Predigt: Offenbarung 3,1 – 13

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An die Schlafenden und die Schwachen

„Wer überwindet, den will ich zu einer Säule im Tempel meines Gottes machen, und er wird nie mehr hinausgehen; und ich will auf ihn den Namen meines Gottes schreiben und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalems, das vom Himmel herabkommt von meinem Gott aus, und meinen neuen Namen.“

Offenbarung 3,12

Wozu gibt es Gemeinde? Was ist den Sinn und Zweck der Gemeinde hier auf Erden? Für manche mag das eine Frage sein, über die ihr schon euer ganzes Leben lang nachgedacht habt. Für andere mag das eine ganz akute Frage sein, wenn es mal in der Gemeinde nicht so rund läuft; wenn es Streit gibt, Uneinigkeit und Zwist; wenn man wirklich keine Lust hat, sich nach einem ohnehin anstrengenden Studenten-, Berufs- oder Familienleben auch noch Stress in der Gemeinde anzutun. Manche von euch stellen sich die Frage überhaupt nicht. Oder ihr stellt euch die Frage kurz am Sonntag, wenn ihr am liebsten ausschlafen würdet: „Wozu Gemeinde?“
Um ehrlich zu sein, ich habe lange Zeit zur letzten Kategorie gehört, Obwohl ich in einer Hausgemeinde aufgewachsen bin, habe ich mir nicht so viele Gedanken zu dem Thema gehört. Es war mir einfach nicht wichtig. Andere Dinge waren mir wichtiger. Bis der Tag kam, oder besser gesagt, die Tage, als ich eine 14-teilige Predigtreihe mit dem Titel hörte: „Warum ich die Gemeinde liebe“. 14 Predigten, die alle nur um ein ein Thema gingen, weshalb Gemeinde wertvoll ist. Offenbarung 1 war dabei übrigens eine der Texte, die dabei studiert wurden.
Es gibt biblisch richtig gute Gründe, weshalb wir die Gemeinde lieben sollten, weshalb uns Gemeinde lieb und teuer sein sollten. Was ist der Sinn und Zweck der Gemeinde? Timothy Savage schrieb: „Die Berufung einer lokalen Gemeinde könnte kaum erhabener sein. Sie ist aus der Welt herausgerufen, um ein Licht in der Welt zu sein, eine vereinte Familie inmitten von entzweiten Familien dieser Erde zu sein, Christus selbst in ihrer Mitte wohnen zu haben, Gottes Augapfel zu sein, in Christi Hände eingraviert zu sein (wie Jesaja 49 schreibt), die Herrlichkeit des Abbildes der Heiligen Trinität zu sein, die Verkörperung der unendlichen Liebe am Kreuz zu sein, ein kollektives Porträt zu sein, das schöner ist als alles andere in der Welt – das alles ist die Gemeinde, die lokale Gemeinde, das neue Volk Gottes.“ Zu nichts weniger sind wir als Gemeinde berufen. UBF Heidelberg ist aus der Welt herausgerufen, um alles das zu sein. Wir sind dazu berufen, in dieser Welt der Leib Jesu Christi zu sein. Als Leib Christi sollen wir der Welt das sein, was Jesus dieser Welt ist. Und wir sollen in dieser Welt das tun, was Jesus tun würde, wenn er leiblich unter uns anwesend wäre. Und wir dürfen die Gewissheit haben, dass wir von Jesus geliebt sind, mehr als ein Bräutigam seine Braut lieben könnte.
Wir befinden uns in Offenbarung 3, die sogenannten Sendschreiben. Wir haben letzte und vorletzte Woche vier von den sieben Sendschreiben betrachtet. In jeden dieser Briefe kommt zum Ausdruck, wie sehr Jesus die Gemeinde liebt und wie sehr er sich wünscht, dass die Gemeinde gesund und lebendig ist. In jedem der Schreiben kommt zum Ausdruck, dass Jesus der Herr über seine Gemeinde ist, dass die Gemeinde in seiner Hand ist und dass er seine Gemeinde in- und auswendig kennt.
Wie studieren heute das Wort an zwei Gemeinden: Sardes und Philadelphia. Eine Gemeinde befand sich im Tiefschlaf, die andere Gemeinde befand sich in einem Erdbebengebiet. Die Predigt hat zwei Teile. Erstens, ein Wort an die Schlafenden. Zweitens, ein Wort an die Schwachen.

Erstens, ein Wort an die Schlafenden
Die erste von den beiden Gemeinden befindet sich in Sardes. Sardes war eine Stadt, die ihre beste Zeit schon hinter sich hatte. Die Stadt wurde bereits im Jahr 1200 vor Christus gegründet und entwickelte sich bald zu einer militärischen Macht, die von vielen gefürchtet wurde. Wir alle haben vermutlich den Namen „Krösus“ schon einmal gehört. Krösus war ein König in Sardes, der so mächtig wurde, dass er es sogar wagte, das damalige Weltreich Persien anzugreifen. Sardes galt als uneinnehmbare Stadt aber wurde trotzdem von den Persern besiegt, weil es ihnen gelang an einer unbewachten Stelle einzudringen, und die Stadttore von innen zu öffnen. Einigen Jahrhunderte später wurde Sardes auf die gleiche Art und Weise von Antiochus III. eingenommen. Wieder waren es eine Handvoll Leute, die über eine unbewachte Stelle in die Stadt eindringen und die Toren von innen öffnen konnte. Nach dieser Niederlage ging es mit der Stadt langsam bergab. Sardes verlor immer mehr an Bedeutung.
Wie bei den vorigen vier Gemeinden sind Jesu Worte an die Gemeinde stark mit der Geschichte und dem Wesen der Stadt verbunden. Drei Punkte möchte ich hier hervorheben. Zum einen, das Problem der Gemeinde; und zweitens die Lösung für das Problem und drittens, was Jesus ihnen verspricht.
Erstens, welches Problem hatte die Gemeinde in Sardes? Normalerweise lobte Jesus die Gemeinden zuerst. Aber in Sardes sagt er: „Ich kenne deine Werk: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist doch tot.“ Das einzige Gute, was er hier zu sagen hat, ist, dass der Ruf der Gemeinde besser war, als die Gemeinde selbst. Das ist wie als man jemanden ein Kompliment aussprechen will, und das einzige, was man sagen kann, ist: „Das Gute an dir ist: Du hast mehr Schein als Sein.“
Wir haben beim Bibelstudium ein wenig darüber diskutieren müssen, was es bedeutet, dass die Gemeinde „tot“ war. Im nächsten Vers sagt Jesus, dass die Gemeinde aufwachen soll. Wie kann man aufwachen, wenn man tot ist? War die Gemeinde dann wirklich „tot“ oder im Tiefschlaf? Beides kann zutreffen. Die Sprache in Offenbarung ist so bildhaft, dass man sich nicht an solchen Begrifflichkeiten aufhängen darf. Letztendlich ist es ziemlich egal ob es Tod oder Schlaf war. Die Person die in Vers 2 sagt: „Werde wach“ ist die gleiche Person die mit lauter Stimme gerufen hat: „Lazarus, komm heraus!“ Wenn Jesus „Aufwachen!“ sagt, dann wird er gehört, egal ob die Menschen einfach nur schlummern oder sich sechs Fuß unter der Erde.
Als nächstes, was ist die Lösung für das Problem? Verse 2 und 3 sagen: „Werde wach und stärke das Übrige, das im Begriff steht zu sterben; denn ich habe deine Werke nicht vollendet erfunden vor Gott.“ Zweimal wurde die Stadt Sardes eingenommen, weil die Wächter der Stadt verpennt hatten. Die Gemeinde in Sardes litt unter dem gleichen Problem. Jesus sagt, dass sie aufwachen sollen. Wie kann man aufwachen? Wie kann man das stärken, das gerade dabei ist, zu sterben? Jesus gibt in Vers 3 eine Reihe an Anweisungen: „So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und bewahre es und tue Buße! Wenn du nun nicht wachst, so werde ich über dich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht erkennen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werden.“ Das erste, wozu er sie auffordert, ist, dass sie sich erinnern sollten, was sie empfangen und gehört hatten. Alle deutschen Übersetzungen, die ich gelesen haben (Schlachter 2000, Luther, Elberfelder und Basisbibel) übersersetze hier „wie du empfangen hast“. Ich finde, die englischen Übersetzungen (NIV, ESV) ergeben mehr Sinn: sie sollten sich daran erinnern, was sie empfangen hatten, nämlich das Evangelium. Und dann sollten sie Buße tun; sie sollten umkehren.
Als drittes, was verspricht Jesus ihnen? In Versen 4 und 5 heißt es: „Doch du hast einige wenige Namen auch in Sardes, die ihre Kleider nicht befleckt haben; und sie werden mit mir wandeln in weißen Kleidern, denn sie sind es wert. Wer überwindet, der wird mit weißen Kleidern bekleidet werden; und ich will seinen Namen nicht auslöschen aus dem Buch des Lebens, und ich werde seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln.“ Weiße Kleider wurden bei römischen Triumphzügen getragen. Im ganzen Buch der Offenbarung sind weiße Gewänder ein Symbol für Rettung und Sieg. Für eine Stadt, deren größte Siege und Glanz lange in der Vergangenheit zurücklagen, war das eine riesige Verheißung und ein immenser Trost.
Bevor wir fortfahren, würde ich gerne über einige Anwendungen nachdenken.
Zum einen, Tiefschlaf zeichnet sich dadurch aus, dass wir unfähig sind, die Realität als solch zu erkennen. Geistlicher Tiefschlag ist für alle Gemeinden relevant, nicht nur für die Gemeinde in Sardes. Jemand sagte einmal, dass es generell nur drei mögliche Zustände für Gemeinden trifft: gerade vom Geist Gottes erweckt, gerade beim Einschlafen, oder im Tiefschlaf. Was zeichnet Schlaf aus? Eine der Kennzeichen ist, dass wir nicht in der Lage sind, Realität als solche anzuerkennen. Stellen wir uns vor, wir befinden uns im Schlaf und unser lieber Ehepartner sagt: „Schatz, ich habe Hunger.“ Und trotz dem Ernst dieser Lage sind wir nicht wirklich in der Lage darauf zu reagieren. Das einzige, was wir dazu sagen können: „Dann mach dir ein Sandwich.“ Anderes Beispiel: wenn unser Ehepartner sagt: „Schatz, unser Kleiner spielt gerade mit deinem geliebten Computer.“ Dann sind wir plötzlich schlagartig wach, weil es um etwas geht, was uns lieb und teuer ist. Was wäre aber, wenn unser Ehepartner um im Schlaf sagt: „Schatz, das Haus brennt“? Das Erschreckende ist, dass dann immer noch viele von uns antworten würden: „Okay… Weck mich morgen um Sieben.“
In Johannes 11 sehen wir wie Jesus mit Marta spricht und ihr sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der lebt uns an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. Glaubst du das?“ Und sie sagt: „Ja, Herr! Ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.“ Das ist die perfekte Illustration für eine Person, die sich im geistlichen Tiefschlaf befindet. Und doch können wir uns vermutlich alle mit ihr identifizieren. Wir sind alle ein wenig wie sie.
Einige leben immer noch unter dem Druck, dass sie sich etwas beweisen müssen; einige leben immer noch unter der falschen Vorstellung, dass Gott euch niemals vergeben kann. Und ihr macht euch deswegen selbst fertig. Ihr habt immerzu ein schlechtes Gewissen. Euch fehlt die Gewissheit, dass ihr in ferner Zukunft ewiges Leben mit Gott habt, wenn ihr euch eigentlich darüber im Klaren sein solltet, dass das ewiges Leben mit Gott schon längst hier auf Erden begonnen hat. Eure Sünden sind realer für euch, als Jesu Tod und seine Auferstehung. Eure Unzulänglichkeiten sind für euch realer als Jesu Wort: „Es ist vollbracht.“ Wacht auf!
Vielleicht sind einige unter uns, die, obwohl sie Christen sind, sich nur dann geliebt und angenommen fühlen, wenn das nette Mädchen oder der nette Junge auf unsere e-mails antworten. Oder ihr fühlt euch nur dann bestätigt, wenn ihr von gleichgesinnten Freunden umgeben seid; und die Freunde wiederum müssen mindestens genauso cool und gutaussehend sein, wie wir, damit es ja nicht heißt, dass wir nur mit Losern rumhängen. Wacht auf! Die Realität ist, dass wir einen König haben, der uns so geliebt und angenommen hat wie wir sind mit allen unseren Schwächen und Fehlern. Sich von diesem Heiland nicht geliebt und angenommen zu fühlen, hat etwas mit einer verkehrten Wahrnehmung der Realität zu tun.
Die allermeisten von uns haben Sorgen. Wir haben kleine Sorgen und große Sorgen. Aber fast jeden Tag sind wir mit Sorgen konfrontiert. Und der Grund dafür ist, dass wir entweder denken, dass unsere Probleme wichtiger als Gott sind, oder aber, dass wir denken, dass die Probleme, die vor uns liegen, größer sind als Gott, oder beides. Wacht auf! Denn die Realität ist, dass nichts wichtiger und gewichtiger ist als Gott und dass er gleichzeitig ein Gott ist, der die Blumen des Feldes mit Herrlichkeit kleidet und die Vögel unter dem Himmel mit Futter versorgt. Wie viel mehr kümmert er sich um uns!
Als zweites, nur der heilige Geist kann uns vor dem Einschlafen bewahren. Ich finde es bezeichnend, dass Jesus sich dieser Gemeinde vorstellte, als derjenige, der die sieben Geister Gottes hat, der heilige Geist in seiner Vollkommenheit. Die einzige Möglichkeit nicht einzuschlafen ist, wenn die Gemeinde konstant vom Geist Gottes am Leben gehalten wird. Ignatius, ein Bischof von Laodizea im Jahrhundert soll Folgendes gesagt haben: „Ohne den Heiligen Geist, ist Gott entfernt, ist Christus nichts als eine historische Figur, ist das Evangelium ein toter Brief, ist die Gemeinde nur eine Organisation, ist Autorität Unterdrückung, ist Mission Propaganda, ist Liturgie lediglich Nostalgie und die Arbeit der Christen ist Sklavenarbeit. Aber mit dem Heiligen Geist ist Christus auferstanden und präsent, ist das Evangelium eine lebendige Kraft, ist die Gemeinde eine Gemeinschaft im Leben der Trinität, ist Autorität ein Dienst, der die anderen Menschen freimacht, ist Mission Pfingsten, ist Liturgie Erinnerung und Erwartung zugleich, und die Arbeit der Christen ist göttlich.“ Ohne den Heiligen Geist ist die Gemeinde tot. Nur mit dem Heiligen Geist kann sie leben.

Zweitens, ein Wort an die Schwachen
Von Sardes reisen wir knapp 50km weiter nach Südwesten und erreichen die Stadt Philadelphia. Philadelphia wurde 189 vor Christus gegründet und nach dem Spitznamen des jüngeren Bruder von Eumenes II benannt. An der Ostküste der USA gibt es eine Stadt mit dem Namen Philadelphia. Und noch heute wird das moderne Philadelphia als „Stadt der brüderlichen Liebe“ bezeichnet. Und der Grund dafür ist, dass der Bruder von Eumenes den Namen Philadelphus trug wegen seine Liebe und Loyalität zu seinem älteren Bruder. Das antike Philadelphia in Kleinasien hatte mit einem Naturphänomen besonders zu kämpfen. Um 17 nach Christus gab es ein besonders starkes Erdbeben, das Philadelphia den Erdbeben gleichmachte. Während die Städte in der Umgebung sich danach ans Aufräumen machen konnte, war das bei Philadelphia schwieriger. Die Stadt befand sich nahe am Epizentrum und hatte auch Jahre danach noch mit vielen Nachbeben zu kämpfen. Geschichtsschreiber Strabon berichtet davon, dass die Mauern der Stadt ständig rissig waren. Die Gefahr von Erdbeben war auch Jahrzehnte später tief im Bewusstsein der Stadt verankert.
In den letzten Wochen waren die Medien in Deutschland voll mit Berichten über das Rekordhochwasser. Einige der Orte gerade im Osten von Deutschland haben das zweite Hochwasser dieser Größenordnung innerhalb von wenigen Jahren erlebt. Wenn das zum zweiten innerhalb von wenigen Jahren geschieht, wenn man zum zweiten Mal miterleben muss, wie Hab und Gut weggespült werden, dann vergisst man so etwas nicht mehr. Solche kollektiven Erfahrungen prägen eine Stadt. So ähnlich können wir uns das auch bei Philadelphia vorstellen.
Was sollten wir noch über die Gemeinde wissen? Ähnlich wie die Gemeinde in Smyrna hat Jesus in der Gemeinde in Philadelphia nichts zu tadeln. (Nur am Rande: Ray Stedman sagte, dass er beim Lesen von Kommentaren etwas ganz Interssantes bemerkt hatte. Die Kommentatoren mit einen baptistischen Hintergrund lassen die Gemeinde wie ein baptistische Gemeinde erscheinen; und die mit einem presbyterianischen Hintergrund wie eine presbyterianische Gemeinde; wenn UBF einen Kommentar schreiben würde, dann würde die Gemeinde darin wie eine UBF Gemeinde beschrieben werden.) Und wie in Smyrna ist auch in Philadelphia von der Synagoge des Satans die Rede. Uns ist von Ignatius ein Brief überliefert, nach seinem Besuch in der Gemeinde dort. Ignatius gibt uns ein Indiz dafür, dass diese Religionsgemeinschaft Einfluss auf die Gemeinde hatte. Und das könnte Verfolgung bedeuten und/oder falsche Lehren.
Was sagt Jesus dieser Gemeinde? Wir wollen über drei Punkte kurz nachdenken. Erstens, was es mit der offenen Tür auf sich hat. Zweitens, wie Jesus diese Gemeinde ermutigt. Drittens, was Jesus dieser Gemeinde verspricht.
Erstens, was hat es mit der offenen Tür auf sich? Die Art und Weise, wie Jesus sich dieser Gemeinde vorstellt, ist außergewöhnlich. Vers 7b: „Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel Davids hat, der öffnet, so dass niemand zuschließt, und zuschließt, so das niemand öffnet…“ Wenn Jesus sich den anderen sechs Gemeinden vorstellt, dann erwähnt er dabei ein oder zwei spezifische Details aus der Vision von Kapitel 1. Nur bei der Gemeinde in Philadelphia stellt Jesus sich anders vor. Jesus sagt, dass er der Heilige und der Wahrhaftige mit dem Schlüssel Davids sind. Diese Ausdrücke finden wir nicht in Kapitel 1. Viele Ausleger haben auch bemerkt, wie oft dieses Sendschreiben auf das AT zurückgreift. Osborne vermutet, dass es wegen der falschen Synagoge in der Stadt war, die Druck auf die Christen ausübte. Aufgrund des AT beseitigt Jesus hier alle Unsicherheiten. Er sagte dieser Gemeinde: „Ich bin der wahre Messias. Der wahre Gesalbte steht ganz auf eurer Seite.“
Was bedeutet das? Dieses Wort ist ein Zitat aus Jesaja. In Jesaja 22,22 lesen wir: „Ich will ihm auch den Schlüssel des Hauses Davids auf seine Schultern legen, so dass, wenn er öffnet, niemand zuschließen kann, und wenn er zuschließt niemand aufschließen kann.“ In Jesaja bezieht sich diese Prophezeiung auf Eljakim, der den untreuen Verwalter Schebna ersetzen sollte. Die Tatsache, dass Eljakim den Schlüssel Davids trägt, bedeutete, dass er vollen Zugang zu allem im Palast des Königs hatte. Das wiederum war ein Ausdruck für seine uneingeschränkte Autorität als Minister im Königreich. Eljakim ist hier ein AT-Hinweis auf und ein Typ für Christus. Jesus ist der wahre davidische Messias mit dem Schlüssel nicht nur für das Königreich Israel sondern für das gesamte Königreich Gottes. Er hat die absolute Autorität zu öffnen und zuzuschließen.
Und dann sagt Jesus ihnen: „Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine geöffnete Tür gegeben, und niemand kann sie schließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet.“ In den Versen 8 und 9 bekommen wir ein paar Hinweise bezüglich der Christen in Philadelphia. Jesus sagt, dass sie eine kleine Kraft hatten. Die meisten Ausleger verstehen das als zahlenmäßig klein. Die Gemeinde war ein kleiner Haufen, vielleicht nicht viel größer als unsere Gemeinde hier in Heidelberg. Sie waren schwach und arm. Aber das war nicht alles. Hinzu kamen weitere Probleme. Die Christen in Philadelphia waren vermutlich in der Synagoge exkommuniziert und aus der Gesellschaft ausgestoßen. Sie wussten, wie es sich anfühlt, vor verschlossenen Türen zu sein.
Jesus sagte ihnen, dass er ihnen eine Tür geöffnet hatte. Viele verstehen diese geöffnete Tür als offene Tür für Mission. Sie beziehen sich dabei z.B. auf Textstellen wie 1. Korinther 16,8.9 wo es heißt: „Ich werde aber bis Pfingsten in Ephesus bleiben; denn eine Tür hat sich mir aufgetan, weit und vielversprechend; und es gibt viele Widersacher.“ Die offene Tür ist hier ein Ausdruck für die Erweckung, die in Ephesus stattfand. Das ist eine mögliche Interpretation. Aber ich halte für plausibler, dass sich die offene Tür auf das Reich Gottes bezieht. Die Christen in Philadelphia standen in ihrer Stadt vor verschlossenen Türen als Verfolgte. Aber in Jesu Augen waren sie die treue Nachfolger, die ihn auch in Leiden nicht verleugneten und denen deswegen die Tür des Himmels offenstand.
Als nächstes, wie ermutigt Jesus diese Gemeinde? Zum einen sagt Jesus in Vers 9 Folgendes: „Siehe, ich gebe, dass solche aus der Synagoge des Satans, die sich Juden nennen und es nicht sind, sondern lügen, siehe, ich will sie dazu bringen, dass sie kommen und vor deinen Füßen niederfallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.“ Viele verstehen den Vers so, dass wenn Christen Jesus bis zum Ende treu sind, auch die ärgsten Widersacher von der Wahrheit in Christus überzeugt werden können und am Ende Buße tun. Unzählige ungläubige Ehemänner haben durch die Liebe und Geduld ihrer Ehefrauen zu Jesus gefunden, unter ihnen viele, die jahrelang erbitterten Widerstand geleistet haben. Das ist auf jeden Fall möglich. Die Sprache von Vers 9 scheint aber noch etwas anderes anzudeuten. Jesus sagt, dass sie vor ihren Füßen, d.h. vor den Füßen der treuen Christen in Philadelphia, niederfallen werden. Und das muss nicht nur Anbetung bedeuten. Es kann auch Unterwerfung bedeuten, wenn Jesus wiederkommt, um zu richten.. Jesus verspricht hier, dass die schlimmsten Feinde der Gemeinde eines Tages vor ihren Füßen fallen werden, sei es, weil sie sich bekehren oder weil sie gerichtet werden. Das ist eine riesige Ermutigung.
Als nächstes sagt Jesus in Vers 10: „Weil du das Wort vom standhaften Ausharren auf mich bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, damit die versucht werden, die auf der Erde wohnen.“ Dieser Vers ist einer der am meisten kommentierten Verse der Offenbarung. Vers 10 spricht von der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird; das bezieht sich ziemlich eindeutig auf die Ereignisse im späteren Verlauf der Offenbarung, wenn Gott anfängt die Welt zu richten. Jesus verspricht ihnen, dass sie vor dieser Stunde bewahrt werden. Es gibt etliche Leute, die sagen, dass dieser Vers ein Hinweis darauf ist, dass die Christen bei der großen Trübsal nicht mehr auf Erden sein werden, weil sie vorher entrückt wurden. Ich persönlich halte das nicht so für plausibel. Zum einen deutet in Offenbarung nichts auf eine Entrückung vor der Trübsal hin. Zum anderen handelt Offenbarung vom Konflikt zwischen Gott und Satan, dem Lamm und dem Tier, Babylon und Jerusalem, der wahren Trinität und der falschen Trinität, den Anhängern Christi und die Anhänger des Antichristen usw. Wie wir später sehen, werden die Christen vor Gottes Gericht bewahrt (das Öffnen der Siegel, die Posaunen und die Schalen den Zorns), nicht weil sie entrückt wurden, sondern weil Gott sie inmitten der Plagen bewahrt, so wie die Israeliten inmitten der Plagen in Ägypten bewahrt wurden. Vers 10 spricht also von Bewahrung während des Gerichts, aber nicht Bewahrung vor der Zeit des Gerichts. Christen erfahren nicht den Zorn Gottes aber dafür den Zorn des Teufels.
Jetzt kann man sich natürlich fragen, was bringt es mir von Gott bewahrt zu werden, wenn ich doch verfolgt werde. Osborne kommentiert: „Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen dem Zorn Gottes und dem Zorn des Drachen. Im gesamten NT wird Verfolgung als Schicksal der Gläubigen angesehen und sogar als ihr großes Privileg. Der Märtyrertod ist in Offenbarung ein Sieg über Satan und keine Niederlage. Genauso wie Satan sich selbst besiegte, als er Jesus ans Kreuz hängte, besiegt er sich selbst, wenn er das Leben von einem der Heiligen nimmt. Der Punkt hier ist, dass die Philadelphia Gemeinde vor dem Zorn Gottes gegen die Ungläubigen bewahrt werden aber nicht vom Zorn Satans, und dass diese Bewahrung innerhalb und nicht durch Herausnahme aus der Trübsal geschieht.“ Die Ermutigung, die Jesus dieser Gemeinde daher schenkt, ist, dass sie in Christus eines Tages den Sieg davontragen werden.
Als drittes, was verspricht Jesus der Gemeinde? Vers 12: „Wer überwindet, den will ich zu einer Säule im Tempel meines Gottes machen, und er wird nie mehr hinausgehen; und ich will auf ihn den Namen meines Gottes schreiben und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das vom Himmel herabkommt von meinem Gott aus, und meinen neuen Namen.“ Wenn ich euch sage, dass ihr allesamt Säulen im Tempel Gottes sein werdet, dann klingt das vielleicht nicht so toll. Vielleicht denkt ihr euch: „Ich kann mir Schöneres vorstellen. Dann doch lieber in alle Ewigkeit auf der Harfe klimpern…“ Aber erstens ist das schon wieder bildhafte Sprache. Und zweitens, wenn wir die Situation der Gemeinde in Philadelphia kennen, dann kann man sich kaum etwas Ermutigenderes vorstellen. Ich habe erwähnt, dass sich Philadelphia in einem Erdbebengebiet befand. Und wenn ein Erdbeben eine Stadt um Einsturz bringt, und Häuser zusammenfallen, dann sind es oftmals die Säulen, die noch übrigbleiben. Wir haben alle Bilder von Ruinen antiker Tempel gesehen. Oftmals sieht man nichts außer ein paar Säulen, die mehr als 2 Jahrtausende überlebt haben. Das ist die Verheißung, die Jesus ihnen schenkt.
Und er sagt ihnen, dass er den Namen Gottes und den Namen der Stadt Gottes und den neuen Namen Jesu auf ihnen schreiben wird. Was hat es mit diesem Namen auf sich? Philadelphia hatte im Lauf der antiken Geschichte mehrere Namenswechsel. Philadelphia nannte sich eine Zeitlang Neoceasarea, um den römischen Kaiser zu ehren. Gott gab ihnen das Versprechen, das sie seinen Namen eingeschrieben werden bekommen, so dass nichts und niemand sie jemals von seiner Gegenwart reißen kann.

Das ist Jesu Wort an die Schwachen. Vielleicht gibt es unter uns einige, die sich mit der Situation dieser Gemeinde besonders gut identifizieren können. Einige unter uns mögen sich fühlen, wie als ob sie vor verschlossenen Türen stehen. Tim Keller sah darin ein Ausdruck für Leiden jeglicher Art. Die verschlossene Tür kann die Prüfung sein, durch welche man durchgefallen und von der Uni geflogen ist; oder der Familienangehörige, der gerade verstorben ist; oder die Schmerzen, die damit verbunden sind, Teil einer neuen Kultur zu werden; verschlossen Türen können Ablehnung sein: Ablehnung von Menschen, für die man sich teilweise jahrelang aufgeopfert hat. Verschlossene Türen können stagnierendes Wachstum und ausbleibende Frucht im Missionsleben sein. Und wir hören Jesu Ermahnung, festzuhalten, was wir haben. Wir sollen überwinden. Aber die Frage ist dann: „woher kommt die Kraft, in Leiden weiter auszuharren? Woher kommt die Motivation, überwinden zu können?“
Die frohe Botschaft ist, dass Jesus uns nicht nach unseren Errungenschaften beurteilt, sondern danach ob wir ihm treu sind. Die frohe Botschaft ist, dass Jesus, mehr als jeder andere versteht, wie es sich anfühlt, vor verschlossenen Türen zu sein. Am Kreuz betete Jesus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Keine Antwort. Niemand in der gesamten Menschheitsgeschichte war mehr ausgeschlossen als Jesus. Jesus, der den Schlüssel Davids in der Hand hält, erduldete die ultimative verschlossene Tür, so dass uns in alle Ewigkeit die Tür zum Reich Gottes offensteht. Das ist der König von Offenbarung, der Herr über unsere Gemeinde.

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