Essentielle Fragen zum Ewigen Leben
„Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annehmen wird wie ein Kind, wird nicht hineinkommen.“
(Lukas 18,17)
Das Lukas Evangelium ist eher thematisch als chronologisch geordnet. Auch in dem heutigen Text aus Kap. 18 reiht Lukas mehrere Begebenheiten aneinander, die thematisch miteinander verwandt sind. Sie befassen sich alle mit essentiellen Fragen bzgl. des Reiches Gottes bzw. um grundlegende Fragen bzgl. des Ewigen Lebens. Diese Fragen sind:
1. Wer wird von Gott anerkannt?
2. Wie muss man das Reich Gottes aufnehmen?
3. Was behindert uns den Eingang in das Reich Gottes?
1. Die Rechtfertigung durch Gott (V. 9-14)
In dem Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner versuchen zwei Menschen auf eine komplett verschiedene Art und Weise, gerechtfertigt zu werden – mit anderen Worten: von Gott anerkannt zu werden. In den Versen 11 und 12 bekommen wir einen Einblick in das Gebet des Pharisäers: Normalerweise dankt man Gott für das, was Gott ist, und dafür, was Gott für einem tut. Aber beim Dankgebet des Pharisäers war es anders: Er dankt Gott für das, was Er ist, und für das, was Er für Gott tut. In seinem Gebet heißt es ständig „Ich … ich … ich … Ich danke dir, ich bin nicht wie …, ich faste …, ich verzehnte … ich erwerbe … ich, ich, ich“. Nicht Gott, sondern Er steht im Zentrum. Nicht Gott ist groß in seinem Leben, sondern er. Nicht das, was Gott für ihn tut, sondern das, was er für Gott tut, steht im Vordergrund.
In seinem Weltbild gibt es zwei Gruppen von Menschen: er und die anderen. Dabei ist er der Gute, und alle anderen die Schlechten. Er denkt von sich zu gut, und von den anderen sehr schlecht. Bei der Beschäftigung mit Vers 11 fragte ich mich, ob es wirklich Menschen gibt, die so über sich denken? Ist das nicht zu unrealistisch? Wie kann es sein, dass man so verkehrt über sich denkt? Der Pharisäer begründet seine Ansicht damit, dass er gewisse Sünden nicht machte, wie Raub, Ehebruch, Betrug … Die Sünden, die der Pharisäer hier erwähnt, sind offensichtliche Sünden. Bestimmt hatte er nicht gelogen. Bestimmt war er nicht fremdgegangen. Bestimmt hat er diese Sünden wirklich nicht gemacht. Aber was, war mit den Sünden, die nicht so offensichtlich sind? Er hatte andere Sünden wie Stolz, voll von innerer Verachtung gegenüber anderen („er sprach bei sich selbst“). Er hatte sogar die gefährlichste aller Sünden, nämlich Selbstgerechtigkeit. Selbstgerechtigkeit ist die direkteste Ablehnung von Gottes Hilfe in Jesus Christus. Das Gefährliche bei Sünden wie Stolz und Selbstgerechtigkeit ist, dass sie in religiösen Gesellschaften nicht so für gravierend erachtet werden wie Ehebruch und Raub. Man kann voll von Sünden wie Selbstgerechtigkeit sein, aber in einer religiösen Gemeinschaft dennoch als ein frommer Mensch durchgehen. Das war der eine Grund dafür, warum er so verkehrt über sich dachte.
Im Vers 12 erwähnt er den anderen Grund. Er tat bestimmte religiöse Werke. Im Gesetz war das Fasten nur einmal im Jahr vorgeschrieben, er aber fastete zweimal pro Woche – rechnerisch also das 104-fache von dem, was vorgeschrieben war – wow! Aber das war noch nicht alles. Das Gesetz schrieb vor, den Zehnten vom Ertrag des Ackers und der Herden abzugeben. Aber was tat der Pharisäer? Er zahlte von allen Einkünften den Zehnten. Er verzehntete sogar alle Gartenkräuter, wie Minze, Dill, Kümmel und Raute. Er verzehntete auch das Gekaufte. Wenn der Erzeuger bereits von den Feldfrüchten den Zehnten gegeben hatte, setze der Pharisäer noch eins drauf. Er gab von den gekauften Früchten noch mal den Zehnten ab (vgl. RIENECKER: 424)[1]. Weil solche Werke die meisten nicht taten, hielt er sich für besser als die anderen. Warum eigentlich der Zehnte und das Fasten? Er tat eben genau die Werke, die auch in den Kreisen, wo er sich aufhielt, anerkannt waren.
Zusammengefasst hatte der Pharisäer eine eigene Definition von Frömmigkeit: Wenn ich diese und jene Sünden lasse, und diese und jene Werke tue, dann bin ich fromm. Alle anderen Werke, die er nicht tat, waren nicht so wichtig. Alle anderen Sünden, die er tat, waren halb so schlimm. Einfach gesagt: Er fing an bei Gott zu schummeln. Er lebte nicht in der Wahrheit. Weil er genau die Sünden ließ, die verpönt waren, und genau die Werke tat, die besondere Anerkennung verdienten, bekam er auch ständig Bestätigung von den Leuten in seinen Kreisen. Und so kam es, dass er sich tatsächlich für besser hielt als alle anderen. Und was war das Resultat seines falschen Selbstbildes? Im Vers 9 sagt Jesus, dass solche Menschen wie der Pharisäer auf sich selbst vertrauen. Genauer gesagt, vertrauten sie darauf, von sich aus gut genug zu sein, um vor Gott bestehen zu können. Ihre Gutartigkeit sei schon gut genug, um von Gott anerkannt werden zu können. Sie meinten, so wie sie und andere über sie denken, so denkt bestimmt Gott auch von ihnen. Aber in Wirklichkeit lebten sie in einem krassen Irrtum. In Vers 14 erfahren wir, dass er nicht gerechtfertigt und damit nicht von Gott anerkannt wurde.
In jeder Gesellschaft, in jeder Gemeinschaft und auch in jeder Gemeinde gibt es gewisse Dos and Don’ts; also Dinge, die sich gehören, und Dinge, die sich nicht gehören. Menschen lassen sich dazu verleiten, eigene Gutartigkeit nur darauf zu beschränken und danach zu definieren. Wenn sie es schaffen, sich an diese Dos and Don’ts zu halten, werden sie leicht selbstzufrieden mit sich. Sie sind allenfalls bereit die Bereiche, in denen sie schon „gut“ sind auszubessern. Von den Bereichen, die in ihrem Leben nicht so gut laufen, wollen sie nichts wissen. Jede Aufdeckung von Sünde in diesen Bereichen gibt ihnen das Gefühl, dass sie doch nicht ganz so ok sind. Tiefe Betroffenheit über die Sünde bleibt aus. Das Blut Jesu wird nicht ernsthaft in Anspruch genommen. Solche Menschen wie der Pharisäer erhöhen sich selbst, indem sie besser von sich denken als sie es in Wirklichkeit sind. Doch am Ende von Vers 14 warnt Jesus: jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden. Der Weg des Pharisäers führt nicht zur Anerkennung von Gott, sondern letztendlich zur Erniedrigung. ………………………
Wie versuchte aber der Zöllner von Gott anerkannt zu werden? Betrachten wir hierzu Vers 13. Allein die Körperhaltung verrät schon sehr viel darüber, mit welcher Einstellung der Zöllner zu Gott kam. Er stand weitab, mit einem gesenkten Kopf. Er hielt sich nicht für würdig, Gott zu nahen. Er hatte seinen Kopf gesenkt. Wegen seiner Sünden hatte er nicht den Freimut, zu Gott aufzublicken. Er war von Scham beherrscht. Dann schlug er sich an die Brust. Damit drückte er tiefste Betroffenheit aus, und zwar Betroffenheit über die eigene Sünde. Menschen sind über alles Mögliche betroffen, doch am seltensten und wenigsten über die eigene Sünde Normalerweise ärgert man sich über die Sünde des anderen, insbesondere selbstgerechte Menschen wie der aus diesem Gleichnis. Doch der Zöllner hingegen ärgerte sich über die eigene Sünde. Schließlich sagte er: „O Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Angesichts seiner Sündhaftigkeit konnte er nichts anderes über die Lippen bringen, als um Gnade zu schreien. Er hatte verstanden, dass es bei ihm selbst rein gar nichts gab, was ihm Hoffnung gab, vor Gott bestehen zu können. Seine einzige Hoffnung, um vor Gott bestehen zu können, war, dass Gott ihm gnädig ist. Er war wie ein Mann, der auf offenem Meer trieb und sich mit beiden Händen an einem Brett von einem versunkenen Schiff festhielt. Dieses Brett, an dem er mit aller Macht festhielt, ist die Gnade Gottes. Und was geschah dann? Dann geschah das Wunderbare: „Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt in sein Haus hinab“ (V.14). Er wurde von Gott gerechtfertigt. Ausgerechnet ein großer Sünder wird von dem über alles heiligem Gott gerechtfertigt, also anerkannt. Denn er setzte seine Hoffnung voll und ganz auf die Gnade Gottes.
An dieser Stelle muss mal ein großer Sprung zu Vers 24 und 25 gemacht werden. Jesus macht in diesen Versen eine krasse Aussage. Es ist leichter, dass ein Kamel durchs Nadelöhr geht, als ein Reicher ins Reich Gottes. Wenn Jesus hier vom „Reichen“ spricht, meint er nicht nur die materiell Reichen. Der Oberster war nicht nur in finanzieller Hinsicht reich. Er hatte es schon in jungem Alter geschafft, zum Obersten aufzusteigen. Er war auch reich an Errungenschaften, reich an Werken, erfolgreich usw. Er hatte eine Menge an Dingen, worauf er stolz sein konnte. Reiche Menschen sind leicht dazu verleitet, ihre Hoffnung auf sich selbst oder zumindest teilweise auf sich selbst, als voll und ganz auf die Gnade Gottes zu setzen. Deswegen ist es wahrscheinlicher, dass ein Kamel durchs Nadelöhr geht, als ein Reicher ins Reich Gottes. Ganz anders war es bei dem Zöllner aus dem Gleichnis. Er wusste: „Ich bin bankrott, pleite, insolvent“. So setzte er voll und ganz seine Hoffnung auf die Gnade Gottes. In den Seligpreisungen heißt es nicht: „Glückselig sind die geistlich Reichen, sondern die geistlich Armen, denn ihrer ist das Reich der Himmel“ Solange man meint, etwas in sich selber macht einen würdig, in das Reich Gottes zu kommen, ist man noch nicht wirklich arm geworden, dann setzt man nur teilweise seine Hoffnung auf die Gnade Gottes. Man macht sozusagen mit Gott fifty fifty. Es kann auch sein, dass man sich mal als Sünder erkannt hat, aber dann meint, doch etwas zu haben, was man Gott vorweisen kann, nur weil man dies oder jenes mal für Gott getan hat. Seine ganze Hoffnung auf die Gnade Gottes zu setzen, wird auch oft missverstanden, etwa so: „Es ist nicht ganz so schlimm, wenn ich mit meinem Leben so weiter mache wie bisher. Denn Gott ist ja gnädig.“ Gerade solche Menschen fangen früher oder später doch damit an, sich irgendwie zu rechtfertigen, z.B. damit, dass sie doch hin und wieder auch mal was Gutes tun.
Wie können wir konkret darin wachsen, unsere Hoffnung voll und ganz auf die Gnade Gottes zu setzen? Der Zöllner war über seine Sünde betroffen und schämte sich über die Sünde. Mehrere Stellen in der Bibel ermutigen uns immer wieder über die Sünde betroffen zu sein. In Ps. 51, 19: „ Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz Wirst du, o Gott, nicht verachten.“; in Ps. 34,19 steht: „Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und er hilft denen, die zerschlagenen Geistes sind.“; in Ps. 147,3 heißt es: „Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.“ Menschen, die immer wieder aufs Neue von ihren Sünden betroffen sind, sich darüber schämen, reinigen sich immer wieder aufs Neue mit dem Blut Christi, setzten mehr und mehr ihre Hoffnung auf die Gnade Gottes. Dadurch wachsen sie im Laufe ihres Glaubenslebens in der Heiligung. Das Buch Offenbarung spricht daher von einer Schar im Himmel, die ihre Gewänder mit dem Blut des Lammes gereinigt haben. Sie hatten das Blut Jesu Christi immer wieder neu in Anspruch genommen, dadurch immer wieder aufs Neue die Rechtfertigung und Anerkennung aus Gnade erfahren, bis sie schließlich ins Himmelreich eingekehrt waren. Ein gesundes geistliches Wachstum zeichnet sich dadurch aus, dass mit der Zeit Sünden weniger werden, aber unsere Erkenntnis der Sünde größer wird. Letzteres führt dazu, dass man mehr und mehr seine Hoffnung auf die Gnade Gottes setzt. Der Prophet Daniel war ein sehr gottesfürchtiger Mann, aber doch betete er so: Denn nicht um unserer eigenen Gerechtigkeit willen bringen wir unsere Bitten vor dich, sondern um deiner großen Barmherzigkeit willen! (Dan. 9,18).
Viele Menschen wollen lieber von sich denken, dass sie bereits schon ziemlich gut sind und es mit ihnen gar nicht so schlecht steht. Und außerdem gibt es doch andere, die noch viel schlimmer sind. Seine Sünden immer wieder aufs Neue einzugestehen, darüber betroffen zu sein und sich zu schämen, ist demütigend. Oder wie demütigend ist es, wenn andere uns unsere Sünde aufzeigen? Daher gehen viele diesen Weg nicht. Doch am Ende von Vers 14 gibt uns Jesus eine Verheißung: „wer aber sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden“. Lasst uns diesen Weg der Erniedrigung gehen.
So wie es nur eine Art und Weise gibt, wie wir von Gott gerechtfertigt und anerkannt werden können, so gibt es auch nur eine Art und Weise, wie wir das Reich Gottes annehmen können. Wie wir das Reich Gottes aufnehmen sollen, wollen wir im 2. Teil der Predigt betrachten.
Teil 2: Die Aufnahme von Gottes Reich (V. 15-17)
Vers 15 berichtet, man brachte Kinder zu Jesus, damit er sie segnet. Eine gute Sache. Doch die Jünger schimpften mit denen, die sie brachten (vgl. Mk. 10,13). Sie wollten die Kinder aufhalten zu Jesus zu kommen. Warum? Wie wir wissen, hatten Kinder in der jüdischen Gesellschaft nichts zu melden. Ihre Anliegen, Wünsche und Probleme waren nicht so wichtig, wurden nicht so ernst genommen. Für Kinder hatte man i.d.R. keine Zeit. Da gab es wichtigere Dinge. Sie galten nicht als vollwertige Menschen. In den Augen der Jünger waren die Kinder es nicht wert, Jesus zu beanspruchen. Doch sie irrten sich sehr. Jesus sagte: „Lasst die Kinder zu mir kommen und wehrt ihnen nicht“ Jesus hieß die Kinder herzlich willkommen. Gerade sie waren für das Reich Gottes prädestiniert. Gerade sie waren Kandidaten des Reiches Gottes. Wieso? Kinder haben Eigenschaften, die ihnen die Aufnahme von Gottes Reich erleichtern: Kinder sind hilflos und mittellos. Sie wissen, dass sie auf die Hilfe der Erwachsenen angewiesen sind. Deswegen nehmen sie Dinge einfacher an als Erwachsene. Kinder glauben an die Liebe der Eltern. Wenn ihnen ihre Eltern was schenken, denken sie nicht: „Bei der ganzen Sache ist doch bestimmt ein Haken. Bestimmt wollen meine Eltern eine Gegenleistung von mir haben….“ Kinder glauben, dass ihre Eltern es tun, weil sie sie liebhaben. Daher können sie ein Geschenk wirklich wie ein Geschenk annehmen. Was bedeutet das für uns Erwachsene? Jesus sagt: „Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird gar nicht hineinkommen!“ Die Jünger dachten, die Kinder müssen erst einmal so werden wie wir. Doch Jesus machte ihnen deutlich: Nein, sie müssen so werden wie die Kinder, um in das Reich Gottes hineinzukommen. Wir sollen das Reich Gottes wie ein Kind annehmen, anstelle zu versuchen, es uns in irgendeiner Weise zu verdienen. Wir wollen Jesus nachfolgen, wir wollen Jesus ähnlicher werden, nicht damit wir in das Reich Gottes kommen, sondern weil wir bereits Bürger des Reiches Gottes sind.
In der nachfolgenden Begebenheit sehen wir ein klares Beispiel dafür, was das Gegenteil davon ist, das Reich Gottes wie ein Kind aufzunehmen. Vers 18 berichtet davon, dass Jesus eine Begegnung mit einem Obersten hatte. Ihn beschäftigte die Frage nach dem Ewigen Leben. Seine Frage war: „Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?“ Einerseits war es gut, dass er nach dem ewigen Leben fragte. Andererseits war doch seine Frage bedenklich. Er war der Überzeugung gewesen, dass er durchs Tun das Ewige Leben bekommen könne, es sich also irgendwie erarbeiten könne. Auf die Frage des Obersten antwortete Jesus: „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein!“ Jesu Antwort auf seine Frage wirkt dem ersten Eindruck nach unpassend, aber in Wirklichkeit sprach sie direkt das geistliche Problem des Mannes an. Er hatte ein oberflächliches Verständnis von „gut“. Obwohl er nicht wusste, dass Jesus Gott ist, bezeichnete er ihn als gut. Für ihn waren geistliche Menschen bereits gute Menschen. Doch im Vergleich zu dem einen guten Gott ist selbst der geistlichste Mensch ein hoffnungsloser Sünder. Der Oberste kannte nicht die heilige Wirklichkeit Gottes. Deswegen dachte er auch von sich, dass er insgesamt ok sei. Aufgrund seines oberflächlichen Verständnisses der 10 Gebote dachte er von sich, dass er alle Gebote Gottes eingehalten habe, und zwar von Jugend auf. Warum ihn die Frage nach dem Ewigen Leben doch noch beschäftigte, war eben das gewisse Etwas. In seinen Augen hatte er schon den Standard Gottes fast erreicht, aber eben nur fast. Was fehlte ihm noch, um sich des Ewigen Lebens ganz gewiss zu sein? So in etwa muss er gedacht haben. Dieser Oberster konnte das Reich Gottes nicht wie ein Kind aufnehmen, weil er meinte, es gäbe vieles Gutes in seinem Leben, was bei Gott zählen würde, um von ihm angenommen zu werden. Er konnte es nicht wie ein Kind annehmen, weil er meinte, er könne sich den Zugang zum Reich Gottes erarbeiten, als es einfach anzunehmen. Menschen, die irgendwie meinen, dass es in ihnen irgendetwas noch gibt, was bei Gott Anerkennung findet, tun sich schwer, das Reich Gottes anzunehmen wie ein Kind. Ganz anders der Zöllner aus dem Gleichnis. Er konnte das Reich Gottes wie ein Kind aufnehmen, weil er wusste, dass in seinem Leben nichts gibt, was vor Gott Bestand hat. Wenn wir das Reich Gottes wie ein Kind annehmen, kommen in uns Freude und Dankbarkeit auf. Wir können dadurch dann in der Beziehung und Liebe zu Jesus wachsen.
Solange wir aber auf dieser Erde sind, gibt es Dinge, die uns den Eingang in das Reich Gottes versperren und das Erbe des Reiches Gottes aus der Hand reißen wollen. Wie gehen wir mit dieser Herausforderung um? Lasst uns das im 3. Teil der Predigt betrachten.
3. Die Herausforderung des Reiches Gottes (V. 21 – 30)
Als der Oberste immer noch von seiner Gutartigkeit überzeugt gewesen war, gebot Jesus ihm, all sein Hab und Gut zu verkaufen und das Geld den Armen zu geben. Der Mann dachte von sich, dass er die von Jesus zitierten sechs Gebote gehalten habe. Der Geist dieser Gebote war die Nächstenliebe. Jesu Gebot, den Erlös den Armen zu geben, war eine Aufforderung zur puren Nächstenliebe. Im Vers 23 erfahren wir, dass der Mann Schwierigkeiten damit hatte, dieses Gebot zu befolgen. Denn er war sehr reich. Spätestens als der Mann mit dieser Aufforderung Jesu konfrontiert worden war, hätte er erkennen müssen, dass auch er ein Übertreter des Gesetzes ist. Er hätte erkennen müssen, dass er sein Reichtum mehr liebhat als das Ewige Leben und damit mehr liebhat als Gott. Er war nicht nur Übertreter der sechs Gebote, sondern vor allem des allerersten Gebotes: Sein Reichtum war sein Götze. Das Eine, was dem Mann fehlte, war also Gott selbst. Es fehlte ihm nicht nur das gewisse Etwas, sondern es fehlte ihm Alles. Mit all seiner Frömmigkeit konnte und wollte Gott nichts anfangen, weil Gott selbst darin keinen Platz hatte. Der Mann war sozusagen ein frommer Götzendiener. Das Herz des Mannes hing an seinem Reichtum. Sein Herz war davon beherrscht. Und warum war das jetzt so schlimm? Anstelle Jesus nachzufolgen, ging er traurig weg. Dies bedauerte Jesus mit den Worten: Wie schwer werden die Reichen ins Reich Gottes hineinkommen! 25 Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt. Weil sein Herz vom Reichtum beherrscht war, bildete der Reichtum ein Hindernis für das Empfangen des Ewigen Lebens. Solange sein Herz am Reichtum hing, war er nicht in der Lage, das Ewige Leben zu empfangen. Jesu Gebot, alles zu verkaufen, was er hatte, war eine geistliche Hilfe für den Mann. So hätte er ganz praktisch sein Herzensproblem angehen können. Nicht zu jedem Menschen sagte Jesus, alles zu verkaufen, was man hat. Aber bei diesem Mann war es hilfreich. Jesus ermutigte ihn dazu mit den Worten: „so wirst du einen Schatz im Himmel haben“. Alles zu verkaufen, was er hatte, war nicht der Preis für das Ewige Leben. Das Ewige Leben ist ja umsonst. Aber es gibt Hindernisse zum Ewigen Leben, die es gilt zu überwinden. Und eben der Reichtum ist ein Hindernis für viele Menschen, weil sie ihr Herz davon beherrschen lassen. Es kann aber auch etwas anderes als Reichtum sein, wie etwa Macht, Ansehen, Ehre, Stolz, Begierden etc. Das, wovon unser Herz beherrscht ist, behindert uns auf dem Weg zum Reich Gottes.
Verkaufe alles, was du hast, bedeutet in weiterem Sinne, das loszulassen, was uns beherrscht, und zwar restlos. Es war sicherlich kein Zufall, dass Jesus bei dem Mann genau das ansprach, was ihn beherrschte und behinderte, das Ewige Leben zu bekommen. Genau dasselbe tat Jesus auch mit der samaritischen Frau. Jesus möchte auch bei uns das ansprechen, was uns beherrscht. Es kann auch sein, dass er uns absichtlich in Situationen führt, die uns vor die Wahl stellen, das loszulassen, was einem beherrscht. Man sollte sich fragen: Gibt es Dinge, die mich beherrschen? Welche? Wie kann es konkret in meinem Leben aussehen, alles zu verkaufen, was ich habe? Gibt es Situationen in meinem Leben, die mich eben gerade dazu auffordern, das, was mir wichtig ist, loszulassen?
In Vers 28 bezeugt Petrus, dass er und die Jünger alles verlassen haben und Jesus nachgefolgt waren. Im Gegensatz zu dem reichen Mann hatten sie Jesu Aufforderung „Verkaufe, alles was du hast“ befolgt. Jesus versprach ihnen und damit auch jedem, der um seinetwillen alles verkauft, was er hat, ihn um ein Vielfaches zu belohnen, und zwar nicht nur in der Ewigkeit, sondern auch bereits in diesem Leben. Zum Beispiel hatten die Jünger ihre Häuser verlassen, aber dafür die Aufnahme in vielen Häusern von Gläubigen gefunden. Sie hatten ihre Familien verlassen, aber dafür hatte ihnen Gott viele andere geistliche Geschwister gegeben.
Als Jesus am Kreuz starb, verkaufte er alles, was er hatte, und zwar um unsertwillen. Der Erlös davon ging ebenfalls an die Armen, nämlich an uns. Wie der Zöllner, haben wir in uns nichts, was wir Gott vorweisen können. Wir sind arm. Aber Jesus wurde am Kreuz arm, um uns bei Gott reich zu machen. Er ist es wert, dass wir für ihn alles verkaufen, was wir haben.
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[1] RIENECKER, F. 1959: Das Evangelium des Lukas. Erklärt von Fritz Rienecker. In: Wuppertaler Studienbibel, S. 424.
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