Predigt: Lukas 11,5-13

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Unverschämtes Beten

„Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten.“

(Lukasevangelium 11,13)

Das Thema ist das Gebet. Und ich denke, dass Jesus uns drei Dinge über das Gebet lehrt. Jesus lehrt uns zu wem wir beten sollen, wie wir beten sollen und wozu wir beten sollen. Das sind natürlich sehr generische Frage. Wir wollen aber schauen, welche spezifischen Antworten Jesus auf diese sehr allgemeinen Fragen gibt.

1. Zu wem wir beten sollen
Es gibt eine Geschichte von Spurgeon. Bei einem Gottesdienst sollte ein Mann beten. Er fing an, mit richtig blumigen Worten Gott anzusprechen, vermutlich mit Sätzen wie „Oh, du großer Schöpfer von Himmel und Erde, du Ursprung aller Dinge, du unsere einzige Hoffnung und Freude, du Zentrum des Universums …“ Irgendwann trat Spurgeon an ihn heran und sagte zu ihm: „Nenne ihn einfach Vater und bitte ihn um etwas.“ Auf die Frage zu wem wir beten sollen, ist die Antwort so offensichtlich, dass wir meinen könnten, nicht länger darüber sprechen zu müssen. Natürlich beten wir zu Gott. Und damit könnten wir eigentlich direkt zum zweiten Teil der Predigt. Das Interessante aber ist, wie Jesus uns Gott, den Vater, näherbringt. Er gebraucht dazu zwei unterschiedliche und teilweise auch sehr humorvolle Illustrationen.
In der ersten Illustration gibt es einen Freund, der anscheinend unerwartet, spontan Besuch bekommt. Der Besuch kommt aber nicht zur normalen Tageszeit an, sondern spät nachts. Und jetzt hatte er nichts mehr zu Hause, um es dem Gast vorsetzen zu können. Wir können die Not hier vermutlich nicht so gut nachvollziehen. Es war mitten in der Nacht. Wir könnten meinen, dass ein Gast sicher darüber freuen würde, ein warmes Bett vorzufinden. Der Grund, weshalb wir so denken, ist der, dass es bei uns im Westen zwar Gastfreundschaft gibt. Aber die Gastfreundschaft, die wir in Deutschland kennen, ist nichts im Vergleich zu dem, was im Orient ein absolutes Muss ist.
Friedemann Fritsch von der Evangelischen Kirche wurde einmal von Flüchtlingen in Deutschland eingeladen. Und er erzählte Folgendes: „In der Kultur des Orients ist Gastfreundschaft etwas Heiliges. … Muslime, Kurden, Yeziden – sie bitten uns zu Tisch. Aber nicht schriftlich oder telefonisch, sondern sie kommen selber. Und kurz vor dem Termin schicken sie noch einmal eines ihrer Kinder. Ihr müsst kommen, bitte, fast ein wenig bedrängend. Als wollten sie sicherstellen, dass nicht irgendwelche Gründe die Einladung zunichte machen. Denn dies wäre schlimm, fast wie ein Sakrileg. Ein Syrer erklärt uns, dass für ihre Kultur eine Einladung absolut verpflichtend ist. Unmöglich, sie abzulehnen, ja kränkend. Wie kann man auch? Ich werde als Gast praktisch zum König gekrönt. … Und dann das Essen: Köstlichkeiten in großer Menge, und wir müssen alles probieren, Gebäck, Obstteller, arabischen Kaffee. Wir essen entschieden zu viel. Ich fühlte mich wohl. Ich spürte durch manche Zwänge hindurch: Diese Leute wollen dir Gutes tun, sie wollen es um jeden Preis. … Sie sind keine Christen, und doch lerne ich durch sie viel über den Gott der Bibel.“ Wenn ein reisender Mensch als Gast aufgenommen wurde, war es nicht einfach nur Höflichkeit, sondern ein zwingendes Prinzip der Gastfreundschaft: Es musste dem Gast Essen serviert werden, und der Gast musste essen, egal, ob er Hunger hatte oder nicht. Alles andere ist nicht einfach nur inakzeptabel, sondern schlichtweg unvorstellbar. Das Problem war nur, der unfreiwillige Gastgeber hatte zu Hause nichts zu essen. Aber genau dazu sind ja Freunde da.
Vers 5: „Wenn einer von euch einen Freund hat und um Mitternacht zu ihm geht und sagt: Freund, leih mir drei Brote.“ Der Freund im Gleichnis hat zwar Brote im Haus, aber er hat auch eine schlafende Familie. Was Jesus hier im Sinn hat war vermutlich ein sehr kleines Haus mit einem einzelnen Zimmer, das vielleicht über einem Stall war. Aufzustehen, Brote zu suchen und zu holen und sie an die Tür zu bringen war kaum möglich, ohne die ganze Familie aufzuwecken. Es war das Beispiel schlechthin für eine maximal nervige Situation.
Und doch sagt Jesus in Vers 8: „Ich sage euch: Wenn er schon nicht deswegen aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen und ihm geben, was er braucht.“ Der Ausdruck „ihm geben, was er braucht“ ist interessant. Die Brote, von denen im Gleichnis die Rede ist, sind keine deutschen Bauernbrote, sondern dünne Fladenbrote. Je nach Größe des Brotes brauchte ein erwachsener Mann 1–3 Stück davon, um satt zu werden. Aber eine Mahlzeit brauchte natürlich noch etwas mehr als Brote. Es brauchte noch eine Soße oder Oliven oder Käse. Der Bittende bekam von seinem genervten Freund alles, was er brauchte. Ich kann mir vorstellen, dass die Ehefrau irgendwann gesagt haben muss: „Gib dieser Nervensäge endlich alles, was er haben will. Hauptsache, wir können das Licht wieder ausmachen und weiterschlafen.“ Was Jesus hier vermutlich meint: Freundschaft mag zwar um 22 Uhr enden, wenn man ins Bett geht, aber mit ein wenig Unverschämtheit bekommt man doch alles, was man braucht.
Das zweite Gleichnis ist noch einfacher. „Oder welcher Vater unter euch, den der Sohn um einen Fisch bittet, gibt ihm statt eines Fisches eine Schlange oder einen Skorpion, wenn er um ein Ei bittet?“ Wenn man sich die Fürsorglichkeit im direkten Vergleich zwischen Müttern und Vätern anschaut, haben die Väter ganz klar das Nachsehen. Aber obwohl viele Väter im Vergleich zu den Müttern viel leichtsinniger und unverantwortlicher sind, würden selbst Väter ihren Kindern keine schlechten Dinge geben. In Vers 13 bringt Jesus es auf den Punkt: „Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten.“ Earle Ellis schreibt in seinem wunderbaren Kommentar zu manchen Stellen etwas mehr, an dieser Stelle etwas weniger. Zu dem Wort böse schreibt er folgenden Kommentar: „Die angeborene menschliche Sündigkeit ist für Jesus eine Grundannahme.“ Jesus ging einfach davon aus, dass Menschen böse sind. Aber selbst böse Menschen tun ihren Kindern meistens Gutes.
Wir kommen zur Frage zurück: zu wem beten wir? Jesus bringt hier zwei sehr interessante Illustrationen: ein genervter, unwilliger Freund und Väter, die im Grunde ihres Herzens böse sind. In Lukas 15 erzählt Jesus das Gleichnis, von den verlorenen Söhnen, um zu zeigen wie Gott ist. Und hier ist der entscheidende Punkt. Diese beiden Beispiele im heutigen Text verwendet Jesus nicht, um zu zeigen, wie Gott ist. Er verwendet diese beiden Beispiele, um zu zeigen, wie Gott nicht ist. Gott ist unser Freund, aber nicht der genervte Freund, der um Mitternacht fest schläft, sondern der Helfer Israels, der nicht schlummert und nicht schläft, und der immer willig ist zu helfen. Und Gott ist unser Vater, aber nicht wie alle irdischen Väter, die böse sind und trotzdem Gutes tun; sondern der vollkommene Vater, der uns mehr liebt, als wir zu träumen wagen würden. Das ist die Person, zu der wir kommen dürfen und zu sehr wir beten dürfen.
Kurze Anwendung, bevor wir fortfahren. Was wir über Gott denken, ist so zentral wichtig für unser Gebets- und Glaubensleben. Wer ist Gott für dich? Vor einigen Jahren hatte ich mit einem Freund ein Gespräch. Als wir uns über Religion unterhalten hatte, hatte ich versehentlich seinen Standpunkt falsch wiedergegeben. Ich war davon ausgegangen, dass er nicht an Gott glaubt. Er sagte daraufhin: „Das habe ich nicht so gesagt. Ich habe Folgendes gesagt: Ich habe Angst davor, dass es ihn gibt.“ Und vielleicht geht es manchen von uns ähnlich: dass wir Gott als einen primär schlecht gelaunten, missmutigen, unfreundlichen, rachsüchtigen Gott ansehen; wenn nicht bewusst, dann doch unbewusst eher eine unangenehme Person, mit der wir nicht mehr zu tun haben wollen, als unbedingt notwendig. Und das ist ein riesiges Problem.
Der jesuitische Priester Boyle kümmert sich um junge Männer in Los Angeles, die aus kriminellen Banden aussteigen wollen. Er erzählte die Geschichte, wie ein junger Mann namens Willy ihn um etwas Geld bat, weil er Hunger hatte. Boyle selbst hatte kein Geld zur Hand. Er lud ihn ein, in sein Auto zu steigen, um zum nächsten Bankautomat zu fahren. An der Bank angekommen, bat er ihn, im Auto zu warten, weil er sich Sorgen machten, dass feindliche Bandenmitglieder Willy erkennen könnten. Willy wollte aber den Autoschlüssel haben, um das Radio anzumachen. Und Boyle sagt „nein.“ Und sagt dann mit einer demonstrativen Geste: „Bete!“
Als Boyle zurück ins Auto kommt, scheint Willy ganz anders zu sein. Er ist ruhig, reflektiert, und im Auto herrscht ein gewisser Friede. Boyle fragt ihn: „Du hast gebetet, nicht?“ Er ist ruhig und still. „Ja, sagt er.“ Boyle fragt ihn: „Was hat Gott dir gesagt?“ „Zuerst hat Gott mir gesagt, dass ich die Klappe halten soll und auf ihn hören soll.“ Boyle fragte ihn: „Wer ist Gott für dich?“ Willy antwortet: „Er ist mein Helfer, auf den ich mich verlassen kann.“ „Und Gott? Wie sieht Gott dich?“ Willy antwortet nicht. Er legt seinen Kopf nach hinten, starrt nach oben. Eine Träne rollt seine Wangen runter. „Gott … denkt …, dass ich wunderbar bin, dass ich nicht besser sein könnte.“
Wer Gott für uns ist, hat Auswirkungen darauf, wie wir über uns denken. Wenn Gott für uns der wunderbare Freund und der Vater im Himmel ist, dann verstehen wir uns als seine Geliebten und als seine Kinder: böse und doch geliebt, abtrünnig und doch angenommen, sündig und doch heilig, verdorben und doch vollkommen. Und das ist eine Voraussetzung, um beten zu können.

2. Wie wir beten sollen
Vers 8: „Ich sage euch: Wenn er schon nicht deswegen aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen und ihm geben, was er braucht.“ Jesus verwendet hier ein Wort, das auf verschiedene Art und Weisen übersetzt wird. Die Einheitsübersetzung verwendet „Zudringlichkeit“. Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich die Nuancen des Wortes „zudringlich“ nicht so gut kenne. Aber bei „Deutsch-als-Fremsprache.de“ habe ich gelesen, dass „zudringlich“ eine Steigerung von „aufdringlich“ ist. Die Neues Leben Übersetzung spricht von „beharrlich“. Elberfelder spricht von Unverschämtheit. Jesus erläutert das weiter.
Vers 9: „Darum sage ich euch: Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet. Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet.“ Das mit dem Klopfen ist sehr bildhaft. Damals gab es noch keine elektrischen Klingeln. Bei den meisten elektrischen Klingeln ist das Signal so eindeutig, dass man weiß, dass jemand vor der Tür steht. Aber wenn man klopft, dann reicht es nicht, nur einmal zu klopfen. Man muss mehrfach klopfen, die Mindestanzahl ist zweimal, damit die Menschen drinnen, wissen, dass jemand da ist. Wie sollen wir dann also beten? Jesus fordert von uns ein unmissverständliches, aufdringliches, direktes, unverschämtes, kontinuierliches Bitten.
Und das ist sehr einzigartig für den christlichen Glauben. Tim Keller hat die rhetorische Frage gestellt, ob wir uns vorstellen können, dass Muslime dazu aufgefordert werden, Allah auf solche Art und Weise zu bitten. Absolut nicht. Es wäre ein völliger Tabubruch. Und gleichzeitig wissen wir, dass Gott heilig ist, dass er der souveräne Herrscher des Universums ist, dass er ein verzehrendes Feuer ist. „Komm nicht näher! Ziehe deine Schuhe aus, denn du steht auf heiligem Boden“ bekommt Mose gesagt. Wie können wir das mit einem unaufhörlichen, unverschämten Bitten in Einklang bringen? Warum lehrt uns Jesus auf solche Weise beten? Und warum will Gott das von uns?
Als ich damals in Hannover war, hatte ich einen Vortrag von einem christlichen Familienberater gehört. Er spielte folgende Szene aus einer Ehe nach. Ehefrau fragt ihren Mann: „Sag mal, liebst du mich eigentlich?“ Der Ehemann kann mit dieser Frage nichts anfangen und sagt: „Was soll die Frage? Das habe ich dir doch vor zwei Jahren schon gesagt. Und? Habe ich dir seitdem etwas anderes gesagt?“ Ehefrau sagt: „Nein.“ Der Mann sagt dann: „Na also.“ Wir müssen keine Beziehungsgenies sein, um zu wissen, dass das so nicht funktioniert. Die Liebe zu bekennen, ist nicht einfach Informationsaustausch. Wir sagen unseren Ehepartnern und unseren Kindern, dass wir sie lieben, nicht als Wissenstransfer, sondern um Beziehung zu bauen. Gleiches gilt für das Gebet.
Gott braucht unser Gebet nicht, um zu wissen, was uns weh tut, wo uns der Schuh drückt. Gott will unser insistierendes Gebet, weil er an Beziehung interessiert ist. Gott ist unser Vater und wir seine Kinder sind. Ich habe vorhin gesagt, dass die Frage, wer Gott für uns ist, maßgeblich darüber entscheidet, wie wir beten. Das Problem ist, dass für viele von uns Gott nicht primär unser Vater ist, sondern eine Art Chef-Figur. Beim Chef klopfen wir nicht mutig an der Tür. Wir tippen die Tür an. Und beim Chef bitten wir meistens nicht mutig. Wir fragen oft etwas unsicher: „Störe ich gerade? … ich weiß, dass ich mit meiner Abgabe zu spät dran bin. Aber darf ich trotzdem Urlaub nehmen?“ Und vielleicht ist das die Art und Weise, wie wir beten: „Ich weiß, dass ich mich letzte Woche nicht an deine Regeln gehalten habe … aber könntest du mir vielleicht helfen?“
Vor ein paar Tagen saß ich auf dem Sofa und hatte auf dem Tablet etwas gelesen. Eliot (3 Jahre) wollte, dass ich ihm ein Buch vorlese. Er sagte mehrfach, ungeduldig: „Papa, vorlesen! Vorlesen! VORLESEN!“ Eliots Aufforderungen sind einfach nur ein Wort und trotzdem sehr klar und unmissverständlich. Und weil ich aber den Artikel noch zu Ende lesen wollte und seiner direkten, aufdringlichen Bitte nicht nachgekommen bin, machte er plötzlich einen richtigen, vollständigen Satz: „So, ich mache jetzt aus!“ Und dann schaltete er mit seinem kleinen Finger mein Tablet aus. Eine sehr passende Illustration fürs Gebet. Ungefähr so dürfen und sollen wir zu Gott kommen im Gebet.

3. Wozu wir beten sollen
Wir finden die Antwort in Vers 13: „Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten.“ Der Kontext ist der, dass Jesus die Jünger beten lehrt. Und Jesus lehrte sie das Vater Unser. Wenn wir beten, dann haben wir vielleicht unsere Liste an Anliegen, mit denen wir zu Gott kommen. Aber hier scheint Jesus nicht allgemein von Erhörung von Gebeten zu sprechen. Er scheint, als ob er vor allem ein spezifisches Anliegen im Sinn hat, und zwar das Kommen des Heiligen Geistes. Wie passt das alles dann zusammen?
Zwei Antworten können wir darauf geben. Zum einen müssen wir verstehen, dass der Heilige Geist alles ist, wofür wir zu beten brauchen. Wer den Heiligen Geist hat, der hat alles. Zum Beispiel beten wir in der Gemeinde für Menschen, die unter Krankheiten leiden. Gott will uns nicht nur Heilung schenken. Gott will uns den Heiler geben. Manche beten, weil sie sich unfrei und gebunden fühlen. Gott will uns nicht nur Freiheit schenken, sondern den Befreier. Manche beten wegen finanziellen Nöten. Gott will uns nicht einfach Mittel schenken. Gott schenkt uns mit dem Heiligen Geist die ganze Bank. Wir verstehen, dass wenn wir den Heiligen Geist haben, wir alles haben und mehr haben, als wir uns jemals erträumen könnten. Der Heilige Geist ist daher nicht einfach nur ein Anliegen unter vielen. Er ist das zentrale Anliegen der Gemeinde, für das wir gemeinsam flehen dürfen.
Die andere Antwort hängt mit dem zusammen, was wir vorher gelernt haben: Gott ist unser Freund und Vater; er will, dass wir aufdringlich beten, weil er an Beziehung interessiert ist. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Gebet von Kindern Gottes und praktisch allen anderen Gebeten. Praktisch alle Menschen beten, wenn sie Nöte haben. Jemand sagte einmal, dass es in Zeiten der Not keine Atheisten gibt. Selbst Atheisten beten, wenn es ihnen wirklich schlecht geht. Kinder Gottes beten aber nicht nur in Zeiten der Not. Sie beten auch dann, wenn es ihnen gut geht. Bei allen anderen bestehen die Gebete vor allen Dingen aus Bitten. Bei Kindern Gottes bestehen die Gebete vor allem aus Dank und aus Lobpreis. Alle anderen beten vor allem, um etwas von Gott zu erhalten. Kinder Gottes beten, um Gott selbst zu haben.
Johannes Hartl hatte gesagt, dass Gebet immer auch etwas mit Verschwendung zu tun hat, weil echtes Gebet ein Ausdruck der Liebe ist und Liebe immer etwas mit Verschwendung zu tun hat. Wie ist es bei uns? Ist unser Gebet einfach nur ein Abhaken von Gebetsanliegen? Oder ist Gebet vor allem eine Zeit der Gemeinschaft mit Gott? Ein Freuen darüber, in der Gegenwart des Vaters zu sein, als seine geliebten Kinder?
Zu Anfang des Jahres hatte ich meine Predigt mit einem Zitat von C.S. Lewis beendet. Da ich ziemlich sicher bin, dass ihr dieses Zitat wieder vergessen habt, bringe ich es gerne wieder. Er schrieb: „Ein gewöhnlicher Christ kniet nieder, um seine Gebete zu sprechen. Er versucht, mit Gott in Kontakt zu kommen. Aber wenn er ein Christ ist, weiß er, dass das, was ihn zum Beten veranlasst, auch Gott ist: Gott ist sozusagen in ihm selbst. Aber er weiß auch, dass all sein wirkliches Wissen über Gott durch Christus kommt, den Mann, der Gott war – dass Christus neben ihm steht, ihm hilft zu beten, für ihn betet. Du siehst, was hier geschieht. Gott ist das Ziel, zu dem er betet – das Ziel, das er zu erreichen versucht. Gott ist auch das, was ihn in seinem Inneren antreibt – die treibende Kraft. Gott ist auch die Straße oder Brücke, auf der er zu diesem Ziel geschoben wird. Das ganze dreifache Leben des dreifach-persönlichen Wesens spielt sich also tatsächlich in diesem einfachen kleinen Schlafzimmer ab, in dem ein gewöhnlicher Mensch seine Gebete spricht.“
Was für ein unendliches Privileg, dass wir unverschämt beten dürfen.

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