Predigt: Lukas 6,6-19 – Neujahr 2022 – Jahresleitwort

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Jesus erwählt die Zwölf

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass er auf einen Berg ging, um zu beten; und er blieb über Nacht im Gebet zu Gott. Und als es Tag wurde, rief er seine Jünger und erwählte zwölf von ihnen, die er auch Apostel nannte.“

(Lukasevangelium 6,12.13)

Ich wünsche euch allen nochmal ein frohes, gesegnetes neues Jahr! Gott hat uns im letzten Jahr treu begleitet und in verschiedener Hinsicht bewahrt und gesegnet. Er hat uns jede Woche sein Wort gegeben und hat uns geistlich erhalten. Einige konnten neu dazukommen oder mit dem Bibelstudium wieder anfangen. Gott hat aus seiner Gnade zwei Familien gegründet und für unsere Kinder die Kinderstunde erneuert. Gott hat noch viel mehr unter uns gewirkt, wie wir in den Jahresrückblick-Stellungnahmen an den letzten beiden Tagen hören konnten. Danken wir Gott für seinen Segen! Gott, der uns letztes Jahr so gnädig begleitet hat, hat auch in diesem Jahr für uns Gutes vor.
Welches Anliegen hat Gott, für das wir als Gemeinde gemeinsam beten und uns einsetzen sollten? Im letzten Jahr haben wir in unserem Sonderbibelstudium einige grundlegende Anliegen Gottes erkannt, die wir auch im neuen Jahr festhalten wollen: Gott will zum einen, dass wir jeder im Evangelium fest verwurzeln, bis es unser ganzes Denken, Streben und Leben prägt. Dafür wollen wir auch im neuen Jahr weiter beten. Gott wünscht sich auch, dass wir unser Leben nicht jeder für sich selbst führen, sondern in der Gemeinschaft mit den Glaubensgeschwistern, die von seiner Liebe und Wahrheit geprägt sein soll. Danach wollen wir auch in der Coronasituation aktiv streben. Der dritte Bereich, den wir betrachtet haben, ist, dass wir als Christen zur Mission berufen sind. Gottes Mission kommt daher, dass wir in einer Welt leben, in der die meisten Menschen geistlich blind und von Gott getrennt sind und deshalb ewig verloren gehen; und dass Gott diese Welt trotzdem liebt und sie unbedingt erretten will. Gott hat die Welt so geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Alle Menschen, die Jesus annehmen und im Glauben an ihn leben, werden nicht verloren, sondern erhalten ewiges Leben. Aber nur die, die dieses Evangelium hören und glauben.
Heute wollen wir betrachten, was Jesus dafür getan hat, damit nicht nur wenige Menschen in Israel zur Zeit seines Wirkens auf der Erde diese rettende Botschaft hören konnten, sondern dass bis heute die Menschen in allen Völkern diese Botschaft hören und dadurch gerettet werden können. Unser Text in Lukas Kap. 6 berichtet, dass Jesus eine ganze Nacht im Gebet zu Gott blieb und danach zwölf Jünger erwählte und sie „Apostel“ nannte. Wir können die Bedeutung dieses Ereignisses leicht unterschätzen, vor allem, wenn wir es nur als ein geschichtliches Ereignis verstehen, ohne seine Relevanz für uns heute zu sehen. Dass die Erwählung der Zwölf sehr bedeutsam war, können wir schon daran erkennen, dass es auch in den Berichten von Markus und Matthäus geschildert wird. Aber warum hat Jesus zwölf Jünger extra erwählt? Welche Bedeutung hat dieses Werk für die Heilsgeschichte? Und für uns am wichtigsten: was können wir hier lernen bzw. welche Relevanz hat das für uns? Die Predigt hat drei Teile: Erstens, der Hintergrund der Erwählung der Zwölf; zweitens, die Erwählung der Zwölf; und drittens, was wir davon lernen können.

I. Der Hintergrund der Erwählung der Zwölf (6-11)
Was ist passiert, bevor Jesus die zwölf Apostel erwählt hat? Die Verse 6-11 berichten, dass Jesus an einem Sabbat in einer Synagoge war und lehrte. In der Synagoge war ein Mann, dessen rechte Hand verdorrt war. Seine Hand hatte sich vermutlich nie richtig entwickelt oder war wegen eines Unfalls verkrüppelt, sodass sie völlig funktionsunfähig war. Der Mann konnte nicht arbeiten und war immer von der Barmherzigkeit anderer abhängig. Außerdem dachten die Juden damals, dass jemand mit so einer Behinderung von Gott wegen seiner Sünde oder der Sünde seiner Eltern bestraft sei. Daher wurde der Mann von den anderen verachtet und gemieden, und muss innerlich sehr elend gewesen sein. Die Schriftgelehrten, die auch in der Synagoge waren, hatten kein Mitleid ihm. Vielmehr lauerten sie darauf, ob Jesus diesen Mann heilen würde, denn dann wollten sie ihn wegen angeblichem Brechen des Sabbatgebots verklagen.
Was tat Jesus in dieser spannungsgeladenen Situation? Vers 8 sagt, dass Jesus ihre Gedanken kannte, er wusste also, was sie Böses gegen ihn im Sinn hatten. Aber Jesus versuchte nicht, sich vor ihnen zu schützen, sondern sagte zu dem Mann mit der verdorrten Hand: „Steh auf und tritt in die Mitte!“ Der Mann stand auf und trat vor. Daraufhin fragte Jesus sie: „Ich frage euch: Ist’s erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses zu tun, Leben zu retten oder zu verderben?“ Jesus wollte den religiösen Leitern helfen, zu erkennen, was vor Gott richtig ist. Seine Frage an sie war sehr einfach, damit sie einfach und vernünftig nachdenken und ihre eigene Verkehrtheit erkennen konnten. Aber sie antworteten nicht, weil sie ihre Verkehrtheit nicht zugeben wollten.
Vers 10 sagt: „Und er sah sie alle ringsum an und sprach zu ihm: Strecke deine Hand aus! Und er tat’s; da wurde seine Hand wieder gesund.“ Jesus heilte den Mann demonstrativ vor den Augen aller Anwesenden. Dafür musste der Mann Glauben aufbringen, denn seine Hand vor allen auszustrecken, war eigentlich das Letzte, was er machen wollte. Aber er streckte seine Hand aus, und Jesus machte sie gesund!

Eigentlich hätte Jesus ihn auch am nächsten Tag heilen können; aber er ging keinen Kompromiss mit dem verkehrten Denken der Menschen ein, sondern handelte nach Gottes Willen. Dadurch gab Jesus ihnen eine einzigartige Chance, seine Gottheit zu erkennen und ihre ablehnende, ungläubige Haltung aufzugeben. Aber dazu waren sie nicht bereit. Vers 11 sagt: „Sie aber wurden ganz von Sinnen und beredeten sich miteinander, was sie Jesus tun wollten.“ Ihr Herz war so hart, dass sie sich weigerten, das Wunderzeichen, das sie mit eigenen Augen sahen, wahrzunehmen. Sie wurden wie verrückt und redeten darüber, wie sie Jesus umbringen könnten (Mk 3,6). Eigentlich waren sie von Gott als geistliche Leiter für das Volk eingesetzt. Aber sie erwiesen sich nun als unbelehrbar und feindselig und für Gottes Werk völlig unbrauchbar. Was konnte Jesus angesichts dieser Situation tun?

II. Die Erwählung der Zwölf (12-16)
Betrachten wir den Vers 12: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass er auf einen Berg ging, um zu beten; und er blieb über Nacht im Gebet zu Gott.“ Hier weisen die Worte „zu der Zeit“ auf den Zusammenhang zu dem vorigen Ereignis in der Synagoge hin. Im Lukasevangelium wird öfter erwähnt, dass Jesus betete. Aber hier stieg Jesus extra auf einen Berg, um zu beten, und er blieb über Nacht im Gebet zu Gott. Für viele ist es nicht leicht, eine halbe Stunde lang zu beten, eine Stunde ist noch schwerer. Aber Jesus betete die ganze Nacht hindurch. Er hatte offenbar ein dringendes Anliegen, über das er mit seinem himmlischen Vater lange sprechen musste. Der Text sagt nicht, wofür Jesus betete. Aber der Zusammenhang mit den Abschnitten davor und danach legt nahe, dass Jesus mit seinem Vater darüber sprach, was er tun sollte angesichts der Lage, dass die Schriftgelehrten und Pharisäer als geistliche Leiter für das Volk unbrauchbar waren. Jesus betete die ganze Nacht, weil er bekümmert war, dass die Menschen im Volk keine Hirten hatte, die sie auf den Weg zu Gott führen konnten. Jesus wusste, dass die Zeit seines Wirkens auf der Erde kurz war und dass er nur in Israel wirken würde. Jesu Herz brannte, als er an alle Menschen dachte, die verloren gehen würden, wenn ihnen niemand mehr das Evangelium verkündigen würde. Jesus betete die ganze Nacht, weil das Heil aller Menschen auf seinem Herzen lastete. Er suchte im Gebet, was er am besten tun konnte, damit alle Menschen das Evangelium erfahren und durch den Glauben gerettet werden könnten. Obwohl er spätestens nach einigen Stunden müde gewesen sein muss, wollte er nicht aufhören zu beten, bis er volle Klarheit darüber hatte, was er am besten tun konnte. Jesus betete die ganze Nacht zu Gott, weil er alle Menschen liebt und wirklich will, dass sie gerettet werden.
Schließlich wich die Nacht und der Tag brach an. Was tat Jesus dann? „Und als es Tag wurde, rief er seine Jünger und erwählte zwölf von ihnen, die er auch Apostel nannte.“ Als es Tag wurde, handelte Jesus mit klarer Entschlossenheit. Er rief seine Jünger und erwählte von ihnen zwölf, die er „Apostel“ nannte. Das Wort „Apostel“ bedeutet Gesandte. Jesus drückte dadurch seine Vision aus, dass er sie aussenden würde, an seiner Stelle das Evangelium zu predigen und die Menschen zur Umkehr und zum Glauben an ihn einzuladen. Wir erfahren hier nicht, nach welchem Kriterium Jesus sie erwählt hat. Grundlegend geschah ihre Erwählung aus Jesu souveränem Willen und aus seiner einseitigen Gnade.
Warum erwählte Jesus aber zwölf Jünger? Wenn wir darüber nachdenken, können wir nur in Ehrfurcht staunen. Jesus hätte als Gottes Sohn alles Mögliche tun können, um das Evangelium auf der Erde zu verbreiten. Aber Jesus wollte den Menschen das Evangelium offensichtlich durch Menschen bringen, und zwar durch Menschen, die selbst davon durchdrungen sind. Auch wenn es heute so viele technische Möglichkeiten gibt, das Evangelium weiterzugeben, wirkt Gott bis heute meistens durch das Zeugnis von Menschen.
Und warum erwählte Jesus nur zwölf? Nach Vers 17 hatte er zu dem Zeitpunkt schon eine große Schar von Jüngern, die ihm folgten. Eigentlich hätte Jesus möglichst viele Jünger berufen sollen, um durch sie alle Völker der Erde zu erreichen. Aber Jesus wollte lieber zwölf Menschen helfen, das Evangelium richtig zu begreifen und davon gründlich verändert zu werden, als vielen Menschen einigermaßen zu helfen. Das war Gottes Weisheit, die er im Gebet gefunden hatte. Man sagt auch, dass Gott durch einen Menschen, der sich ihm hundertprozentig ergeben hat, mehr wirken kann, als durch hundert Menschen, die sich ihm neunundneunzigprozentig ergeben haben. Jesus erwählte zwölf, weil er sie nicht einfach unterrichten, sondern zu jedem eine persönliche Vertrauensbeziehung entwickeln und in dieser Beziehung jedem persönlich helfen wollte. Die zwölf Apostel stehen außerdem für die zwölf Stämme Israels im Alten Bund und weisen darauf hin, dass Jesus mit dem Evangelium im neuen Bund ein neues Gottesvolk gründete.
Wie wollte Jesus den Aposteln konkret helfen? Markus 3,14-15 sagt: „Und er setzte zwölf ein, die er auch Apostel nannte, dass sie bei ihm sein sollten und dass er sie aussendete zu predigen und dass sie Vollmacht hätten, die Dämonen auszutreiben.“ Vor allem sollten sie immer bei ihm sein. Sie sollten täglich Jesus begleiten und in den praktischen Situationen von ihm lernen. Am meisten sollten sie Jesus selbst kennen lernen, seinen heiligen Charakter und seine Lebensweise, seine Liebe und sein Vertrauen auf Gott den Vater, sein Hirtenherz gegenüber den Menschen, seine Demut und praktische Hingabe usw. Sie sollten von ihm lernen, bis ihr Wesen und ihr Leben dem von Jesus ähnlich würden. Das ist grundsätzlich Jesu Wille für alle Christen. Es war für die Apostel besonders wichtig, weil Jesus sie aussenden wollte zu predigen. Ihre Predigt sollte mit ihrer Person und ihrem Leben übereinstimmen und sollte dadurch Vollmacht haben. Außerdem sollten sie Vollmacht haben, die Dämonen aus den Menschen auszutreiben. Zusammengefasst wollte Jesus, dass die Apostel ihn und sein Evangelium tiefgehend kennen und geistliche Vollmacht haben, damit sie unzähligen Menschen wirklich helfen können, an Jesus zu glauben, aus ihrer Sünde herauszukommen und ein völlig verändertes Leben zu führen.
Wen hat Jesus konkret als Apostel erwählt? Die Verse 14-17 sagen: „Simon, den er auch Petrus nannte, und Andreas, seinen Bruder, Jakobus und Johannes; Philippus und Bartholomäus; Matthäus und Thomas; Jakobus, den Sohn des Alphäus, und Simon, genannt der Zelot; Judas, den Sohn des Jakobs, und Judas Iskariot, der zum Verräter wurde.“ Die Menschen, die Jesus erwählte, waren sehr verschieden. Simon Petrus und Andreas sowie Jakobus und Johannes waren von Beruf Fischer. Matthäus war ein Zöllner, der für die römische Besatzungsmacht Zölle eintrieb. Der andere Simon wurde der Zelot genannt, er war also ein Sympathisant oder sogar ein Mitglied der Zeloten, einer Gruppe von jüdischen Freiheitskämpfern gegen die römische Besatzung. Die Menschen, die Jesus erwählt hat, waren von ihrem Hintergrund und Werdegang sehr verschieden.
Sie waren auch vom Charakter her verschieden. In den Evangelien lesen wir, dass Petrus oft viel geredet hat, auch dann, wenn er besser geschwiegen hätte. Andere Apostel waren dagegen so still, dass wir außer ihrem Namen nichts über sie wissen. Jakobus und Johannes waren ehrgeizig und konnten aufbrausend sein wie ein Donner. Philippus war klug, aber berechnend. Thomas war ein Zweifler. Judas Iskariot hatte einen opportunistischen Charakter und tat sich sehr schwer damit, seine Hoffnung auf Jesus zu setzen und sich Gottes Herrschaft unterzuordnen. Jesus hat ihn trotzdem erwählt, aus der Hoffnung, dass er seine Gnade erkennen und sich davon heilen lassen würde.
Jesus hat also ganz unterschiedliche Arten von Menschen als seine Apostel erwählt. Warum ist das wichtig? Weil es zeigt, dass Jesus nicht nur bestimmte Typen von Menschen gebrauchen kann oder nur solche mit bestimmtem Hintergrund. Jesus erwählte ganz unterschiedliche Menschen als Apostel, weil er alle Arten von Menschen gebrauchen kann. Jesus beruft unterschiedliche Menschen, damit er durch sie die unterschiedlichen Arten von Menschen mit dem Evangelium erreichen kann.
Obwohl die Apostel verschieden waren, können wir bei ihnen doch einige Gemeinsamkeiten feststellen: Zum einen waren sie alle bereit, Jesu Berufung zu folgen. Die Parallelstelle in Markus Kapitel 3 sagt: „Und er ging auf einen Berg und rief zu sich, welche er wollte, und die gingen hin zu ihm“ (Mk 3,13). Sie waren alle erwachsene Menschen, die eine bestimmte Lebensvorstellung und Lebensweise hatten. Aber als Jesus sie rief, waren sie alle bereit, ihr bisheriges Leben zu verlassen und Jesu Ruf zu folgen.
Zum anderen waren sie lernwillig. Keiner hatte besondere Vorkenntnisse; keiner von ihnen war ein Schriftgelehrter. Von dem Tag an blieben sie ständig bei Jesus und lernten von ihm täglich neue Dinge über Gott, seinen Willen und sein Reich. Sie verstanden nicht immer alles sofort, aber sie waren immer bereit, dazuzulernen. Sie waren wie neue Schläuche, die den neuen Wein aufnehmen und behalten können (Mk 2,22). Die Bereitschaft, von Jesus zu lernen, ist die grundlegende und wichtigste Eigenschaft eines jeden Jüngers, um von Gott verändert und gebraucht zu werden.

III. Jesu praktisches Training und was wir davon lernen können (17-19)
Was tat Jesus, nachdem er die Zwölf erwählt hatte? Betrachten wir die Verse 17-19. Jesus ging mit ihnen vom Berg hinab und trat auf ein ebenes Feld, er und eine große Schar seiner Jünger und eine große Menge des Volks aus dem ganzen jüdischen Land und Jerusalem und aus dem Küstenland von Tyrus und Sidon. Oben auf dem Berg, wo Jesus die ganze Nacht gebetet und die Zwölf erwählt hatte, hatte heilige Atmosphäre geherrscht. Aber unten in der Ebene warteten viele Menschen auf ihn, um ihn zu hören und von ihren Krankheiten geheilt und von unreinen Geistern befreit zu werden. Jesus wollte die Apostel nicht zuerst einige Wochen lang oben auf dem Berg abgeschieden lehren, sondern ging mit ihnen herunter auf die Ebene, wo sie die Not der Menschen sehen und miterleben konnten, wie Jesus ihnen diente. Die Verse 18b und 19 sagen: „Und die von unreinen Geistern umgetrieben wurden, die wurden gesund. Und alles Volk suchte ihn anzurühren; denn es ging Kraft von ihm aus und heilte sie alle.“ Dadurch konnten die Apostel Jesu Hirtenherz für die leidenden Menschen und den Glauben an Gott lernen. Jesus nahm sie überall hin mit, damit sie Jesu Herz und sein Leben immer mehr lernen und nach und nach ihm immer ähnlicher werden konnten. Auf diese Weise konnten sie zu Jesu Aposteln und zu geistlichen Leitern für die Menschen heranwachsen. Das war natürlich keine Kurve, die immer stetig nach oben ging. Manches mussten sie wiederholt erleben und manches dreimal erklärt bekommen. Aber Jesus betete und lehrte sie unermüdlich aus der Liebe und dem Glauben heraus, dass sie in der Zukunft als seine Apostel großartig wirken würden. Und wenn wir die Apostelgeschichte lesen oder die Briefe von Petrus oder Johannes, erkennen wir, dass die Apostel tatsächlich große geistliche Persönlichkeiten wurden, die Jesu Wesen widerspiegelten und geistliche Vollmacht hatten, um zahllosen Menschen geistlich zu helfen. Als Petrus zum Beispiel an Pfingsten in Jerusalem das Evangelium predigte, hatte seine Predigt große Klarheit und Tiefe und Kraft, sodass etwa dreitausend Menschen sein Wort annahmen und sich taufen ließen (Apg 2,41). Nicht nur Petrus war zu so einer geistlichen Persönlichkeit geworden. In Apostelgeschichte Kap. 4,33 heißt es von allen Aposteln: „Und mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen.“ Jesu Erwählung der Apostel und seine geduldige geistliche Hilfe für sie hat sich in der Geschichte bestätigt. Durch die Apostel entstand die erste Gemeinde in Jerusalem, und durch sie breitete sich das Evangelium im ganzen Land und in immer mehr heidnischen Ländern aus. Durch die Apostel kamen unzählige Menschen zum Glauben oder wurden in ihrem Glauben bestärkt. Als Jesus zwölf Menschen als Apostel erwählte und sich darauf fokussierte, ihnen geistlich zu helfen, sah dieses Werk unbedeutend aus. Aber schließlich wurden die Apostel zu großartigen Dienern Gottes, durch die sich der Lauf der Geschichte änderte.
Was bedeutet das nun für uns? Die Berufung und Erziehung der Apostel ist natürlich erstmal ein historisches Ereignis, das wir nicht einfach verallgemeinern dürfen. Sie wurden von Jesus während seiner Lebenszeit auf der Erde berufen und geistlich erzogen. Sie wurden Augenzeugen von all seinen Wundern, von seinem Tod am Kreuz (Johannes) und von seiner Auferstehung. Die Apostel waren von daher einzigartige Persönlichkeiten in der Geschichte. Wir dürfen Gott danken, dass Jesus zwölf Jünger als Apostel erwählt hat, weil durch sie letztlich auch wir das Evangelium hören und zum Glauben kommen konnten.
Aber die Erwählung der Zwölf ist mehr als ein historisches Ereignis. Jesus hat durch die Erwählung der Zwölf und durch ihre geistliche Erziehung seine Weisheit gezeigt und vorgelebt, wie er Gottes Willen gedient hat, die Menschen in allen Völkern zu retten. Jesus hat sich darauf konzentriert, einigen Menschen ganz gründlich geistlich zu helfen, statt vielen Menschen irgendwie oberflächlich. Jesus hat die Apostel später selbst damit beauftragt, anderen Menschen zu helfen, seine Jünger zu werden. Nach seiner Auferstehung hat Jesus ihnen in Galiläa den Befehl gegeben: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Mt 28,19.20; LUT 1984). Jesus will, dass wir auch in unserer Zeit anderen Menschen helfen, Jesu Jünger zu werden. Wir sollen beten, bis Gott uns die Menschen zeigt, die er erwählt hat, und ihnen intensiv helfen, Jesu Gnade und seine Berufung anzunehmen und als als Jesus Boten zu wachsen.
Ist das für unsere Zeit relevant? Auf jeden Fall! In unserer Zeit leben so viele Menschen in geistlicher und seelischer Not, weil sie Gott und sein Evangelium nicht kennen und von der Sinnlosigkeit, allen möglichen Begierden, Ängsten und anderen Sünden umgetrieben werden. Das Problem unserer Zeit ist nicht, dass die jungen Menschen heute kein geistliches Interesse mehr hätten. Nach einer Umfrage, die an der Mitarbeiterkonferenz diese Woche gezeigt wurde, gab jeder Fünfte der Befragten 16-29-Jährigen in Europa an, mehrmals pro Woche zu beten. Die jüngeren Menschen sind also nicht so ungeistlich, wie es den Anschein hat, weil nur ein kleiner Bruchteil von ihnen noch in Gemeinden oder Kirchen geht. Das Problem ist nicht, dass es keine Menschen mehr mit geistlichem Interesse gibt, sondern dass es zu wenig Menschen gibt, die ihnen das Evangelium von Jesus bezeugen, und zwar in einer Art und Weise, die sie überzeugt, weil sie mit ihrer ganzen Person ihre Botschaft von Jesus bestätigen. Was die Menschen in unserer Zeit am meisten brauchen, sind Christen, die authentisch als Jünger Jesu leben und ihnen sein Evangelium mit ihrem Mund und ihrem Leben bezeugen. Tim Keller hat gesagt, dass das, was die Menschen im 21. Jahrhundert brauchen, nicht großartige Programme sind, sondern unser persönliches Zeugnis von unserem Glauben an Jesus. Es gibt viele Wege und Möglichkeiten gibt, wie wir mit jungen Menschen in Kontakt kommen und ihn das Evangelium nahebringen können, die wir noch gar nicht ausprobiert haben. Schüchternheit, Zeitmangel, eventueller Altersunterschied – alle Hindernisse sind überwindbar, wenn wir uns demütigen und neue Liebe zu den verlorenen Menschen aufbringen und ernsthaft für ihre Rettung beten. Möge Gott uns helfen, über die Verlorenheit der ungläubigen Menschen in unserer Umgebung bekümmert zu sein und inständig für ihre Rettung zu beten, wie Jesus es getan hat. Möge Gott uns dadurch Orientierung und Kraft geben, diejenigen zu finden, deren Herz geöffnet ist, und ihnen das Evangelium zu bezeugen, bis sie Jesu Ruf hören und annehmen und als sein Jünger wachsen! Lesen wir noch einmal das Leitwort 6,12.13: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass er auf einen Berg ging, um zu beten; und er blieb über Nacht im Gebet zu Gott. Und als es Tag wurde, rief er seine Jünger und erwählte zwölf von ihnen, die er auch Apostel nannte.“

 

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