Predigt: Matthäus 23, 1 – 39

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Jesus tadelt die Heuchelei

Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt!“

(23,37)

Dieser Ausruf Jesu über Jerusalem beschreibt den Hintergrund unseres heutigen Textes und fasst ihn zusammen. In Jesu Wort „Jerusalem, Jerusalem …“ kommt die lange einseitige Liebe Gottes zu den Juden und ihren religiösen Leitern zum Ausdruck, die von ihnen fort­während ignoriert und abgelehnt wurde, sogar oft mit Gewalt. Doch obwohl sie nun auch den Sohn, Jesus selbst ablehnten, hat er sie geliebt und so oft versucht, sie bei sich zu versam­meln, wie eine Henne bei Gefahr ihre Küken ruft und erst dann wieder ruhig wird, wenn sie alle unter ihren Flügeln sind. Jesus hatte sie so oft mit sanften Worten der Wahrheit und mit treffenden Gleichnissen angesprochen und mit mächtigen Wundern zur Einsicht aufgerufen. Denn Jesus wollte, dass auch sie bei ihm Gottes Liebe und Hilfe und Schutz vor der Macht der Sünde finden, die auch sie dringend brauchten. Aber sie hatten auf all sein Rufen nicht gehört und waren nicht zu ihm gekommen. Und das nicht, weil sie sein Rufen nicht gehört hätten. Mit großem Schmerz musste Jesus vielmehr sagen: „Ihr habt nicht gewollt.“ Jesus wusste, dass sie als Folge ihrer sturen Ablehnung das Gericht heraufbeschworen, vor dem er sie so gerne bewahrt hätte. Vor diesem Hintergrund warnt Jesus im heutigen Text das Volk und seine Jünger vor ihrem schlech­ten Einfluss und spricht sieben Wehrufe über sie aus, die für sie wie eine letzte Chance zur Selbst­erkenntnis und zur Umkehr waren. Möge Gott uns helfen, Jesu Worte gut zu verstehen und zu erken­nen, was ihr Problem war und warum genau sie scheiterten! Möge Gott uns helfen, uns auch selbst vor diesem Wort zu erkennen und zu finden, was wir tun müssen, um nicht solche Menschen wie sie zu werden!

I. Wer sich selbst erniedrigt (1-12)

Betrachten wir Vers 1: „Da redete Jesus zu dem Volk und zu seinen Jüngern.“ Jesus hatte den Schriftgelehrten und Pharisäer durch vier Gleichnis Gelegenheit gegeben, sowohl sich selbst als auch Jesus als Gottes Sohn zu erkennen. Aber statt ihn zu erkennen, hatten sie ihm viele Fangfragen gestellt, um ihn zu einer Aussage zu verleiten, wegen der sie ihn anklagen und zum Tod verurteilen könnten. Da wandte sich Jesus an das Volk und seine Jünger, also an die Menschen, die ihm nachfolgten, und begann sie vor den Schriftgelehrten und Pharisäern ausdrücklich zu warnen. Warum tat er das? Eigent­lich hatten die Jünger kaum etwas mit den Schriftgelehrten und Pharisäern zu tun. Aber dass Jesu sie trotzdem ausführliche vor ihnen warnte, zeigt, dass er in den Schriftgelehrten und Pharisäern eine akute Gefahr für die Jünger und ihren Glauben sah. Ihr Einfluss war tatsächlich die größte Bedrohung für ihren Glauben und ihren Lebensweg zum Himmelreich. Obwohl Jesus sonst nie schlecht über andere Menschen redete, warnte er seine Nachfolger deshalb ausführlich vor ihnen, dass sie sich bewusst vor ihrem schlechten Einfluss hüten würden und auf keinen Fall werden würden wie sie.

Und hier zeigt sich schon die Relevanz und Aktualität des heutigen Textes für uns. Wir sind durch unsern Glauben auch Jünger Jesu geworden und wollen ihm nachfolgen. Eigentlich haben wir nichts mit Leuten wie den Schriftgelehrten und Pharisäern zu tun, vielleicht denken wir sogar einfach, dass es solche Leute heute gar nicht mehr gebe. Zwar gibt es heute die jüdische Partei der Pharisäer nicht mehr, trotzdem besteht auch für die Christen bis heute eine akute Gefahr, wie die Pharisäer zu werden. Ein Blick in die Kirchengeschichte zeigt uns, dass es zu allen Phasen der Geschichte immer wieder passierte, dass die Christen wie Pharisäer wurden, deren Frömmigkeit nur oberflächlich und scheinheilig war und die schlech­ten Einfluss auf die anderen Menschen ausgeübt haben, gerade so, wie Jesus es hier beschrie­ben hat. Lasst uns deshalb erkennen, wie sie zu solchen Menschen werden konnten und was wir tun können, um nicht so wie sie zu werden!

Betrachten wir Vers 2. Jesus sagt: „Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer.“ Die Pharisäer waren, wie wir wissen, eine religiöse Partei, die es sich zum Ziel gemacht hatte, genau nach dem Gesetz des Mose zu leben. Die Schriftgelehrten, die zum überwiegenden Teil auch selbst Pharisäer waren, studierten das Gesetz besonders gründlich und genossen noch höheren Respekt als religiöse Lehrer (sie hatten sozusagen ihren „Master“ gemacht). Wenn sie lehrten, setzten sie sich in den Synagogen auf den sogenannten „Stuhl des Mose“, der ganz vorne neben dem Pult mit den Schriftrollen stand, und lehrten von dort aus die Leute. Dadurch demonstrierten sie, dass sie sich als autorisierte Lehrer in der Tradition von Mose verstanden, und unterstrichen ihre Forderung nach ent­sprechendem Respekt. Das an sich war nicht das Problem. Denn tatsächlich hatten sie das Gesetz von Mose, in dem sie Gott und seinen Willen hätten erkennen und lehren können. Was war aber das Problem?

Betrachten wir Vers 3: „Alles nun, was sie euch sagen, das tut und haltet; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht handeln; denn sie sagen’s zwar, tun’s aber nicht.“ Hier bringt Jesus den Kern ihres Problems zum Ausdruck. Was sie den Leute sagten, war grundsätzlich richtig und in Ordnung, sodass die Jünger ruhig danach leben sollten. Das große Problem war aber, dass sie selber nicht nach dem lebten, was sagten. Sie lehrten also die anderen, lehrten aber sich selber nicht und lebten folglich auch nicht nach dem, was sie durch Gottes Wort als richtig erkannten. Sie hielten es nicht für nötig, sich selbst auch unter dem Licht des Wortes zu betrachten, darin Gottes Willen für sie zu erkennen und danach auch zu handeln, da sie wohl dachten, dass sie wegen ihres Status als religiöse Leiter sowieso in Ordnung wären. Als Folge davon stand ihre Lehre und ihr eigenes Leben im Widerspruch, sie führten ein Doppelleben, und zwar auf raffinierte und professionelle Weise. Wie ernst das Problem ist, das Wort zwar zu hören, aber nicht praktisch danach zu leben, hat Jesus im Gleichnis vom Hausbau beschrieben, wo er sagt: „Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß“ (7,24-27). Das Tun des Wortes ist im wahrsten Sinne des Wortes von fundamentaler Bedeutung. Aber die Pharisäer und Schriftgelehrten ignorierten das in grob fahrlässiger Weise. Weil sie Gottes Wort zwar lehrten, aber selber nicht danach lebten, hatte ihr Leben keine richtige Grundlage, und ihr ganzes Leben war auf Sand gebaut.

Wie weit gingen sie in ihrer Praxis, die anderen zu lehren, aber selber nicht danach zu leben? Jesus sagt im Vers 4: „Sie binden schwere und unerträg­li­che Bürden und legen sie den Menschen auf die Schultern; aber sie selbst wollen keinen Finger dafür krümmen.“ Sie leiteten von Gottes Gesetz viele Satzungen und Regeln ab und schnürten daraus unerträglich schwere Pakete zusammen und erlegten sie den Menschen auf und forderten von ihnen, sie Tag zu Tag zu tragen. Aber sie selbst machten nicht einmal einen Finger dafür krumm. Sie hielten es offenbar für ausreichend, wenn sie das Wort verstehen und an andere weitergeben konnten. Dadurch versäumten sie ständig die Gelegenheit, durch den praktischen Gehorsam Gott zu begegnen und sich selbst vor dem Wort als Sünder zu er­ken­nen. Auf diese Weise lebten sie nicht vor Gott, sondern nur vor den Menschen und bemühten sich le­dig­lich darum, die Fassade eines äußerlich frommen Lebens aufrecht zu erhalten. Das hatte tragische Folgen.

Was kann das für uns bedeuten? Wir wenden auch relativ viel Zeit und Mühe auf, um Gottes Wort zu studieren, und haben die Aufgabe, es auch an andere weiterzugeben. Dazu kommen wir zum Bibel­studium, Gebetsstunde und Gottesdienst zusammen. So weit, so gut. Aber es besteht auch für uns eine Gefahr, wie die Pharisäer zu werden, wenn wir nämlich Gottes Wort nur theoretisch studieren und es vielleicht auch andere lehren, es aber versäumen, das Wort auf uns selbst zu beziehen und ihm selber praktisch zu gehorchen. Dann stehen wir in der Gefahr, äußerlich zwar weiter am Bibelstudium und am Gottesdienst teilzunehmen, aber immer weniger persönlich Gemeinschaft zu haben und seinem Wort im Wirklichkeit nicht mehr zu gehorchen, und dann haben wir bereits die gleiche tragische Entwicklung begonnen, wie die Schriftgelehrten und Pharisäer sie durchlaufen habenund müssten dasselbe Ende wie sie erfahren. Wie können wir das vermeiden? Wir müssen das unbedingt vermeiden. Wir dürfen nie zulassen, dass wir nur ein äußerliches Glaubensleben führen. Kurz gesagt müssen wir nach Vers 3 uns selber mit dem Wort Gottes belehren und ihm Alltag gehorchen. Wir sollen uns immer neu selbst unter das Wort stellen und im Licht des Wortes Gottes Wesen und seinen Willen und auch uns selbst neu erkennen und uns entscheiden, dementsprechend zu leben, und sollen ernsthaft jeden Morgen neu Gott um Hilfe bitten, dass wir praktisch danach leben können. Das können wir tun, wenn wir wenigstens einmal in der Woche vor Gott zu seinem Wort eine Stellungnahme schreiben und dann jeden Tag ernsthaft dafür beten und darum kämpfen, nach dem Willen Gottes, den wir erkannt haben, auch praktisch zu leben. Dann und nur dann kann unser Leben im Einklang mit Gottes Willen stehen und mit dem, was wir selbst sagen, und wir können verhindern, dass unser Leben oberflächlich und scheinheilig wird wie das der Pharisäer. Möge Gott uns dabei helfen, uns jeden Tag und jede Woche unter Gottes Wort zu stellen, es für uns persönlich anzunehmen und danach zu leben, sodass wir kluge Menschen werden, die Gottes Wort hören und tun und die dadurch andere auf Gott hinweisen!

Was war überhaupt das Motiv der Pharisäer und Schriftgelehrten, aus dem sie ihr scheinbar frommes Leben führten, wenn es ihnen offensichtlich gar nicht darum ging, durch ihre Taten Gottes Anerkennung zu erlangen? Jesus sagt: „Alle ihre Werke aber tun sie, damit sie von den Leuten gesehen werden. Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Kleidern groß. Sie sitzen gern obenan bei Tisch und in den Synagogen und haben’s gern, dass sie auf dem Markt gegrüßt und von den Leuten Rabbi genannt werden“ (5-7). Ihr Beweggrund für ihre religiösen Tätigkeiten war es, die Anerkennung der anderen Menschen zu erlangen. Damals trugen gesetzestreue Juden zum Gebet an der Stirn und am linken Arm Riemen, an deren Enden in ledernen Kapseln Pergamentstückchen mit Schriftworten enthalten waren, durch die sie sich an Gottes Worte erinnern wollten. Die Schriftgelehrten und Pharisäer machten diese Gebetsriemen auffallend breit, damit man ihre scheinbare Frömmigkeit von weitem erkennen konnte. Auch die Quasten, die die Juden damals an den vier Zipfel ihres Gewandes anbrachten und die sie an Gottes Worte erinnern sollten, machten sie besonders groß, damit man ihnen schon von weitem ihre Frömmigkeit ansehen konnte. Auf diese Weise machten sie alle religiösen Dinge, die sie eigentlich vor Gott und für ihn tun sollten, vor den Menschen, um von ihnen als fromm angesehen zu werden – obwohl sie tatsächlich in ihrem Alltag weder nach dem Wort Gottes lebten noch aufrichtig zu Gott beteten. Jesus hatte in der Bergpredigt gelehrt: „Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmer­lein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten“ (6,6). Aber sie beteten lieber stehend in den Synaogen und an den Straßenecken, um durch ihr Gebet ihre Frömmigkeit vor den Menschen zu demonstrieren. Aus demselben Motiv saßen sie auch gerne in den Synagogen ganz vorne und am Tisch am Kopfende und ließen sich auf dem Marktplatz von den Leuten grüßen und „Rabbi“ nennen, was so viel wie „werter Meister“ heißt. Sie liebten die Ehre bei den Menschen mehr als die Ehre bei Gott.

Was sagte Jesus den Jüngern aus seinem inständigen Herzenswunsch heraus, dass sie nicht wie die Pharisäer und Schriftgelehrten werden sollten? Betrachten wir die Verse 8-10. Jesus ermahnte sie, dass sie sich nicht Meister lassen sollten, weil nur einer ihr Meister ist, nämlich Jesus selbst. Keiner von ihnen sollte sich Vater nennen lassen, weil nur allein Gott unser aller Vater ist. Sie sollten sich auch nicht Lehrer nennen lassen und sich auf diese Weise über die anderen Menschen stellen, als ob nur sie allein Gottes Willen richtig lehren könnten und die Menschen nur durch sie zu Gott kommen könnten. Jesus betont, dass die Jünger alle Brüder und daher vor Gott gleich sind und dass niemand berechtigt ist, sich über die anderen zu stellen und sich als ihr Vermittler mit Gott darzustellen.

Wie sollen wir als Jünger Jesu vielmehr leben? Betrachten wir Vers 11: „Der Größte unter euch soll euer Diener sein.“ Jesu Jünger sollen sich nicht über die anderen Menschen stellen, sonderns sollen sich als ihre Diener verstehen und ihnen dienen. Um das tun zu können, müssen wir uns selbst erniedrigen. Das ist für niemanden leicht. Aber Jesus sagt: „Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht“ (12). Jesu Wort ist eine Verheißung, die uns die geistliche Realität lehrt. Wir sollen uns nicht für besser als andere halten, wie etwa die Pharisäer sich über die anderen Menschen gestellt haben, sonst werden schließlich wir sie erniedrigt werden. Wir sollen uns vielmehr erniedrigen und den anderen dienen, wie Jesus es getan hat, der sich selbst erniedrigt und allen Arten von Menschen gedient hat und schließlich von Gott hoch erhöht wurde. Es reicht nicht, wenn wir das verstanden haben, sondern wir müssen das verinnerlichen und praktisch als Diener der Studenten leben. Wenn wir auf diese Weise Jesu Wort gehorchen, sind wir Täter des Wortes und das wird wirksam der Gefahr vorbeugen, dass wir wie die Pharisäer werden. Möge Gott uns helfen, immer demütig vor Gott und vor den anderen Menschen zu sein! Gott helfe uns vor allem dabei, mit ihm täglich Gemeinschaft zu haben und seine Worte auf uns selbst zu beziehen und ihnen praktisch zu gehorchen, sodass wir wirklich als Christen leben und unsere Worte und unser praktisches Leben übereinstimmen!

II. Jerusalem, Jerusalem! (13-39)

Wir können uns vorstellen, dass Jesu warnende Worten über die Schriftgelehrten und Pharisäer von etliche von ihnen, die in der Nähe standen, gehört wurden und sie nach und nach dazu­kamen. Sie müssen Jesus deswegen empört und voller Zorn angeschaut haben. Aber Jesus ließ sich nicht davon einschüchtern, sondern sprach sieben Wehrufe über sie aus. Jesu Wehrufe waren die beste und letzte Gelegenheit, durch die sie sich selbst erkennen und Buße tun konnten. Lasst uns durch Jesu Wehrufe noch klarer erkennen, wer sie waren, was das Ausmaß und wie schlimm die Auswirkung ihres heuchlerischen Lebens war und wir uns von ihrem Einfluss schützen können!

Betrachten wir den ersten Wehruf in den Versen 13 und 14: Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich zuschließt vor den Menschen! Ihr geht nicht hinein und die hineinwollen, lasst ihr nicht hineingehen“. Hier nennt Jesus sie Heuchler. Sie lebten nicht nach dem, was sie in Gottes Wort erkannt hatten und was sie auch die anderen lehrten. Trotzdem wollten sie Anerkennung der anderen Menschen als fromme Menschen erlangen und mussten deshalb Glauben und Frömmigkeit heucheln, die sie in Wirklichkeit nicht hatten. Der erste Wehruf erging sie, weil sie das Himmelreich für andere Menschen zuschlossen. Sie weigerten sich nicht nur selbst Jesu Einladung zum Leben unter seiner Herrschaft anzunehmen, sondern ließen auch die anderen, die eigentlich hineinwollten, nicht hinein, indem sie Jesus offen kritisierten, ablehnten und verleumdeten. So hinderten sie Menschen am Glauben und an der Errettung durch Jesus. Auf diese Weise hatte ihr heuchlerisches Leben ohne Gehorsam einen katastrophalen Einfluss auf andere.

Betrachten wir den zweiten Wehruf: „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr Land und Meer durchzieht, damit ihr einen Judengenossen gewinnt; und wenn er’s geworden ist, macht ihr aus ihm ein Kind der Hölle, doppelt so schlimm wie ihr.“ Der zweite Wehruf erging gegen sie wegen des bösen Einflusses ihrer Aktivitäten, ihres vermeintlichen Dienstes für Gott. Sie wirkten mit Eifer fleißig und unternahmen sogar weitere Reisen ins Ausland, um Menschen zum jüdischen Glauben zu bekehren. Aber wenn sie einen Heiden zum Judengenossen bekehrten hatten, lehrten sie ihn absichtlich und unabsichtlich ein scheinheiliges heuchlerisches Glaubensleben zu führen und machten so aus ihm ein Kind der Hölle, das sogar doppelt so schlimm wie sie selbst, weil er von Anfang an unter ihrem schlechten Einfluss stand. Hier sehen wir, dass sie wegen ihres Lebens ohne Gehorsam gegenüber Gottes Wort nicht nur selbst verkehrte Menschen wurden, sondern auch auf andere Menschen schrecklichen Einfluss ausübten.

Betrachten wir den dritten Wehruf: „Weh euch, ihr verblendeten Führer, die ihr sagt: Wenn einer schwört bei dem Tempel, das gilt nicht; wenn aber einer schwört bei dem Gold des Tempels, der ist gebunden.“ Der dritte Wehruf hatte ihre geistliche Verblendung zum Inhalt. Jesus nannte sie „verblendete Führer“. Ihre Verblendung war eine Folge davon, weil sie nur andere lehrten, aber selbst nicht nach dem Wort gehandelt haben. Dadurch dass sie nur theoretisch über das Wort nachdachten, konnten sie den wahren Sinn nicht verstehen und verpassten die Gelegenheit, sich selbst zu erkennen und welchen Willen Gott mit dem Wort ausgedrückt hat. Als Folge davon entwickelten sie ein sehr eigenartiges Verständnis und entwickelten Gedanken und Theorien, die unvernünftig und von Gottes Willen weit entfernt waren. So sagten sie z.B., dass ein Schwur beim Tempel ungültig sei, aber ein Schwur beim Gold des Tempels bindend wäre. Das war unlogisch und töricht; denn der Tempel selbst war heilig, das Gold war nur eine Verzierung davon. Jesus lehrte sie: Ihr Narren und Blinden! Was ist mehr: das Gold oder der Tempel, der das Gold heilig macht? Oder: Wenn einer schwört bei dem Altar, das gilt nicht; wenn aber einer schwört bei dem Opfer, das darauf liegt, der ist gebunden. Ihr Blinden! Was ist mehr: das Opfer oder der Altar, der das Opfer heilig macht? Darum, wer schwört bei dem Altar, der schwört bei ihm und bei allem, was darauf liegt. Und wer schwört bei dem Tempel, der schwört bei ihm und bei dem, der darin wohnt. Und wer schwört bei dem Himmel, der schwört bei dem Thron Gottes und bei dem, der darauf sitzt.“ Ihre verzerrte Sichtweise und verkehrtes Verständnis kamen daher, dass sie Gottes Worte nur theoretisch im Kopf bedachten, ohne persönlich zu Gott zu kommen im Gebet und eine Beziehung zu ihm zu haben und ohne ihm praktisch zu gehorchen. Als Folge davon wurden sie Narren und Blinde, die eigentlich intelligent waren und sehr gute Kenntnisse der Bibel hatten. Wenn wir Gottes Worte eher theoretisch betrachten, anstatt darin Gottes Willen für uns selbst zu finden und ihm zu gehorchen, können auch wir leicht unwichtige Dinge wichtig nehmen und ein eigenartiges Verständnis der Schrift entwickeln. Wenn wir dies bei uns feststellen, ist es ein Merkmal dafür, dass wir es versäumen, mit Gott genug Gemeinschaft zu haben und seinem Wort persönlich zu gehorchen.

Wie schlimm war ihre geistliche Blindheit? Wegen ihrer geistlichen Blindheit konnten sie auch Gottes größtes Werk nicht erkennen und Jesus nicht als ihren Messias wahrnehmen. Wegen ihrer Blindheit konnten sie auch ihre eigene Lage nicht erkennen. Jesus hatte ihnen durch seine Gleichnisse bestmögliche Gelegenheiten gegeben, dass sie sich selbst erkennen konnten. Aber das Wort Jesu ging an ihnen vorbei, sodass sie einfach in ihrer eigenen Gedankenwelt blieben und weder Gott noch sich selbst erkannten. Weil sie es grob vernachlässigten, Gottes Worte auf sich selbst zu beziehen und von Herzen davon zu lernen, wurden sie geistlich blind und dumm, obwohl sie gute Augen und einen gut funktionierenden Kopf hatten. So wurden sie die tragischsten Menschen in der Geschichte.

Betrachten wir Jesu vierten Wehruf: „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr den Zehnten gebt von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste im Gesetz beiseite, nämlich das Recht, die Barmherzigkeit und den Glauben! Doch dies sollte man tun und jenes nicht lassen. Ihr verblendeten Führer, die ihr Mücken aussiebt, aber Kamele verschluckt!“ Im vierten Wehruf nennt Jesus sie nochmals Heuchler und verblendete Führer. Sie hielten manche kleineren Dinge im Gesetz sehr genau; zum Beispiel legten sie, wenn sie mittags in ihrem Gemüsegarten einige Kümmelkörner für ihren Salat holten oder einige Minzeblätter für ihren Abendtee, immer eines von zehn Körnern bzw. Blättern beiseite, um es zum Priester als Opfergabe zu bringen. Gleichzeitig aber ignorierten sie das Wichtigste im Gesetz, nämlich in einer richtigen Beziehung zu Gott zu leben, die Barmherzigkeit zu anderen und den Glauben an Gott und sein Wort zu haben. Mit ihrem peinlich genauen Einhalten bestimmter äußerer Vorschriften bekamen sie das Gefühl von Frömmigkeit und Gerechtigkeit, mit dem sie sich über ihre schwerwiegenden Versäumnisse hinwegtäuschten. Sie dachten offenbar, dass sie vor Gott bestehen könnten, wenn sie manche äußerlichen Gebote ganz genau hielten, und merkten nicht, dass sie den grundlegenden Willen Gottes in der Bibel in grob fahrlässiger Weise missachteten. Auf diese Weise waren sie wie Menschen, die aus ihrem Getränk sorgfältig jede Mücke aussiebten, aber ganze Kamele verschluckten. Dieses unglaubliche Verhalten war auch ein Resultat davon, dass sie das Gesetz Gottes nur gelehrt, aber nicht darum gekämpft haben, selbst danach zu leben. Dadurch war auch ihr Denken von der geistlichen Wirklichkeit abgekommen, sodass sie den Blick dafür verloren, was vor Gott wichtig ist, das, was Gott am wichtigsten ist, im großen Stil leichtfertig ignorierten.

Betrachten wir den fünften Wehruf im Vers 25: „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr die Becher und Schüsseln außen reinigt, innen aber sind sie voller Raub und Gier!“ Der fünfte Wehruf richtete sich gegen sie, weil sie sich nur äußerlich gesehen um ein reines Leben kümmerten, aber ihr Inneres nicht gereinigt haben.Mit den Bezeichnungen „Ihr Heuchler“ und „du blinder Pharisäer“ hat Jesus ihr heuchlerisches, verkehrtes Verhalten unter­strichen und ihre Blindheit, durch die sie es nicht gemerkt haben. Sie bemühten sich sehr, das Geschirr, das sie verwendeten, kultisch rein zu halten. Aber im Kontrast zu solchen äußeren Ritualen war ihr Herz in einem schlimmen, schmutzigen Zustand, voller Neid, Habgier, Zorn, Ehebruch usw. Jesus sagte: „Du blinder Pharisäer, reinige zuerst das Innere des Bechers, damit auch das Äußere rein wird!“ Sie sollten vor Gott für ihr unreines Herz Buße tun, was jeder Mensch tun kann, der von Gott weiß. Aber wir erfahren nichts von einer positiven Reak­tion. Sie waren inzwischen so stolz und so blind für ihre eigene Realität, dass sie ihren schlim­men inneren Zustand nicht erkennen konnten, sondern sich sogar einbildeten, dass sie vor Gott vorbildlich oder zumindest in Ordnung wären. Auch das war eine Folge davon, dass sie sich nicht selber lehrten.

Betrachten wir den sechsten Wehruf: Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr seid wie die übertünchten Gräber, die von außen hübsch aussehen, aber innen sind sie voller Totengebeine und lauter Unrat! So auch ihr: von außen scheint ihr vor den Menschen fromm, aber innen seid ihr voller Heuchelei und Unrecht.“ Im sechsten Wehruf verglich Jesus sich mit übertünchten Gräbern. Die Juden hatten die Praxis, dass sie Gräber, die in der Nähe von Fußwegen waren, mit Farbe anmalten, damit sie niemand berühren und sich dadurch unrein machen würde. Dieses Bild glich den Pharisäer und Schrift­gelehrten, die durch ihr unechtes, heuchlerisches Glaubensleben zwar an der Fassade schön aussahen, aber innerlich voller Dreck und Elementen des Todes waren. Das Schlimmste dabei war, dass sie trotz ihrer inneren Verdorbenheit von sich selbst und ihrer Frömmigkeit überzeugt waren und so keine Chance hatten, Buße zu tun, es sei denn, dass sie Jesu Wort akzeptierten.

Betrachten wir den siebten und letzten Wehruf Jesu in den Versen 29-30: Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr den Propheten Grabmäler baut und die Gräber der Gerechten schmückt und sprecht: Hätten wir zu Zeiten unserer Väter gelebt, so wären wir nicht mit ihnen schuldig geworden am Blut der Propheten!“ Im letzten Wehruf klagt Jesus ihr heuchlerisches, böses Verhalten gegenüber Gottes Knechten an. Sie bauten den Propheten, die ihre Väter früher getötet hatten, nachträglich Grabmäler und schmückten die Gräber der Gerechten, die von ihren Vätern umgebracht worden waren. Auf diese Weise distanzierten sie sich öffentlich von ihren Vätern und behaupteten, dass sie sich an ihrer Stelle nicht so verhalten hätten. Aber Jesus durchschaute sie und sagte: Damit bezeugt ihr von euch selbst, dass ihr Kinder derer seid, die die Propheten getötet haben.“ Jesus wusste, dass ihre Distanzierung von ihren Vätern nur zum Schein war und wie alles andere nur ihr Image beim Volk aufpolieren sollte. In Wirklichkeit war Umgang mit Gottes Dienern nicht besser als der ihrer Väter, sondern sogar noch schlimmer. Daher sagt Jesus weiter: „Wohlan, macht auch ihr das Maß eurer Väter voll! Ihr Schlangen, ihr Otternbrut!“ Jesus wusste, dass sie in Wirklichkeit falsche Schlangen, verlogen und böse. Jesus wusste, dass sie in wenigen Tagen den Sohn Gottes selbst verhaften lassen und schuldlos zum Tod verurteilen würden. Voller Schmerz darüber sagte Jesus zu ihnen: „Wie wollt ihr der höllischen Verdammnis entrinnen?“ Weil sie in ihrer Bosheit und Verblendung bis zum Äußersten gehen würden, würden sie sich unweigerlich das Gericht zuziehen. Jesus sagt weiter: „Darum: siehe, ich sende zu euch Propheten und Weise und Schrift­gelehr­te; und von ihnen werdet ihr einige töten und kreuzigen, und einige werdet ihr geißeln in euren Synagogen und werdet sie verfolgen von einer Stadt zur andern. Jesus kündigte ihnen an, dass er ihnen Propheten, Weise und Schriftgelehrte senden, nämlich seine Apostel und Jünger, die ihnen an allen Orten das Evangelium verkündigen würden. Aber sie würden einige von ihnen töten und kreuzigen oder in ihren Synagogen geißeln und würden sie von einer Stadt zur andern verfolgen. Wie wir wissen, haben sie tatsächlich bald nach der Entstehung der ersten Gemeinde in Jerusalem Hand an die Apostel gelegt und ließen einige von ihnen schlagen; und es waren hauptsächlich die scheinbar frommen Juden, die im ersten Jahrhundert die Christen von einer Stadt zur anderen verfolgten und die Ausbreitung des Evangeliums massiv zu verhindern versuchten.

Welches Gericht würden sie sich durch ihre Sünde zuziehen? Jesus sagt weiter: „damit über euch komme all das gerechte Blut, das vergossen ist auf Erden, von dem Blut des gerechten Abel an bis auf das Blut des Secharja, des Sohnes Berechjas, den ihr getötet habt zwischen Tempel und Altar. Wahrlich, ich sage euch: Das alles wird über dieses Geschlecht kommen.“ Hier kündigt Jesus das harte Gericht an, das über sie kommen würde. Dadurch würde auch das Blut der Märtyrer vergolten, die durch sie gestorben waren. Wie wir wissen, hat dieses Geschlecht tatsächlich das Gericht getroffen, und zwar genau so, wie Jesus es hier vorausgesagt hat. 70 nach Chr., also etwa 40 Jahre später, kam es zu einer beispiel­losen Belagerung und Zerstörung von Jerusalems, der Staat Israel verschwand für fast 2000 Jahre völlig von der Landkarte und auch das Pharisäertum verschwand.

Betrachten wir Vers 37:Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt! Siehe, euer Haus soll euch wüst gelassen werden.“ In diesem Vers drückt Jesus sowohl seine inständige Liebe zu ihnen aus als auch den eigentlichen Grund für ihr geistlichen Scheiterns und seine Folgen!Jesus hatte immer wieder versucht, sie zu sich einzuladen, damit sie unter seiner guten Herrschaft im Frieden mit Gott leben könnten. Aber sie hatten Jesu Bemühungen und seine Einladungen bis zum Ende verworfen. Der Grund war nicht, dass sie nicht zu Gott kommen wollten, sondern ihr scheinheiliges Leben in der Welt genießen wollten. Dass sie, nachdem sie alle Propheten Gottes abgelehnt hatten, auch Jesu Einladung und Jesus selbst ablehnten, war der entscheidende Grund für ihr Scheitern und das Gericht, dass sie sich dadurch unweigerlich zuzogen.

Jesus sagte ihnen voraus: „Denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Sie meinten, dass sie fest im Sattel säßen und die Zügel alle in der Hand hätten und dass sie Jesus nun schnellstens beseitigen und ihn nie wieder sehen würden. Aber sie werden Jesus wieder sehen, wenn er als Herr und Richter wiederkommen würden. Dann werden sie ihn zwangsläufig loben müssen, da bei seiner Wiederekunft alle Knie sich vor ihm beugen und alle Zungen bekennen müssen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes des Vaters (Phil 2,11).

Wir haben heute Jesu Warnung und seinen Tadel an die Schriftgelehrten und Pharisäer gehört und den Grund für ihre tragische Entwicklung betrachtet. Auf den ersten Blick hatten sie scheinbar kaum eine Chance, sich selbst zu erkennen, da sie so stolz und begierig nach Ansehen von den Menschen und nach weltlichen Dingen waren und dadurch verblendet waren. Aber Jesus hat im Vers 3 den Grund genannt, den sie hätten ändern können, nämlich dass sie das Wort Gottes zwar betrachteten und lehrten, aber sich selbst nicht belehrten und danach lebten. Als Christen müssen wir uns immer neu selbst belehren lassen von Gottes Wort und davor Buße tun und darauf sehr achten, dass wir ihm praktisch gehorchen. Das ist das A und O im Glaubensleben und der sichere Schutz davor, der Tendenz der Pharisäer zu verfallen und ihren Weg zu gehen. Möge Gott jedem von uns dabei helfen! Lesen wir das Leitwort: „Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt!“

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