Predigt: Lukas 5,1 – 11

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Jesus begegnet Simon

„Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.“

(10b)

Wir haben im vorausgegangenen Kapitel gesehen, wie Jesus mächtig vor aller Öffentlichkeit aufgetreten ist. Sowohl in Kapernaum als auch in Nazareth trat Jesus vor Menschenmengen auf, die er das Wort Gottes mit Vollmacht lehrte und vor denen er viele Wunderheilungen vollbrachte. Auch in dem heutigen Text aus Lk. 5 wird über Jesu öffentlichem Auftreten in Galiläa berichtet. Doch geht es hier mehr darum, wie Jesus konkret einem Menschen persönlich begegnet ist. Wie wir wissen, handelt es sich bei diesem einen Menschen um Simon. Wir wollen uns heute mit dieser besonderen Begegnung von Jesus mit Simon beschäftigen. Zwei schlichte Fragen sollen uns dabei helfen: Erstens wie begegnete Jesus Simon? Zweitens was bedeutet diese Begegnung für uns?

Betrachten wir die Verse 1 und 2: Es begab sich aber, als sich die Menge zu ihm drängte, um das Wort Gottes zu hören, da stand er am See Genezareth und sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Wie können wir uns die Situation, die in diesen Versen beschrieben wird, vorstellen? Der Ort, wo alles stattfindet, ist der See Genezareth. „Über der schönen Ebene am Ufer rauschen die hohen Palmenkronen. Immergrüne hohe Zypressen heben ihre Wipfel über die Häuser von Kapernaum zum klaren Himmel empor. Ein wahres Stück Paradies ist diese Gegend am See Genezareth (RIENECKER1 1959: 140).“ Aber so schön die Gegend auch ist – wie ein Gegensatz wirkt das Bild der Fischer am Ufer. Es ist ein ergreifendes Bild irdischer Mühe und Plage (vgl. ebd.). Simon hatte mit seinen Gefährten die ganze Nacht gefischt und nichts gefangen. Wie fühlen sie sich wohl? Wie fühlst du dich, wenn du für eine Klassenarbeit viel gelernt hast, am Ende aber trotzdem eine schlechte Note geschrieben hast und obendrein noch eine ausführliche Berichtigung schreiben musstest. So etwa fühlen sich die Fischer. Sie haben die ganze Nacht nichts gefangen und zur Belohnung dafür müssen sie auch noch die Netze reinigen. Trübe und sorgevoll gestimmt waschen sie ihre Netze: „Die ganze Nacht haben wir uns abgemüht und nichts gefangen. Und jetzt auch noch diese Netze putzen. Für nichts und wieder nichts!“ Sie sind sehr frustriert.

Doch da naht den Fischern der Herr. Er ist umgeben von einer Volksmenge, die in stürmischer Weise, ja geradezu rücksichtslos sich zum Herrn vordrängt (vgl. ebd.), um das Wort Gottes zu hören. Was tut Jesus daraufhin? – Betrachten wir Vers 3: Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus. Jesus respektiert das geistliche Anliegen der Menschen, das Wort Gottes zu hören. Deswegen steigt er in ein Boot, um die gesamte Menschenmenge am Ufer des Sees im Blickfeld zu haben. Von dort aus will er zu der ganzen Menge sprechen. Doch gleichzeitig will Jesus einem Menschen ganz persönlich begegnen. Dieser eine Mensch ist Simon. Während Simon noch in Frust und Ärger die Netze putzt, tritt Jesus in eines seiner Boote. Simons Gedanken drehen sich um Fische hier und um Fische da. Doch als Jesus in sein Boot tritt, tritt er zugleich in Simons Gedanken- und Gefühlswelt ein. Jesus macht einen Schritt in einen Lebensbereich, der für Simon essentiell ist. Nämlich sein Beruf. Jesus fängt an, sich in Simons Leben einzumischen. Was macht Jesus dann? Jesus bittet Simon um ein Gefallen. So wie er die Frau am Brunnen um ein Gefallen bittet, so bittet nun Jesus auch Simon um ein Gefallen. Er bittet ihn darum, mit ins Boot zu steigen und ihn vom Land etwas wegzufahren. Jesus verlangt nicht viel von Simon. Simon muss lediglich seine Arbeit unterbrechen und seine Müdigkeit sowie Frust überwinden, um Jesu Bitte zu erfüllen. Jesus befiehlt nicht einmal Simon, sondern bittet ihn darum. Ein Befehl wäre für Simon wohl wegen seiner frustrierten Lage nicht so einfach annehmbar gewesen. Zudem kennt er Jesus auch noch nicht so gut. Jesus fängt wirklich klein an mit Simon. Er holt ihn da ab, wo er steht.

Warum wollte Jesus aber, dass Simon ihn vom Ufer wegfährt? Hätte Jesus nicht einfach selber ein paar Meter vom Land wegfahren können? Wozu brauchte er dazu Simon? Wäre Simon außerhalb des Bootes geblieben, wäre er wohl weiter damit beschäftigt gewesen, sein Netz zu reinigen. Beschäftigt mit dem Reinigen des Netzes und verhaftet in seinen frustrierten Gedanken, wäre er nicht in der Lage gewesen, Jesu Predigt gut zu zuhören. Im Boot aber konnte Simon nichts machen. Er konnte dort kein Netz reinigen. Außerdem wäre es sehr peinlich gewesen, vor den Augen aller einzuschlafen. So konnte Simon im Boot im Grunde genommen nichts anderes machen als Jesu Wort zuzuhören. Das erste, was Jesus von Simon eigentlich wollte, war, dass er Ihm zuhört. Er sollte Seinem Wort gut zuhören. Für das erste, nicht mehr.

Während Jesus mit Vollmacht lehrt, hört Simon und hört und hört. Und beim Hören des Wortes Gottes entsteht der Glaube in seinem Herzen, ein Vertrauen auf das Wort Gottes. Nun kann der Herr mit Simon einen Schritt weiter gehen. Lesen wir gemeinsam Vers 4: „Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!“ Nun bittet Jesus Simon nicht mehr, sondern erteilt ihm einen klaren Befehl: „Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!“ Jesus fordert Simon dazu auf, noch einmal auf die Höhe des Sees hinauszufahren und das Netz auszuwerfen. Für Simon gibt es so viele Gründe, Jesu Befehl nicht zu gehorchen. Jesu Befehl widerspricht in erster Linie jeglicher Fischerweisheit. Man geht am See Genezareth nicht tagsüber, sondern nachts fischen. Denn die Fische, die man nachts dicht unter der Oberfläche fangen kann, tauchen bei Tageslicht in die Tiefe, wo man sie mit den Netzen nicht erreichen kann (vgl. MAC ARTHUR2 2002: 1432). Ein evangelischer Theologe fragte einmal Fischer am See Genezareth, ob sie nicht auch bei Tag die Netze auswerfen. Daraufhin fingen diese an über seine Unwissenheit zu lachen (vgl. RIENECKER 1959: 142). Nun soll Simon, der erfahrene Fischer, auf den Rat von Jesus, dem Zimmermann, hören? Zudem gibt es für Simon auch emotionale Gründe, die dagegen sprechen, auf Jesus zu hören. Simon ist sicherlich hungrig und müde. Er hat schon damit begonnen, das Netz zu reinigen. Warum sollte das Netz für einen aussichtslosen Fang wieder verunreinigt werden? Auf wessen Stimme soll Simon hören? Auf die Stimme seiner Erfahrungen und Gefühle? Oder auf die Stimme des Wortes Jesu? Welcher Stimme würde er mehr glauben? Betrachten wir Vers 5a: Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen, aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen. In Petrus´ Antwort klingt zunächst einmal der ganze Frust an: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch dann sagt Simon: „aber“. Es gibt ein „aber“, das für Simon einer Sache mehr Gewicht gibt als alle Gegengründe. Was ist das, das für Simon mehr Gewicht hat als alles andere? Simon sagt: aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen. Es ist das Wort Jesu. Für Simon hat nun das Wort Jesu mehr Gewicht als die Stimme seiner Erfahrungen und Gefühle. Ihnen gegenüber gibt Er dem Wort Jesu Recht. Wie viel auch dagegen spricht, Simon weiß: Das Wort Jesu hat Recht. So ist Simon bereit, trotz aller Gegengründe dem Befehl Jesu zu gehorchen. Mit Jesus im Boot fährt er samt seinen Gefährten hinaus in die Tiefe. Aus Glauben an Jesu Wort werfen Simon und seine Gefährten dann noch einmal die Netze aus. Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische, berichtet uns Lukas in Vers 6. Als Simon und seine Gefährten die Netze auswerfen, sammeln sich unzählige Fische in ihre Netze. Was für ein scharfer Kontrast zu der Nacht davor! Simon hatte gar nichts gefangen, obwohl er menschlich gesehen alles richtig gemacht hatte. Er ging ja auf ein See fischen, der sehr reich an Fischen ist. Es war auch nicht die falsche Tageszeit. Er ging ja nachts fischen, wo die Fische an der Oberfläche schwimmen. Es lag auch nicht an seinem Fleiß und Eifer. Simon hatte die ganze Nacht gearbeitet. Er hatte solange gearbeitet, bis es keinen Sinn mehr gemacht hatte. Er hatte nicht aufgegeben. Obwohl Simon alle seine Weisheit, all seinen Eifer und alle seine Hingabe eingesetzt hatte, hatte er nichts gefangen. Aber als zwei Dinge zusammen kamen, fing Simon eine gewaltige Menge an Fischen. Was waren diese zwei Dinge? Erstens das Wort Jesu: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! Dieses Wort ist ein Wort der Verheißung und ein Wort der Bevollmächtigung zugleich. Als Jesus sagte: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!, gab er Simon die Vollmacht eine riesige Menge an Fischen zu fangen. Doch musste noch eine zweite Sache geschehen. Dies war der Glaube an dieses Wort Jesu. Simon musste dem Wort Jesu Vertrauen schenken. Er musste gemäß dieses Wort handeln, ansonsten hätte er nie die Erfüllung dieses Wortes erlebt. Ist das nicht bemerkenswert? Simons Weisheit, Eifer und Hingabe reichten überhaupt nicht aus, um Fische zu fangen. Aber der Glaube an ein Verheißungswort Jesu ließ ihn eine gewaltige Menge an Fischen fangen.

Kehren wir zum Geschehen zurück. Wie mächtig war der Fang, den der Herr Simon und seinen Gefährten gab? Betrachten wir noch einmal Vers 6: Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen. Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken. Stellen wir uns das einmal vor. Simon und seine Gefährten werfen die Netze aus. Auf einmal taucht ein riesiger Schwarm von Fischen auf. Die Oberfläche des Wassers verdunkelt sich möglicherweise. Ein großes Rauschen ist vielleicht zu hören. Die Netze werden hin- und herbewegt. Es wackelt und rüttelt. Die Netze verhalten sich so, als ob sich ein Seeungeheuer in ihnen eingefangen habe. Simon und die Gefährten müssen sich fragen: „Was geht da vor?“. Dann versuchen sie die Netze hochzuziehen. Doch weil es so viele Fische sind, fangen die Netze beim Hochziehen an zu reißen. Außerdem sind sie zu schwer, um sie alleine ans Boot zu ziehen, und zu voll, um sie auf nur ein Boot zu laden. In ihrer Not rufen sie Fischer auf einem anderen Boot herbei. Doch als sie gemeinsam die Fische auf die Boote laden, gehen die beiden Boote in die Tiefe, sodass die Fischer befürchten müssen, zu sinken. So etwas hatten Simon und seine Gefährten noch nie erlebt. Sicherlich hatten sie schon in dieser und jener Nacht einen guten Fang gehabt. Aber dass sie mit einem Schlag und am hellen Tage so viele Fische fingen, dass kaum einmal die Netze und zwei Boote dafür ausreichen, so was hatten sie noch nie erlebt.

Wie wirkt sich dieses mächtige Ereignis auf Simon aus? – Lesen wir gemeinsam die Verse 8 – 10b: Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Schrecken, Entsetzen löst dieses überirdische Ereignis in Simon aus. Dieser übernatürliche Fischfang konfrontiert Simon mit der furchterregenden Macht Gottes. Als Simon diesen gewaltigen Fischfang erlebt, bekommt er in Jesus die unmittelbare Nähe des allmächtigen Gottes zu spüren. Simon erkennt, dass Jesus nicht nur irgendein Meister, sondern der Herr, der Kyrus, die höchste Autorität ist. Gleichzeitig erkennt sich Simon vor der göttlich heiligen Gegenwart Jesu als Sünder, obgleich er sich vielleicht nie moralisch oder sittlich grob vergangen hatte. Simon weiß, dass die Heiligkeit Gottes Tod und Verderben für das unheilige Geschöpf bringt (vgl. RIENECKER 1959: 142). So ist er von einem heiligen Schrecken, von ehrfurchtsvoller Scheu gegenüber Jesus erfüllt. Er fürchtet in Jesu Gegenwart vergehen zu müssen, geradeso wie Jesaja es befürchteten, als er Gott begegnete (vgl. Jes. 6,5). Daher fällt Simon vor Jesus nieder und spricht: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. Durch die mächtige Begegnung Jesu mit Simon ist Simon verändert. Verändert ist sein Bild über Jesus und sein Bild über sich selbst. Kein Wunder, dass Lukas in diesem Vers zum ersten Mal den Namen Petrus erwähnt. Petrus ist der Name, den Simon später von Jesus aufgrund einer großen Hoffnung für ihn erhält (vgl. Mt. 16, 18). Durch die Begegnung mit Jesus ist in gewisser Weise jetzt schon aus Simon ein Petrus geworden.

Durch den gewaltigen Fischfang bekam Simon die furchterregende heilige Gegenwart Gottes in Jesus zu spüren. Wollte ihm Jesus aber nur so begegnen? Was antwortete der Herr Simon? Betrachten wir Vers 10b: Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Jesus blickt freundlich auf Simon, der zu seinen Knien liegt, nieder. Dann spricht er: „Fürchte dich nicht“(vgl. RIENECKER 1959: 144). Simon, der wegen seiner Sündhaftigkeit völlig verzagte, ja den Boden unter den Füßen verlor, darf jetzt unerwartet Worte voller Gnade hören, „Fürchte dich nicht“.

Wie selig wird es da dem Simon ums Herz gewesen sein, als er aus der Tiefe des Sündenbewusstseins herausgehoben wurde auf die Höhe der Sündenvergebung (RIENECKER 1959: 144).“ Mit den Worten: „Fürchte dich nicht“ begegnet Jesus Simon mit der vollen Güte Gottes. Diese unermessliche Güte Gottes wurde dem Simon eigentlich schon durch die unermessliche Zahl der Fische vor Augen geführt. Der wundersame Fischfang brachte nicht nur die furchterregende Macht und Gegenwart Gottes zum Ausdruck, sondern auch die unermessliche Güte Gottes, die Simon mit Fischen im Überfluss bescherte. Und eben geradeso war Jesus Simon begegnet, voller Gnade und voller Wahrheit. Voller Wahrheit daher, weil sich Simon durch die Begegnung mit Jesus als einen Sünder erkannte, obgleich er noch so ein anständiger Mensch gewesen sein mag. Voller Gnade daher, weil Jesus Simon, der seine Sünde und Schuld erkannte, nicht verdammte, sondern an sein Heilandsherz zog. „Fürchte dich nicht“ – dies ist die größte und schönste Botschaft des heiligen Gottes für jeden, der wegen seiner Sündhaftigkeit verzagt und verzweifelt ist.

Jesus war Simon als sein Heiland begegnet. Aber die Sündenvergebungsgnade war längst noch nicht alles, was Er ihm geben wollte. Was sagt Jesus noch zu Simon? Betrachten wir das Ende von Vers 10: Von nun an wirst du Menschen fangen. Der Herr gibt Simon eine Berufung. Von nun an soll er nicht mehr Fische fangen, sondern Menschen. Was bedeutet das? Was das bedeutet, dafür gibt uns die Szene am Anfang des Textes eine anschauliche Vorstellung. Jesus war im Boot und vor ihm stand eine Menschenmasse. Dann lehrte Jesus sie das Wort Gottes. Er predigte ihnen das Evangelium vom Reich Gottes. Was Jesus da machte, war nichts anderes als Menschen zu fangen. Er gewann Menschen für das Reich Gottes, indem er im übertragenen Sinne das Netz des Wortes Gottes auf die Menschen am Ufer auswarf. Als Jesus Simon zum Menschenfischer beruft, beruft er ihn dazu, Menschen für das Reich Gottes zu gewinnen. Sowie Jesus dazu gesandt war, das Evangelium von Reich Gottes zu predigen, so soll nun auch Simon durch die Verkündigung des Evangeliums Menschen für das Reich Gottes gewinnen. Simon konnte das jetzt tun, weil er die Botschaft des Evangeliums durch die Begegnung mit Jesus ganz persönlich erfahren hatte.

Wörtlich heißt es: Von nun an wirst du Menschen lebendig fangen. Anders als beim Fischfang sterben die Menschen nicht, wenn sie für das Reich Gottes gewonnen werden. Vielmehr werden sie lebendig gemacht. Sie erhalten das eigentliche, unerschöpfliche Leben. Sie verlieren auch nicht wie die Fische im Netz ihre Freiheit, sondern erhalten die wahre Freiheit, die in Christus ist. Mit dem Ausdruck „Menschen lebendig fangen“ macht Jesus Simon deutlich, dass er für ihn eine viel würdevollere und bedeutungsvollere Aufgabe als die des Fischefangens bereithält. Simon erhält sozusagen eine doppelte Beförderung: Menschen soll er in Zukunft fangen und nicht mehr Fische; und zum Leben soll er sie fangen und nicht, wie bisher seine Fische zum Tode (vgl. RIENECKER 1959: 145). Bisher hatte Simon ein relativ bedeutungsloses Leben geführt. Als Fischer hatte sein Leben kaum eine echte Bedeutung und Sinn für ihn und für andere gehabt. Doch nun bietet ihm Jesus eine völlig neue Perspektive für sein Leben an: Von nun an wirst du Menschen fangen.

Wie reagiert Simon auf diese Gnade? Betrachten wir Vers 11: Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach. Simon gibt seinem Fischerberuf den Abschied, verlässt alles, sei es Haus oder Besitz oder Angehörige, und folgt Jesus nach. Er verzichtet auf einen gesicherten Verdienst und führt mit Jesus ein Wanderleben, ohne zu wissen, wo er am nächsten Tag sein Haupt niederlegen und wie er sein Leben fristen soll (vgl. RIENECKER 1959: 146). Wie kann er so eine krasse Entscheidung treffen? Jesus war Simon einfach zu groß geworden. Bei dem ganzen Wunderwerk des Fischfangs offenbarte sich Jesus Simon selbst als Reichtum. Ein Reichtum, den Simon nicht fassen und bergen konnte in die Netze Seines Herzens und Verstandes. Sein Denken, Fühlen und Wollen drohte zu zerreißen vor Glück und vor Freude. Das Boot Seines Lebens drohte zu sinken vor der kostbarsten Last, die in sein Leben durch Jesus, den Herrn und Heiland Seiner Seele, gekommen ist (vgl. ebd.).

Was können wir aus dieser Begegnung von Jesus mit Simon lernen? Jesus möchte nicht nur Simon, sondern jedem Menschen begegnen. Viele von uns haben das schon erfahren. So wie Jesus in das Boot von Simon hineingegangen ist, ohne ihn zu fragen, so ist Jesus einfach in unser Leben hineingekommen, ohne dass wir selbst dazu die Initiative ergriffen hatten. Dabei offenbarte sich Jesus uns ganz persönlich als unseren Herrn und Heiland, und zwar in einer Art und Weise, die wir verstanden haben. Bei Simon war es der gewaltige Fischfang. Bei den Sterndeutern als der Stern, der sie nach Bethlehem führte. Bei der Frau am Brunnen als das Wasser des Lebens. Und bei mir als meine Gerechtigkeit, die ich als orthodoxer Christ lange Zeit auf eigenem Wege zu erlangen suchte. Für diejenigen von uns, denen Jesus noch nicht begegnet ist, lässt sich sagen: Der Herr steigt auch in das Boot deines Lebens hinein, ob du Ihm das erlaubst oder nicht. Er wird sich vielleicht in Lebensbereichen einmischen, die dir ganz wichtig sind. Zum Beispiel in deiner Schulausbildung, oder in deinen Freundschaftsbeziehungen oder in den Dingen, die dir sehr wertvoll sind. Innerhalb dieser Lebensbereiche kann es sein, dass dich Jesus mit einer Glaubensentscheidung konfrontiert, um sich dir ganz persönlich als dein Herrn und Heiland zu offenbaren, und zwar in einer Art und Weise, die du verstehst. So wie Jesus klein mit Simon anfing, so wird es Jesus auch sicherlich mit dir tun. Er wird nicht etwas verlangen, was du nicht tun kannst. Entscheidend ist, ob du dich überhaupt auf Jesus einlässt oder nicht. Ist es z.B. zu viel verlangt, wenn du treu zum Bibelstudium kommst und dort Seinem Wort gut zuhörst?

Auch uns, denen Jesus bereits begegnet ist, möchte Jesus immer wieder neu begegnen. So wie bei Simon ergreift er selbst dazu die Initiative, indem er in Lebensbereiche hineintritt, die für uns große Bedeutung haben oder die wir vielleicht noch nicht ganz in Jesu Herrschaft gegeben haben. Er wird uns dabei durch Sein Wort mit Entscheidungen konfrontieren, die unseren Glauben herausfordern. Von Simon können wir lernen, nicht auf die Stimme unserer Erfahrungen, oder Gefühle oder eigener Weisheit zu hören, sondern vielmehr auf Jesu Wort. Und wenn uns das schwer fällt, sollen wir Jesu Wort gut und so lange zuhören, bis wir dem mehr vertrauen können als auf uns. Während der Zeit meines Studiums und Referendariats hatte mir der Herr zahlreiche Gelegenheiten gegeben, Glaubenserfahrungen mit ihm zu machen. Viele von ihnen durfte ich nutzen und dadurch die Güte des Herrn mehr und mehr erleben. Ich konnte erleben, dass mich der Herr selbst durch die unmöglichsten Prüfungen hindurch getragen hatte, mich sogar mit einigen sehr guten Noten beschert hatte und mir Menschen zur Seite stellte, die mir vom Herzen halfen. Heute sind es andere Bereiche, in die der Herr von mir den Glauben herausfordert, um sich mir mehr und mehr zu offenbaren. Ich glaube, dass der Herr auch hier mir seine unermessliche Güte erweisen wird, wenn ich auf sein Wort vertraue, anstelle auf meine Gedanken, Gefühle und Erfahrungen. Wir sollen solche Gelegenheiten, in denen Jesus unseren Glauben herausfordert, bewusst wahrnehmen. Denn sie sind sehr wertvoll. Warum? Weil Jesus uns durch solche Gelegenheiten seine wunderbare Herrlichkeit mehr und mehr offenbaren kann. Er will auch uns seine unermessliche Güte mehr und mehr offenbaren, soweit, dass er unser ein und alles wird, soweit, dass wir für Jesus alles aufgeben wollen. Simon hatte sich am Anfang nur für einen erfolgreiche Fischfang interessiert, am Ende aber war er so begeistert von Jesus gewesen, dass er für ihn alles aufgegeben hatte. Auch uns kann Jesus soweit verändern, wenn wir mehr und mehr seine Herrlichkeit erfahren.

Welche weitere Anwendung können wir aus dem Text entnehmen? So wie Simon möchte Jesus auch uns als Menschenfischer gebrauchen, doch nicht auf unsere Weise, sondern auf Seine Weise. Ob wir als Menschenfischer Erfolg haben oder nicht, hängt nicht in erster Linie von unserem Eifer, Hingabe und Weisheit ab. Simon hatte ja alle diese Dinge bewiesen, aber trotzdem nichts in jener Nacht gefangen. Es hängt in erster Linie davon ab, ob wir von Jesus die Verheißung dazu haben und ob wir dieser Verheißung Glauben schenken. Jesus gab Simon diese Verheißung, erst nachdem Er Ihm begegnet war. Und das ist auch logisch? Wie sollte Simon das Evangelium verkündigen, wenn er selber zuvor die Botschaft des Evangeliums persönlich erlebt hat. Auch wir müssen zunächst Jesus neu begegnen, bevor als erfolgreiche Menschenfischer gebraucht werden können.

Lasst uns dafür beten, dass uns Jesus neu begegnet, in seiner vollen Wahrheit und in seiner vollen Gnade, sodass Er uns als Fischer von zahlreichen Studenten gebrauchen kann.

Lesen wir zum Schluss noch einmal das Leitwort: „Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.“

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Quellen:

1 RIENECKER, F. 1959: Das Evangelium des Lukas.

In: Wuppertaler Studienbibel, S. 139-146. SCM. R. Brockhaus.

2 MAC ARTHUR, J. 2002: Das Evangelium nach Lukas.

In: John Mac Arthur Studienbibel, S.1415-1478. CLV.

 

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