Predigt: Die Gemeinde, die Jesus unter uns bauen will – Berufen zur Gemeinschaft 2 – 1. Johannes 1,1-4

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Gemeinschaft

„was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.”

1. Johannes 1,3

Wir haben letzte Woche mit der Predigt von Noah eine neue Themenreihe angefangen: berufen zur Gemeinschaft. Davor haben wir uns sieben Wochen lang mit dem Evangelium beschäftigt. Bevor wir fortfahren, möchte ich gerne sagen, dass wir mit dem Evangelium nicht „fertig“ sind. Alles, was jetzt folgt, ist ein Vertiefen und Anwenden des Evangeliums. Unsere Berufung zur Gemeinschaft ist eine Folge der Tatsache, dass wir durch das Evangelium gerettet und radikal erneuert wurden.
Letzte Woche hatten wir eine Einführung in die Gemeinde. Im heutigen Text sehen wir, dass die Gemeinde Jesu in Gemeinschaft lebt. Das griechische Wort für Gemeinschaft ist koinonia. Es bedeutet Gemeinschaft durch Teilhaben. Wir sind eingeladen zu einer Gemeinschaft, in der wir etwas teilen. Ich denke, dass wir in diesem Text mindestens drei Dinge über die christliche Gemeinschaft lernen können: erstens, der Ursprung der Gemeinschaft; zweitens, das Wesen der Gemeinschaft; drittens, das Ziel der Gemeinschaft.

Erstens, der Ursprung der Gemeinschaft
Der Anfang des Briefes ist – wie ich finde – umwerfend, elektrisierend. Wir spüren die Begeisterung vom Autor, der sein Glück fast selbst nicht fassen kann: „Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und unsere Hände angefasst haben vom Wort des Lebens…“ Der Apostel Johannes sagt, dass sie das Wort des Lebens gehört haben mit ihren Ohren; nicht nur das, ihre eigenen Augen haben ihn gesehen; nicht nur das, ihre Hände haben ihn angefasst, weil er real, physisch unter ihnen war. Die Begeisterung von Johannes ist an dieser Stelle so überfließend, dass er seinen eigenen Gedanken unterbricht und dann folgendes einschiebt: „das Leben ist erschienen und wir haben gesehen und bezeugen und verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns erschienen ist.“
Das ist der Ursprung der Gemeinschaft. Das Leben ist der Ursprung der christlichen Gemeinschaft. Das Problem ist, dass „Leben“ als Begriff ziemlich umfassend ist. Biologen sind sich einigermaßen einig, dass wenn ein System in der Lage ist, zu wachsen, sich zu vermehren, Stoffwechsel zu betreiben, sich zu bewegen und reizbar ist, dieses System biologisch lebendig ist. D.h., mit „Leben“ meinen wir das Leben von Bakterien oder Einzellern, die wir gerade so unter dem Mikroskop erkennen können. Mit Leben meinen wir aber auch das Leben, von Pflanzen und Bäumen, die ungleich komplexer sind, wie etwa Mammutbäumen, die mehrere Tausend Jahre als sein können. Mit Leben meinen wir aber auch das Leben von Tieren; und schließlich das Leben von Menschen. Die meisten Menschen wären damit einverstanden, wenn wir sagen würden, dass das menschliche Leben noch einmal eine andere Komplexität und einen anderen Wert hat im Vergleich mit dem Leben von Tieren und Pflanzen. Wir Menschen sind vermutlich die einzigen Lebewesen auf der Erde, die sich Gedanken darüber machen können, weshalb wir leben und wofür wir leben sollten.
Und trotzdem ist es so, dass wenn Johannes über das Leben spricht, er etwas anderes meint. Das Leben, von dem Johannes spricht, ist ein ewiges Leben; es ist ein Leben, das immer existiert, bevor irgendetwas anderes existierte. Es ist ein Leben, das beim Vater war. Die Griechen hatten unterschiedliche Wörter für Leben. Alles biologische Leben nannten die Griechen bios; das ewige Leben hingegen bezeichneten sie als zoe. Zoe, das ewige Leben, ist ein Leben, das kategorisch anders ist, als das biologische Leben. Es ist das Leben, von welchem alles andere Leben, einschließlich dem biologischen Leben, seinen Ursprung hat. Alles existiert, weil es am Anfang das ewige Leben gab.
Was charakterisiert dann das ewige Leben? Vers 3 sagt: „Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.“ Johannes sagt, dass das ewige Leben eine Gemeinschaft ist, zwischen dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus. Das ewige Leben ist ewige Gemeinschaft innerhalb der Gottheit. Wir glauben an einen Gott, der in Ewigkeit in drei Personen existiert hat. Wir befinden uns damit im Zentrum der christlichen Theologie. Es geht hier nicht nur um die Frage wer Gott ist, sondern wie dieser Gott ist. C.S. Lewis schrieb in seinem Buch Mere Christianity: „Alle möglichen Leute wiederholen gerne die christliche Aussage, dass ‚Gott Liebe ist‘. Aber sie scheinen nicht zu bemerken, dass die Worte ‚Gott ist Liebe‘ keine wirkliche Bedeutung haben, wenn Gott nicht mindestens zwei Personen enthält. Liebe ist etwas, das eine Person für eine andere Person empfindet. Wenn Gott eine einzige Person wäre, dann war er vor der Erschaffung der Welt nicht Liebe. … im Christentum ist Gott kein statisches Ding – nicht einmal eine Person – sondern eine dynamische, pulsierende Aktivität, ein Leben, fast eine Art Drama. Falls du mich nicht für pietätlos hältst, fast eine Art Tanz.“
Das ist krasse Theologie. Die Frage ist jetzt natürlich, was das für uns bedeutet. Im Film Ironman wird Tony Stark von Terroristen entführt. Tony ist ein Milliardär und gleichzeitig ein genialer Erfinder, der Waffen baut. Während er schwer verletzt bei den Terroristen ist, gibt es einen Mitgefangenen namens Yinsen, der ihn pflegt und ihm das Leben rettet. Sie kommen später ins Gespräch. Tony fragt Yinsen ob er eine Familie hat. Er antwortet: „Ja, und ich werde sie wiedersehen, wenn ich hier herauskomme. Was ist mit dir?“ Tony Stark hat keine Familie, keine wirklich verbindlichen Beziehungen, kaum echte Freundschaften. Yinsen sagt daraufhin: „Also bist du ein Mann der alles hat… und doch nichts hat.“ Und das ist für einen Unterhaltungsfilm eine durchaus profunde Einsicht.
Ein kurzes Gedankenexperiment: versuchen wir uns an den schönsten Moment unseres Lebens zu erinnern. Gab es in unserem Leben einen Moment, an dem wir uns riesig gefreut haben; einen Moment, an dem wir uns einfach glücklich gefühlt haben? Vielleicht war es dein Hochzeitstag? Oder besser, vielleicht war es der Tag nach deinem Hochzeitstag, nachdem alle Gäste erst einmal weg waren? Vielleicht war es ein richtig guter Abend oder eine richtig gute Feier mit den engsten Freunden? Vielleicht war es ein richtig guter Urlaub mit der Familie? Vielleicht war es eine besondere Bibelfreizeit? Egal was die genauen Umstände dieses Moments waren, ich bin mir ziemlich sicher, dass wir im schönsten Moment unseres Lebens nicht allein waren, sondern in irgendeiner Form von Gemeinschaft. Ich gehe sehr stark davon aus, dass dieser schönste Moment im Beisammensein mit Menschen war, die uns lieb und teuer sind. Und ich gehe stark davon aus, dass diese Momente eben deshalb so schön waren, weil wir nicht allein waren; weil es Menschen gab, mit denen wir den Augenblick teilen konnten; weil Mitmenschen das Schöne nicht nur aufaddiert, sondern multipliziert haben.
Am Anfang des Universums war Beziehung; am Anfang war Liebe; am Anfang war ein Tanz des dreieinigen Gottes. Der Ursprung der christlichen Gemeinschaft ist das ewige Leben in ewiger, in sich vollkommener Gemeinschaft. Gott ist ein Gott in Beziehung. Und das ist null Prozent theoretisch. Es ist unendlich relevant für uns: wir alle, du und ich, sind geschaffen nach dem Bild eines dreieinigen Gottes. Der Grund weshalb Menschen am Ende des Tages Gemeinschaftswesen sind, der Grund weshalb unser Herz eine Sehnsucht nach Zweisamkeit, nach Freundschaft und nach Beziehungen hat, ist der, dass wir diesem Gott entsprungen sind.

Zweitens, das Wesen der Gemeinschaft
Zum Wesen der christlichen Gemeinschaft sagt der Text zwei Dinge. In Vers 3 sagt Johannes: „was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt.“ Der Apostel verkündigt sein Erleben von Jesus Christus, um Gemeinschaft zu verbreiten. D.h., die Predigt Jesu Christi hat das Ziel, dass neue und heilsame Gemeinschaft entsteht. Die Verkündigung Jesu sind nicht einfach nur Glaubens-Statements; sie sind das Bezeugen eines Erlebens und eines Erfahrens der Person Jesu Christi. Ich finde die Wortwahl von Johannes sehr interessant. Vers 1: „Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben…“ Johannes war einer der Augenzeugen Jesu, der Jesus praktisch mit allen Sinnen wahrgenommen hat. So real war Jesus unter ihnen. Hier ist also der erste Punkt zum Wesen der Gemeinschaft: die christliche Gemeinschaft besteht aus Menschen, die Jesus persönlich erlebt haben. Wie hast du Jesus persönlich erlebt?
Was faszinierend ist: die Art und Weise, wie Menschen Jesus erfahren und begegnen, kann sehr unterschiedlich sein. Es kann ein überwältigender Fischfang sein; oder es kann ein grelles Licht sein, das einen militanten Christenverfolger vom Pferd stürzt; oder es kann ein einziges Wort sein wie der Ruf des Namens „Maria“; es kann ein bebender und rauchender Berg sein oder ein stilles Flüstern im Wind. In unserer Gemeinde legen wir sehr viel Wert auf die Bibel: Wiedergeburt durch ein Wort, das persönlich zu uns spricht. Ich denke, dass Gott den meisten Menschen auf diese Art begegnet. Gleichzeitig möchte ich betonen, dass es nicht die einzige Art und Weise ist.
Vor einigen Jahren habe ich ein hervorragendes Zeugnis von einem koreanisch-amerikanischen Theologen namens Paul Lim gehört. Er hatte eine schwierige Kindheit erlebt, war Außenseiter und wurde schließlich Student an der Yale Universität. Er wollte mit dem christlichen Glauben nichts zu tun haben, und er machte sich über seine Schwester lustig, weil sie einen Christen heiratete. Er sagte zu seiner Schwester: „Du heiratest diesen armen Loser. Ich dagegen studiere BWL und werde später richtig viel Geld verdienen. Und wenn ich dann reich bin, werde ich dich und meinen Schwager finanziell unterstützen.“ Es war zwar gut und aufrichtig gemeint, aber seine Schwester war trotzdem gekränkt. Eine Woche später war er auf einer Bibelfreizeit von seinem Schwager, die er ziemlich schlimm fand: schlechtes Essen, langweilige Gespräche, öde Vorträge. Der einzige Grund, weshalb er dort war, war der, weil seine Mutter ihn darum gebeten hatte, und er seiner Mutter nicht „nein“ sagen konnte. Am letzten Abend hat die Band ein Lied angestimmt. (Die Band war auch nicht so toll). Und im Lied sangen sie dann: „Ich will dein Geld nicht. Ich will dein Leben.“ Als er diese Worte hörte, war es, wie als ob Gott zu ihm sprechen würde. Und dann brachen bei ihm das Eis. Die Schutzwälle, die er über viele Jahre aufgerichtet hatte, waren eingerissen. Er konnte gar nicht aufhören, zu weinen.
Ein weiteres Beispiel: die meisten von euch haben von dem deutschen Youtuber Philipp Mickenbecker gehört, der vor wenigen Monaten an Krebs gestorben ist. Als er gefragt wurde wie er zum Glauben gekommen war, erzählte er folgendes: er hatte zum zweiten Mal Krebs bekommen. Während seines Aufenthalts im Krankenhaus ging er spazieren und setzte sich auf einem Hügel auf eine Bank. Er sagte dann: „Jesus, wenn es dich gibt, dann zeig dich bitte.“ Im nächsten Moment spürte er, wie er von einer göttlichen Liebe überflutet wurde. Worte konnten seine Erfahrung nicht wirklich beschreiben. So hat er Jesus persönlich erfahren. (Fairerweise muss man sagen, dass seine Geschichte länger und komplexer ist; aber das ist die Essenz seiner Begegnung mit Jesus).
Welche Geschichte hast du zu erzählen? Wie hast du Jesus erfahren? Hast du ihn gehört, gesehen und angefasst? Das ist das erste, was wir über das Wesen der Gemeinschaft erfahren. Die christliche Gemeinschaft besteht aus Menschen, die Jesus persönlich begegnet sind. Aber das ist längst nicht alles.
Der andere Aspekt hat mit dem ewigen Leben selbst zu tun. N.T. Wright wurde bei einer Einreise in die USA gefragt, was er beruflich macht. Er antwortete, dass er ein Bischof ist. Aber er hatte gerade keine Kutte oder entsprechende Kleidung an. Der Beamte fragte ihn deshalb: „Wenn du Bischof bist, kannst du mir sagen, was in Johannes 3,16 steht?“ N.T. Wright ließ sich nicht zweimal bitten: „Houtos gar egapesen ho Theos ton kosmon…“ Johannes 3,16 sagt, dass wir das ewige Leben erhalten, wenn wir an Jesus glauben. Wir haben vorhin gesehen, dass das ewige Leben, das im Anfang bereits war, ein kategorisch anderes Leben ist, als das biologische Leben. Zoe ist etwas völlig anderes als bios. Wir können uns das vielleicht so vorstellen: ein Bildhauer kann aus einem Stück Marmor eine Statue machen. Diese Statue mag aussehen wie ein Mensch. Aber sie ist am Ende des Tages nichts anderes als Stein. Oder wir sind mit der berühmten Geschichte von Pinocchio vertraut: Pinocchio ist eine Holzpuppe, nichts anderes als ein Stück Holz, das kunstvoll geschnitzt wurde. Die Puppe ist kein Junge.
Die Bibel sagt, dass wir kein wahres Leben in uns haben. Aus uns selbst heraus, haben wir kein ewiges Leben. Aber in Vers 3 schreibt Johannes die unfassbaren Worte: „Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.“ Wir werden eingeladen, einzutreten, in diese Beziehung. Vater und Sohn laden uns ein, das ewige Leben, das in ihnen ist, zu empfangen. Vater und Sohn wollen dieses ewige Leben uneingeschränkt mit uns teilen. Und das macht etwas mit uns. Wir werden verändert. Die Veränderung ist genauso radikal wie wenn aus leblosen Statuen echte Menschen aus Fleisch und Blut werden. Aus uns wird kategorisch etwas völlig Neues, wie eine Holzpuppe, die ein echter Junge wird. Aus uns werden Kinder Gottes, die das gleiche Leben haben wie Gott.
Zu Beginn habe ich gesagt, dass koinonia bedeutet, Gemeinschaft zu haben durch Teilhaben. Was wir miteinander teilen ist genau das: eine persönliche Erfahrung mit Jesus Christus, durch die wir radikal erneuert und verändert wurden. Wir haben das ewige Leben. Nicht erst dann, wenn wir sterben. Das ewige Leben beginnt im Hier und Jetzt, wenn wir durch Jesus angerührt wurden.
Wie macht sich das bemerkbar? Letzte Woche haben wir gehört, wie das Evangelium die Feindschaft zwischen Juden und Heiden aufgehoben hat; das Evangelium sprengt die Mauern, die es zwischen Menschen gibt. Es fängt innerhalb unserer Familien an. Wenn wir vom ewigen Leben angerührt werden, werden wir warmherziger, empathischer, großzügiger, geduldiger, liebevoller, authentischer, transparenter. Natürlich wirkt sich das auf alle unsere Beziehungen aus. Natürlich hat das einen Einfluss darauf, wie wir unsere Ehepartner sehen und behandeln. Natürlich verändert das die Art und Weise wie wir mit unseren Kindern umgehen. Es hört nicht in unseren Familien auf. Es geht weiter im Umgang mit den Geschwistern in der Gemeinde. Und es hat Auswirkungen im Umgang mit unseren Geschwistern außerhalb unserer Gemeinde, außerhalb unserer Konfession und unseren Denominationen. Das, was uns in Christus mit anderen Christen verbindet ist unendlich viel größer als das, was uns trennt.
Die letzten Monate und Jahre waren ziemlich hart, was Gemeinschaft betrifft. Wir haben einen signifikanten Teil der Zeit in Quarantäne, Homeoffice und Homeschooling verbracht. Quarantäne, Homeoffice und Homeschooling sind drei unterschiedliche Worte für ein- und dasselbe: in den eigenen vier Wänden eingesperrt zu sein. Und vielleicht haben in dieser Zeit die Beziehungen innerhalb der Gemeinde etwas gelitten. Ich weiß nicht wie es euch ergeht. Aber vielleicht verbringen wir mehr Zeit mit unserem Smartphone als in Gemeinschaft mit echten Menschen. Vielleicht verbringen wir mehr Zeit in der virtuellen Welt als mit der realen Welt. Vielleicht ziehen wir uns lieber zurück, weil Beziehungen oftmals echt anstrengend sein können. Vielleicht gehen wir zwischenmenschlichen Beziehungen lieber aus dem Weg als sich ihnen zu stellen. Wie es aussieht, wird Corona uns noch eine Weile begleiten.
Der Text sagt nicht: „Jetzt reißt euch wieder zusammen! Verbringt mehr Zeit mit euren Geschwistern!“ Der Text ermutigt uns, neu von dem ewigen Leben angerührt und verändert zu werden. Wenn das geschieht, dann ist christliche Gemeinschaft unvermeidlich.

Drittens, das Ziel der Gemeinschaft
Johannes schreibt in Vers 4: „Dies schreiben wir, damit unsere Freude vollkommen ist.“ Das Ziel der Gemeinschaft ist Freude, und zwar vollkommene Freude. Und das klingt so trivial. Aber es ist alles andere als trivial. Freude liegt im Zentrum von allem, worum es im christlichen Glauben geht.
Während unserer Zeit in Boston sind Grace und ich einmal mit einer Freundin nach New Haven gefahren, um dort Ostern zu feiern. Unsere Freundin ist nicht gläubig. Auf dem Weg zurück haben wir uns darüber unterhalten, was wir für das höchste Ziel des Lebens halten. Sie meinte, dass es ein Leben ist, in dem sie maximale Freude hat. Und diesen Wunsch hat jeder Mensch. Jeder lebt dafür und tut alles dafür, um maximale Freude zu haben. Ich habe ihr erklärt, dass es im christlichen Glauben genau darum geht: vollkommene Freude zu haben. Ihre Antwort war, dass unsere Lebensziele dann gar nicht so unterschiedlich sind. Sie hatte nicht ganz unrecht.
Hier ist der Grund: wir haben gesagt, dass am Anfang Gott in Beziehung war, in drei Personen. Es ist der Tanz der Trinität. Gott ist das einzige Wesen, das in sich vollkommen ist. Gott ist vollkommene Liebe. Gott hat in sich vollkommene Freude. Warum sollte ein Gott, der in sich perfekt ist und der alle Fülle hat, Himmel und Erde schaffen wollen? Die Antwort ist nicht, um noch mehr Freude zu bekommen. Jemand, der unendlich reich ist, wird nicht reicher, wenn man ihm fünf Euro gibt. Gott erschuf die Welt und uns, um seine Freude mit uns zu teilen.
Johannes Hartl hat folgende Illustration gebraucht: Männer und Frauen fühlen sich einander zugeneigt, weil jeder denkt: wenn ich den perfekten Partner habe, wenn ich die perfekte Partnerin habe, dann kann ich wirklich glücklich sein. D.h., der andere ist dazu da, meine Bedürfnisse zu erfüllen und mich glücklich zu machen. Nach einer Zeit des Verliebtseins stellt man fest, dass die Welt doch nicht so rosarot ist. Aber nehmen wir an, dass es den Ehepartnern nicht um sich selbst geht. Nehmen wir an, dass sie nicht einfach nur verliebt sind. Nehmen wir an, ein Mann und eine Frau lieben sich wirklich mit einer selbst hingebenden, selbst aufopfernden Liebe (agape). Was geschieht? Es entsteht innerhalb dieser Beziehung eine Fülle und ein Raum. In diesem Raum ist Platz für eine dritte und vierte Person. In diesem Raum können Kinder gesund heranwachsen. Kinder sind der Inbegriff von Bedürftigkeit: „ich will jetzt sofort essen und spielen!“ Bedürftige Kinder werden von der Liebe ihrer Eltern genährt.
Auf eine unendlich viel höhere und größere Art und Weise entsteht innerhalb der vollkommenen Liebe der Trinität ein Raum. In diesen Raum hinein erschafft Gott die Welt. Gott hat das getan, um die Welt mit seiner überfließenden Liebe und Freude zu beschenken und reich zu machen. Letztendlich tut Gott das, indem er sich selbst der Welt schenkt. Nirgendwo mehr können wir die Bedeutung dessen verstehen lernen, als in christlicher Gemeinschaft.
Wir haben gesehen, dass das ewige Leben in Gott der Ursprung der Gemeinschaft ist. Die christliche Gemeinschaft entsteht, wenn Menschen das ewige Leben empfangen. Das Ziel dieser Gemeinschaft ist es, maximale Freude in Gott zu haben. Nichts verherrlicht Gott mehr als das.

 

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