Predigt: Psalm 103 — Jahreswechsel 2024/25

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Barmherzig und gnädig

„Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.“

(Psalm 103,8)

Die Zeit vergeht wie im Flug und wir feiern heute schon wieder den letzten Gottesdienst in diesem Jahr. Für den heutigen Gottesdienst hat R. mit Psalm 103 einen wirklich wunderbaren Text ausgesucht. Während Psalm 23 vermutlich der dickste Diamant unter den Kronjuwelen ist, würde ich behaupten, dass Psalm 103 definitiv auch zu den beliebteren Psalmen gehört, zusammen mit Psalmen 1, 51, 119, 121 usw. Vielleicht gibt es auch einige von euch, die den Psalm auswendig aufsagen können? Der Theologe D.A. Carson ist ja in einer christlichen Familie aufgewachsen. Er hatte erzählt, dass er sich als Kind seine erste Bibel „verdienen“ musste, d. h. er musste Psalm 103 auswendig aufsagen. Der Psalm ist wirklich unglaublich reichhaltig. Er ist ein „Festmahl“.
Genau das macht auch das Studium und das Predigen dieses Texts zu einer echten Herausforderung. Spurgeon, der zu allen 150 Psalmen einen gigantischen Kommentar geschrieben hatte, sagt in der Einleitung zu Ps 103: „Wir beginnen unseren Versuch, ihn zu erklären, unter dem Eindruck der völligen Unmöglichkeit, einer so erhabenen Komposition gerecht zu werden; wir rufen unsere Seele und alles, was in uns ist, dazu auf, uns bei dieser angenehmen Aufgabe zu helfen; aber leider ist unsere Seele endlich und unser ganzes geistiges Vermögen viel zu gering für dieses Unterfangen. Der Psalm enthält zu viel, als dass tausend Griffel es aufschreiben könnten; er ist eine jener allumfassenden Schriften, die eine Bibel für sich ist, und er allein könnte fast für das Gesangbuch der Kirche ausreichen.“ Und tatsächlich wurde dieser Psalm so viele Male vertont.
Für die heutige Predigt wollen wir drei Punkte mit großem Mut zur Lücke betrachten. Der Psalm zeigt uns zum einen, wer Gott ist; er zeigt uns als zweites, wer wir sind; und er zeigt, was daher die natürliche und logische Konsequenz des Ganzen ist.

1. Was offenbart der Psalm über Gott?
In Vers 8 heißt es: „Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.“ Gott wird hier als der barmherzige und gnädige Gott offenbart. Alle diese Wörter, die hier enthalten sind (barmherzig, gnädig, geduldig, große Güte), verdienen es, dass sie erläutert und erklärt werden. Wir wollen uns nur kurz über das erste Wort Gedanken machen. Gott ist ein barmherziger Gott.
Tim Keller hatte in seiner Predigt zu diesem Text auf eine Geschichte hingewiesen, die gut illustriert, was mit dieser Barmherzigkeit gemeint sein könnte. Diese Geschichte ist so bekannt, dass selbst diejenigen, die nicht in der Sonntagsschule waren, sie kennen dürften. Zu Beginn von Salomos Herrschaft treten zwei Frauen, die als Prostituierte ihren Lebensunterhalt verdient hatten, vor den König. Beide Frauen hatten ein neugeborenes Kind. Eines dieser Kinder wurde im Schlaf von seiner Mutter erdrückt. Es ist eines dieser tragischen Unfälle, das sich leider ereignet hatte. Vielleicht war die Mutter betrunken gewesen. Sie nahm der anderen Mutter das Kind weg und schob ihr das tote Kind zu. Beide stritten vor dem König um das lebende Kind.
Salomo trifft das salomonische Urteil: Man solle das lebende Kind mit dem Schwert zerteilen und beiden Müttern jeweils eine Hälfte geben. Wir lesen dann in 1. Könige 3,26: „Doch nun bat die Mutter des lebenden Kindes den König – es regte sich nämlich in ihr die mütterliche Liebe zu ihrem Kind: Bitte, Herr, gebt ihr das lebende Kind und tötet es nicht!“ Ihr war es lieber, dass eine katastrophale Mutter ihr Kind bekommt und dass sie als Lügnerin vor dem König dasteht, was drastische Strafen mit sich bringen konnte, als dass ihrem Baby ein Haar gekrümmt wird. So stark war die mütterliche Liebe in ihrem Herzen zu ihrem Kind. Das ist Barmherzigkeit.
Es ist eine sehr bildliche Illustration für die Barmherzigkeit Gottes zu uns. Gott sieht uns an. Und er ist mit tiefen Gefühlen der Liebe zu uns erfüllt. Unser Wohlergehen liegt auf dem Herzen Gottes.
Bevor wir fortfahren, noch ein wichtiger Hinweis zu Vers 8. Diejenigen unter euch, die ihre Bibeln wirklich tief kennen, mögen vielleicht erkannt haben, dass Vers 8 ein Zitat aus Exodus ist. Vers 8 wird auch durch Vers 7 eingeleitet: „Er hat seine Wege Mose wissen lassen, die Kinder Israel sein tun.“ Das zeigt uns den historischen Kontext. Als Israel am Berg Horeb war, hatte Mose die verwegene Bitte, dass Gott ihm seine Herrlichkeit zeigen möge. Gott antwortete auf Moses Gebet und zog mit seiner Herrlichkeit an ihm vorbei. Wir lesen in 2. Mose 34 Verse 5 und 6: „Der HERR aber stieg in der Wolke herab und stellte sich dort neben ihn hin. Er rief den Namen des HERRN aus. Der HERR ging vor seinem Angesicht vorüber und rief: Der HERR ist der HERR, ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue.“ Psalm 103 übernimmt das fast wortwörtlich. Aber Gottes Selbstoffenbarung in Exodus ging ja noch weiter: „aber er spricht nicht einfach frei, er sucht die Schuld der Väter bei den Söhnen und Enkeln heim, bis zur dritten und vierten Generation.“
Robert Alter, der Hebräisch-Experte, kommentiert an dieser Stelle: „Was aus der Exodus-Passage nicht übernommen wird, ist, dass Gott die Verbrechen der Väter mit den Söhnen und den Söhnen der Söhne abrechnet. Im Gegenteil, hier [in Psalm 103] liegt der Schwerpunkt ausschließlich auf dem göttlichen Erbarmen und der Vergebung.“ Wir könnten uns an dieser Stelle fragen, ob David beim Zitieren von Gottes Wort nicht zu selektiv war. Hat David sich hier einfach die Rosinen aus dem Kuchen rausgepickt? Natürlich nicht. Das, was David hier tut, ist, die Quintessenz zu finden. Er findet das, was Gott in seiner Essenz treffend beschreibt: Gott ist ein barmherziger und gnädiger Gott.
Wie äußern sich Gottes Barmherzigkeit und Gnade? In Vers 8 heißt es weiter: „geduldig und von großer Güte.“ Die Elberfelder Bibel ist hier näher am Urtext dran. Das Wort „geduldig“ wird hier übersetzt mit „langsam zum Zorn“. Gott wird zornig; aber er ist langsam zum Zorn. Der Zorn Gottes ist ein extrem unangenehmes Thema. Stellen wir uns vor, wir müssen nach Hause, aber wir wissen, dass zu Hause eine Person auf uns wartet, die auf uns zornig ist. Wir würden nach allen möglichen Ausreden suchen, nicht nach Hause gehen zu müssen. Natürlich ist Gottes Zorn viel schlimmer als jeder menschliche Zorn. Und gleichzeitig ist Gottes Zorn ganz anders.
Der jesuitische Priester Gregory Boyle erzählte die Geschichte von einem 12-jährigen Jungen namens Betito, der selbstbewusst ist und allen Menschen, denen er begegnet gute Laune macht. Eines Tages wird Betito bei einer Schießerei angeschossen. Die Kugel geht durch seinen Körper. Er kommt ins Krankenhaus und muss sofort operiert werden. Der Arzt, der ihn behandelt, teilt Boyle mit, dass die Kugel, die durch den Jungen ging, das größte Kaliber war, das er je gesehen hatte. Der Junge war sofort gelähmt, obwohl die Kugel nicht einmal seine Wirbelsäule getroffen hatte. Die Notoperation dauert 6 Stunden, während Boyle die Mahnwache abhält. Betito überlebt zunächst. Aber nur zwei Stunden später hat er Herzversagen und stirbt.
Boyle findet später heraus, dass er die Mörder des Jungen kannte. Er schreibt: „Wenn wir uns danach sehnen, in der Welt der zu sein, der Gott ist, dann muss unsere Barmherzigkeit irgendwie den Weg in die Weite finden. Das Mitgefühl möchte nicht auf den beiden im Wagen ruhen, die mit beängstigend großkalibrigen Waffen zielen. Das habe ich sicher nicht. Als sie gefasst wurden und ich merkte, dass ich sie kannte, war es unerträglich, sie nicht hassen zu können. Schafe ohne einen Hirten. […] Da es niemanden gab, der ihnen die Wahrheit offenbart hätte, hatten sie sich der Heilung entzogen […]. Aber sind sie weniger der Barmherzigkeit würdig als Betito? Ich gebe zu, dass der Schweregrad hier außerordentlich hoch ist. Kinder, die ich liebe, bringen Kinder um, die ich liebe.“
In diesem Satz finden wir vielleicht eine hilfreiche Erklärung für das, was den Zorn Gottes ausmacht. Gott sieht Kinder, die er liebt, die andere Kinder, die er liebt, umbringen; natürlich macht ihn das zornig. Gott sieht, wie Kinder, die er liebt, sich destruktiv verhalten, sich dabei selbst schaden und anderen. Gott sieht, wie seine geliebte Schöpfung, die er gut gemacht hatte, von geliebten Geschöpfen mit Füßen zertreten und zerstört wird. Wie könnte Gott ein Gott der Liebe sein, und nicht zornig dabei werden. Der Zorn Gottes steht immer im direkten Zusammenhang mit seiner Liebe.
Gott ist nicht nur langsam zum Zorn. In den Versen 9 und 10 heißt es: „Er wird nicht für immer hadern noch ewig zornig bleiben. Er handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Missetat.“ Derek Kidner schriebt hierzu: „Diese sehr menschlichen Begriffe verdeutlichen den Gegensatz zwischen Gottes Großzügigkeit und dem schwerfälligen Zorn des Menschen, der es liebt, seine Streitereien am Laufen zu halten und seinen Groll zu pflegen. Gott, dem unendlich viel Unrecht widerfährt, zügelt nicht nur den Zorn, sondern auch die Gerechtigkeit – allerdings um welchen Preis, das kann nur das Neue Testament offenbaren.“
Das bringt uns zum nächsten Aspekt, wie sich die Barmherzigkeit und Gnade Gottes äußert. Verse 11 und 12: „Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsere Übertretungen von uns sein.“ Der Psalmist sucht hier nach Superlativen: Was könnte höher sein als der Himmel, der über der Erde ist?; was könnte weiter voneinander entfernt sein als Sonnenaufgang (Osten) und Sonnenuntergang (Westen)? Das eine beschreibt die Größe seiner Gnade; das andere beschreibt, wie weit Gott unsere Sünden von uns weg tut. Und das alles zeigt, wie radikal Gott uns vergibt. Es gibt keine Sünde, die zu groß ist, als dass Gott sie nicht von uns wegtun könnte. Es gibt keinen Fehltritt, der zu groß ist, als dass wir bei Gott nicht von Neuem hätten anfangen können. Das ist die vergebende Liebe Gottes.
Und schließlich, in Vers 13 heißt es: „Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.“ Die Barmherzigkeit und die Gnade Gottes zeigen sich durch die Tatsache, dass Gott unser Vater ist. So unglaublich viel steckt in diesem einen Wort drin: Vater. Gott hat uns in seine göttliche Familie adoptiert. Gott ist derjenige, der sich um uns kümmert, der sich um unsere Nöte sorgt. Gott ist unser Erzieher, der uns diszipliniert und zurechtweist, aber immer in Liebe und immer in vollkommener Weisheit. Gott stellt uns seinen Reichtum zur Verfügung, den wir eines Tages mit Jesus miterben dürfen. Gott ist unser Zuhause.
Das war im absoluten Schnelldurchgang, was der Psalm über Gott offenbart mit Mut zur Lücke.

2. Was offenbart der Psalm über uns?
In den Versen 14-16 wird die Vergänglichkeit des Menschen beschrieben. Vers 14 sagt, dass wir Staub sind. Verse 15 und 16: „Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.“
Das deckt sich ziemlich gut, mit dem, was ich in einem Astronomiebuch gelesen hatte. Am Ende des Buches ging es um die philosophischen Folgerungen. Der Autor schrieb, dass wir Menschen uns gerne als 4-dimensionale Wesen sehen: Wir reisen durch Raum und Zeit. Aber strenggenommen, bewegen wir uns nicht nennenswert in die Höhe. Wir bewegen uns eher auf einer Ebene. Wenn man jetzt noch die immense Größe des Universums in Betracht zieht, dann muss man sagen, spielt die Größe unseres Planeten keine Rolle. Wir sind ein klitzekleiner Punkt. Und wenn man das Alter des Universums in Betracht zieht, dann muss man sagen, dass das Zeitliche auch keine nennenswerte Rolle spielt. Wir sind ziemlich eindimensional.
Fakt ist, dass das dem widerspricht, wie wir über uns denken. Wir fühlen uns eher wie der Bösewicht Loki aus dem Marvel-Universum, der sich folgendermaßen vorstellt: „Ich bin Loki von Asgard, und ich bin mit einer glorreichen Bestimmung betraut.“ Wir denken, dass wir besonders sind. Und häufig sind wir sehr von uns überzeugt. Wir glauben, dass wir große Träume haben sollten und dass wir wirklich etwas erreichen können.
Um noch eine Filmreferenz zu verwenden: In dem Liebesfilm Notting Hill spielt Julia Roberts eine Schauspielerin, die ein reicher Superstar namens Anna Scott darstellt. An einer Stelle im Film sagt sie: „Seit ich neunzehn bin, bin ich jeden Tag auf Diät, was im Grunde bedeutet, dass ich seit einem Jahrzehnt hungrig bin. Ich hatte eine Reihe von nicht netten Beziehungen, von denen mich einer geschlagen hat. Ah, und jedes Mal, wenn mir das Herz gebrochen wird, schreiben die Zeitungen darüber, als wäre es Unterhaltung. Und es hat zwei ziemlich schmerzhafte Operationen gebraucht, bis ich so aussah wie jetzt. Und eines Tages, in nicht allzu ferner Zukunft, wird mein Aussehen verschwinden, man wird feststellen, dass ich nicht schauspielern kann, und ich werde eine traurige Frau mittleren Alters sein, die ein bisschen aussieht wie jemand, der eine Zeit lang berühmt war.“ Was Anna Scott so eloquent ausdrückt, ist ja nur der Anfang vom Ende.
Die Wahrheit, die der Psalm über uns zeigt, ist, wie vergänglich wir sind: eine Handvoll Staub und Erde, heute hier, morgen vergangen. Und gleichzeitig sind wir Objekte von Gottes Liebe. Seine Barmherzigkeit und Gnade gilt uns, nicht obwohl, sondern weil wir Staub sind. Wir sind auf seine Barmherzigkeit angewiesen. Und Gott schenkt sie uns in vollem Reichtum.

3. Was ist die logische Konsequenz?
Drei Anwendungen zum Schluss. Zum einen, weil Gott barmherzig und gnädig ist, sind auch wir dazu berufen, ein Leben der Barmherzigkeit und Gnade zu führen. Vielleicht erinnern wir uns zurück an die Stelle in den Seligpreisungen in der Bergpredigt, in welcher Jesus sagt: „Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“ Diese ganze Welt würde so viel besser funktionieren, wenn Menschen barmherzig wären, weil diese Welt von einem Gott geschaffen wurde, der selbst barmherzig ist.
Das heißt, sei ein Mensch, der barmherzig und gnädig ist im Umgang mit anderen Menschen. Die Bergpredigt war voll von Beispielen dafür. Statt unsere Feinde zu hassen, sollen wir sie lieben; statt unseren Verfolgern zu fluchen, sollen wir für sie beten und sie segnen. Wenn dir jemand die Vorfahrt nimmt, schimpfe nicht, sondern bete für die Person. Wenn dir jemand etwas antut, was du als nervig empfindest, unterstelle erst einmal gute Motive, nicht die niederträchtigsten: Vielleicht hat die Person ja Gründe, die du nicht kennst oder vielleicht hat die Person etwas durchgemacht, wovon du keine Ahnung hast. Paulus schreibt, dass soweit es an uns liegt, wir mit allen Menschen Frieden haben sollen. Sei barmherzig mit anderen, weil es die Art und Weise ist, wie Gott mit diesen Menschen umgeht.
Und, sei auch barmherzig mit dir selbst. Ich sage jetzt nicht, dass wir uns mehr lieben sollen, als wir es ohnehin schon tun. Fakt ist, Gott ist barmherzig mit uns, aber wir sind es häufig nicht. Pastor Uwe Schäfer hatte von der Stimme des inneren Kritikers gesprochen. Viele von uns haben einen inneren Kritiker, der unablässig über uns schimpft und uns niedermacht. Wenn wir beim Einkaufen die kürzeste Schlange wählen, die aber dann am Längsten beim Abkassieren braucht, dann sagen wir: „Du bist ja mal wieder so ein Pechvogel.“ Wenn uns ein Missgeschick passiert, dann sagen wir uns vielleicht selbst: „Das hast du mal wieder prima gemacht, du Hornochse“ oder „du Vollidiot“. Wenn wir Fehltritte haben oder Niederlagen oder sündigen, dann sagt der Kritiker: „Wusste ich es doch, dass du eine echte Nulpe bist, du Versager.“ Das ist nicht die Stimme des Heiligen Geites in uns. Das ist die Stimme des Anklägers. Egal, was uns widerfährt und egal wie sehr wir im Lauf eines Tages versagt haben, Gott ist barmherzig mit uns. Und weil Gott barmherzig mit uns ist, dürfen wir es auch zu uns selbst sein. Weil Gott ein vergebender Gott ist, dürfen wir die Gewissheit haben, dass uns vergeben wurde.
Das bringt uns direkt zur zweiten Anwendung. Der Psalm beginnt mit den Worten „Lobe den HERRN, meine Seele.“ Dieser Satz wird zweimal wiederholt und kommt daher dreimal im Psalm vor. Die Seele ist unser ganzer innere Mensch mit allem Intellekt, mit allen Gefühlen. Und der Psalmist tut hier etwas sehr Interessantes. Er predigt sich selbst. Jeremia 17,9 sagt über das menschliche Innere: „Arglistig ohnegleichen ist das Herz und unverbesserlich. / Wer kann es ergründen?“ Wir können das bestätigen. Wir denken zwar, dass wir vernünftig sind. Aber so oft verhalten wir uns nicht rational. So oft überreagiert unser Herz. So oft hat unser Herz Emotionen und Gefühle, die absolut unbegründet sind. Was wir mit diesem arglistigen und unverbesserlichen Herzen tun können, ist, ihm zu predigen. Wir können unserer Seele immer wieder Gottes Wahrheiten einpflanzen: „Gott liebt mich. Gott ist mein Vater, und ich bin sein Kind. Gott hat alle meine Missetaten vergeben. Gott steht an meiner Seite und wird mich nicht verlassen.“
Die Letzte und die wichtigste Anwendung zum Schluss: Lobe den Herrn! Viele von uns hatten eine wunderbare Woche: Es war Weihnachten, es gab viel gutes Essen, es gab Zeit mit geliebten Menschen, man konnte ausruhen und entspannen; für einige von uns war es eine schlimme Woche mit Streitereien, mit Sorgen, mit Stress, man hatte das Gefühl, nie wirklich zur Ruhe kommen zu können; für einige von euch war die Woche irgendwo in der Mitte. Und alles das ist zweitrangig und drittrangig. Wir alle sind dazu berufen, Gott zu loben und zu preisen, in guten wie in schlechten Zeiten. Gott ist würdig gelobt und gepriesen zu werden wegen all dem, was Psalm 103 sagt. Wir haben keine Ausreden, Gott nicht zu preisen. Wir dürfen einstimmen, in den Refrain.
„Lobet den HERRN, ihr seine Engel, / ihr starken Helden, die ihr sein Wort ausführt, dass man höre auf die Stimme seines Wortes!
Lobet des HERRN, alle seine Heerscharen, seine Diener, die ihr seinen Willen tut!
Lobet den HERRN, alle seine Werke, / an allen Orten seiner Herrschaft!
Lobe den HERRN, meine Seele!“