Predigt: Johannes 16,5-15 — Sonderlektion Pfingsten 2022

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Mehr als ein Anwalt

„Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden.“

(Johannesevangelium 16,14)

Wir haben jetzt wieder fast die Hälfte des Jahres erreicht. Eine Sache, die ich in den letzten Jahren versucht habe, ist, die Jahreszeiten etwas bewusster wahrzunehmen: der Übergang vom Winter zum Frühling, die ersten Blumen, die hellgrünen Knospen auf den Zweigen. Der Übergang vom Frühling zum Sommer mit der Erdbeer- und Spargelsaison. Wir haben in den Supermärkten die ersten Kirschen. Wir nehmen die Zeit nicht nur durch Jahreszeiten wahr. Wir haben auch Jahresfeste. Die großen christlichen Feste: Ostern, Pfingsten und Weihnachten.
Die großen christlichen Feste dienen uns zur Erinnerung. Weihnachten erinnert uns an das Kommen Jesu. Die ganze Menschheitsgeschichte besteht seither aus zwei Teilen: eine Zeit vor und eine Zeit nach Christus. Ostern erinnert uns an die Kernbotschaft des Evangeliums: dass Jesus für uns gestorben ist und dass er auferstanden ist. Der heutige Pfingstsonntag erinnert uns auch an etwas. Es ist die Erinnerung daran, dass wir in einem neuen Zeitalter leben: das Zeitalter des Heiligen Geistes. Jeder, der will, kann und darf mit dem Heiligen Geist leben.
Der heutige Text lehrt uns drei Dinge:

1. Wer der Heilige Geist ist
2. Was er in der Welt tut
3. Was er für uns tut

1. Wer ist der Heilige Geist
In den letzten Jahren haben wir an Pfingsten immer wieder Apostelgeschichte Kap. 2 gelesen, das Kommen des Heiligen Geistes. Und wir haben die Kraft des Geistes gesehen, die äußeren Zeichen, die Veränderung der Apostel, die Gaben des Geistes. Johannes legt einen etwas anderen Schwerpunkt. Beide Seiten ergänzen sich gut.
Das Erste, was wir im Text über den Heiligen Geist erfahren ist, dass er der Beistand ist. Vers 7: „Doch ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden.“ Die Einheitsübersetzung übersetzt hier mit „der Beistand“. Ich habe mir die Mühe gemacht, sämtliche deutsche Übersetzungen, die auf Bibleserver zu finden waren, miteinander zu vergleichen. Die moderneren freieren Übersetzungen wie Gute Nachricht, Hoffnung für alle, Menge, Neue Genfer Bibel schreiben hier „der Helfer“. Die Übersetzung „Das Buch“ verwendet hier „der Unterstützer“. Neues Leben verwendet das Wort „der Ratgeber“. Zürcher schreibt hier: „der Fürsprecher“. Lutherbibel benutzt das Wort „der Tröster.“ Das sind sechs verschiedene Wörter in 12 verschiedenen Übersetzungen. Viele von diesen Bedeutungen sind sehr ähnlich (Unterstützer, Helfer), andere hingegen sehr anders (Tröster versus Ratgeber, Fürsprecher, Beistand).
Und wisst ihr was? Alle Übersetzungen haben hier irgendwo recht. Der Heilige Geist ist das alles. Alle Übersetzungen erfassen einen Teil, aber auch nur einen Teil. Das griechische Wort ist parakletos, und es ist ein sehr reichhaltiges, bedeutungsvolles Wort. Es besteht aus dem Präfix para und aus dem Wortstamm kaleo. Das Verb bedeutet, jemanden zu rufen oder anzuweisen. Das Präfix para bedeutet herbei, zur Seite. Sprichwörtlich bedeutet das Wort „der Herbeigerufene“ oder „der zu Hilfe gerufene“. In der Elberfelder Studienbibel steht dazu: „Bei den klassischen griechischen Schriftstellern bezeichnet es den juristischen Berater, den Fürsprecher, den Mittler und auch den Anwalt, jemand, der für einen anderen oder als dessen Stellvertreter vortritt und eintritt.“
Und genau das tut der Heilige Geist. Wie kann man das illustrieren? In den vergangenen Wochen gab es einen Gerichtsstreit, der von den Medien weltweit erfolgt wurde: der Verleumdungs-Prozess Amber Heard gegen Johnny Depp. Eigentlich war es eine richtig hässliche Angelegenheit. Es war ein in der Öffentlichkeit ausgetragener Ehestreit. Johnny Depp ist als Gewinner und Amber Heard ist als Verliererin hervorgegangen. Es gab eine weitere klare Gewinnerin. Es war die Anwältin von Johnny Depp: Camille Vasquez. Sie war das Gesicht von Johnny Depp. Weil sie gut aussah, sah Depp gut aus. Weil sie eloquent war, war Depp eloquent. Weil sie brillierte, brillierte Depp. Weil sie die Jury überzeugen konnte, konnte Depp die Jury überzeugen. Sie umarmte ihn, sie stand an seiner Seite, und sie stand für ihn ein. Sprichwörtlich. Als am letzten Prozesstag das Urteil verkündet wurde, war Depp noch nicht einmal im Gerichtssaal. Er wurde von seinen Anwälten vertreten, die für ihn eintraten. Es war eine wirklich eindrucksvolle Demonstration dessen, was Anwälte für ihren Mandanten tun können.
Vielleicht ist es daher ein hilfreiches Bild, was wir vor Augen haben dürfen: im Heiligen Geist haben wir einen Bestand, einen Helfer, einen Fürsprecher, der an unserer Seite steht, auf unserer Seite steht und uns vertritt, ermutigt und tröstet. Das, was der Heilige Geist für uns tut, ist ungleich viel größer und ungleich viel höher. Und gleichzeitig ist es nicht weniger als das.
Einen weiteren Punkt, bevor wir fortfahren. Der Heilige Geist ist nicht nur unser Beistand. In Johannes 14,16 sagt Jesus: „Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll.“ Jesus sagt, dass der Heilige Geist ein anderer Beistand ist. Die Frage ist dann natürlich, wer ist dann der erste Beistand? Und die Antwort finden wir in 1. Johannes 2,1: „Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber einer sündigt, haben wir einen Bestand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten.“ Jesus ist unser Beistand. Der Heilige Geist ist der andere Beistand.
Jesus ist der Beistand, der uns beim Vater vertritt. Jesus betet für uns. Er bittet den Vater an unserer Stelle. Denken wir eine Sekunde darüber nach, wie krass das eigentlich ist. Wenn es uns schlecht geht und wir unseren gläubigen Freunden davon erzählen, dann schauen sie uns mitleidig an und sagen: „Ich werde für dich beten.“ Und das kann schon richtig ermutigend sein. Aber wie unvorstellbar ist es, dass Jesus Christus, der eingeborene Sohn Gottes, für uns betet. Jesus betet für uns.
Der Heilige Geist tut etwas anderes. Seinen Dienst richtet sich direkt an uns, weniger zum Vater. Das bringt uns zum nächsten Punkt.

2. Was der Heilige Geist in der Welt tut
Jesus sagt, dass der Heilige Geist die Welt überführen wird in Bezug auf Sünde, Gerechtigkeit und des Gerichts. Ich habe an dieser Stelle noch einmal die Elberfelder Studienbibel konsultiert. Da heißt es: „überzeugen durch die Überführung des Straftäters.“ Vielleicht kann man sich das vorstellen wie das, was ein Staatsanwalt tut, wenn er einen Angeklagten kreuzverhört: mit vielen Fragen den Angeklagten dazu verleiten, sich doch zu verplappern und seiner Schuld zu überführen. Was genau bedeutet das?
In den folgenden Versen erklärt Jesus das weiter: „der Sünde, weil sie nicht an mich glauben; der Gerechtigkeit, weil ich zum Vater gehe und ihr mich nicht mehr seht; des Gerichts, weil der Herrscher dieser Welt gerichtet ist.“ Diese Verse sind nicht so einfach zu verstehen. Es gibt einige Interpretationen zu diesen Versen. Ich fand die Auslegung von N.T. Wright sehr gut. Zusammengefasst: der Heilige Geist überzeugt die Welt davon, dass sie sich gewaltig geirrt hat und auf dem falschen Dampfer befindet. Und wie schon erwähnt, tut er es in Bezug auf drei Dinge.
Zum einen wird die Welt der Sünde überführt. Die Sünde wird dadurch offenbar, dass die Welt nicht an Jesus glaubt. Wir haben das bereits im Prolog vom Johannes Evangelium gesehen: „Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.“
Als nächstes, wird die Welt der Tatsache überführt, dass sie sich im Bezug auf Gerechtigkeit geirrt hat, weil Jesus zum Vater geht und man Jesus nicht mehr sehen kann. Es ist wieder nicht ganz einfach zu verstehen. Frage ist: Was hat Gerechtigkeit damit zu tun, dass Jesus zum Vater geht und nicht mehr gesehen werden kann? N.T. Wright kommentiert: „Die Welt glaubt, sie habe die Gerechtigkeit auf ihrer Seite. Aber die Rechtfertigung Jesu, die darin besteht, dass er „weggeht“ und zum Vater erhöht wird, ist wie in Daniel 7 das Zeichen dafür, dass der lebendige Gott das Urteil für ihn bereits gefällt hat. Wenn es um Gerechtigkeit geht, dann kennen wir das Urteil bereits: Gott hat sich für Jesus als den Gerechten entschieden.“ Jesu Himmelfahrt ist der Beweis, dass er als wahrer König eingesetzt ist. Gott hat sich für Jesus entschieden. Die Gerechtigkeit Gottes steht im völligen Kontrast zu dem, was die Welt unter Gerechtigkeit versteht.
Und schließlich das Gericht: der Herrscher dieser Welt ist gerichtet. In dieser Welt wurde Jesus gerichtet und zum Tod verurteilt. Die Welt hat unzählige Nachfolger Jesu gerichtet und zum Tod verurteilt. Aber Jesu Tod und Auferstehung zeigen, dass Jesus den Tod besiegt hat; dass die Macht von Tod und Teufel bereits gebrochen sind; am Ende des Tages werden das Gericht und die Souveränität Jesus allein gehören. Jesus ist der Richter, der das letzte Wort sprechen wird.
Ich hoffe, dass uns die Bedeutung dieser Verse etwas vertrauter sind. Aber Frage bleibt natürlich: Was bedeutet das jetzt genau? Was können wir uns praktisch darunter vorstellen? Da wir heute Pfingsten feiern, möchte ich nur ein Beispiel geben. Als Jesus mit seiner öffentlichen Wirksamkeit begann, war Tiberius Kaiser des römischen Reiches. Stellen wir uns vor, wir hätten am Vorabend mit diesem Kaiser eine Wette abgeschlossen: Welcher Name wird in die Geschichte eingehen; welcher Name wird der Name sein, den in 2.000 Jahren praktisch alle Menschen kennen werden: sein Name Tiberius Cäsar? Oder aber der Name eines obskuren Wanderpredigers, der in der nicht besonders wichtigen römischen Provinz Palästina am Kreuz hingerichtet wurde? Wer wäre auf die Idee gekommen, auf Jesus zu setzen?
Historisch gesehen ist die Entstehung der Gemeinde Christi eigentlich extrem schwer zu erklären. Aber nach 2.000 Jahren ist klar, Tiberius ist ein Niemand im Vergleich zu Jesus. Nicht nur das, Jesus stellt alle römischen Kaiser völlig in den Schatten, niemand von ihnen kann ihm annähernd das Wasser reichen; nicht nur das, Jesus stellt alle Könige und alle anderen Herrscher in den Schatten. Jesus ist in der Tat der König aller Könige und der Herr aller Herren, und alle Knie werden sich eines Tages vor ihm beugen müssen. Die Existenz der Gemeinde Jesu ist der Beweis: Der Heilige Geist hat bereits in dieser Welt gewirkt. Er hat diese Welt bereits davon überzeugt, dass sie sich auf dem Holzweg befindet. Und er wird es weiterhin tun, bis sein Werk vollendet ist.

3. Was der Heilige Geist in uns tut
Was tut der Heilige Geist in den Menschen, die an Jesus glauben? Verse 13 und 14 antworten darauf: „Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird reden, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird. Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden.“ Jesus sagt, dass der Heilige Geist nicht aus sich selbst heraus reden wird. Und Jesus sagt, dass der Heilige Geist ihn (also Jesus) verherrlichen wird. Was uns hier erstaunt ist, ist die Demut des Geistes. Er spielt sich nicht auf.
Dale Bruner hat einen Aufsatz über die Trinität und den Heiligen Geist geschrieben. Und er sagte folgendes: „Eine der überraschendsten Entdeckungen in meinem eigenen Studium der Lehre und Erfahrung des Geistes im Neuen Testament ist etwas, was ich nur als die Schüchternheit des Geistes bezeichnen kann … Was ich hier meine, ist nicht die Schüchternheit der Scheu / Furcht (wie z.B. in 2 Tim 1,7), sondern die Schüchternheit der Ehrerbietung, die Schüchternheit der konzentrierten Aufmerksamkeit auf den anderen; es ist nicht die Schüchternheit der Selbstbezogenheit (die wir oft erleben), sondern die Schüchternheit der Fremdbezogenheit.“ Der Heilige Geist ist wie ein Flutlicht, das nicht auf sich selbst gerichtet ist, sondern auf Jesus. Der Heilige Geist hilft uns, Jesus zu sehen, wie er wirklich ist in seiner ganzen Herrlichkeit. Und das ist das wesentliche Werk des Heiligen Geistes.
Einige Anwendungen zum Schluss. Die erste Anwendung: die Fülle mit dem Geist kann mit spektakulären Zeichen verbunden sein (Heilungen, Zungengebet, prophetische Gaben), aber muss es nicht unbedingt. 1. Korinther 12-14 sind die ausführlichsten Kapitel der Bibel über die Gaben des Geistes. Die wichtigste Gabe ist weder Prophetie noch Heilungen, noch sonst irgendetwas Spektakuläres, sondern die Liebe. Jesus hat gesagt, dass es dem Heiligen Geist nicht um sich selbst geht. Alle seine Aufmerksamkeit gilt der Verherrlichung Jesu. D.h., die Menschen, die wirklich mit dem Heiligen Geist erfüllt sind, sind vermutlich die Menschen, die es am wenigsten merken, dass sie den Geist haben. Stattdessen haben sie eine ansteckende Begeisterung und Freude an Jesus; sie verherrlichen Jesus, weil es das ist, was der Geist tut.
Die nächste Anwendung: wer von euch hatte schon mal folgenden Gedanken: „ich wünschte, ich könnte mit einer Zeitmaschine zurück in die Vergangenheit, um zu sehen, wie Jesus wirklich gewirkt hat. Ich wünschte es würde Video-Aufnahmen davon gehen, wie Jesus kranke Menschen geheilt hat und wie er Lazarus auferweckt hat. Ich wünschte, es gäbe eine Aufzeichnung von Jesu wichtigsten Predigten, am besten natürlich, mit der entsprechenden Übersetzung im Untertitel. Ich wünschte, ich hätte die Auferstehung Jesu mit meinen eigenen Augen sehen können.“ Insgeheim denken wir immer wieder, dass unser Leben sicherlich ein ganz anderes Leben wäre, wenn wir Jesus leiblich gesehen hätten, wie er hier auf Erden gelebt hat.
Und genau diese Art von Gedanken machen das Werk des Heiligen Geistes kleiner, als es ist. Der Heilige Geist verherrlicht Jesus. Er erlaubt es uns, Jesus auf eine Weise zu sehen, zu erleben, zu erfahren, wie es die Jünger Jesu vor Pfingsten nicht möglich war. Jesus sagte, dass es besser für die Jünger ist, dass er selbst geht, weil dann erst der Heilige Geist kommen kann. Durch den Heiligen Geist steht uns mehr, nicht weniger, von Jesus Christus zur Verfügung. Wir haben keinen Grund, die direkten Augenzeugen Jesu in irgendeiner Form zu beneiden, weil uns durch den Heiligen Geist Größeres und Besseres zur Verfügung steht. Wie schwer ist das zu glauben!
Und das bringt uns zur nächsten Anwendung. Vers 13 sagt, dass der Geist der Wahrheit uns in der ganzen Wahrheit leiten wird. Praktisch alle unserer geistlichen Probleme sowohl in unserem persönlichen Leben als auch in unserem Gemeindeleben lassen sich auf folgendes zurückführen: wir werden nicht in der ganzen Wahrheit geleitet. Oder anders formuliert, wir haben keinen echten Bezug zur Realität. Das, was nicht real ist, ist für uns total real; und das, was real ist, ist für uns unreal. Hier ist ein Beispiel: 2012 war das Champion’s League Spiel Bayern gegen Chelsea. Ich hatte das Spiel mit sehr guten Freunden zusammen gesehen. Nicht nur die Tatsache, dass Bayern verloren hatte, sondern wie sie verloren hatten, war zutiefst deprimierend. Ich war tagelang traurig. Wegen eines dämlichen Fußballspiels. Das ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie etwas, was völlig irrelevant ist, sich so anfühlt, als ob es das Wichtigste auf der Welt ist.
Hier sind ein paar weitere Beispiele: deine Klausuren am Ende des Semesters, dein Kontostand, die Schulprobleme unserer Kinder, der Jobverlust, die Inflationsrate… alle diese Dinge sind wichtig. Sie haben Auswirkungen auf unser Leben. Aber sie sind nicht absolut wichtig, auch wenn wir es unbewusst so wahrnehmen. Das Problem ist, dass das, was wirklich real ist, Jesu Tod und Auferstehung, das ewige Leben, die unendliche Liebe des Vaters in unserer Wahrnehmung viel weniger real ist. Vor einiger Zeit hatte ich eins unserer Kinder ins Bett gebracht. Irgendwie kamen wir beim Gebet auf das Thema Auferstehung und ewiges Leben zu sprechen. Und ich habe meinem Sohn erklärt, dass wir alle auferstehen werden und mit Jesus in Ewigkeit leben dürfen in Gemeinschaft mit allen Menschen, die Jesus lieben. Mein Sohn überlegte kurz und danach jubelte er: „Jaaaaaa!“ Ich hatte mir gedacht: genau das ist die richtige und passende Reaktion auf diese Wahrheit. Warum reagiere ich nicht so darauf? Was ist los mit mir?
Fragen an euch: Ist in eurem Herzen ein innerer Strom der Freude und Dankbarkeit, der durch keine Umstände in dieser Welt kaputt gemacht werden kann, einfach weil ihr an das Evangelium glaubt? Seid ihr allezeit fröhlich, allezeit großzügig, allezeit liebend, allezeit geduldig, allezeit friedevoll? Oder seid ihr eher bekannt als die Meckerer und die Nörgler? Seid ihr knauserig? Seid ihr griesgrämig? Seid ihr deprimiert? Seid ihr jähzornig? Seid ihr ungeduldig? Seid ihr oberflächlich? Wie ich gesagt hatte, praktisch jedes unserer geistlichen Probleme lässt sich darauf zurückführen, dass wir keinen echten Bezug zur geistlichen Realität haben.
Wenn praktisch alle unsere geistlichen Probleme darauf zurückzuführen sind, dann ist die mögliche Antwort darauf, dass wir, mit der ganzen uns zur Verfügung stehenden Gnade Gottes, den Heiligen Geist einladen, in uns sein Werk zu tun. Mit allen Mitteln, die Gott uns zur Verfügung stellt, sind wir angehalten, die Fülle des Heiligen Geistes zu suchen: in der persönlichen Bibellese, im persönlichen Gebet, im gemeinsamen Gebet, im Gottesdienst, in den Kreisen und Kleingruppen. Jede von Gott zur Verfügung gestellte Möglichkeit ist eine Einladung an uns, den Heiligen Geist zu suchen und ihn darum zu bitten, dass er uns Jesus Christus zeigt.

„Komm Heiliger Geist. Wir laden dich in unser Leben ein. Leite du uns in aller Wahrheit, weil du der Geist der Wahrheit bist. Zeige uns die Liebe Jesu in seinem Sterben am Kreuz für uns. Zeige uns die Macht Jesu in seiner Auferstehung und dem Überwinden des Grabes. Zeige uns die Herrlichkeit Jesu, der zur Rechten des Vaters sitzt und für uns betet. Zeige uns, wie sehr wir angenommen sind. Zeige uns die unendliche Herrlichkeit, die auf uns wartet, die Freude des ewigen Lebens.“

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Fragebogen: Johannes 16,5-15 — Sonderlektion Pfingsten 2022

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Der Beistand

„Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden.“

(Johannesevangelium 16,15)

Der Text heute ist Johannes 16,5-15. Es ist Teil von Jesu langen Abschiedsreden an die Jünger (das Obergemachgespräch).
Kannst du ganz kurz (in wenigen Sätzen) den Kontext vom heutigen Text erklären?  Wie würdest du den Text gliedern?  Kannst du den Inhalt der Abschnitte kurz zusammenfassen?

Eines der reichhaltigsten Wörter im Text heute ist „der Beistand“ in Vers 7. Die Luther-Bibel übersetzt hier mit „der Tröster“. Allein das zeigt, wie vielfältig dieses Wort ist (das griechische Wort ist Paracletos). Was sagt uns dieses Wort über die Rolle des Heiligen Geistes?

Drei weitere bedeutungsschwangere Wörter: der Heilige Geist überführt die Welt der Sünde, der Gerechtigkeit und des Gerichts. Erkläre (und/oder diskutiere)!
In den Versen 14 und 15 fasst Jesus das Werk des Heiligen Geistes zusammen. Was tut der Heilige Geist? (Hinweis: es kann an dieser Stelle auch hilfreich sein, darüber nachzudenken, was der Heilige Geist nicht tut). Welche primären Eigenschaften sollten Menschen haben, die mit dem Heiligen Geist erfüllt sind?

Bonusfrage: Johannes 16,5 scheint im direkten Widerspruch mit Johannes 13,36 und 14,4.5 zu stehen. Das hat bereits einigen Ausleger Kopfschmerzen bereitet. Hast du eine mögliche Erklärung?

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Predigt: Johannes 1,1-13 – Weihnachten 2021

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Wort, Licht und Leben

„In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.“

(Johannesevangelium 1,4)

Wir feiern heute den 1. Advent, weil wir uns an die Ankunft des Herrn Jesus auf dieser Erde erinnern und darüber freuen wollen. Wir freuen uns darüber, weil Jesu Menschwerdung viel Gnade erbracht hat, wie etwa Sündenvergebung und Ewiges Leben. Über diese Gnade können wir uns umso mehr freuen, sie umso mehr in Anspruch nehmen, wenn wir wissen, wer Jesus eigentlich ist. Jesus sagte einmal: „Wenn du die Gabe Gottes kenntest und ⟨wüsstest⟩ wer es ist, der zu dir spricht: Gib mir zu trinken!, so hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.“ Zu wissen, wer Jesus ist, hilft uns, seine Gnade umso mehr in Anspruch zu nehmen. Hierzu ein Bild, um das zu verstehen: Wenn ein Kind mir sagen würde, dass es mir 1000 € schenken will, so würde ich es ihm nicht glauben und es nicht einmal darum bitten. Wenn ich aber über dieses Kind wüsste, dass es der Sohn von einem der reichsten und großzügigsten Scheiche der Welt wäre, so würde ich sagen: „Klar, gib her“. Wir wollen daher heute darüber nachdenken, wer Jesus ist, damit wir umso mehr das in Anspruch nehmen, was er uns gerne geben will. Der heutige Text aus Johannes Kapitel 1 spricht sehr viel über das Wesen und Person Jesu. Wir wollen uns mit ihm anhand von drei Fragen auseinandersetzen:
1. Wer ist Jesus? Wer ist Jesus nicht?
2. Was gibt uns Jesus?

1. Teil: Das Wesen Jesu (V. 1 – 5)

Eines der überzeugendsten Beweise dafür, dass die Heilige Schrift von Gott kommt, ist, dass sie Dinge schreibt, auf die der Mensch von sich aus gar nicht kommen würde – so z.B. über die Person Jesu: Kein Mensch würde wohl von sich aus darauf kommen, Jesus mit den Begriffen „Wort“, „Leben“ und „Licht“ zu bezeichnen. Auf solche Begriffe kommt man nicht von selbst – Johannes hat es so von Gott offenbart bekommen.

Erstens, Jesus ist das Wort
Beginnen wir mit „Wort“. Welche Aussagen über das Wort werden getroffen? Betrachten wir hierzu die Verse 1 und 2.
1. Eigenschaft: das Wort war im Anfang. Wie die meisten wissen, ist dieses Wort eine Anlehnung zu 1. Mose 1,1: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.“ Durch die Anlehnung an 1. Mo 1,1 macht Johannes deutlich, dass das Wort schon da war, bevor Himmel und Erde erschaffen wurden. Als noch nichts von der Welt existierte, war das Wort bereits schon da. Was zeigt das? Das zeigt, dass das Wort von Ewigkeit her ist und zweitens nicht mit dem Geschaffenen gleichzusetzen ist. Vers 3 bestätigt das: Das Wort ist nicht Geschöpf, sondern Schöpfer – alles, nicht nur die Menschen, sondern die ganze Erde, und nicht nur die ganze Erde, sondern das gesamte Universum, und nicht nur das gesamte Universum, sondern auch die himmlische Welt, also das gesamte himmlische Heer, unzählige Engeln, alles wurde durch das Wort erschaffen! Ohne das Wort wurde auch nicht eines, was geworden ist, heißt es am Ende von Vers 3.
2. Eigenschaft: das Wort war bei Gott. Das Wörtchen „bei“ meint nicht nur die räumliche Nähe zu Gott, sondern bedeutet auch „zu hin“. Das Wort ist zu Gott hingewandt, auf Ihn ausgerichtet, Gott zugeneigt, eben ganz bei Gott. Warum ist das so?
Dies hängt mit der 3. Eigenschaft vom Wort zusammen: „Gott selbst ist das Wort.“ Gottes Person und Gottes Wort stehen in einem unzertrennbaren Zusammenhang. Dies kennen wir auch zum Teil aus unserem Leben: Unsere Worte sagen über uns mehr aus, als wir vielleicht denken. Die Menge der Worte über ein Thema, die Art und Weise, wie wir etwas sagen – in welcher Lautstärke, in welcher Tonhöhe, mit Überzeugung oder Unsicherheit, die Art und Weise der Betonung, die Art und Weise der Atmung und wie wir etwas formulieren – all das sagt Vieles über unsere Person aus. Das, was wir sagen, fällt ja nicht einfach vom Himmel. Es steht in direkter Verbindung zu unserer Person. Unsere Worte sind ein Ausdruck unserer Person. Das umso mehr bei Gott. Alle Wesenszüge Gottes spiegeln sich in seinem Wort wider: So wie Gott ist auch das Wort heilig, so wie Gott ist auch das Wort wahrhaftig, so wie Gott ist das Wort mächtig usw. Alles, was Gott tut und tat, geschieht ja gerade durch sein Wort: „Sein Schaffen, Regieren, Richten, Leiten und Beschenken geschieht immer wieder durch sein ‚Sprechen‘, eben durch Sein Wort. (vgl. DE BOOR 1968: 351)“ Alle diese Aussagen über das Wort Gottes finden ihre Zuspitzung in Vers 14: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns.“ Das Wort ist Jesus selbst. Alle genannten Eigenschaften des Wortes treffen auf Jesus zu: Er ist vor allem Erschaffenen, durch Ihn wurde alles erschaffen, er war vor der Erschaffung der Welt bei Gott, er ist Gott zugewandt und er ist Gott höchstpersönlich. Wie schon eben erwähnt, sind unsere Worte ein gewisser Ausdruck unserer Person. Gleichzeitig kommen wir mit unseren Worten aber auch schnell an unsere Grenzen – wir schaffen es oft nicht, es ganz so auszudrücken, wie wir es meinen. Bei Gott ist es aber anders. Gott hat sich in Jesus, also dem Wort Gottes, vollkommen ausgesprochen, sein ganzes Herz, sein ganzes Wesen, sein ganzer Wille ist in der Person Jesu ausgesprochen. In Hebr. 1,1-2 heißt es: „Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn.“ Im Gleichnis von den bösen Weingärtnern sprach der Eigentümer des Weinbergs zuletzt durch seinen Sohn zu ihnen. Nachdem sie alle Knechte umgebracht hatten, hatte Gott die Hoffnung gehabt: „Sie werden sich vor meinen Sohn scheuen.“ Warum? Weil Gott in dem Sohn so klar und deutlich redet, hatte er die Hoffnung, dass die Weingärtner wenigstens durch ihn Buße tun. Wenn nicht durch ihn, durch wen dann?
Wenn jemand etwas genauso sieht, wie wir es sehen, oder meint, wie wir es meinen, benutzen wir Redewendungen wie: „Meine Rede“ oder: „Du sprichst mir aus dem Herzen“. Alles, was Jesus ist und tut, spricht Gott aus dem Herzen. Einmal schaute Gott vom Himmel zu seinem Sohn und sagte: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Wenn Gott, der Vater, auf den Sohn schaut, freut er sich. Warum? Weil Jesus genauso ist wie Gott. In Kolosser 1,15 heißt es: „Dieser ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes.“
Im Vers 14 erfahren wir eine krasse Aussage über den Herrn: Das Wort wurde Fleisch. Jesus in seiner überragenden Größe als das Wort Gottes wurde Fleisch. Mit Fleisch meint die Bibel nicht einfach nur Körper, sondern den Menschen in seiner Schwachheit, Hinfälligkeit, Vergänglichkeit und Todverfallenheit. In der Menschwerdung Jesu ist beides miteinander vereint: Die überragende, göttliche Größe des Wortes Gottes verbunden mit der menschlichen Schwachheit. Er kann mit seiner göttlichen Kraft auch in unserer Schwachheit hineinwirken. Obgleich Jesus so groß ist, heißt das nicht, dass er uns fern ist. Es heißt nicht, dass das Wort das Fleisch angezogen hatte, sondern Fleisch wurde. Das macht deutlich: Gott wurde wahrhaft unseresgleichen in voller Solidarität (vgl. ebd., S. 52). In Jesus hat Gott an unserem Menschsein völlig teilgenommen. Jesus versteht uns in all unseren Anfechtungen.

Zweitens, Jesus ist das Leben
In Vers 4 erfahren wir, dass Jesus nicht nur das Wort, sondern in ihm auch das Leben ist. Jesus bezeichnet sich selbst auch als das Leben. Aber was ist mit Leben eigentlich gemeint? Im Biologieunterricht haben wir die Merkmale von Lebewesen durchgenommen (wie etwa Wachstum, Stoffwechsel, Bewegung, Reaktion auf Reize usw.). So gesehen sind auch Pflanzen Lebewesen. Aber ist das ein Leben, von dem Johannes hier spricht? Es geht ja beim Leben nicht einfach nur darum, zu existieren. Johannes spricht von einem echten, erfüllten Leben. Das ist vergleichbar damit, wie man bei einer Veranstaltung anwesend ist. Manche Schüler machen richtig aktiv am Unterricht mit, sie sind wirklich anwesend. Andere sind zwar da, aber sie sind innerlich abwesend. Genauso leben viele Menschen, aber nicht wirklich. Der Sündenfall brachte den Tod in die Welt. Seitdem existieren viele Menschen, aber leben nicht wirklich. Seit Jesu Auferstehung können Menschen wieder zu dem wahren, ewigen Leben gelangen. Viele Menschen suchen das Leben außerhalb von Jesus. Sie wenden sich weltlichen Freuden und Vergnügungen hin – aber diese Dinge stillen nur kurzzeitig den Durst nach Leben. Seitdem Corona da ist, sind viele diese weltlichen Freuden eingeschränkt. Leute verlieren die Freude am Leben, werden depressiv. Sie wissen nicht, wo das Leben eigentlich zu finden sind, haben keine Alternative. Weil alles durch Jesus, und nichts ohne Jesus erschaffen wurde, war es schon immer so gewesen, dass in Jesus das Leben ist. Ein echtes Leben außerhalb von Jesus gibt es gar nicht. Das Leben außerhalb Jesus zu suchen widerspricht der eigenen Natur, dem eigenen Wesen. Wir sind nicht so gebaut, dass wir woanders als bei Jesus das Leben finden. Jesus Christus spricht: „Wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, den wird nicht dürsten in Ewigkeit; sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm eine Quelle Wassers werden, das ins ewige Leben quillt.“ Wo suchen wir, du und ich, das Leben? Wo suchen wir die Erfüllung?

Drittens, Jesus ist das Licht
Wir gebrauchen Begriffe wie „Todesnacht“, weil wir mit dem Tod Dunkelheit und Finsternis verbinden. Umgekehrt verhält es sich mit dem Leben. Am Ende von Vers 4 heißt es: Und das Leben war das Licht der Menschen. Das Leben steht in Verbindung mit Licht. Weil Jesus das Leben ist, ist er auch das Licht der Menschen. Was bedeutet das? Das Licht steht in der Bibel für Wahrheit, genauer gesagt die Wahrheit über Gott (vgl. Joh. 1,18). Diese Wahrheit über Gott ist nirgendwo deutlicher zu sehen als in der Person Jesu. Deswegen ist Jesus das Licht der Welt. Durch Jesus sehen Menschen Gott als den Vater. Diese Wahrheit verändert ihr Leben. Es bringt Freude und Zuversicht in ihr Leben hinein, auch dann, wenn die Umstände das Gegenteil sprechen. Wenn wir hingegen die Dinge nicht so sehen, wie Gott sie sieht, machen sich in unserem Leben Ängste, Hoffnungslosigkeit, Sorgen, Verzweiflung etc. breit. Sie machen unser Leben finster. Doch im Vers 5 erfahren wir, dass das Licht Jesu in unsere Finsternis hineinscheinen und alle Finsternis vertreiben kann. Da wo Licht ist, kann es keine Finsternis geben. Ebenso ist es auch mit dem Licht Jesu. Da wo das helle Licht Jesu scheint, also da, wo die Wahrheit über Gott in den Herzen von Menschen aufgeht, wird die Finsternis aus ihrem Leben vertrieben. Licht kann Finsternis vertreiben, aber die Finsternis kann das Licht nicht vertreiben. Ebenso ist auch das Licht Jesu stärker als unsere Finsternis, wenn wir es in unserem Leben hineinleuchten lassen. Es gibt eigentlich nur eine Voraussetzung dafür, dass das Licht Jesu in unser Leben scheinen kann. Diese erfahren wir in Joh. 3,19-21: Dies aber ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Denn jeder, der Arges tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht bloßgestellt werden; wer aber die Wahrheit tut, kommt zu dem Licht, damit seine Werke offenbar werden, dass sie in Gott gewirkt sind. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir die Wahrheit liebhaben.
Wir haben bisher betrachtet, wer Jesus ist. In den nachfolgenden Versen geht es darum, wer Jesus nicht ist. Ab Vers 6 ist auf einmal von Johannes, dem Täufer, die Rede. Warum? Johannes, der Täufer, hatte in der jüdischen Gesellschaft solch eine große Anerkennung gefunden, dass manche sich fragten, ob er nicht der Messias sei. Deswegen ist der Apostel Johannes darum bemüht, dies richtigzustellen. Bemerkenswert ist, wie die Person des Täufers eingeleitet wird: „Da war ein Mensch, von Gott gesandt …“ Anders als das Wort war Johannes nur ein Mensch. Johannes war von Gott gesandt, aber nicht Gott gleich. Johannes zeugte vom Licht, aber er war nicht das Licht. Das ist ein großer Unterschied. Es gab und gibt zu allen Zeiten große Männer und Frauen Gottes. Doch wie einflussreich sie auch waren und sind, sie selbst sind nicht das Licht und Leben. Sie können uns helfen zum Licht zu kommen. Sie können uns helfen, das ewige Leben zu bekommen und gedeihen zu lassen, aber sie selber können unser Leben nicht hell machen, sie können es nicht verbessern. Manche oder viele Menschen bauen ihre Hoffnung auf Menschen, weil sie meinen, durch sie kann die Finsternis aus ihrem Licht vertrieben werden. Allerdings werden sie darin enttäuscht. Warum? Ganz einfach, sie sind nicht das Licht, allenfalls können sie zeugen vom Licht. Man muss selber zu Jesus kommen, selber eine Beziehung mit ihm haben. Dies können uns andere Christen nicht abnehmen, wie geistlich auch sie sein mögen.
Weil Jesu Person so überragend groß ist, kann er uns auch große Dinge geben. Hiervon sprechen die Verse 9 bis 13.

Teil 2: Die Gnade in Jesu (V. 9 – 13)

Betrachten wir Vers 9. Weil Jesus das Licht der Welt ist, kann Jesus jeden Menschen erleuchten. Jeder kann erleuchtet werden! Was ist mit Erleuchtung gemeint? Ungläubige haben ein verkehrtes Gottesbild in ihrem Kopf. Wenn man mit ihnen redet, hat man den Eindruck, dass sich die einen Gott als einen blutrünstigen, die anderen als eine gleichgültige Person und wiederum andere als einen lieben Opa vorstellen. Ihr Verstand ist verfinstert. Doch in Jesus können sie Gott so begegnen, wie er wirklich ist, nämlich als den Vater. Jesus sagt: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Gott so erkennen, wie er wirklich ist, ist die Erleuchtung. Dies geschieht allein durch Jesus. Deswegen heißt es im Vers 18: „Niemand hat Gott jemals gesehen; der einziggeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ⟨ihn⟩ bekannt gemacht.“ Heutzutage glauben immer mehr Menschen, dass man nicht wissen kann, ob es einen Gott gibt oder nicht. Aber das ist nicht wahr. Jesus, das Licht der Welt, kann jedermann erleuchten. Jeder kann die Wahrheit über Gott erkennen. Wenn ein Halogenstrahler auf meine Augen leuchtet, ich aber meine Augen mit meinen Händen verdecke, kann ich nichts vom Licht vernehmen. Ebenso ist es mich dem Licht Jesu – man muss dessen Erleuchtung zulassen!
Aber auch uns Gläubigen kann es passieren, dass sich in uns mit der Zeit ein verkehrtes Gottesbild einschleicht. Daher müssen auch wir immer wieder durch die Begegnung mit Jesus aufs Neue erleuchtet werden. In Römer 12,2 heißt es: „Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes“.
Im Vers 12 erfahren wir etwas Weiteres, was wir durch Jesus erhalten – es ist die Macht, ein Kind Gottes zu werden. Es kann aber auch heißen: „Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden.“ Warum Macht? Die natürliche Geburt geschieht durch den Willen von Menschen, aber die geistliche Geburt allein durch den Willen Gottes. Man kann die geistliche Wiedergeburt nicht erzwingen. Wie sehr man sie auch wollte, sie geschieht doch nur dann, wenn es Gott auch will. Ein passendes Beispiel dafür ist die Glaubensgeschichte von Whitefield, der alles Mögliche versuchte, Askese bis zum Rande des Zusammenbruchs betrieb, um wiedergeboren zu werden:
Gott zeigte mir, dass ich von neuem geboren werden oder verdammt werden müsse. Ich erfuhr hier, dass man in die Kirche gehen, Gebete aufsagen, das Sakrament empfangen kann, ohne ein Christ zu sein. Wie brachte das mein Herz in Wallung! (…)
Als erstes verschärfte er seine Askese, was ihm wachsende Feindschaft seiner Verwandten in Gloucester und Unverstand bei seinen Mitbrüdern im Heiligen Club einbrachte (…)
Der geplagte Jüngling trieb seine Askese noch weiter, aß keine Früchte mehr, sondern gab das auf diese Weise gesparte Geld den Armen. Er nahm nur das kümmerlichste Essen zu sich, trug einen geflickten Rock und schmutzige Schuhe. Dann stürzte er sich in einen extremen Quietismus (…) so dass er, statt wenig zu reden, gar nicht mehr redete, und aus dem Rat, vor Gott stille zu sein, den Schluss zog, gar nicht mehr zu beten. Er saß ganze Abende stumm vor sich hinstarrend unter seinen Freunden im Heiligen Club (…)
Noch immer brannte die ungestillte Sehnsucht in seiner Seele, und er steigerte seine asketischen Strapazen abermals. Er meinte, er müsse es dem Herrn gleichtun, der in der Wildnis versucht worden war. Ganze Nächte verharrte er auf den Feldern kniend oder bäuchlings ausgestreckt im Gebet (…)
Schließlich befand er sich am Rande des vollständigen Zusammenbruchs. In der Fastenzeit des Frühlings 1735 aß er während sechs Wochen nichts als ein wenig Schwarzbrot und trank dazu Salbeitee. Er war körperlich schon so geschwächt, dass er nicht mehr arbeiten und nur noch Tag und Nacht zu Gott flüstern konnte. Meine in die Länge gezogene Enthaltsamkeit und die inneren Kämpfe zehrten mich schließlich so auf, dass ich in der Osterwoche fast nicht mehr die Treppe hinaufgehen konnte (…)
Sein Zustand war nun so ernst, dass man befürchten musste, Whitefield werde vom gleichen Schicksal getroffen, wie zwei Jahre vor ihm ein anderes Mitglied des Heiligen Clubs. William Morgan war damals über seiner maßlosen Askese gestorben.2

Es gehört dazu wirklich Macht bzw. Vollmacht, um ein Kind Gottes zu werden. Diese Macht hat Jesus. Jesus hat diese Macht, weil er das Wort Gottes ist. Das Wort Gottes kann neues Leben schaffen. Jesus gibt jedem die Macht, ein Kind Gottes zu werden, der an seinen Namen glaubt. Vers 12 macht deutlich, dass das Glauben an Jesu Namen gleichbedeutend damit ist, Jesus in sein Herz aufzunehmen. Manchen oder vielen fällt es schwer, Jesus in ihr Herz aufzunehmen, weil ihnen etwas an Jesus stört. Zum Beispiel erkennen viele Jesus als einen guten und vorbildlichen Menschen an, haben aber ein Problem damit, ihn als den einzigen Weg zu Gott anzuerkennen. Jesus möchte so aufgenommen werden, wie er tatsächlich ist, ohne Abstriche, mit all seinen Ansprüchen über die Größe seiner Person.
Das gilt natürlich auch für uns Gläubigen. Im Laufe unseres Glaubenslebens möchte sich Jesus uns mehr und mehr offenbaren. Dabei kann es sein, dass wir mit Dingen von Jesu Personen konfrontiert werden, die uns stören. Zum Beispiel hat das Petrus erlebt, als Jesus ihm den Kreuzesweg offenbarte (Mt. 16,22). Johannes der Täufer ärgerte sich an Jesus, weil Jesus nicht so handelte, wie er erwartet hatte, als er im Gefängnis war (Mt. 11,2-6). Wenn wir ihn so annehmen, wie Er ist, kann das neue Leben in uns gedeihen und wir Christus ähnlicher werden.
Es kann aber auch heißen: „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden.“ Wenn von „Recht“ die Rede ist, dann zeigt das, dass die Kindschaft Gottes ein Privileg ist. Was gibt es für ein größeres Privileg, als ein Kind Gottes zu sein? Hiervon spricht auch dieses Wort: Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wieder zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! (Röm 8,15).
Möge das Licht Jesu in unserem Leben mehr und mehr scheinen und alle Finsternis aus unserem Leben vertreiben. Lasst uns beten.

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1 DE BOOR, W. (1968): Das Evangelium des Johannes. Erklärt von Werner der Boor. R. Brockhaus Verlag Wuppertal.
2 PETERS, B. (20032): George Whitefield. Der Erwecker Englands und Amerikas, S. 25-27. CLV.

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Fragebogen: Johannes 1,1-13 – Weihnachten 2021

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Das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet

„Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.“

(Johannesevangelium 1,9)

1. Was sagen die Verse 1 und 2 über „das Wort“ und über seine Beziehung zu Gott? Was bedeutet es, dass alle Dinge durch das Wort gemacht sind (3)? Wofür steht das Wort (vgl. Vers 14)?

2. Was bedeutet es, dass in ihm das Leben war? Und dass das Leben das Licht der Menschen war (4)? Was sagt Vers 5 über das Licht?

3. Was sagen die Verse 6-8 über die Aufgabe von Johannes dem Täufer? Was sagt Vers 9 über das wahre Licht und was bedeutet das?

4. Wie haben die Menschen darauf reagiert (10.11)? Was gibt er all denen, die ihn aufnehmen (12)? Was bedeutet es für dich, dass Jesus das wahre Licht für alle Menschen ist?

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