vers 34 sagt: „Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, und ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!“ Er wird denen zu seiner Rechten das Reich seines Vaters geben, das herrlich und ewig ist. Gott hat es für sie schon vorbereitet, als er diese Welt schuf. Gott hat schon von da an vorgehabt, ihnen das Reich zu geben, in dem es kein Leiden, keine Schmerzen, keine Tränen und keinen Tod mehr geben wird, sondern seine Leben in Herrlichkeit in Ewigkeit.

Wer sind die, die diese Herrlichkeit erlangen? Jesus sagt in den Versen 35 und 36: „Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.“ Jesus sagt, dass sie ihm mit Barmherzigkeit begegnet waren, als er bedürftig war. Auf den ersten Blick könnte man denken, dass sie sich das Reich durch ihre Werke verdient hätten. Aber das ist sicher nicht, was Jesus damit sagen will. Im Vers 34 heißt es, dass sie das Reich ererben sollen. Erben bedeutet gerade nicht, dass man sich etwas erarbeitet oder verdient, sondern man erbt gewöhnlich wegen der Beziehung, zum Beispiel weil man der Sohn oder die Tochter des Gestorbenen war. Im Vers 37 werden sie außerdem „die Gerechten“ genannt. Die Bibel sagt klar, dass kein Mensch durch seine Werke gerecht wird. Sie sind also nicht Gerechte, weil sie so viele Werke der Liebe getan haben, sondern umgekehrt: Sie haben so viele Werke der Liebe getan, weil sie vom König gerecht gemacht worden sind und seine Liebe, die sie empfangen haben, im Herzen tragen.

Die Gerechten wissen nicht, wann sie dem König so gedient haben, und fragen: „Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? Oder nackt und haben dich gekleidet? Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?“ (37-39) Ihnen war gar nicht bewusst, dass sie dem König gedient haben. Sie haben den Brüdern, die in Not waren, wie selbstverständlich gegeben, was sie brauchten, weil sie im Herzen barmherzig waren. „Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (40). Aber Jesus bewertet ihre Tat so, dass sie das für ihn getan haben. Wir wollen darauf gleich nochmal eingehen, aber davor den Text bis zum Ende betrachten.

Jesus sagt weiter: „Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht“ (41-43). Jesus nennt sie Verfluchte. Der Grund dafür ist, dass sie ihm keine Barmherzigkeit erwiesen haben, als er in Not war. Auch sie fragen ihn, wann sie ihn denn bedürftig gesehen und ihm nicht gedient haben. Seine Antwortet darauf ist: „Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan.“ Die „Begegnung fürs Leben“-Übersetzung sagt hier: „Ich versichere euch: Was ihr bei einem der Geringsten meiner Brüder und Schwestern unterlassen habt, das habt ihr an mir unterlassen!“ Sie waren unbarmherzig gegenüber den Geringen und haben ihre Bedürfnisse ignoriert, weil es ihnen an Liebe fehlte. Ihnen fehlte die Liebe, weil sie den König und seine wahre Liebe abgelehnt haben. Deshalb liebten sie ihn nicht und hatten keine Beziehung zu ihm. Dafür haben sie keine Entschuldigung. Daher sagt Jesus abschließend: „Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben“ (46). Ihre gute bzw. fehlende Beziehung zu Jesus und die vorhandene oder fehlende Liebe zu den Geringen macht den Unterschied.

Hier stellen sich einige Fragen, durch die wir einige wichtige Punkte lernen können. Zum einen hat sich bestimmt schon jemand gefragt: Wenn wir dadurch gerecht werden, dass wir Jesu Liebe zu uns im Glauben annehmen, warum hat Jesus in den Versen 35 und 36 ihre Werke der Liebe als Grund für ihre Rettung genannt? Auf diese Frage habe ich in einer Studienbibel eine gute Antwort gelesen: „Das Echtheitssiegel unseres Glaubens ist die Art, wie wir handeln.“ (Begegnung fürs Leben, S. 1575, SCM). Wir werden also durch den Glauben an Jesus gerecht; aber durch unsere Lebensweise zeigt es sich, ob unser Glaube echt ist. Wir selbst können es daran erkennen; und Gott will dieses Erkennungsmerkmal für unseren Glauben sehen. Zurecht, denn wenn wir Jesu Liebe wirklich für uns angenommen haben, werden wir von seiner Liebe erfüllt und werden unseren Mitmenschen lieben und den Bedürftigen helfen. Interessanterweise nennt Jesus hier lauter Werke, die jeder jeden Tag tun kann. Jemandem zu essen, zu trinken oder Kleider zu geben oder einen Kranken oder Einsamen im Gefängnis zu besuchen, erfordert weder Reichtum noch besondere Fähigkeiten oder Intelligenz. Jesus will, dass wir unseren Nächsten, die bedürftig oder in Not sind, mit Liebe dienen, so gut wir es können, und nicht denken: Das ist nicht meine Aufgabe. Es gibt keine Entschuldigung dafür, wenn wir Mitmenschen vernachlässigen, die in goßer Not sind. Die Liebe zu den Bedürftigen ist eine entscheidende Eigenschaft unseres Glaubens, die Gott sehr wichtig ist. Paulus schrieb daher in seinem Brief an die Christen in Galatien: „Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist“ (Galater 5,6). Echter gesunder Glaube macht uns aktiv und treibt uns zu vielen Werke der Liebe an.

Wem gegenüber sollen wir auf diese Weise barmherzig sein? Wen hat Jesus mit seinen geringsten Brüdern genau gemeint? Über diese Frage ist viel diskutiert worden. Manche meinen, dass es sich auf die Juden bezieht, andere, dass es sich auf alle Christen bezieht, wieder andere, dass damit alle leidenden Menschen in der Welt gemeint sind. Ich glaube, dass Jesus hier vor allem seine Jünger, die an ihn glauben, gemeint hat. Vieles spricht dafür. In Matthäus 10,42 sagt Jesus: „Und wer einem dieser Kleinen auch nur einen Becher kalten Wassers zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist, wahrlich ich sage euch: Er wird nicht um seinen Lohn kommen.“ Das griechische Wort für „Kleinen“ ist zwar anders als das Wort für „Geringsten“, aber der Sinn der Aussagen ist ähnlich, und Jesus bezieht sich hier eindeutig auf Jünger. Außerdem hat Jesus nach dem Johannesevangelium am selben Abend seinen Jüngern das neue Gebot gegeben und gesagt: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebt habt“ (Joh 13,34). Jesus will eindeutig, dass wir die Glaubensgeschwister lieben, wie sie sind, und denen, die auf die eine oder andere Weise Mangel haben und Hilfe brauchen, mit Liebe dienen.

Dabei sollen wir unsere Barmherzigkeit aber nicht auf die Glaubensgeschwister beschränken. Wenn wir einen Nachbarn oder Fremden sehen, der dringend Hilfe braucht, sollten wir ihm helfen, ganz unabhängig davon, ob er auch an Jesus glaubt; alles andere wäre gegen den Sinn der Liebe. Jesus liebt alle Menschen und will alle retten. Unsere Barmherzigkeit kann für sie ein gutes Zeugnis von Jesu Liebe sein. Apostel Paulus schrieb in seinem Brief an die Christen in Galatien: „Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen“ (Gal 6,10). Wir sollen also jedem mit Barmherzigkeit begegnen und dienen, am meisten den Glaubensgeschwistern. Wenn wir die Geschwister aber nicht so lieben können, ist das ein Hinweis darauf, dass unsere Liebesbeziehung zu Jesus nicht mehr in Ordnung ist. Dann sollen wir zu Jesus kommen und für unsere mangelnde Liebe Buße tun und seine Liebe in unserem eigenen Herzen neu annehmen und sollen neu anfangen, sie an anderen auszuüben.

Dabei kann es uns helfen, wenn wir uns bewusst machen, dass Jesus sich mit seinen hilfsbedürftigen Brüdern identifiziert. Betrachten wir noch einmal Vers 40: „Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt, einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Jesus sagt hier nicht nur lobend, dass sich die Gerechten um bedürftige Geschwister gekümmert hatten. Er sagt viel mehr: „das habt ihr mir getan.“ Damit identifiziert er sich mit den Gläubigen, die Hilfe brauchen. Wie ein Vater sich freut, wenn Freunde oder Nachbarn seinem Kind etwas Gutes tun, zum Beispiel es in ihre Wohnung aufnehmen, wenn niemand zu Hause ist und es draußen kalt ist und regnet, so freut sich der König Jesus sehr, wenn wir seinen Brüdern Gutes tun, selbst wenn sie die „Geringsten“ sind, was bedeutet, dass sie vielleicht materiell bedürftig sind oder noch klein oder unreif im Glauben sind. Jesus bewertet allen Dienst, den wir für sie tun, so, als ob wir es direkt für ihn getan hätten.

Was bedeutet das für uns? Zuerst bedeutet es, dass wir Jesu Herz verstehen sollen, wie sehr er auch den Geringsten seiner Brüder liebt, auch den, der verschiedene Probleme oder einen nicht so einfachen Charakter hat, und sich wünscht, dass es ihm gut geht. Die Frage ist: betrachten wir die Glaubensgeschwister mit diesem Bewusstsein? Wir sollen beten, dass wir die Geschwister nicht auf gewöhnliche Weise sehen, wie sie uns halt vorkommen, oder gar mit dem Gedanken an irgendwelche alten Erfahrungen mit ihnen, sondern mit den Augen Jesu, voller Liebe und Barmherzigkeit. Wir sollen für unsere Geschwister beten, bis wir hinter ihnen Jesus sehen, der sie so liebt und für sie gestorben ist und sich sehnlichst wünscht, dass ihr Mangel gestillt und ihr Leben gut wird. Wir sollen uns immer wieder klarmachen, dass wir, wenn wir ihnen dienen, in Wirklichkeit Jesus dienen. Wenn uns das bewusst ist, haben wir immer eine große Motivation und Bereitschaft, wahrzunehmen, was sie brauchen, und es ihnen zu geben – sei es ein Gespräch, ein Wort der Ermutigung, praktische Hilfe oder materielle Unterstützung. Jede Not eines Bruders oder einer Schwester ist für uns eine gute Gelegenheit, unsere Liebe zu Jesus zum Ausdruck zu bringen. Und Jesus hat gesagt, dass er es als unsere Liebe zu ihm annimmt.

Der Hauptpunkt dieser Predigt Jesu ist also die Liebe und Barmherzigkeit, die jeder Christ haben und im täglichen Leben an seinen Geschwistern und Nächsten praktizieren soll, auch jeder von uns. Jesus will daran die Echtheit unseres Glaubens an ihn sehen. Seine Liebe befähigt uns, unsere Nächsten anzunehmen, wie sie sind, und auf ihre Bedürfnisse und Nöte mit Barmherzigkeit zu antworten, seien sie praktischer oder seelischer oder geistlicher Art. Die Form unseres Dienens kann dementsprechend anders sein, zum Beispiel eine praktische Hilfe oder Besuch, Zuhören, Rat, Seelsorge oder Hilfe durch gemeinsames Bibellesen und Beten und Fürbitte. Wenn wir Jesu Liebe im Herzen haben, dann befähigt uns seine Liebe dazu, die Bedürfnisse des anderen richtig wahrzunehmen und zu verstehen, wenn wir für die Person beten und die Hilfe des Heiligen Geistes erbitten. Wenn wir einem Menschen aus Jesu Liebe helfen wollen und deshalb mit ihm die Bibel studieren, wollen wir immer den ganzen Menschen vor Augen haben und auch auf sein praktisches Leben achten, um ihm in Jesu Sinn ganzheitlich zu helfen. Natürlich werden wir, wenn derjenige unsere praktische Hilfe braucht, nach Möglichkeit helfen, was wäre das sonst für Liebe! Und andererseits, wenn wir einem Bruder oder einem Bekannten zum Beispiel beim Umzug helfen, werden wir auch an seine geistliche Lage denken und für sein geistliches Heil beten, weil uns Jesu Liebe dazu treibt.

So wie Jesus das Gleichnis erzählt hat, geht es hier vor allem um die Liebe jedes Einzelnen und die Barmherzigkeit, mit der jeder den anderen begegnet. Aber es hat nicht nur eine persönliche Ebene, sondern betrifft auch die Gemeinde. Es gibt auch Barmherzigkeit, die man nur oder zumindest besser gemeinsam praktizieren kann. Vor Corona haben zum Beispiel einige Gemeinden in Heidelberg in der Adventszeit Obdachlosen Frühstück angeboten; da reicht nicht einer, sondern es braucht das Mitwirken Vieler. Manche Gemeinden unterstützen bestimmte Hilfswerke oder einzelne Missionare im Ausland finanziell, da braucht es auch viele, die mitmachen. In der Geschichte haben die Christen wohl schon immer Barmherzigkeit einzeln praktiziert, aber zum Teil auch gemeinsam. Sie haben sich um einzelne Hilfsbedürftige innerhalb und außerhalb der Gemeinde gekümmert, manche haben aber auch gemeinsam Schulen, Waisenheime oder Krankenhäuser gebaut. Es ist wichtig, dass jede Gemeinde Gottes Willen für sich findet, wie er sie gebrauchen will, und einen gewissen Konsens darin hat.

Jesus will, dass auch von uns, dass wir barmherzig sind und Menschen in unterschiedlichen Nöten mit der Liebe Jesu helfen. Wir haben bisher am meisten dafür gebetet, dass wir jungen Menschen in ihrer geistlichen Not mit dem Wort Gottes helfen können, zu Jesus zu kommen und seine Jünger und geistlich heil zu werden. Das erfordert nicht nur jahrelange Mühe und Gebet, sondern vor allem viel Barmherzigkeit. Wir sollen diese Barmherzigkeit weiter haben und ausüben und mit Jesu Liebe für die verlorenen jungen Menschen beten und ihnen dienen. Natürlich soll sich unsere Barmherzigkeit nicht darauf beschränken. Bisher haben wir auch eine christliche Hochschule in einem verschlossenen Land unterstützt und für ein von Missionaren betriebenes Krankenhaus in Uganda (Bethesda) gespendet. Unser Weihnachtsopfer wird jedes Jahr weltweit gesammelt und sorgfältig für Nöte innerhalb der Gemeinde und für Hilfswerke verwendet, die Menschen nach Naturkatastrophen oder Kriegen helfen. Während ich das erwähne, ist mir bewusst, dass das wie nichts ist gemessen an der Hingabe und Liebe, die wir von Jesus empfangen haben. Lasst uns dafür beten, dass wir uns Jesu großer Liebe noch viel mehr bewusst werden und dass wir mit seiner Liebe im Herzen und offenen Augen sowohl als Einzelne als auch als Gemeinde noch viel mehr Gelegenheiten finden und nutzen, um unsere Liebe zu ihm an anderen auszudrücken. Amen!

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Fragebogen: Die Gemeinde, die Jesus unter uns bauen will – Gesendet zur Mission 6 – Matthäus 25,31-46

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Barmherzigkeit

Der Text heute ist Matthäus 25,31-46. Dieses Gleichnis ist nicht ganz einfach, aber trotzdem ein sehr bekannter Text. Was ist der Kontext von diesem Gleichnis? Was scheint die Hauptaussage von dem Gleichnis zu sein?

Eine erstaunliche Aussage, die der Text zu machen scheint, ist, dass Jesus sich mit den Hungrigen, Durstigen, Fremden, Nackten, Kranken, den Gefangenen identifiziert.
Was bedeutet, dass Jesus sich mit ihnen identifiziert?
Und inwiefern könnte das eine ziemlich erstaunliche Aussage sein?

Dieses Gleichnis scheint sich erst einmal auf unsere christlichen Geschwister zu beziehen, die nicht so gut gestellt sind. Kennst du Texte in der Bibel (sowohl im AT als auch im NT), die dieses Prinzip verallgemeinern (also auf alle Bedürftige ausweitet)?
Wie hat das die frühe Gemeinde gemacht?

Hier ist eine eher provokative Frage zum Nachdenken (nicht notwendigerweise zum „beantworten“): Wo in der Skala der Wichtigkeit sollte sich die Berufung befinden, Barmherzigkeit auszuüben (z.B. im Vergleich zum Zweierbibelstudium)?
Wie wichtig ist dir diese Berufung?
Was kannst du tun, um dieser Berufung nachzugehen?
Was könnte unsere Gemeinde tun?

 

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