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Weihnachten und Niedrigkeit
„sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.“
(Philipper 2,7)
Heute ist der vierte Advent, und wir wollen die letzte Predigt aus unserer Reihe zur „Weihnachtsgeschichte nach Paulus“ hören. Vor zwei Wochen haben wir betrachtet, dass Jesus für uns arm wurde, damit wir durch seine Armut wahrhaft reich werden. Letzte Woche haben wir gelernt, dass Gott uns seinen Sohn gesandt hat, um uns zu seinen Kindern und dadurch wahrhaft frei zu machen. Heute wollen wir einen der berühmtesten Abschnitte des Neuen Testaments betrachten, in dem die unfassbare Erniedrigung von Gottes Sohn bezeugt wird. Lasst uns heute die Erniedrigung Jesu begreifen, die an Weihnachten passiert ist, und sie zu Herzen nehmen, sodass unsere eigene Gesinnung und Lebensweise davon verändert wird!
Die Stadt Philippi liegt im Nordosten des heutigen Griechenland und war die erste Stadt in Europa, in der Paulus eine Gemeinde begründete (49-50 nach Christus). Diesen Brief schrieb Paulus an sie etwa 12 Jahre später vom Gefängnis in Rom aus. Darin finden wir keinen Tadel oder Behandlung ernster Probleme. Vielmehr dankte Paulus für ihre treue Gemeinschaft am Evangelium und ermutigt sie dazu, weiterhin in klarem Glauben an das Evangelium zu bleiben und nach dem himmlischen Ziel zu streben. Im Kapitel 2 lobt er die Gläubigen, dass sie sich untereinander in Christus ermahnten, dass sie einander mit wahrer Liebe trösteten, dass sie im Heiligen Geist lebten und dass sie in herzlicher Liebe und Barmherzigkeit miteinander umgingen. Sie führten ihr Glaubensleben also auf einem hohen Niveau, und wir könnten meinen, dass bei ihnen alles perfekt war.
Aber es gab einen Punkt, an dem sie noch Verbesserung brauchten. Im Vers 2 schrieb Paulus: „so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid.“ Sie sollten eines Sinnes sein, die gleiche Liebe haben, einmütig und einträchtig sein. Im Kapitel 4 erfahren wir, dass es unter einigen Mitarbeiterinnen Streit gab (4,2). Aber wie ist es möglich, dass in einer Gemeinde, in der Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund, Charakter und Ansichten alle eines Sinnes sind? Die Anforderung erscheint schwierig bis unmöglich. Aber eines Sinnes zu sein bedeutet nicht, dass die Gläubigen in einer Gemeinde alle gleich denken und handeln müssen. Einheit bedeutet nicht Gleichheit. Als Christen sollen wir in den wesentlichen Fragen des Glaubens übereinstimmen und in unserer Überzeugung davon, wie wir als Gemeinde leben und wonach wir streben wollen. In weniger wichtigen Fragen darf es unterschiedliche Meinungen geben. Aber die geistliche Einheit und Einmütigkeit ist Gott sehr wichtig. Paulus wusste, was die Haupthindernisse dafür sind. Daher ermahnt er die Gläubigen: „Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient“ (3.4). Das Streben danach, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen, und starkes Verlangen nach der Anerkennung und Bewunderung von anderen zerstören die Einheit und verhindern es, dass wir in der Gemeinde eines Sinnes und einmütig werden können. Deshalb ermahnt Paulus die Gläubigen dazu, nichts aus Eigennutz oder für die eigene Ehre bei Menschen zu tun. Vielmehr sollen wir einander in Demut höher achten als uns selbst und nicht vor allem unsere eigenen Wünsche erfüllen wollen, sondern darauf achten, was der andere braucht. Wenn alle in der Gemeinde wirklich so eine Einstellung haben, wird die ganze Gemeinde zu einer geistlichen Einheit, in der jeder wirklich in der Gnade Jesu angenommen und respektiert wird und in der alle einmütig und einträchtig sind. Wie schön ist es, wenn eine Gemeinde durch und durch so einmütig ist! So eine Gemeinde macht Gott große Freude, und sie hat eine große Anziehungskraft, durch die Menschen innerhalb und von außerhalb zu Jesus gezogen werden und bei ihm Heilung und Heil finden.
Paulus wusste, wie schwer es für uns Menschen ist, unsere Selbstsucht und den Wunsch nach Anerkennung zu überwinden und so eine demütige Einstellung anzunehmen. Er wusste, dass seine Ermahnung nicht ausreichte, um die Einstellung und das Verhalten der Gläubigen in Philippi und auch von uns heute grundlegend zu verändern. Deshalb lenkt er im folgenden Abschnitt ihren und unseren Blick auf Jesus Christus, der ein vollkommenes Beispiel für Demut und Erniedrigung gegeben hat. Er schreibt: „Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht“. Als Gläubige, die Gemeinschaft mit Jesus Christus haben, sollen wir dementsprechende gesinnt sein. Luther übersetzte diesen Vers ursprünglich einfach, aber treffend: „Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war.“ Als Christen sollen wir so gesinnt sein, wie Jesus Christus es war.
Wie war Jesus gesinnt? Betrachten wir die Verse 6.7: „Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.“ Jesus war in göttlicher Gestalt. Das bezieht sich nicht nur auf seine äußere Erscheinung oder Aussehen, sondern auf seine Daseinsform als Gott. Dass Jesus in göttlicher Gestalt war und Gott gleich war, bedeutet, dass Jesus von seinem Wesen und seinem Rang her wirklich Gott war und ist. Das Johannesevangelium bezeugt gleich in den ersten Versen, dass Jesus, der als das ewige Wort beschrieben wird, schon im Anfang bei Gott war und selbst Gott war, was die geheimnisvolle Einheit von Gott dem Vater und dem Sohn beschreibt. Das Wort „gehorsam“ im Vers 8 zeigt, dass er unter Gott dem Vater steht. Dass Jesus von seinem Wesen her Gott ist, hat sich nie geändert; er war schon immer von seinem Wesen her Gott, ist es jetzt und wird es auch immer sein. Jesus hatte im Himmel als Gott unvorstellbare Macht und Komfort und wurde von Millionen von Engeln gepriesen. Aber Jesus hat seine Stellung als Gott im Himmel und alle damit verbundenen Privilegien nicht festgehalten, wie ein Löwe seinen Raub festhält. Er entäußerte sich selbst, gab seine Daseinsform als Gott auf und nahm die Gestalt eines Menschen, eines Knechts an. Jesus besuchte uns nicht nur auf der Erde, sondern er wurde ein richtiger Mensch mit all seinen Begrenzungen und Niedrigkeit. Jesus wurde als ein schwaches Kind geboren, das völlig hilflos und abhängig von Menschen war und krabbeln, gehen, reden und das Leben auf der Erde lernen musste. Jesus wurde müde, wenn er lange gewandert war, er musste essen und trinken, um leben zu können. Jesus wurde Mensch, genau wie wir, nur ohne Sünde. Jesus hat sich keine privilegierte Stellung auf der Erde ausgewählt, sondern er wuchs in einer armen Familie auf und lebte ohne Titel, Position oder Besitz als ein Prediger des Evangeliums auf der Erde. Deshalb kann er uns in all unseren Schwierigkeiten und Nöten von Herzen gut verstehen und unsere Situation nachempfinden. Jesus kam uns nahe, um uns vorzuleben, wie ein Mensch eigentlich sein und leben sollte, und um uns Gott und seine Liebe zu uns zu bezeugen.
Aber Jesus Erniedrigung war damit nicht genug, sondern sie ging noch weiter. Der Vers 8 sagt: „Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.“ Jesus wusste, dass sein Vorbild allein uns nicht genug helfen würde, um uns von unserer Sünde zu lösen und um von unserer Schuld frei zu werden. Deshalb erniedrigte er sich weiter und gab selbst das auf, was jeder noch so verkehrte Mensch auf der Erde hat, nämlich sein eigenes Leben. Jesus erniedrigte sich selbst und entschied sich im Gebetskampf dazu, für uns am Kreuz zu sterben. Dadurch hat er seine vollkommene Liebe zu Gott dem Vater bezeugt und seine vollkommene Liebe zu uns gezeigt.
Wie sehr hat sich Gott der Vater über Jesu vollkommene Erniedrigung gefreut? Die Verse 9-11 sagen: „Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ Gott hat Jesus nicht nur von den Toten erweckt, sondern hat ihn auf den höchsten Rang im Universum erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist. Alle Menschen, die jemals gelebt haben, zurzeit leben oder noch leben werden, werden Jesus anerkennen, wenn er wiederkommt – die einen mit großer Dankbarkeit und Freude auf sein ewiges Reich, die anderen in tiefster Reue und Furcht. Jesus, der sich so erniedrigt hat, wurde der, an dem keiner vorbeikommt. In Jesu Namen findet jeder, der ihn anruft, Gnade, Vergebung und ein neues Leben in seiner Liebe.
Beten wir Jesus an und bewundern ihn, der sich so tief erniedrigt hat und Mensch wie wir wurde und für uns am Kreuz starb! Seine Erniedrigung, die er an Weihnachten und an Ostern gezeigt hat, sind anbetungswürdig. Schenken wir diesem Jesus neu unser Vertrauen, und nehmen wir seine Gnade und Erniedrigung von Herzen an! Gott helfe uns, an den Weihnachtstagen Jesu Gesinnung weiter zu bedenken und sie bis dahin anzunehmen, dass wir uns untereinander von Herzen lieben und höher achten können als uns selbst und eine geistliche Einheit werden, in der jeder angenommen und geliebt ist und wir alle zusammen einmütig und einträchtig sind. Beten wir, dass wir so eine Gemeinschaft werden.