Der Gebetskampf
„Wiederum ging er zum zweiten Mal hin, betete und sprach: Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht an mir vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! “
(Matthäusevangelium 26,42)
In der Bibel gibt es zahlreiche Erzählungen darüber, dass sich Menschen schwer damit taten, den Willen Gottes zu tun. Sie gingen damit unterschiedlich um: Die einen diskutierten mit Gott oder machten Gegenvorschläge, andere verlangten erst einmal ein Wunder. Jonah floh sogar von Gott, als er Gottes Auftrag nicht erfüllen wollte. Die Israeliten murrten und machten Gott Vorwürfe. Auch der Herr Jesus hatte am Ende seines Lebens mit einem Willen Gottes zu tun, der ihm alles andere als leichtfiel. Doch wie ging Jesus damit um? Jesus kämpfte. Jesus murrte nicht, Jesus diskutierte nicht, nein, er kämpfte. Es war nicht ein Kampf mit Schwert und Lanze, sondern ein Kampf des Gebets. In zwei Wochen feiern wir Ostern, wo wir der Auferstehung unseres Herrn Jesus gedenken. Jesu Auferstehung ist ein Ereignis des Sieges, ein Sieg gegen den Tod. Doch dieser Sieg fiel nicht einfach so vom Himmel. Diesem Sieg ging ein bitterer Gebetskampf voraus. Auch wir kennen es: Gott verlangt etwas, was uns schwerfällt. Doch der heutige Text gibt uns eine Antwort darauf, wie wir damit umgehen sollen. Wir wollen ihn anhand von drei Fragen betrachten:
1. Was blockiert den Gebetskampf?
2. Was ist die Grundlage unseres Gebetskampfes?
3. Wie sollten wir den Gebetskampf ausführen?
1. Blockade des Gebetskampfes (V. 31 – 35)
Nach dem Abendmahl kündigte Jesus den Jüngern an, dass sie alle Anstoß an ihm nehmen würden. Diese Ankündigung von Jesus beruhte nicht einfach auf eine Annahme oder Vermutung von Jesus. Jesus berief sich hierbei auf eine Stelle aus Sacharja 13,7. Laut Sacharja würden die Jünger Jesus im Stich lassen, und zwar ausgerechnet in der schlimmsten Stunde seines Lebens. Eigentlich ist es schon glaubwürdig genug, wenn Jesus etwas ankündigt – eben weil es Jesus gesagt hat. Dass Jesus seine Ankündigung zusätzlich mit der Schrift untermauert hatte, hätte eigentlich jedem Widerspruch den Wind aus den Segeln nehmen müssen. Doch wie reagierte Petrus auf die Ankündigung von Jesus? Im Vers 33 erfahren wir, dass Petrus Jesus mit aller Deutlichkeit widerspricht. Eigentlich ist ja die Logik so: „Wenn alle anderen an Jesus Anstoß nehmen werden, dann bestimmt ich auch. Warum sollte es bei mir anders sein?“ Aber bei Petrus stand die Logik auf dem Kopf – er sagte: „Wenn alle an dir Anstoß nehmen werden, ich werde niemals Anstoß nehmen“ (V. 33). Das bedeutet so viel wie: „Ich liebe dich mehr als die anderen, ich bin besser als die anderen, ich bin geistlicher als die anderen“. Doch Jesus korrigierte Petrus mit den Worten: „Wahrlich, ich sage dir, dass du in dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, mich dreimal verleugnen wirst.“ (V. 34). Petrus hatte gesagt: „Niemals“, doch Jesus sagte „drei Mal!“ Aber nicht nur das, diese dreimalige Verleugnung geschah noch ehe der Hahn krähte, also rasch, ohne Verzögerung folgte eine Verleugnung der anderen. Petrus musste nicht erst unter Folter gesetzt werden, um Jesus zu verleugnen. Bereits die Worte einer Magd und eines Knechtes versetzten ihn in so einer großen Angst, dass er Jesus mehrfach verleugnete. Doch Petrus beharrt auf Gedeih und Verderb auf seinen Standpunkt – nicht einmal, wenn der Druck so groß wäre, dass sein Leben aufs Spiel stünde, würde er Jesus verleugnen (V. 35). Zwischen dem, was Jesus über Petrus sagte, und dem wie, Petrus über sich selbst sprach, lagen Welten. Petrus Worte: „Wenn alle an dir Anstoß nehmen werden, ich werde niemals Anstoß nehmen.“ und „Selbst wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen.“ – das sind Worte von tiefster Überzeugung, das sind Worte von felsenfester Gewissheit und doch Worte voller Irrtum. Wie ist so etwas möglich? Die Antwort ist: Selbstvertrauen – die tiefe Gewissheit, dass die eigene Überzeugung, die eigene Wahrnehmung, die eigene Sichtweise, das eigene Selbstbild usw. ganz bestimmt richtig sind. Bemerkenswert ist, dass Jesus die Aussage des Petrus so stehen lässt. Es scheint so, als ob Petrus die Diskussion gewonnen hätte. Warum korrigierte Jesus Petrus nicht weiterhin? Der Grund ist ganz einfach: „Es hätte nichts gebracht.“ Dieses Selbstvertrauen steckte in Petrus so tief drin, dass er sich nicht einmal von dem Sohn des allwissenden Gottes eines Besseren belehren ließ. Es gab jetzt nur noch eine Sache, die Petrus´ Selbstvertrauen hätte knicken können – Petrus musste das, was Jesus über ihn vorausgesagt hatte, mit eigener Haut erfahren. Es zu hören, genügte nicht. Anders gesagt: Petrus musste ordentlich auf die Nase fallen. In Ps. 119,67 heißt es: „Bevor ich gedemütigt wurde, irrte ich. Jetzt aber halte ich dein Wort.“
War aber das Selbstvertrauen nur ein Problem von Petrus gewesen? Am Ende von Vers 35 heißt es: „Ebenso sprachen auch alle Jünger.“ Eigentlich hätten die Jünger zu Petrus sagen müssen: „Petrus, weißt du es etwa besser als Jesus? Jesus weiß schon, was er sagt.“ Aber anstelle Petrus zurechtzuweisen, redeten sie in derselben Weise wie er. Selbst die Jünger, die bereits mit Jesus drei Jahre zusammen waren, hatten immer noch sehr viel Selbstvertrauen. Wenn schon sie, um wie viel mehr andere. Selbstvertrauen ist ein grundsätzliches Problem des Menschen.
Aber was hat das Ganze mit Gebet zu tun? Die Jünger hatten mit Jesus schon so allerlei Anfechtungen erlebt. Doch nun stand ihnen die größte Anfechtung bevor. Aus dem Lukasevangelium wissen wir, dass Jesus zu Petrus sagte: „Simon, Simon! Siehe, der Satan hat euer begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhört“ (Lk 22,31.32). Die Jünger standen in der Gefahr, vom Glauben abzufallen. Gerade jetzt war es angesagt, zu beten. Im Vers 41 ermahnte sie Jesus mit den Worten: „Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt!“ Es war ein Moment der größten Notwendigkeit von Gebet. Doch was taten die Jünger ausgerechnet in diesem Moment? Sie schliefen. Sie schliefen, obgleich sie Jesus mehrmals dazu aufgefordert hatte, zu wachen. Im Vers 40 erfahren wir, dass sie nicht einmal eine Stunde mit Jesus wach blieben. Wie konnten die Jünger in so einem akuten Moment schlafen, anstatt zu beten? Offenbar hatten sie viel zu wenig erkannt, wie sehr gerade sie gerade jetzt das Gebet nötig hatten. Weil sie zu sehr auf sich selbst vertrauten, konnten sie zu wenig die Notwendigkeit des Gebets erkennen. Ihr Selbstvertrauen hatte sie für die eigene Schwachheit blind gemacht.
Die Jünger waren zwar so willig gewesen, dass sie bereit waren, ihr Leben für Jesus zu lassen, aber gleichzeitig doch so schwach, dass sie Jesus, ihrem besten Freund, in der schlimmsten Zeit seines Lebens nicht einmal eine Stunde Beistand leisten konnten. Die eigene Willigkeit oder gute Einstellung der Jünger reichte nicht aus, um der bevorstehenden Anfechtung standzuhalten. Willigkeit und gute Einstellung sind zwar unerlässlich, aber sie reichen allein nicht aus. Jesus sagte zu den Jüngern: „Der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach.“ Mit diesen Worten ermahnte sie Jesus, nicht auf ihre Willigkeit oder guten Einstellung zu vertrauen, sondern sich vielmehr der Schwachheit ihres Fleisches bewusst zu sein. Dadurch würde ihnen klar werden, wie sehr sie auf das Gebet angewiesen sind. Doch das Selbstvertrauen der Jünger machte sie blind für ihre eigene Schwachheit.
Das Beispiel der Jünger lehrt uns, dass Selbstvertrauen das Gebet behindert. Wie sehr sind wir uns der eigenen Schwachheit bewusst? Wie sehr meinen wir, mit einer guten Einstellung ist schon alles getan? Wie sehr haben wir Jesu Worte: „Ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,5) im Herzen verstanden? Es hat was unglaublich Befreiendes an sich zu wissen, dass wir nichts aus uns selbst heraustun können und es damit auch nicht müssen. Dies im Herzen verstanden zu haben, treibt uns zum Gebet. In Phil. 2,13 steht: „denn Gott ist es, der in euch sowohl das Wollen als auch das Vollbringen wirkt nach seinem Wohlgefallen.“ Von Gott kommt nicht nur das Vollbringen, sondern auch das Wollen. Zu wissen, dass alles vom Herrn erbeten werden darf und muss, ermutigt, im Gebet zu kämpfen und zu ringen. Beten wir, weil wir es müssen, oder beten wir, weil wir es brauchen? Je mehr unser Gebet aus einem Bedürfnis heraus geschieht, desto leichter fällt es uns, im Gebet zu kämpfen.
Da das eigene Selbstvertrauen für den Gebetskampf hinderlich ist, müssen wir es dem Herrn erlauben, es zu schleifen. Jesus gebraucht sein Wort oder bestimmte Situationen, um uns unsere Schwachheit zu offenbaren. Anders als die Jünger sollen wir die Offenbarung der eigenen Schwäche annehmen, anstelle ihr zu widersprechen. Möge Gott einen jeden von uns schwach machen. Denn Gott ist im Schwachen mächtig (2. Kor. 12,9).
Während das Verhalten der Jünger im Garten Gethsemane von Versagen zeugt, zeugt Jesu Gebetskampf von Heldentum. Damit kommen wir auch schon zum 2. Teil der Predigt.
2. Jesu Gebetskampf – die Grundlage unseres Gebetskampfes (V. 36 – 46)
Im Kommentar von MacDonald zu der Begebenheit in Gethsemane heißt es: „Niemand kann diesen Bericht aus dem Garten Gethsemane lesen, ohne zu merken, dass er heiliges Land betritt. Jeder, der hier versucht zu kommentieren, verspürt eine enorme Ehrfurcht und den Wunsch zur Zurückhaltung. Wie Guy King schrieb: „Der überragende Charakter des Ereignisses lässt einen fürchten, man könne es durch Berührung irgendwie verderben“ (MACDONALD, W. 20095: 145)1. Mir geht es ebenso – ich bin dankbar, wenn durch die Predigt zumindest ein Hauch von dem, was damals im Garten Gethsemane wirklich geschah, rüberkommt. Nach dem Abendmahl ging Jesus mit seinen Jüngern hinaus zum Ölberg. Dort befand sich ein Grundstück namens Gethsemane. Gethsemane bedeutet „Ölpresse“, weil dort Oliven gepresst wurden, um Öl herzustellen. Jesus hatte die Gewohnheit, diesen Ort mit seinen Jüngern aufzusuchen, um zu beten. Es war nicht das erste Mal, doch gleichzeitig war dieses eine Mal anders als die bisherigen Male. Vers 37 berichtet: „fing an, betrübt und geängstigt zu werden.“ Die Wolken hatten sich schon lange zusammengezogen und erschienen schwarz. Doch jetzt begann der Sturm ernsthaft loszubrechen (vgl. MATTHEW, H. 20132: 247)2. Jesus wurde von Angst und Traurigkeit ergriffen. Seinen vertrautesten Jüngern eröffnete er: „Meine Seele ist sehr betrübt, bis zum Tod“ (V.38). Betrübt bis zum Tod. Der Mann, dem die Elemente der Natur sofort gehorchten, vor dem der Tod floh, der keine Furcht kannte – der steht jetzt vor schwachen Jüngern, klagend, trauernd, zitternd, zagend! Sein ganzes Wesen bebt und schaudert; unaussprechliches Weh drückt sich in seinem Angesicht aus; eine Beklemmung, eine Bangigkeit, eine Angst, ein Todesweh – ein Zagen bis fast zum Zusammenbrechen -, eine Erschütterung seines Leibes und seiner Seele bis zum Erliegen, bis zum Vergehen erfasst ihn!“ (RIENECKER, F. 20112: 459)3. Wir können nur erahnen, wie es Jesus zumute war. Weil es Jesus so schrecklich erging, sagte er zu seinen vertrautesten Jüngern: Bleibt hier und wacht mit mir (V.38). Mit diesen Worten wünschte sich Jesus von seinen Jüngern Beistand.
Doch dann war der Zeitpunkt gekommen, dass Jesus alleine sein musste, ganz allein mit dem Vater. Im Vers 39 erfahren wir, dass sich Jesus von seinen Jüngern zurückzog, indem er ein Stück weiterzog. Ein paar Meter weiter fiel dann Jesus auf sein Angesicht. Jesu Hoffnungslosigkeit und Verzagtheit hatten ihn kraftlos gemacht. Er konnte und wollte nicht mehr länger stehen. Seine Not war so groß, dass er zu Gott flehentlich, mit aller Inständigkeit kommen wollte. Hebräer 5,7 verrät noch mehr darüber, wie Jesus im Garten Gethsemane gebetet haben muss: „Dieser hat in den Tagen seines Fleisches sowohl Bitten als auch Flehen mit lautem Rufen und Tränen dem dargebracht, der ihn aus dem Tod erretten konnte.“ Jesus redete nicht einfach nur ein paar Worte zu Gott. Nein, sein Gebet vollzog sich in Flehen, lautem Rufen und Tränen. Jesus lag auf dem Boden, krümmte sich wie ein Wurm und schrie aus der Tiefe seines Herzens, dass es weit durch die stille Nacht hallt (vgl. ebd.): „Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber! Doch nicht wie ich will, sondern wie du ⟨willst⟩ (V. 39).“
Inmitten von größter Angst, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit konnte Jesus immer noch sagen: „Mein Vater“ (V.39). Er glaubte weiterhin an die Liebe Gottes. Sein ganzes Gebet setzt sein Vertrauen auf die väterliche Liebe Gottes zu ihm. Und so bittet er: „wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber! (V.39)“ Der Kelch ist sowohl im Alten als auch im Neuen Testament ein Bild für den Zorn Gottes. Nicht der Zorn von Feinden, nein ausgerechnet der Zorn von seinem über alles geliebten Vater sollte ihn treffen. In Sacharja hatte es ja Gott vorausgesagt: „Ich werde den Hirten schlagen“. In erster Linie waren es weder die Heiden noch die Juden, die Jesus schlugen. Nein, „ich werde den Hirten schlagen“. In erster Linie war es Gott selbst, der seinen Sohn schlug, besser gesagt zerschlug. Dem Wortlaut nach lautet die Sacharja-Stelle so: „Schwert, mach dich auf über meinen Hirten, über den Mann, der mir der nächste ist!, spricht der HERR Zebaoth. Schlage den Hirten, dass sich die Herde zerstreue“ (Sach. 13,7). Gott holte Sein Schwert des Gerichts ausgerechnet gegen den aus, der ihm am nächsten ist. Während Seines Wirkens auf der Erde hatte sich Gott vom Himmel her mehrfach zu Jesus bekannt – z.B. bei der Taufe: „Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!“ (Mk. 1,11). Doch nun war der Zeitpunkt gekommen, dass Jesus seinen Vater ganz anders erleben musste als bisher, ja geradeso wie sein schlimmster Feind. Warum war das so? In 2. Kor. 5,21 heißt es: Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht. Am Kreuz trug Jesus nicht nur unser aller Sünde, nein er selbst wurde zur Sünde. Da musste sich selbst Gott von Jesus abwenden und ihm die volle Wucht Seines Zornes treffen lassen. Zudem, wie abscheulich muss es für Jesus, der ohne Sünde war, gewesen sein, für uns zur Sünde zu werden. Wir, die wir sündig sind, können es nicht ermessen, was für eine Abscheu Jesus dabei empfunden haben muss (MACDONALD, W. 20095: 145). Daher war es für Jesus, obgleich er der Sohn Gottes ist, alles andere als eine einfache Sache gewesen, den Kelch des Kreuzes aus Gottes Hand zu nehmen.
Doch wie schwer Jesus die Annahme dieses Kelches auch fiel, so betete er doch letztendlich für den Willen Gottes: „nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Sinngemäß hatte Jesus so gebetet: „Mein Vater, wenn es einen anderen Weg gibt, damit Sünder gerettet werden können, als ans Kreuz zu gehen, dann lass es auf diese andere Weise geschehen – aber nur unter der Voraussetzung, dass es im Einklang mit deinem Willen ist. Auf jeden Fall soll dein Wille geschehen.“ Wie lautete Gottes Antwort auf dieses Gebet? Nichts. Gott schwieg. Warum? Es gab keinen anderen Weg. Der Name des Ortes Gethsemane war Programm. Wie die Oliven sollte auch Jesus zerschlagen werden, sodass von ihm frisches Öl zu allen Gläubigen fließen könne (vgl. MATTHEW, H. 20132: 247)2.
Nach seinem ersten Gebet kehrt Jesus zu seinen Jüngern zurück. Vielleicht hatte sich Jesus erhofft, dass die Jünger ihm auf der Grundlage ihres Gebets ein Wort des Trostes geben konnten (RIENECKER, F. 20112: 460)3. Doch als Jesus seine Jünger antraf, fand er sie nicht betend, sondern schlafend. Jesus war zutiefst enttäuscht. „Also nicht eine Stunde konntet ihr mit mir wachen?“ (V.40) Als die Jünger einmal einen heftigen Seesturm erlitten, wachte Jesus auf, um ihnen zu helfen. Doch die Jünger hingegen schliefen, als sich Jesus im heftigsten Sturm seines Lebens befand.
Der Vater schwieg und der Jünger schlief – wie verlassen musste sich Jesus in diesem Augenblick gefühlt haben. Doch wie ging Jesus damit um? Verzweifelte er? Im Vers 42 erfahren wir, dass Jesus ein zweites Mal betete. Jesus betete zwar ähnliche Worte wie zuvor, doch nicht ganz. Beim zweiten Mal betet Jesus nicht mehr darum, dass der Kelch vorübergehe, sondern darum, dass in jedem Fall, auch dann, wenn er den bitteren Kelch trinken muss, Gottes Wille geschehen möge. Jesus hatte zunehmend erkannt, dass es der Wille Gottes war, den Kelch zu trinken. Daher rang Jesus im Gebet damit, sich diesem Willen Gottes ganz und gar unterzustellen. Im Vers 44 erfahren wir, dass Jesus sogar ein drittes Mal ins Gebet ging, um erneut für den Willen Gottes zu beten und zu ringen. Von diesem Ringen um den Willen Gottes spricht auch Hebr. 5,8: „Und obwohl er Sohn war, hat er doch an dem, was er litt, den Gehorsam gelernt“. Dabei ging es in diesem Gebetskampf ziemlich heftig zu. Dies geht insbesondere aus dem Lukasevangelium hervor. Lk. 22,44 berichtet: „Und er war in ringendem Kampf und betete inbrünstiger; sein Schweiß wurde aber wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen.“ Jesus stand unter einem Stress von höchstem Ausmaß.
Doch Jesu Gebetskampf blieb nicht ohne Frucht. In den Versen 45f sehen wir die Frucht von Jesu Gebetskampf. Obgleich Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, seine Henker sozusagen schon vor der Tür standen, sagte Jesus dennoch: „Steht auf, lasst uns gehen“ (V. 46). Diese Worte sagte Jesus nicht, um zu fliehen, sondern um dem Feind entgegenzutreten (vgl. MACDONALD, W. 20095: 146). Dem Kreuz, vor dessen Angesicht er kurz vorher noch gebebt hatte, ging Jesus nun festen Schrittes entgegen. Zwar hatte der Kreuzestod nichts von seiner Qual verloren, aber sein Eindruck auf Jesus war nicht mehr derselbe (RIENECKER, F. 20112: 460f)3. Der entscheidende Schritt zum Sieg auf Golgatha war bereits durch Jesu Gebet im Garten Gethsemane geschehen.
Soweit die Betrachtung von Jesu Gebet im Garten Gethsemane. Wir haben gesehen, dass Jesus den bittersten und schwersten Gebetskampf, der je auf Erden ausgekämpft worden ist, ausgetragen hat. Er kämpfte einen Kampf, den wir niemals hätten kämpfen können. Doch gleichzeitig kämpfte er diesen Kampf nicht um Seinetwegen, sondern um unseretwegen. Sein Gebetskampf erbrachte uns das Heil. Jesus musste bis ans Äußerste ringen, damit wir das Heil erlangen können. Jesus musste viel durchmachen, damit gerettet werden können. Sein Gebetskampf erbrachte uns eine Beziehung zu Gott, auf deren Grundlage wir beten können. Sein Gebetskampf schaffte den Durchbruch für jeden anderen Gebetskampf. Weil Jesus den heftigsten Gebetskampf überstanden hat, kann er Kraft und Sieg für jeden anderen Gebetskampf geben. Weil Jesus gesiegt hat, können auch wir durch das Gebet in Seinem Namen Sieg und Kraft erfahren. Dank sei Jesus, dass er diesen alles entscheidenden Kampf für uns siegreich ausgefochten hat!
Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt!“ (V. 41). Jesus möchte, dass auch seine Jünger durchs Gebet kämpfen. Wir müssen zwar nicht den Gebetskampf durchmachen, den Jesus in Gethsemane durchmachte, doch auch wir benötigen den Kampf des Gebets. Wir müssen zwar nicht das Kreuz Jesu tragen, doch jeder Gläubige muss sein Kreuz tragen (Lk. 9,23). Deswegen haben auch wir es nötig zu kämpfen, insbesondere in Zeiten, wo uns das Tragen des eigenen Kreuzes schwerfällt. Doch wie, in welcher Art und Weise sollen wir den Kampf des Gebets kämpfen? Wir wollen das im dritten Teil der Predigt betrachten.
3. Der Gebetskampf in der Praxis (V. 37-42)
Von dem Gebetskampf Jesu lassen sich einige praktische Hinweise für unseren eigenen Gebetskampf ableiten. Einen dieser praktischen Hinweise finden wir in V. 37. Jesus teilte seine Not den Jüngern mit, in der Hoffnung, dass sie dafür beten. Jesus hatte nicht vor, allein zu kämpfen. Ebenso brauchen und sollten wir nicht allein kämpfen. Wir können unsere geistlichen Herausforderungen anderen aus der Gemeinde mitteilen, sodass mehrere dafür beten.
Eine weitere praktische Hilfe steht in Vers 39. Dort erfahren wir, dass sich Jesus ein wenig von seinen Jüngern entfernte, um mit Gott allein zu sein. Jesus wollte zwar nicht allein kämpfen, aber er wollte allein beten bzw. mit Gott allein sein. Jemand sagte einmal: „Christus hat uns gelehrt, dass das vertrauliche Gebet allein verrichtet werden muss.“ Wenn man vor geistlichen Herausforderungen steht, kann und sollte man dafür selbstverständlich auch mit anderen beten, aber es sollte nicht den persönlichen Gebetskampf ersetzen. Wir sehen das auch in der Geschichte von Jakob am Jabbok. Jakob war ganz allein, als er mit Gott kämpfte. Der Kampf des Gebets erfordert also das Alleinsein mit Gott.
Drittens können wir aus dem Gebet Jesu lernen, worum wir im Gebet ringen und kämpfen sollten. Es ist der Wille Gottes. Jesus rang um den Willen Gottes, bis er sich diesem ganz unterstellen konnte, bis Gottes Wille ganz Sein Wille wurde. Wenn wir uns in einer Sache schwertun, Gott zu gehorchen, sollten wir im Gebet so lange dafür kämpfen, bis wir Gottes Wille von Herzen annehmen können. Gott befreite Jesus zwar nicht von dem bitteren Kelch, schickte aber einen Engel, um ihn zu stärken. Gott befreit uns zwar nicht von Seinem Willen, möchte uns aber die Kraft geben, seinen Willen zu tun.
Schließlich sollte es uns nicht irritieren, wenn Gott schweigt. Er tat es bei Jesus auch. Im festen Glauben an die väterliche Liebe Gottes sollten wir hartnäckig weiter beten, bis unser Gebetskampf zu seinem Ziel gekommen ist.
Im Garten Gethsemane kämpfte Jesus, bis er siegte. Jesus ist ein Kämpfer und er hat auch uns dazu berufen, Kämpfer zu sein. Durch ihn können auch wir Kämpfer sein, und zwar Kämpfer des Gebets. Möge Gott einen jeden von uns zu einem Kämpfer des Gebets machen. Möge Gott uns zu einer kämpfenden Gemeinde verändern. Lasst uns beten.
__________
1 MACDONALD, W. (2009, 5. Auflage): Kommentar zum Neuen Testament.
Das Evangelium nach Matthäus, S. 145.
2 MATTHEW, H. (2013, 2. Auflage): Der neue Matthew Henry Kommentar.
Matthäus – Johannes, S. 247.
3RIENECKER, F. (2011, 2. Auflage): Das Evangelium des Matthäus. Erklärt von Fritz Rienecker.
In Wuppertaler Studienbibel, S. 459.
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