Predigt: Hosea 4,1 – 6,3

Download

Lasst uns danach trachten, denHerrn zu erkennen

„Lasst uns darauf achthaben und danach trachten, den Herrn zu erkennen; denn er wird hervorbrechen wie die schöne Morgenröte und wird zu uns kommen wie ein Regen, wie ein Spätregen, der das Land feuchtet.“

(6,3)

In den Kapiteln 1-3 haben wir gehört, dass die Untreue Israels gegenüber Gott so schlimm war, dass Hosea sie nicht nur mit Worten, sondern sie auch durch sein Leben darstellen sollte, indem er eine Prostituierte heiraten sollte. Wir haben auch gehört, dass Gottes Treue und Geduld sein Volk schließlich wieder zurückgewinnen würde (deshalb trugen die beiden Predigten auch den Titel „Eine dramatische Liebesgeschichte“, Teil 1 und Teil 2). Aber das „Happy End“, das Gott schließlich erreichen würde, lag noch weit in der Zukunft. Im heutigen Text hören wir viele Anklagen, Schuldbeschreibungen und Warnungen. Gott ermahnte sie so eindring­lich, weil sie durch ihr stures Beharren in der Sünde auf eine nationale Katastrophe zusteuerten, nämlich auf die Eroberung durch die Assyrer und ihre völlige Zerstreu­ung. Was war der Grund, wegen dem es sogar mit Gottes Volk weit kommen musste? Lasst uns das gut begreifen und auch, wie Gott es gelang, dass sein Volk sich schließlich wieder zu ihm wandte! Gott segne jeden durch sein Wort!

I. Du hast die Erkenntnis verworfen (4,1-19)

Wie beginnt die heutige Rede? Vers 1a sagt: Höret, ihr Israeliten, des HERRN Wort! Denn der HERR hat Ursache, zu schelten, die im Lande wohnen.“ Gott forderte sein Volk auf, ihm zuzuhören, denn er hatte Grund, sie zu schelten. Das Wort, das hier mit „schelten“ übersetzt ist, bedeutet auch „anklagen“. Gott hatte Grund zur Anklage und wollte die Fakten beim Namen nennen, damit sie ihre Lage einsehen würden. Welcher Vergehen hatten sie sich schuldig gemacht? Es heißt weiter: „denn es ist keine Treue, keine Liebe und keine Erkenntnis Gottes im Lande,  sondern Verfluchen, Lügen, Morden, Stehlen und Ehebrechen haben überhand genommen, und eine Blutschuld kommt nach der andern.“ Wie bei einer Anklage vor Gericht zählt Gott ihre Sünden auf. Obwohl sie Gottes Volk waren, gab es keine Treue und keine Liebe mehr bei ihnen. Am Sabbat gingen viele noch zum Gottesdienst, aber an den anderen sechs Tagen lebten sie, wie sie Lust hatten. Es gab keine echte Liebe und Treue gegenüber Gott. Vor allem gab es keine Erkenntnis Gottes mehr in ihrem Land. Auf dieses Problem werden wir gleich mehr eingehen. Als sie keine echte Liebesbeziehung zu ihm mehr hatten, begingen sie viele moralische Sünden. Verfluchen, Lügen, Morden, Stehlen und Ehebrechen hatten überhand genommen, und fortlaufend gab es Mord und Totschlag.

Welche Folgen würde das haben? Vers 3 sagt: „Darum wird das Land dürre stehen und alle seine Bewohner werden dahinwelken; auch die Tiere auf dem Felde und die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer werden weggerafft.“ Gott würde ihnen einen Teil seines Segens, zum Beispiel rechtzeitiger Regen, entziehen. Durch solche Naturkatastrophen sollten sie ihre Sünde erkennen und zu Gott umkehren. Aber sie waren auch für diese Sprache Gottes wie taub. Die Tatsache, dass Gott all diese Anklagen so detailliert gegen sie vorbringen musste, zeigt, dass die Israeliten offenbar ein ganz anderes Bild von sich selbst hatten und ganz anders von sich dachten. Sie lebten damals noch einmal in großem Wohlstand und waren außenpolitisch erfolgreich. Weil äußerlich alles gut lief, meinten sie, dass ihr Leben in Ordnung wäre. Sie hatten kein Problembewusstsein für ihr Sünde. Gott hielt ihnen ihre Sünde vor, damit sie sich selbst erkennen könnten.

Doch obwohl das ganze Volk in Sünde lebte, hielt Gott eine bestimmte Gruppe von Personen dafür für verantwortlich. Betrachten wir die Verse 4 und 5: „Doch soll man niemand schelten noch zurechtweisen, sondern allein dich, Priester, habe ich zu schelten. Darum sollst du bei Tage fallen, und der Prophet soll des Nachts neben dir fallen; auch deine Mutter will ich dahingeben.“ Gott klagte die Priester und Propheten an. Denn als geistliche Leiter waren sie für das geistliche Leben des Volks verantwortlich. Was war die Sünde, durch die das ganze Volk in eine untreue und lieblose Beziehung zu Gott verführt wurde? Vers 6 sagt: Mein Volk ist dahin, weil es ohne Erkenntnis ist. Denn du hast die Erkenntnis verworfen; darum will ich dich auch verwerfen, dass du nicht mehr mein Priester sein sollst. Du vergisst das Gesetz deines Gottes; darum will auch ich deine Kinder vergessen.“ Die Hauptproblem des Volks war, dass es ohne Erkenntnis war. Das war die Wurzel ihrer Sünde. Was ist damit gemeint? Erkenntnis ist etwas anderes als Wissen. Fast alle Israeliten wussten, dass Gott lebt, dass er der Schöpfer von Himmel und Erde ist und dass er ihre Vorfahren aus Ägypten errettet und ins Land geführt hatte. Aber solches Wissen allein nutzt den Menschen nichts. Erkenntnis bedeutet, Gott persönlich zu kennen, durch Erfahrungen, die man mit ihm in seinem Leben gemacht hat und immer wieder neu macht. Wie kann man Gott erkennen? Vers 6 sagt: „Du vergisst das Gesetz deines Gottes“. Erkenntnis Gottes fängt mit dem Wort Gottes an. Persönliche Erkenntnis Gottes ist möglich, wenn man Gottes Worte hört und sie beherzigt; denn dann macht man Erfahrungen mit Gott, dass er lebt und wie er treu zu seinem Wort steht. Die Erkenntnis fängt also mit dem Wort Gottes an. Aber selbst die Priester hatten die Erkenntnis verworfen. Sie hatten Gottes Wort vergessen. Sie hatten aufgehört, das Wort Gottes zu lesen, um selbst danach zu leben und Gott in ihrem Leben zu erfahren. Wenn sie das getan hätten, hätten sie viele gute Erfahrungen mit Gott gemacht, und sein Wort erfüllt und ihre Gebete erhört. Dann hätten sie vom Herzen erkannt, dass Gott wirklich lebt, dass er der Geber des Lebens und aller Gaben ist, dass er sie liebte und sie vor ihren Feinden schützen und mit allem Nötigen versorgen wollte. Dann hätten sie auch das Volk die Erkenntnis Gottes lehren und sie ermutigen können, selbst nach seinem Wort zu leben und ihn zu erfahren. Aber weil sie selbst die Erkenntnis verwarfen, konnten sie auch das Volk nicht dazu führen, sondern verführten sie zu ihrer eigenen gottlosen Lebensweise. Gott klagt im Vers 7 darüber, dass es mit dem Volk immer schlimmer wurde, je mehr sie wurden. Aber das kümmerte die Priester nicht. Sie interessierten sich nur für sich selbst und ihre kurzfristigen Vorteile. Sie waren nicht mehr bekümmert, wenn Menschen sündigten, sondern freuten sich sogar darüber, wenn wieder jemand mit einem Opfertier zu ihnen kam, weil sie wieder Fleisch zum Abendessen haben würden. Darum heißt es in Vers 8, dass sie begierig nach der Schuld des Volkes waren, weil sie nur an ihr eigenes Wohlleben dachten. Aber auch wenn sie all das für harmlos hielten, würde ihre gottlose Lebensweise schlimme Folgen haben. Die Verse 9 und 10 sagen: „Darum soll es dem Priester gehen wie dem Volk; denn ich will sein Tun heimsuchen und ihm vergelten, wie er’s verdient: Sie werden essen und nicht satt werden, Hurerei treiben und sich nicht mehren, weil sie den Herrn verlassen haben und ihn nicht achten.“ Es muss ihnen bequem und attraktiv vorgekommen sein, nicht mehr nach Gott zu suchen, sondern nach Lust und Laune zu essen und Hurerei zu treiben. Aber obwohl sie hemmungslos nach ihrer Lust leben würden, würden sie nie zufrieden werden. Denn Gott würde sie heimsuchen, weil sie ihn verlassen und verachtet hatten.

Wie lebte das Volk, als sie ohne Erkenntnis Gottes waren? Betrachten wir Vers 11: „Hurerei, Wein und Trunk machen toll.“ Als sie Gott verworfen hatten, fühlten sie sich im Herzen leer. Sie versuchten diese Leere zu füllen, indem sie ungehemmt nach ihrer körperlicher Lust lebten. Diese Lebensweise machte sie „toll“, in der Elberfelder Übersetzung heißt es: „… nehmen den Verstand wegnehmen“. Durch das häufige sich Betrinken und Hurerei lebten sie wie in einem Rauschzustand und konnten nicht mehr wirklich vernünftig denken. Aber selbst diese Lebensweise machte sie nicht zufrieden. Was taten sie weiter, um das Vakuum in ihrem Herzen zu füllen? Lesen wir die Verse 12-13: „Mein Volk befragt sein Holz, und sein Stab soll ihm antworten; denn der Geist der Hurerei verführt sie, dass sie mit ihrer Hurerei ihrem Gott weglaufen. Oben auf den Bergen opfern sie, und auf den Hügeln räuchern sie unter den Eichen, Linden und Buchen; denn ihr Schatten erquickt. Darum werden eure Töchter auch zu Huren und eure Bräute zu Ehebrecherinnen.“ Da auch Alkohol und Hurerei ihr Verlangen nach Leben und Sinn nicht stillen konnten, verehrten sie Götzen, die aus Holz geschnitzt worden hatte. So befragten sie Holz, um zu erfahren, was in der Zukunft passieren würde, wenn sie nicht wussten, was sie am besten tun sollten. Sie räucherten auf den Bergen und Hügeln, wobei sie Orte unter Bäumen wählten, damit es ihnen dabei nicht zu heiß wurde. Als sie die Erkenntnis Gottes verworfen hatten, hatten sie einen Geist der Hurerei, durch den sie sich immer tiefer im Götzendienst verstrickten.

Wie würde Gott darauf reagieren? Vers 14 sagt: „Ich will’s auch nicht wehren, wenn eure Töchter zu Huren und eure Bräute zu Ehebrecherinnen werden, weil ihr selbst abseits geht mit den Huren und mit den Tempeldirnen opfert und so das törichte Volk zu Fall kommt.“ Gott würde sie ihren Weg gehen lassen und nicht mehr verhindern, dass sie die Früchte ihrer Sünde würden essen müssen. Da die Priester selbst Hurerei trieben, würde Gott nicht verhindern, dass ihre Töchter zu Huren und ihre Bräute Ehebrecherinnen würden.

Wie warnte Gott in dieser Zeit Juda? Vers 15 sagt: „Willst du, Israel, schon huren, so soll Juda sich nicht auch verschulden! Geht nicht hin nach Gilgal und kommt nicht hinauf nach Bet-Awen und schwört nicht: So wahr der HERR lebt!“ Gott wusste, dass Israel trotz seiner Warnungen sich nicht davon abhalten lassen würde, den Weg der Sünde weiterzugehen. Juda drohte zwar das gleiche Schicksal wie Israel, aber zu dieser Zeit hatte Gott noch Hoffnung für sie. Darum warnte Gott Juda, sich nicht in dieselbe Sünde zu verstricken. Dafür warnte Gott sie nicht nur allgemein vor Götzendienst, sondern konkret davor, zu den Hochburgen des Götzenkults zu gehen. Sie sollten nicht nach Gilgal und nach Bet-Awen („Haus des Bösen“) gehen, weil sie allein schon beim Zuschauen der Götzenorgien dazu verleitet werden könnten, mitzumachen.

In welchen Zustand war Israel durch seinen Götzendienst geraten? Vers 16 sagt: „Denn Israel läuft dahin wie eine tolle Kuh; soll da der Herr sie weiden lassen wie ein Lamm auf freiem Feld?“ Israel war durch den Götzendienst, Sauferei und Hurerei wie eine widerspenstige junge Kuh geworden, die wie verrückt auf der Weide herumspringt. Wie sollte Gott sie da wie ein braves Lamm uneingeschränkt weiden lassen? Gott musste die schmerzliche Feststellung machen, dass sie sich dem Götzendienst verschrieben hatten, dass sie sich der Schwelgerei und der Hurerei ergeben hatten und Lust an der Schande hatten. Gott redete zu ihnen durch Hosea, damit sie sich selbst und ihre Sünde erkennen und doch noch umkehren könnten. Aber Gott wusste, dass sie auch auf ihn nicht hören würden, weil sie nicht bereit waren, mit ihrer Sünde aufzuhören. Deshalb sagt Vers 19: „Der Wind mit seinen Flügeln wird sie fassen, und über ihrem Opfer sollen sie zuschanden werden.“ Sie würden die bitteren Folgen ihrer Sünde ertragen müssen.

Es klingt erstaunlich, dass einst vernünftige Menschen Götzen verehrten, die aus Holz geschnitzt waren. Vielleicht denken manche: „Wie kann man so blöd sein? So etwas würde mir nie passieren!“ Aber sind wir heute wirklich besser? Wenn wir die Menschen unserer Zeit nüchtern betrachten, können wir feststellen, dass wir die gleiche Neigung haben, bestimmten Dingen, Tätigkeiten oder Menschen in unserer Wertschätzung zu erhöhen und ihnen einen Stellenwert zu geben, der ihnen nicht zusteht, sie zu lieben und unsere Zeit, Kraft und Geld für sie hinzugeben, wie es eigentlich Gott zusteht, und darin unser Glück zu suchen, das uns eigentlich nur Gott geben kann. Die Dinge, die viele heute begehren und bei denen sie gewisse Freude und Sicherheit suchen, sind meistens nicht aus Holz, eher aus Metall und Kunststoff oder Papier, außerdem die Anerkennung und Selbstbestätigung durch den Erfolg in Beruf oder Hobbys oder/und die Liebe eines Menschen. Wenn wir ehrlich sind, können wir diese Neigung auch in unserem Herzen finden. Wie können wir verhindern, danach zu leben und dem Beispiel der Priester damals zu folgen?

Dabei geht es nicht nur um uns. Wir wissen ja, dass wir als Christen die königliche Priesterschaft sind und Verantwortung für das geistliche Leben der Menschen unserer Zeit tragen, ganz besonders durch die Berufung als Missionare und Hirten. Was sollen wir tun? Betrachten wir nochmals den Text. Gott tadelte nicht als erstes ihren Götzendienst. Gott sah die Ursache des Problems darin, dass ihnen die Erkenntnis Gottes fehlte. Götzendienst und alle anderen Arten von Sünden ent­stehen da, wo es an Erkenntnis Gottes fehlt. Es reicht nicht aus, wenn wir nur viel über Gott wissen. Wir sollen Gott erkennen, das heißt ihn persönlich erleben. Dazu haben wir hervorragende Möglichkeiten, viel bessere als die Priester damals, weil wir jeder eine eigene Bibel besitzen, und zwar eine vollständige Bibel mit Altem und Neuem Testament. Vor allem haben wir Jesus Christus, der Gott, sein Wesen und seinen Willen für uns in großartiger Weise offenbart hat. In Joh 17,3 sagt Jesus: „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, udn den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“ Wir sollen Gottes Wort studieren, bis wir seine Bedeutung für uns selbst erkennen und es auf unser Leben anwenden, sodass wir in unserem Alltag Erfahrungen mit Gott machen. Wir sollen Jesus persönlich nachfolgen, sodass wir ihn täglich immer mehr erleben. Das erfordert eine regelmäßige intensive Beschäftigung mit dem Wort. Aber nicht nur das Maß, mit dem wir uns mit Gottes Wort auseinandersetzen, spielt eine Rolle, sondern auch unsere Haltung dabei. Sprüche 1,7 sagt: „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis. Die Toren verachten Weisheit und Zucht.“ Gott zu fürchten, tiefen Respekt ihm gegenüber zu haben, ist die Grundvoraussetzung dafür, dass man Gott erkennen kann. Diejenigen, die es verachten, Gott zu erken­nen und ihr Leben mit ihm zu führen, sind Toren, die unverantwortlich mit der Realität umgehen und dabei ihr Leben sinnlos ruinieren. Wenn wir dagegen danach trachten, Gott zu erleben und immer mehr Erkenntnis Gottes erlangen, schenkt sie uns Einsicht, was in unserem Leben wirklich wichtig ist, gibt uns Frieden durch die Zuversicht auf seine Liebe und himmlische Hoffnung auf sein Reich. Die Erkenntnis Gottes macht uns vernünftig, weil wir vor Gott auch uns selbst erkennen und mit einer angemessenen Haltung vor ihm leben können – im Vertrauen auf Jesus Christus und in seiner Nachfolge. Apostel Paulus ist ein gutes Beispiel für einen Menschen, der wirklich danach trachtete, Jesus Christus zu erkennen. Er richtete sein ganzes Lben darauf aus, ihm nachzufolgen und ihn in seinem praktischen Leben zu erfahren. In Philipper 3,10.11 schrieb er: „Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleichgestaltet werden, damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten.“ Wenn wir Gott erkennen, ihn im Alltag erleben, können wir auch auf die Menschen in unserer Umgebung einen guten Einfluss ausüben und in ihnen den geistlichen Wunsch wecken, selbst auch Gott zu erkennen, und ihnen dabei helfen. Möge Gott uns helfen, von Herzen danach zu trachten, Gott in unserem Leben zu erfahren und ihn so immer mehr zu erkennen! Möge Gott uns dazu helfen, sein Wort zu lieben, zu hören und danach zu leben! Möge Gott uns dadurch vor allem Götzendienst und ähnlicher Ersatzbefriedigung schützen und unser Leben segnen und uns zu einem Segen für die anderen Menschen machen!

II.Wider Israel zeugt seine Hoffart (5,1-15)

In Kap. 5,1-6 wendet Gott sich nochmals besonders an die Leiter Israels. Die Verse 1 und 2 sagen: So hört nun dies, ihr Priester, und merke auf, du Haus Israel, und nimm zu Ohren, du Haus des Königs! Denn euch ist das Recht anvertraut! Ihr aber seid eine Schlinge für Mizpa geworden und ein ausgespanntes Netz auf dem Tabor und eine tiefe Grube zu Schittim; darum muss ich sie allesamt strafen.“ Die Priester und Mitglieder des Königshauses hatten als Leiter des Volks die Aufgabe, das Volk zu lehren und Recht zu sprechen. Es war ein Privileg und eine hohe Verantwortung, das Volk Gott und seinen Willen zu lehren. Aber weil sie sich selbst von Gott abgewandt hatten, waren sie für das Volk wie eine Schlinge oder eine tiefe Grube, in der sie sich leicht verfangen konnten. Denn anstatt das Volk Gottes Wege zu lehren, verführten sie sie zu Unmoral und Götzendienst. Vielleicht meinten sie, dass Gott all das nicht so genau mitbekommen würde, zumal sie immer noch manche religiösen Aktivitäten nach seinem Gesetz praktizierten. Aber Gott kannte den geistlichen Zustand des Volks genau. In Vers 3 sagt er: „Ich kenne Ephraim gut, und Israel ist vor mir nicht verborgen; Ephraim ist nun eine Hure und Israel unrein.“

Sie waren eigentlich Gottes Braut gewesen; aber da sie sich nicht einmal mehr bemühten, Gott treu zu lieben, sondern sich beliebig auf verschiedene Götzen einließen, waren sie unrein und wie eine Hure geworden.

Aus welchem Grund kehrte das Volk trotz aller Mahnungen Gottes nicht zu ihm um? Betrachten wir Vers 4. Gott spricht: „Ihre bösen Taten lassen es nicht zu, dass sie umkehren zu ihrem Gott; denn sie haben einen Geist der Hurerei in ihrem Herzen, und den Herrn kennen sie nicht.“

Ihre sündige Lebensweise hinderte sie daran, zu Gott umzukehren. Ihr Leben mit Saufen und Hurerei und Götzendienst waren eine Gewohnheit geworden, mit der sie nicht mehr einfach aufhören konnten, sondern darin gefangen wurden. Denn als sie Gott verwarfen und unabhängig von ihm leben wollten, wie sie wollten, kam ein Geist der Hurerei in ihre Herzen, der ihr Gewissen und ihren angeborenen Wunsch, Gott zu erkennen und nach seiner Wahrheit zu leben, und ihr Ehrgefühl betäubte und sie anstachelte, nach ihrer Lust und Laune zu leben und immer ihr momentanes Vergnügen zu suchen. Der Geist der Hurerei bewirkte, dass sie kein schlechtes Gewissen mehr hatten, wenn sie Gott und seine Taten ignorierten, sodass sie hemmungslos alle möglichen Religionen und Lebensweisen ausprobierten.

Wie war es möglich, dass sie sich dazu verleiten ließen, Gott so krass zu ignorieren und ihn durch Götzen zu ersetzen? Betrachten wir Vers 5. Lesen wir diesen Vers gemeinsam: „Wider Israel zeugt seine Hoffart; darum sollen Israel und Ephraim fallen um ihrer Schuld willen; auch Juda soll mit ihnen fallen.“ Dieses Wort benennt das Problem tief im Herzen der Israeliten. Das Wort „Hoffart“ stammt von Howart und meinte das hohe Leben, das etwa Könige oder Fürsten früher führten, wobei das Wort bald eine negative Bedeutung kam. Die Elberfelder Übersetzung übersetzt hier mit „Hochmut“; das Wort im Urtext kann auch mit Arroganz, Majestät, Pomp oder Stolz übersetzt werden. Dass die Israeliten nochmals in einer Phase wirtschaftlicher Blüte und politischer Stabilität lebten, war Gottes Segen für sie. Aber sie waren stolz und meinten, alles selber zu können, und hielten es nicht mehr für wichtig, Gott zu erkennen und nach seinem Willen zu leben. Sie genossen den Wohlstand und ihre politische Stärke, wussten aber nicht, dass das alles nicht ihr Verdienst war, sondern Gottes Segen und völlig von ihm abhing. Sie meinten, alles sei in Ordnung, selbst wenn sie nebenher auch Götzen dienen. Sie hörten Gottes Tadel durch den Propheten, konnten aber gar nichts damit anfangen. Sie konnten die Schwierigkeiten und Bedrängnisse, die Gott bei ihnen zuließ, überhaupt nicht in Zusammenhang mit ihrer Sünde bringen. Hoffart bedeutet, dass ein Mensch seine eigene Realität und die Realität Gottes nicht erkennt und in einer Art Einbil­dung lebt, dass er ohne Gott bestehen könnte. Hoffart ist ein grundloses, maßloses Selbstver­trauen, verbunden mit dem Verlangen, sein Leben hier in der Welt ohne Gott zu genießen. Viele Sünden sind eine Art Schwäche oder Unfähigkeit, Gottes Willen zu erkennen und zu tun. Aber Hoffart ist eine Einstellung, die sich von ihrem Wesesns her direkt gegen Gott richtet. Hoffart ist eine schwerwiegende Sünde mit schlimmen Folgen. Betrachten wir nochmals Vers 5. Nach der Elberfelder Überset­zung lautet er: „Der Hochmut Israels zeugt ihm ins Angesicht, und Israel und Ephraim werden stürzen über ihre Schuld; auch Juda stürzt mit ihnen.“ Ihr Hochmut war wie ein Zeuge, der ihnen direkt ihre Schuld bezeugte. Über diese Schuld würde Israel stürzen, und auch Juda würde darüber stürzen, wenn auch zeitlich verzögert.

Heute leben die Menschen in Europa überwiegend in einem Wohlstand, wie es ihn in der Geschichte nie gegeben hat, und genießen politische Stabilität. Durch die Fortschritte in Wissenschaft und Technik hat man mehr Kenntnisse und Fähigkeiten als je zuvor, die durch unser Bildungssystem und das Internet für viele zugänglich sind. Aber in diesem Wohlstand birgt sich auch die Gefahr, hochmütig zu werden, maßlos auf sich selbst und andere Menschen zu vertrauen und zu meinen, Gott nicht zu brauchen, sein Leben ohne Gott sogar besser führen zu können. Das sind verkehrte Gedanken, jenseits aller Realität. Hochmut ist eine Sünde, in die die Menschen schon vor der Sintflut gefallen sind und auch danach, als sie den Turm von Babel zu bauen versuchten. Wir sollen für unseren Hochmut Buße tun, anstatt uns damit zu identifizieren. Denn Hochmut macht uns unfähig, Gott zu erkennen und zu ihm umzukehren. Vor allem ist Hochmut eine Sünde, die Menschen zugrunde gehen lässt. Darum warnen viele Stellen in der Bibel vor Hochmut. Die berühmteste ist Sprüche 16,18, wo es heißt: „Wer zugrunde gehen soll, der wird zuvor stolz; und Hochmut kommt vor dem Fall.“

Was würden die Israeliten in Ephraim und auch in Juda tun, wenn sie wegen ihres Hochmuts fallen würden? Vers 6 lautet: „Alsdann werden sie kommen mit ihren Schafen und Rindern, den Herrn zu suchen, aber ihn nicht finden; denn er hat sich von ihnen gewandt.“ Sie würden Gott suchen, ihn aber nicht finden, weil er sich nach all ihrer Ignoranz und Götzendienst von ihnen abgewandt hat. Vers 7 sagt erklärend: „Sie sind dem Herrn untreu und zeugen fremde Kinder; darum wird sie auch der Neumond fressen samt ihrem Erbteil.“

Sie würden durch ihren Götzendienst zugrundegehen.

Betrachten wir die Verse 8 und 9: Blast die Posaune zu Gibea, ja, trompetet zu Rama, ja, ruft laut zu Bet-Awen: Man ist hinter dir her, Benjamin! Denn Ephraim soll zur Wüste werden zur Zeit, wenn ich sie strafen werde. Davor habe ich die Stämme Israels treulich gewarnt.“ In diesem Abschnitt wird durch Hosea der Krieg zwischen Ephraim (Nordisrael) und Juda, zu dem auch der Stamm Benjamin gehörte, angekündigt. Warum zogen sich Ephraim und Juda Gottes Zorn zu, sodass sie dieses Leid erleben mussten? Die Verse 10-12 sagen: „Die Oberen von Juda sind denen gleich, die die Grenze verrücken; darum will ich meinen Zorn über sie ausschütten wie Wasser. Ephraim leidet Gewalt, zertreten ist das Recht; denn es gefiel ihm, dem Nichtigen nachzulaufen. Ich bin für Ephraim wie eine Motte und für das Haus Juda wie eine Made.“Die Oberen von Juda waren auch bereits verdorben und wagten, sich Dinge zu nehmen, die ihnen nicht zustanden. Dies kann sowohl Machtmissbrauch und Betrug gegenüber anderen Menschen als auch Hochmut gegenüber Gott bedeuten. In Ephraim gab es kein Recht mehr, weil sie auf Götzen vertrauten und vergänglichen Dingen der Welt nachliefen, anstatt Gott zu suchen und ihm zu dienen. Juda und Ephraim nahmen beide Gott nicht ernst, sondern betrachteten ihn wie eine kleine Made oder Motte.

Was tat Ephraim, als sie durch den Krieg gegen die Syrer in Not gerieten? Vers 13a sagt: Als aber Ephraim seine Krankheit und Juda seine Wunde fühlte, zog Ephraim hin nach Assur und schickte zum König Jareb.“ Sie würden sich auch in der politischen Not nicht an Gott wenden, sondern wieder bei Menschen Hilfe suchen. Sie würden sich an die Großmacht Assyrien und an deren König Jareb wenden, damit er ihnen gegen die Syrer hilft. Aber welches Resultat sagte Gott ihnen voraus? Die Verse 13b und 14 sagen: „Aber der wird euch nicht helfen noch eure Wunde heilen. Denn ich bin für Ephraim wie ein Löwe und für das Haus Juda wie ein junger Löwe. Ich, ich zerreiße sie und gehe davon; ich schleppe sie weg und niemand kann sie retten.“ Jareb und auch kein anderer Mensch würde ihnen helfen können, denn die Not, in die sie gerieten, kam von Gott. Tatsächlich war der König von Assyrien der letzte, der ihnen helfen würde. Vielmehr wurde er derjenige, der Nordisrael im Jahr 722 v.Chr. eroberte und zerstörte und große Teile des Volks verschleppte. Dies war Gottes letzte, ultimative Maßnahme, nachdem sie alle seine Worte stur missachteten und all seine Zeichen übersahen.

Was tat Gott nun? Er sagt in Vers 15: „Ich will wieder an meinen Ort gehen, bis sie ihre Schuld erkennen und mein Angesicht suchen; wenn’s ihnen übel ergeht, so werden sie mich suchen.“ Gott wartete. Denn Gott erwartete, dass sie doch eines Tages Buße tun würden. Gott sah, wie tief das Volk in die Sünde gefal­len und in alle möglichen Arten von Götzendienst und andere Sünden verstrickt war. Eigentlich konnte man für sie keine Hoffnung mehr hegen. Aber Gott hoffte, dass sie doch eines Tages Buße tun würden. Und mit dieser Hoffnung wartete Gott auf die Zeit, in der sie zu ihm umkehren würden. Gottes Schelten, Warnen und Tadeln durch Hosea waren Ausdruck dieser Hoffnung.

III. Kommt, wir wollen wieder zum Herrn (6,1-3)

Gottes Hoffnung ist keine Illusion und nicht vergeblich. Was würden sie tatsächlich eines Tages zueinander sagen? Betrachten wir Kap. 6,1-2: „Kommt, wir wollen wieder zum Herrn; denn er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen, er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden. Er macht uns lebendig nach zwei Tagen, er wird uns am dritten Tage aufrichten, dass wir vor ihm leben werden.“ Sie würden sich eines Tages wieder auf Gott besinnen und entschließen, zu ihm zu kommen. Sie würden einsehen, dass er es war, der sie geschlagen hatte, und wieder Vertrauen fassen, dass er sie auch verbinden und heilen würde. Sie würden sich wirklich aufmachen und zu Gott kommen.

Diese Verse drücken Gottes Wunsch und seine Erwartung aus, die sich nicht auf die Zeit Hoseas, sondern auf die Zukunft bezog. Momentan waren sie noch hochmütig und weigerten sich stur, zu Gott umzukehren. Aber Gott wartete mit dieser Erwartung, dass sie eines Tages zur Vernunft kommen und sich wieder zu ihm kehren würden. Die Umkehr, die die ersten drei Verse von Kap. 6 beschreiben, drücken genau diese Hoffnung und Erwartung Gottes aus. Dabei kann nicht eindeutig gesagt werden, in welcher Zeit sich diese Verheißung erfüllt hat. Der große Kontrast zwischen der unbelehrbaren, rebellischen Einstellung der Israeliten in Kap. 4 und 5, und der hier beschriebenen Umkehr weist darauf hin, dass dazwischen wohl ein größerer Zeitraum lag. Manche vermuten, dass sich die beschriebene Umkehr nach der babylonischen Gefangenschaft erfüllte, die mehr als 200 Jahre später stattfand. Dabei wurden tatsächlich diejenigen, die nach Israel zurückkehrten, geistlich wieder lebendig, sie erlebten eine geistliche Erweckung und Erneuerung. Wir können die Worte in Vers 2 „er wird uns am dritten Tage aufrichten, dass wir vor ihm leben werden“ auch als Hinweis auf Jesus Christus verstehen, den Gott am dritten Tag von den Toten aufgerichtet hat, sodass die Israeliten und alle, die an Jesus glauben, vor Gott für immer leben können.

Lesen wir noch einmal Vers 3: „Lasst und darauf achthaben und danach trachten, den Herrn zu erkennen; denn er wird hervorbrechen, wie die schöne Morgenröte und wird zu uns kommen wie ein Regen, wie ein Spätregen, der das Land feuchtet.“ Diese Worte beschreiben ihre Buße und ihre Hinwendung zu Gott. Sie hatten Gott verworfen und sich von ihm abgewandt und anderswo ihr Glück gesucht und waren leider viel zu lange in dieser verkehrten Gesinnung geblieben. Aber trotzdem war ihre Lage nicht hoffnunglos. Alles änderte sich, als sie ihren Willen änderten und sich entschieden, zu Gott zu kommen. Sie entschieden sich, darauf achtzuhaben und danach zu trachten, Gott zu erkennen. Das hebrä­ische Worte für „trachten“ heißt radaf und bedeutet: mit Einsatz nach etwas jagen oder folgen. Diese Entscheidung im Herzen ist unsichtbar, aber hat großartige Auswirkungen. Sie führt zur Hinkehr zu Gott und ist der Anfang der Erkenntnis. Sie ermöglicht, Gott sehen, der wie die schöne Morgenröte nach einer langen Nacht ist. Die Begegnung mit Gott ist wie ein warmer Sommerregen, der das vertrocknete Land befeuchtet. Gott helfe uns, auch so eine Entscheidung zu treffen und danach zu trachten, Gott zu erkennen, und dazu darauf zu achten, was Gott sagt. Gott helfe uns, von unserem unrealistischen Bild von Gott und von uns selbst frei zu werden und für allen Hochmut ihm gegenüber Buße zu tun. Möge Gott sein helles, warmes Licht in unsere Herzen leuchten lassen und unsere trockene Seele befeuchten und lebendig machen!

Keine Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− one = three