An die Wohlstandsgemeinde
„Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest.“
Offenbarung 3:18
In den vergangenen Wochen waren die Medien voll mit Berichten über das Rekordhochwasser in Deutschland. Und jetzt, wo das Hochwasser vorbei ist, geht es langsam ans mühsame Aufräumen. Und eine ganz entscheidende Frage ist, wer für die Schäden aufkommen soll. Der Spiegel berichtete letzte Woche, dass beim Hochwasser von 2002 Bund und Länder ein Hilfspaket von 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellten. Bei dem diesjährigen Hochwasser wird es vermutlich Hilfen in Höhe von 8 Milliarden Euro geben. Es war die Rede davon, dass die deutsche Regierung sogar neue Kredite aufnehmen wollte, um beim Aufbau zu helfen.
Dass sich eine Regierung so stark in der Katastrophenhilfe engagiert, ist nichts Neues. So etwas gab es auch schon in der Antike. Letzte Woche haben wir die Gemeinde in Philadelphia betrachtet. Nachdem Philadelphia durch ein Erdbeben dem Erdboden gleich gemacht wurde, gab es Erdbebenhilfe aus Rom. Der Kaiser erlaubte der Stadt, fünf Jahre lang keine Steuern zu zahlen. Außerdem gab es ein großzügiges Hilfspaket in Millionenhöhe. Solche Hilfen waren natürlich damals schon sehr willkommen. Aber eine große Ausnahme bildete Laodizea.
Laodizea war eine Stadt, die um 60 nach Christus von einem Erdbeben heimgesucht wurde. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtete: „Im selben Jahr wurde Laodizea, eine berühmte unter den asiatischen Städten durch ein Erdbeben in Schutt und Asche gelegt; aber sie erholten sich durch ihre eigenen Ressourcen ohne jegliche Hilfe von uns.“ Als ihnen aus Rom Hilfe beim Wiederaufbau angeboten wurde, war ihre Antwort: „Nein, danke! Brauchen wir wirklich nicht! Wir kriegen das auch ohne euch hin!“ Die Laodizear lehnten Millionenhilfen ab, wie andere Menschen ein Kaugummi ablehnen. Noch erstaunlicher war die Tatsache, dass sie es tatsächlich alleine schafften. Die neuerbaute Stadt wurde noch schöner und noch prunkvoller. An etlichen dieser Neubauten befanden sich Inschriften, mit den Namen der Bürger, die dafür das Geld gestiftet hatten. Die Laodizear waren nicht nur stinkreich. Sie waren auch sehr stolz darauf.
Woher kam der Reichtum? Zum einen befand sich Laodizea in der Mitte von Handelsrouten, die durch Phrygien führten und profitierte von den reisenden Händlern. Laodizea war auch das Bankenzentrum in Kleinasien, die Wallstreet der damaligen Zeit, wenn man so will. Laodizea war auch bekannt für eine schwarze Wolle, die sehr begehrt war. Die Stadt war auch bekannt für ihr medizinische Schule. Manche kamen von weither, um in dieser Stadt Medizin zu studieren. Die Schule war vor allem bekannt für ihre Augenheilkunde und eine besondere Augensalbe.
In dieser Stadt gab es eine Gemeinde. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde die Gemeinde während Paulus’ Wirksamkeit in Ephesus gegründet. Wir wissen nicht, ob Paulus die Gemeinde jemals besuchte. Aber Laodizea wird im Kolosserbrief mehrfach erwähnt. (Die Stadt Kolossä war eine Nachbarstadt von Laodizea). In Kolosser 4,13 und 15 schreibt Paulus: „Denn ich gebe ihm (Epaphras) das Zeugnis, das er großen Eifer hat um euch und um die in Laodizea und in Hierapolis. … Grüßt die Brüder in Laodizea und den Nymphas und die Gemeinde in seinem Haus.“ Seit Paulus diese Worte geschrieben hatte, waren einige Jahrzehnte vergangen.
Wir haben in den letzten drei Wochen Jesu Worte an die Gemeinden in Kleinasien betrachtet. Von den insgesamt sieben Gemeinden gab es zwei Gemeinden, bei denen Jesus nichts zu tadeln hatte, und zwar Smyrna und Philadelphia. Aber es gab auch eine Gemeinde, bei welcher Jesus nichts zu loben hatte, und das war die Gemeinde in Laodizea. Die Worte, die Jesus gebraucht, sind ziemlich hart. Jesus sagt nicht: „naja, ich würde mir schon wünschen, dass ihr euch ein bisschen mehr Mühe gebt.“ Jesus sagte etwas viel Krasseres. Er sagte, dass er dabei ist, sie aus seinem Munde auszuspucken. Mit anderen Worten, Jesus wurde schlecht, wenn er an die dachte. Sie waren in seinen Augen widerwärtig und ekelerregend; wahrscheinlich nicht in jeder, aber in vielerlei Hinsicht. Das ist mit Sicherheit ein Wort, das niemand von Jesus hören möchte.
Drei Fragen wollen wir dann zum heutigen Text beantworten. Zum einen, warum Jesus diese Gemeinde verabscheute; als zweites, welchen Rat Jesus dieser Gemeinde gab; drittens, auf welcher Grundlage die Gemeinde Jesus gehorchen konnte.
Erstens, warum verabscheute Jesus diese Gemeinde?
Vers 14: „Und dem Engel der Gemeinde in Laodiza schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes.“ Wie wir bei den vorigen Gemeinden gesehen haben, stellte sich Jesus jeder Gemeinde etwas anders vor. Die Summe dieser Selbstbeschreibungen ergibt das vollständige Porträt aus Kapitel 1. Hier sagt Jesus, dass er „Amen“ heißt. „Amen“ ist das Wort, mit dem wir alle unsere Gebete abschließen. Es bedeutet so viel wie, „so sei es“, „so soll es geschehen“. Wenn wir am Ende des Vater Unser sagen: „denn Dein ist das Reich, und die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen“, dann drücken wir mit dem „Amen“ aus: „das ist genau so, wie wir es uns wünschen.“ Hier ist Jesus das kosmische „Amen“, der wahre „so sei es“ und „so soll es geschehen“. Mit ihm und durch ihn wird sich jedes einzelne Detail von Gottes Willen erfüllen, wie im Himmel so auf Erden. Als nächstes beschreibt Jesus sich als der treue und wahrhaftige Zeuge. Und das war ein großer Kontrast zur Gemeinde in Laodizea, weil sie untreue Zeugen Jesu waren.
Als letztes sagt Jesus, dass er der Anfang der Schöpfung Gottes ist. Und das ist eine dieser Verse, die von den Zeugen Jehovas gerne zitiert wird. Sie sehen das als Beleg dafür, dass Jesus ein Teil der Schöpfung Gottes ist, anstatt selbst der allmächtige, ewige Schöpfergott zu sein. Vers 14 baut auf Kapitel 1,5 auf, wo wir lesen: „Jesus Christus, dem treuen Zeugen, dem Erstgeborenen aus den Toten und dem Fürsten über die Könige der Erde.“ Mit anderen Worten, die Schöpfung in Vers 14 bezieht sich wahrscheinlich nicht auf Genesis. Hier ist vielmehr die zweite Schöpfung gemeint, die mit Jesu Auferstehung ihren Anfang nimmt.
Und dann folgen die berühmten Verse 15 und 16: „Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch heiß bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder heiß noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.“ Traditionell wurden diese Verse folgendermaßen verstanden: Heiß zu sein bedeutet, Jesus ganz hingegeben zu sein und für ihn zu brennen. Kalt bedeutet, dass man mit Jesus überhaupt nichts zu tun haben will. Die Gemeinde in Laodizea war aber eine Mischung aus heiß und kalt. Sie waren ein fauler Kompromiss zwischen diesen beiden. Deshalb konnte Jesus mit ihnen nichts anfangen.
Viele Prediger und Bibellehrer vertreten diese Interpretation, unter ihnen sehr viele Bibellehrer, die ich sehr respektiere und von denen ich sehr viel gelernt habe. Als John Piper in Boston zu Besuch war, predigte er, dass Gott uns einen Verstand und ein Herz gegeben hatte. In seiner Predigt sagte er, dass der Verstand dazu dient, die objektive Wahrheit des Evangeliums zu erkennen, damit diese Wahrheit ins Herz dringt und das Herz anfängt, Jesus weißglühend zu lieben. Und er gebrauchte diesen Ausdruck „weißglühende Liebe für Gott“ immer und immer wieder. Am nächsten Tag antwortete er auf die Frage: „warum sagst du immer zu weißglühende Liebe zu Gott?“ Seine Antwort lautete: „weil ich mir nichts vorstellen kann, was weiter weg von lauwarm entfern ist als Weißglut und weil ich nicht will, dass ihr lauwarm seid und von Jesus ausgespuckt werdet.“ Ich würde sagen, dass das eine valide Interpretation ist.
Aber diese Interpretation hat auch einen Haken. Jesus kritisiert die Laodizear, weil sie weder warm noch kalt waren. Und er sagt: „Ach, dass du kalt oder heiß wärest!“ Mit anderen Worten, diese Interpretation impliziert, dass nichts mit Jesus zu tun haben zu wollen und Jesus einfach die kalte Schulter zu zeigen, besser ist, als ein halbherziger Christ zu sein. Das ist ein Standpunkt, den man erst einmal biblisch rechtfertigen muss. Nicht nur das, wenn Jesus sagt, „ich wünschte mir, du wärest kalt oder heiß“, dann scheint er kalt und heiß auf ein und dieselbe Stufe zu stellen. Aus diesem Grund bevorzuge ich eine andere Interpretation.
Die Stadt Laodizea hatte ein großes Problem. Sie hatten keine gute Anbindung zu frischem Wasser. Die Stadt bekamen ihr Wasser entweder aus Hierapolis oder aus Kolossä. In Hierapolis befanden sich heiße Quellen, die damals zu therapeutischen Zwecken benutzt wurden. In Kolossä hingegen gab es frisches, kaltes Wasser von fast alpiner Qualität. Aber wenn das Wasser aus Hierapolis in Loadizea ankam, war das heiße Wasser abgekühlt und nur noch eine warme Brühe angereichert mit Chemikalien. Das kalte erfrischende Wasser aus Kolossä hingegen wurde bei türkischen Temperaturen warm. Beide Male kam lauwarmes Wasser an. Der römische Autor Cicero schrieb, dass die Laodizear das schlimmste Wasser im ganzen römischen Reich hatten. Wenn Jesus die Worte „ausspeien“ im Zusammenhang mit lauwarmen Wasser gebrauchte, müssen die Laodizear auf jeden Fall gewusst haben, dass er über ihr Wasser spricht.
Was bedeutet dieser Text dann? Sowohl heißes Wasser als auch kaltes Wasser sind gut. Beide sind nützlich, sei es zur Heilung oder zur Erfrischung. Beides ist brauchbar. Christen sollten entweder zur Heilung dienen oder zur Erfrischung. Aber wenn man lauwarm ist, dann ist man weder für das eine noch für das andere zu gebrauchen. Man ist dann ungefähr so attraktiv und appetitlich wie ein Glas lauwarme und abgestandene Cola. Aber dann ist die Frage immer noch, was es geistlich bedeutet, lauwarm zu sein. Der nächste Vers gibt uns vielleicht einige Hinweise.
Vers 17: „Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts! Und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.“ Wir wollen hier drei Punkte kurz diskutieren.
Zum einen, ihre Lage war wirklich elend. Ich habe zu Beginn erwähnt, dass die Stadt Laodizea ein Finanzzentrum war und reich war. Und dieser Reichtum war anscheinend auch in der Gemeinde präsent. Jesus nahm Bezug darauf und sagte, dass sie elend, jämmerlich und arm waren. Die Laodizear waren stolz auf ihre medizinische Schule, die sich auf Augenheilkunde spezialisiert hatte. Jesus sagte ihnen, dass sie blind waren. Und die Laodizear waren bekannt war für ihre schwarze Wolle, mit der sie ein Vermögen verdient hatten. Natürlich trugen sie alle Anzüge von Hugo Boss und Giorgio Armani. Jesus sagte ihnen aber: „ihr seid nackt.“ In ihrer geistlichen Lage waren sie verloren, bankrott, kaputt und schwach. Es gab nichts, was sie Jesus vorweisen konnten. Sie waren ganz auf Hilfe angewiesen.
Als nächstes, die Lage der Gemeinde in Laodizea war nicht nur elend; sie waren sich überhaupt keiner Probleme bewusst. Sehen wir uns noch einmal den Anfang von Vers 17 an: „Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauchte nichts!“ Jeder Mensch ist mit einem Hunger nach Gott geboren. Jeder Mensch sehnt sich nach Unendlichkeit und Herrlichkeit. Aber die Laodizear waren in ihrem Wohlstand, Reichtum und anderen Vergnügen so tief versunken, dass sie nicht nur aufgehört hatten, für die zukünftige Herrlichkeit zu leben. Sie hatten sogar aufgehört, den Hunger danach zu spüren. Immer wieder hört man Schlagzeilen von jungen Menschen, die so tief in einem Computerspiel drin sind, dass sie aufhören zu essen und zu schlafen. Einige von ihnen sind dabei gestorben, an Kreislaufversagen, Herzinfarkt usw. In gewisser Hinsicht ähnelt das der Situation von Laodizea. Sie waren so gefangen in den Dingen, die per Definition nicht zufrieden machen können, dass sie anfingen in der Illusion zu leben, bereits alles zu haben. Diese Illusion war verbunden mit Arroganz und Hochmut.
Als drittes, ihr Stolz führte dazu, dass sie die einzige Person, die ihnen helfen konnten, vor der Tür stehen ließen. In Vers 20 sagte Jesus: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.“ Dieser Vers wurde bestimmt auf unzähligen Evangelisationen gepredigt als Einladung, Jesus die Herzenstür aufzutun. Aber hier in diesem Kontext bezieht sich das Wort auf die Gemeinde. Die Laodizear feierten zwar Gottesdienst, aber sie taten es ohne Jesus. Sie hatten die einzige, fundamental wichtige Person ausgesperrt. Mehr noch, was Jesus durch sein Klopfen zum Ausdruck bringt, ist: „Das ist mein Haus! Ich bin der Eigentümer! Und ihr habt mich draußen stehen gelassen!“
Die Frage war, warum Jesus die Gemeinde verabscheute. Die Antwort darauf lautet, weil sie eine Gemeinde waren, die von der Selbsttäuschung geprägt waren, alles zu haben, wenn sie in Wirklichkeit gar nichts hatten und dass gerade diese Arroganz dazu führte, die eine Person, die ihnen wirklich helfen konnte, den Rücken zu kehren.
Zweitens, welchen Rat gab Jesus dieser Gemeinde?
Vers 18: „Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest.“ Jesus gab ihnen hier drei Ratschläge; alle Ratschläge stehen im direkten Zusammenhang mit ihren Schwächen.
Zum einen gab Jesus ihnen den Rat, geläutertes Gold von ihm zu kaufen. Die Laodizear waren stolz auf ihren Reichtum, den sie sich hart erarbeitet hatten. Aber sie waren bettelarm. Die Antwort auf dieses Problem war es, Jesu Gold zu kaufen. Geläutert bedeutet, dass dieses Gold absolut rein ist von Unreinheiten und Schmutz. An anderer Stelle spricht Jesus von einem Schatz in Himmel, den weder Rost, Motten oder Diebe etwas anhaben können. Das Gold, das Jesus zur Verfügung stellt ist kostenlos. Was ist dieses Gold? Im Epheserbrief spricht Paulus von dem unerforschlichem Reichtum, der in Jesus ist. Jesus selbst ist der ultimative Wert des Universums. Wer diesen Jesus hat, der hat mehr als alles, was er braucht. Wer diesen Jesus nicht hat, ist arm und erbärmlich. Jesu Gold zu kaufen bedeutet, diesen Jesus wert zu schätzen und anzuerkennen, dass uns nichts glücklicher und zufriedener machen kann, als Jesus selbst.
Als nächstes gab Jesus den Rat, dass sie weiße Kleider anziehen sollten. Im AT war Nacktheit immer mit Schande und Scham verbunden. Und das lässt sich bis zum ersten Sündenfall verfolgen, als Adam und Eva sich bewusst wurden, dass sie nackt waren. Als die Assyrer das Nordreich Israel besiegten, wurden die Bewohner nackt und barfuß nach Assyrien geführt. Nackt zu sein, bedeutet, dass unsere größten Schwächen und Sünden sichtbar für alle offenliegen. Nackt zu sein bedeutet, dass, obwohl wir eigentlich vieles zu verbergen hätten, wir nichts verbergen können. Diesen Zustand wollte Jesus bedecken: nicht durch Feigenblätter sondern durch weiße Kleidung. Durch das ganze Buch Offenbarung hindurch sind weiße Kleider ein Symbol für Gerechtigkeit, Heiligkeit und Triumph. Jesus lud sie ein, ihre Blöße durch seine Gerechtigkeit zu bedecken.
Als drittes, Jesus wollte, dass ihre geistlichen Augen behandelt würden, damit sie in der Lage waren, zu sehen. Es war Blindheit, die sie erst in diese Lage geführt hatte. Sie sahen nicht, dass sie elend waren und dass sie auf Hilfe angewiesen waren. Sie brauchten jemand, der ihnen die Augen öffnete, damit sie das sehen konnten, was offensichtlich ist.
Drittens, auf welcher Grundlage konnten die Laodizear Jesu Rat befolgen?
Vers 19: „Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße.“ Eine andere Übersetzung schreibt folgendes: „Wen ich zu meinen Freunden zähle, dann weise ich sie zurecht und züchtige sie…“ Das Wort „lieben“ kann hier frei mit „Freund“ übersetzt werden, weil im Griechischen philo steht. Theresa von Avila soll sich einmal im Gebet darüber beschwert haben, dass sie so viel leiden musste. Gott antwortete ihr: „So behandele ich meine Freunde.“ Ihre Antwort darauf war: „Dann solltest du dich nichts darüber wundern, wenn du so wenige Freunde hast.“
Jesus sagte der Gemeinde, dass die harte Zurechtweisung ein Ausdruck seiner Liebe zu ihnen war. Aufgrund seiner Liebe zu ihnen, sollten sie Buße tun. Sie sollten umkehren zu Jesus. Sie sollten sich zu der Person wenden, die ihnen gerade gesagt hatte: „ihr seid elend, jämmerlich, arm, blind und bloß.“ Aber die Frage ist dann: woher konnten die Laodizear wissen, dass Jesus es wirklich gut mit ihnen meinte? Wie konnten sich die Laodizear sicher sein, dass Jesus sie wirklich liebte? Wie können wir uns sicher sein, dass Jesus uns wirklich liebt?
Wir müssen zum einen verstehen, dass wenn die Bibel über Gottes Liebe spricht, sie meistens etwas anderes meint, als wenn Menschen zueinander sagen, dass sie sich lieben. D. A. Carson gebrauchte folgendes Beispiel. Stellen wir uns ein verliebtes Paar bei einem Spaziergang vor. Und in einem romantischen Moment sagt der Mann zur Frau: „Ich liebe dich.“ Was meint er damit? Unter der Annahme, dass er wirklich aufrichtig ist, bedeutet „ich liebe dich“ in den meisten Fällen: „ich finde dich lieblich. Du bist wundervoll in meinen Augen. Ich liebe den Geruch deiner Haare. Wenn du lächelst, dann erstrahlt der ganze Raum. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als mit dir zu sein.“ Was er höchstwahrscheinlich nicht meint, ist folgendes: „Ganz ehrlich, deine Haare sind so fettig, dass man damit einen Laster ölen könnte. Dein schlechter Atem könnte eine Herde von Elefanten aufschrecken. Deine Knie erinnern mich an die eines Kamels. Dein Charakter erinnert mich ein Dschingis Khan. Aber ich liebe dich!“ Aber wie verhält es sich, wenn Gott uns sagt, dass er uns liebt? In seinen Augen sind wir die potentiellen Dschingis Khans dieser Generation; wir haben schlechten Atem, die Knie eines Kamels, die fettigen Haare; wir sind ekelerregend, arm, elend und jämmerlich und wissen das noch nicht einmal und sind in unserer Ignoranz auch noch stolz darauf. Und trotzdem steht Jesus zu seiner Aussage: „Ich liebe euch. Ich weise euch zurecht und züchtige euch, weil ich euch liebe. Deshalb, tut Buße.“
Als nächstes, wir müssen verstehen, was Jesus bereits für uns getan hat. Jesus hatte der Gemeinde in Laodizea den Rat gegeben, Gold von ihm zu kaufen, das im Feuer geläutert ist und weiße Kleider anzuziehen und ihre Blindheit mit Augensalbe zu behandeln. Nichts von diesen Dingen ist kostenlos. Sie alle kamen zum höchsten Preis, den man dafür bezahlen konnte. Der Grund, weshalb Jesus ihnen sein geläutertes Gold kostenlos anbieten konnte, war, weil er selbst dafür bezahlt hatte. In 2. Korinther 8,9 schrieb Paulus: „Denn ihr kennt ja die Gnade unsere Herrn Jesus Christus, dass er, obwohl er reich war, um euretwillen arm wurde, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“ Jesus ist der Eigentümer aller Herrlichkeit und allen Reichtums. Aber er war bereit, der Ärmste der Armen zu werden, um uns alles zu schenken.
Und Jesus ist derjenige, der unsere Nacktheit durch seine Gerechtigkeit bedeckt. Die weißen Gewänder, die wir tragen dürfen, die Gerechtigkeit, die unsere Schande und unsere Scham bedeckt sind Jesu weiße Gewänder und seine Gerechtigkeit. Jesus bezahlte. Jesus bezahlte am Kreuz. Wenn wir auf das Kreuz schauen, dann sehen wir, dass er enteignet wurde, damit wir beschenkt werden können. Wir erkennen, dass Jesus entblößt wurde, damit wir nie wieder nackt sein müssen; dass er entkleidet wurde, damit wir für immer bekleidet sein können; dass er alle Schande und Scham auf sich trug, damit wir in alle Ewigkeit seine Herrlichkeit und seine Schönheit an uns tragen können.
Das ist das Ausmaß der Liebe Jesu. Nur dann, wenn wir uns dieser Liebe bewusst sind, wissen wir, dass wir das Risiko eingehen können, Buße zu tun. Nur dann, wenn wir uns dieser Liebe bewusst sind, können wir uns bereitwillig in die Hände dessen begeben, der uns gerade tadelt. Und nur dann haben wir die emotionale Kapazität, wirklich ehrlich mit unseren Schwächen zu sein.
Was bedeutet dieser Text dann für uns? Ein christlicher Autor namens Michael Horten hatte ein Buch herausgegeben mit dem Titel: Christentum ohne Christus. In diesem Buch kritisiert er die evangelikalen Christen in den USA, ein Christentum zu leben, in dem es keinen Platz mehr für Jesus gibt. Eines dieser Phänomene ist das sogenannte Wohlstandsevangelium. Diese Lehre sagt, dass wenn wir an Gott glauben, wir in diesem Leben materiell gesegnet werden durch Gesundheit, Erfolg, Beziehungen usw.
John Piper kommentierte das Wohlstandsevangelium folgendermaßen: „Ich weiß nicht, was ihr über das Wohlstandsevangelium denkt, das Gesundheits-, Erfolgs-, und Wohlstandsevangelium, aber ich werde euch sagen, was ich dafür empfinde: Hass. Es ist kein Evangelium. Es wird von Amerika nach Afrika und Asien exportiert, an die Ärmsten der Armen: Wenn ihr dieser Botschaft glaubt, dann werden eure Schweine am Leben bleiben und eure Frauen werden keine Fehlgeburten erleiden; ihr werdet Ringe an euren Fingern haben und Mäntel an euren Leibern. … Leute die ihr Geld und ihre Zeit und ihr Leben hingeben sollten, verkaufen stattdessen einen Haufen Müll, das sie Evangelium nennen.
Und hier ist der Grund, weshalb das so fürchterlich ist. Wann war das letzte Mal, dass ihr jemanden sagen gehört habt, dass Jesus wahrhaftig erfüllend ist, weil wir einen BMW fahren? Niemals! Sie würden vielmehr sagen: „Jesus hat dir das gegeben? Dann will ich ebenfalls Jesus haben.“ Das ist Götzendienst, das ist nicht das Evangelium! Es ist gleichbedeutend damit, die Gaben über den Geber zu stellen.
Wollt ihr wissen, was Jesus herrlich aussehen lässt? Wenn bei einem Autounfall euer kleines Mädchen durch die Windschutzscheibe fliegt und sie tot auf der Straße landet und wenn ihr dann inmitten von unendlichem Schmerz sagen könnt: „Gott ist genug. Gott ist genug und er ist gut. Er wird sich um uns sorgen, er wird uns die Fülle sein, er wird uns durch diese Situation hindurch tragen. Er ist unser Reichtum. Wen habe ich im Himmel außer dir? Und neben dir begehre ich nichts auf Erden! …“ Genau das verherrlicht Gott als Gott, nicht als Geber von Autos oder Sicherheit oder Gesundheit. Wie sehr wünschte ich mir, dass Amerika von dem Gesundheits-, Erfolgs-, und Wohlstandsevangelium gereinigt werden würde! Und dass die christliche Gemeinde gekennzeichnet ist durch Leiden für Christus. Gott wird am meisten durch uns verherrlicht, wenn wir unsere ganze Fülle in ihm finden, inmitten von Verlusten, nicht im Wohlstand.“
Es ist einfach mit dem Finger auf anderen zu zeigen. Es ist einfach zu sagen, dass dieses Wohlstandsevangelium relevant ist für die Gemeinde in Laodizea oder die Christen in Amerika, „aber wir sind davon unberührt“. Tatsache ist, dass wir ebenfalls in einem der reichsten Länder auf der Welt leben. Tatsache ist ebenfalls, dass wir Zeiten des Segens gleichsetzen mit Gottes Liebe zu uns; und wenn immer uns etwas Unangenehmes passiert, wenn immer wir eine Niederlage erleiden, wir denken: „Warum bestraft mich Gott? Was habe ich getan? Womit habe ich das verdient“ Und immer wenn uns solche Gedanken durch den Kopf gehen, haben wir die Gaben über den Geber gestellt.
Was ist die Antwort darauf? Will Jesus, dass wir mehr Bereitschaft aufbringen, unser Geld und unsere Zeit zu opfern? Dass wir uns im geistlichen Leben mehr Mühe geben? Dass wir versuchen, etwas disziplinierter zu sein, um nicht so zu werden wie die schlimmen Laodizear? Was Jesus will, ist viel dramatischer und sehr viel radikaler. Jesus will, dass sich in unserem Leben ein radikaler Wechsel vollzieht: er will einen Herrschaftswechsel in unserer Gemeinde und in unserem Leben: eine Entthronung von allem, was uns ohnehin nicht glücklich macht, damit Er, König Jesus, sein Haus regieren kann; er will, dass ein radikaler Austausch des Wertesystems stattfindet, dass diese Gemeinde und jeder einzelne von uns so von der Herrlichkeit und vom Reichtum in Christus gefesselt ist, dass wir nicht anders können, als dieser Welt zu sterben.
In dem Ausmaß wie wir seine Liebe zu uns verstanden haben, wird sich dieser Wechsel in uns vollziehen. In dem Ausmaß, wie wir das Evangelium schätzen, wertachten und beherzigen, wird sich dieser Wechsel vollziehen. Es ist daher mein Wunsch, dass diese Kanzel, solange unsere Gemeinde existiert, Woche für Woche dazu gebraucht wird, die frohe Nachricht von Jesus Christus und von seinem vollendeten Werk am Kreuz zu verkündigen. Es ist mein Wunsch, dass diese Gemeinde Woche für Woche mit dem Reichtum des Evangeliums erfüllt wird, so dass es überfließt.
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