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Das Gebet, das Jesus uns lehrte
„Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“
(Matthäus 6,12)
Unser Gottesdienst ist heute besonders für die Schüler, die morgen ein neues Schuljahr anfangen. Als wir überlegt haben, welcher Predigttext dafür passend ist, hat jemand vorgeschlagen, dass das Vaterunser, das wir in der Bergpredigt gerade betrachten, auch für die Schüler hilfreich ist. Denn zu beten, ist nicht nur für die Erwachsenen, sondern auch für die Kinder und Jugendlichen wichtig, auch im Hinblick auf die Schule. Und die Gebetsanliegen, die Jesus im Vaterunser gelehrt hat, betreffen nicht nur Erwachsene, sondern im vollen Maß auch die Kinder und Jugendlichen.
Letzten Sonntag hat N. über den ersten Teil vom Vaterunser gepredigt. Es ging darum, dass Gott unser Vater im Himmel ist, der uns lieb hat und zu dem wir immer beten dürfen. Wenn wir zu ihm beten, sollen wir nicht nur für unsere eigenen Bedürfnisse beten, sondern vor allem dafür, dass Gottes Name geehrt wird und sein Reich, seine gute Herrschaft, kommt und dass sein Wille geschieht. Heute lernen wir im zweiten Teil dieses Gebets, dass wir auch für unsere eigenen Bedürfnisse beten dürfen. Was sind unsere wichtigsten Bedürfnisse, für die wir jeden Tag beten sollten? Längere Ferien? Ein neues Handy? Nein! Lasst uns heute lernen, was unsere wichtigsten Bedürfnisse sind, und warum es wichtig ist, dass wir dafür jeden Tag beten!
Was ist das erste Bedürfnis, für das Jesus uns lehrt zu beten? Lesen wir Vers 11: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Ich denke, dass uns allen dieses Gebetsanliegen vertraut ist, auch den Kindern; wir beten es ja auch jede Woche am Ende des Gottesdiensts. Aber hat jeder einmal richtig darüber nachgedacht, was das eigentlich bedeutet?
Zum einen lehrt uns Jesus dadurch viel über Gott. Manche denken, dass der große, heilige Gott sich nicht für so banale Dinge interessiert, wie dass wir jeden Tag zu essen haben. Aber hier zeigt uns Jesus, dass Gott nicht nur unsere geistlichen Bedürfnisse, sondern auch unsere körperlichen Bedürfnisse sieht. Gott ist wirklich unser Vater im Himmel, der uns liebt und weiß, dass wir jeden Tag etwas zu essen brauchen, um gesund zu bleiben und weiterzuleben, und er will uns gerne damit versorgen. Deshalb ermutigt Jesus uns dazu, dafür zu beten, dass Gott uns jeden Tag das gibt, was wir zum Leben brauchen.
Jemand von den Schülern könnte jetzt vielleicht denken: „Wir haben eigentlich immer Essen zu Hause im Kühlschrank. Wenn wir nichts mehr haben, geht mein Papa oder meine Mama einkaufen und kauft neues Essen ein. Warum soll ich dafür beten?“ Die Frage, warum wir für unser tägliches Essen beten sollen, stellt sich tatsächlich nicht nur Kindern, sondern auch vielen Erwachsenen. In dem Land, in dem wir leben, haben fast alle Menschen jeden Tag etwas zum Essen. Wenn wir in einen Supermarkt gehen, sind dort die Regale meistens voll, sodass wir eher das Problem haben, uns zu entscheiden, was wir auswählen sollen. Daher vergessen wir ganz leicht, dass das gar nicht selbstverständlich ist. Vor etwa zwei Jahren, als der Krieg von Russland gegen die Ukraine anfing, gab es in den Supermärkten eine Zeitlang kaum Mehl. Sobald es wieder etwas Mehl gab, haben die Leute schnell alles weggekauft, weil niemand wusste, wann wieder Mehl geliefert wird. Außerdem wurde viele Lebensmittel viel teurer. Wer von euch kann sich noch daran erinnern? Der Grund dafür war, dass in Deutschland nicht genug Getreide wächst, um alle Menschen mit Mehl bzw. mit Brot, Nudeln usw. zu versorgen. Deshalb muss Deutschland jedes Jahr viel Getreide aus anderen Ländern kaufen, unter anderem aus der Ukraine. Als die Ukraine wegen des Krieges aufgehört hat, Getreide zu verkaufen, gab es in Deutschland zu wenig Mehl, und Mehl und alles, was daraus gemacht wird, wurde viel teurer.
Das erinnert uns daran, dass es in Wirklichkeit gar nicht selbstverständlich ist, dass wir immer genug zu essen haben. Als das letzte Mal in Deutschland Krieg war, haben viele Menschen gehungert, weil es kaum noch etwas zu essen gab. Auch heute gibt es viele Länder, in denen viele nicht genug zu essen haben. Das erinnert uns daran, dass es Gottes Segen ist, wenn wir genug zu essen haben, und dass wir von ihm abhängig sind. Dabei geht es nicht nur um Schutz vor Kriegen. Alles, was wir essen, wird aus Dingen gemacht, die auf der Erde wachsen, oder von Tieren, die mit Getreide gefüttert werden. Getreide, Gemüse und Obst können aber nur dann gut wachsen, wenn Gott im richtigen Maß die Sonnen scheinen und es regnen lässt. Wenn es in einem Sommer zu wenig oder zu viel regnet, können die Menschen nur wenig oder gar nichts ernten. Letztes Jahr war ich wegen der Firma in Spanien und habe Plantagen mit Pfirsichbäumen gesehen. Aber die Pfirsiche, die normalerweise auch nach Deutschland geliefert werden, sind alle vertrocknet und auf die Erde gefallen. Der Grund war, dass es wegen der Hitze in Spanien so wenig Wasser gab, dass die Bauern ihre Bäume nur so viel bewässern durften, dass sie nicht absterben. Wir sind von Gottes Segen abhängig, dass wir jeden Tag genug zu essen haben. Deshalb sollen wir jeden Tag dafür beten, dass Gott uns das tägliche Brot gibt.
Ist mit dem Gebet für das tägliche Brot wirklich nur unser Essen gemeint? Nein. Schon Martin Luther hat gelehrt, dass diese Bitte auch andere Dinge einschließt, die wir zum Leben brauchen, wie etwa Kleidung oder ein Dach über dem Kopf. In diesem Sinne gehört auch die Arbeit dazu, mit der wir Geld verdienen, und auch die Schule, die Ausbildung oder das Studium, mit der wir uns darauf vorbereiten. Auch dafür dürfen wir beten im Vertrauen, dass unser Vater im Himmel uns versorgen und helfen will. Wenn wir dafür täglich beten, wird Gott geehrt und wird uns gerne Tag für Tag mit seiner Hilfe versorgen.
Warum es so wichtig ist, dass wir Gott um seine Fürsorge bitten, verstehen wir noch besser, wenn wir bedenken, was passiert, wenn man nicht dafür betet. Diejenigen, die nicht auf Gott vertrauen und beten, können nur auf sich selbst vertrauen, auf ihre eigene Kraft und Fähigkeit, und auf andere Menschen. Deshalb machen sie sich im Hinterkopf immer Sorgen, auch wenn sie ihre ganze Zeit und Kraft für die Schule oder ihr Studium einsetzen, sowohl wenn sie Erfolg haben als auch bei Problemen. Wenn sie Erfolg haben, werden sie schnell stolz, trotzdem haben sie die Sorge, ob sie weiterhin erfolgreich sein können. Wenn sie auf Probleme stoßen, die sie mit ihrer eigenen Kraft nicht bewältigen können, können sie leicht in eine Krise geraten und verzweifeln.
Wenn wir nicht zu Gott beten, wird unser Erfolg in der Schule, im Studium oder im Beruf außerdem zu unserem Lebensziel. Aber Jesus will, dass wir als Gottes Kinder vor allem für Gott leben, für seine Ehre und für sein Reich, und ihm dafür in den praktischen Dingen vertrauen. Wenn unser Erfolg in der Schule, im Studium oder bei der Arbeit uns das Wichtigste wird, wäre das ein armseliges Leben. Wir sollen wirklich für Gott leben und ihm vertrauen, dass er uns mit allem, was wir brauchen, versorgt, und auch in der Schule, im Studium und bei Arbeit hilft. Wenn wir täglich dafür beten, werden wir seine Hilfe erfahren. Wer im neuen Schuljahr wieder unter Sorgen wegen der Schule leidet und deshalb Stress hat, darf sich fragen, ob er wirklich auf Gott vertraut. Statt euch Sorgen zu machen, dürft ihr anfangen wieder zu Gott zu beten. Das gleiche gilt auch, wenn jemand wegen seinem Erfolg stolz wird oder wegen Problemen in der Schule niedergeschlagen ist. Ihr dürft zu eurem Vater im Himmel beten und seinen Trost und Hilfe erfahren.
Was ist das zweite Bedürfnis, für das wir täglich beten sollen? Lesen wir auch den Vers 12: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ Das andere wichtige Anliegen, für das wir beten sollen, ist, dass Gott uns unsere Schuld vergibt. So wie wir täglich etwas zu essen brauchen, damit wir körperlich am Leben bleiben, brauchen wir in geistlicher Hinsicht vor allem die Vergebung unserer Schuld, damit wir geistlich gesund und am Leben bleiben. Warum? Wir werden täglich vielfach an anderen Menschen schuldig, zum Beispiel weil wir sie gedankenlos oder sogar mit Absicht mit unseren Worten oder unserem Verhalten verletzt haben, oder weil wir denen nicht geholfen haben, die unsere Hilfe gebraucht hätten. Durch solche Dinge werden wir auch vor Gott schuldig. Denn Gott hat gesagt, dass wir unseren Nächsten so sehr lieben sollen, wie wir uns selbst lieben. Außerdem werden wir vor Gott auch in anderen Bereichen immer wieder schuldig, wo wir seinem Wort nicht gehorchen. Zum Beispiel dadurch, dass wir für das, was er uns gegeben hat, nicht dankbar sind und ihm nicht danken, oder durch andere böse Gedanken, Worte oder Taten, durch die wir seinem Wort nicht gehorchen. All diese Dinge nennt die Bibel Sünde. Auch wenn solche Sünden von Menschen nicht gesehen werden, sieht Gott sie doch. Und Sünden sind niemals harmlos, weil wir damit Gott als Gott verachten und ihn kränken. Sie belasten unsere Beziehung zu Gott schwer und zerstören sie.
Was können wir dann tun? Wenn wir gesündigt haben, können wir es nicht wiedergutmachen, indem wir zum Beispiel etwas „Gutes“ tun. Wenn jemand im Zorn einen anderen so verletzt, dass er sein Leben lang im Rollstuhl sitzen muss, kann er das nicht wieder gutmachen, indem er ihm monatlich 50 Euro überweist oder ab und zu für ihn einkaufen geht. So ist es auch mit unserer Sünde vor Gott. Wenn wir gegen Gott gesündigt haben, ist das Einzige, was uns hilft, Gottes Vergebung. Nur wenn Gott uns unsere Schuld vergibt, kommt unsere Beziehung zu ihm wieder in Ordnung und wir können weiter im Vertrauen und unter seinem Segen leben. Deshalb müssen wir jeden Tag Gott darum bitten, dass er uns unsere Sünden vergibt.
Dass Jesus uns dazu auffordert, dafür zu beten, zeigt, dass Gott uns vergeben will. Gott ist bereit, uns zu vergeben, wenn wir auf Jesus vertrauen, der alle unsere Sünden auf sich genommen hat und am Kreuz dafür gestorben ist. Dadurch hat Jesus selbst die Grundlage dafür geschaffen, dass wir Gott jederzeit darum bitten, uns unsere Schuld zu vergeben. Auch wenn wir Jesu Tod für uns grundsätzlich angenommen haben und im Glauben an Jesus leben, versündigen wir uns jeden Tag, so wie ein Kind, das barfuß herumläuft, jeden Tag schmutzige Füße bekommt. Wenn wir Gott jeden Tag unsere schmutzigen Füße hinstrecken, ist er bereit, uns jeden Tag neu zu reinigen. Dann können wir immer in einer gesunden Beziehung zu Gott leben. Das ist eine wirklich gute Nachricht für uns – die gute Nachricht!
Dabei nennt Jesus aber eine Voraussetzung. Er sagt: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ In den Versen 14 und 15 sagt Jesus weiter: „Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“ Hier hat Jesus Gottes Vergebung mit unserer Vergebung für andere verknüpft. Unsere Bitte an Gott um Vergebung setzt voraus, dass wir denen, die an uns schuldig geworden sind, auch vergeben. Wenn wir darüber nachdenken, ist diese Erwartung Gottes selbstverständlich. Wie kann ich Gott bitten, dass er mir alle meine Schuld vergibt, wenn ich nicht bereit bin, einem anderen seine viel kleinere Schuld mir gegenüber zu vergeben? So wie wir an anderen immer wieder schuldig werden, werden auch andere an uns schuldig; indem sie uns durch ihre Worte oder ihr Verhalten absichtlich oder unabsichtlich verletzen oder uns enttäuschen, usw. Aber diese Schuld ist, wenn wir darüber nachdenken, viel kleiner als unsere Schuld vor Gott. Weil Gott bereit ist, uns alle unsere Schuld zu vergeben, sollen wir auch denen, die an uns schuldig geworden sind, vergeben. Wenn wir das tun, in der Familie, in der Schule oder am Arbeitsplatz, können wir selbst Frieden haben und im Frieden mit anderen leben.
Was ist das dritte Bedürfnis, für das wir täglich beten sollen? Jesus sagt im Vers 13: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“ Warum sollen wir dafür beten? Wir geraten so leicht in Versuchung, gegen Gott zu sündigen: in unseren Gedanken im Herzen, mit unseren Augen, oder mit unserem Mund und unseren Händen. Wir werden leicht versucht, zu lügen, wenn es für uns unangenehme Konsequenzen hätte, wenn wir die Wahrheit sagen. Wir werden leicht versucht, an Gottes Liebe zu zweifeln, wenn wir Dinge erleben, die wir nicht verstehen. Wir können auch versucht werden, etwas anderes zu tun, was Gott nicht gefällt, wenn andere uns dazu ermutigen oder wenn wir selbst den Wunsch danach verspüren. Die Bibel sagt, dass wir meistens von unseren eigenen Begierden zur Sünde verführt werden. Niemand kann mit seiner eigenen Kraft die Versuchung überwinden. Es gibt den Bösen, den Teufel, der die Kinder Gottes aktiv und raffiniert zur Sünde verführt. Deshalb sollen wir jeden Tag ernsthaft zu Gott beten, dass Er uns nicht in Versuchung führt, sondern uns von dem Bösen erlöst.
Heute haben wir von Jesus gelernt, für welche Anliegen wir zu unserem Vater im Himmel beten sollen: dass er uns jeden Tag das tägliche Brot gibt, dass er uns unsere Schuld vergibt und dass er uns nicht in Versuchung führt, sondern von dem Bösen erlöst. Jesus ermutigt die Schüler und uns alle dazu, jeden Tag dafür zu beten. Wenn wir das jeden Tag tun, werden wir alle erleben, wie Gott uns versorgt, uns unsere Schuld immer wieder vergibt und uns vor dem Bösen bewahrt. Möge Gott den Schülern und uns allen helfen, jeden Tag dafür zu beten und Gottes Hilfe und Segen reichlich zu erfahren!