Predigt: Johannes 20,1 – 18

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Ich habe den Herrn gesehen

„Maria Magdalena geht und verkündigt den Jüngern: »Ich habe den Herrn gesehen«, und was er zu ihr gesagt habe.“

(Johannes 20,18)

Es ist üblich, sich heute mit „Frohe Ostern!“ zu begrüßen. Aber es ist nicht eindeutig, woher das Wort Ostern kommt. Einige vermuten die Himmelsrichtung des Sonnenaufgangs. Alle vier Evangelien berichten gemeinsam, dass das leere Grab Jesu vor dem Sonnenaufgang früh am Morgen entdeckt wurde. Die Zeit der Dunkelheit ging vorüber und die Morgenröte kündigte das Neue an.

Unser heutiger Text Johannes 20 berichtet, was sich am Ostermorgen ereignete. Am Ende dieses Kapitels steht, was der Verfasser durch sein Schreiben erzielen wollte. Die Verse 30-31 sagen: „Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr, weil ihr glaubt, das Leben habt in seinem Namen.“ Der Verfasser Johannes schrieb sein Buch, damit die Leser glauben, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und dass sie durch diesen Glauben das ewige Leben haben.

Also stehen in seinem Buch nicht viele Zeichen, sondern nur die Zeichen bzw. Ereignisse, die er zur Erbauung des Glaubens für wichtig gehalten hat. Wenn wir von der Absicht des Verfassers ausgehen, können wir eine zielführende Orientierung finden, wie wir den heutigen Abschnitt lesen sollten. Der heutige Abschnitt sollte unseren Glauben aufbauen, damit wir glauben, dass Jesus der Christus, Gottes Sohn ist, und dass wir dadurch das ewige Leben haben.

Der Vers 1 beginnt mit den Worten „am ersten Tag der Woche“. Als Gott das Schöpfungswerk vollendete, war der siebte Tag der Sabbattag. Nach dem Sabbattag begann der erste Tag der Woche. Der Ostersonntag ist gerade der erste Tag der Woche. Als es noch finster war, kam Maria Magdalena zum Grab, wo Jesus hingelegt worden war. Warum Maria Magdalena so früh zum Grab kommen musste, erklärt der Verfasser nicht. Was ihm aber dabei wichtig war, dass Maria entdeckte, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Dann lief sie sofort zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus lieb hatte. Ihnen berichtete sie: „Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“ Eigentlich wusste Maria nicht genau, was im Grab geschehen war. Dennoch ging sie davon aus, dass der Leichnam Jesu weggenommen worden war. Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab. Für die Jünger Jesu war es nicht leicht, öffentlich zum Grab Jesu zu gehen. Denn der Vers 19 sagt, dass sie sich vor den Juden fürchteten. Trotz der Angst liefen sie zum Grab, um noch genauer zu erfahren, was sich dort ereignet hatte. Interessanterweise berichtet der Verfasser darüber, dass Johannes schneller als Petrus lief und als Erster zum Grab kam. Wollte Johannes dadurch sagen, dass er sportlicher als Petrus war? Oder wollte er uns den Eindruck vermitteln, dass er jünger als Petrus war? Es mag sein, aber sicher ist, dass Johannes sich genau daran erinnerte, dass er schneller als Petrus zum Grab Jesu gelaufen war. Es war für ihn eine Tatsache, die in seinem Gedächtnis blieb. Viele Leser könnten es außer Acht lassen, dass Johannes als Erster zum Grab kam. Aber Johannes achtet diese Tatsache nicht gering, sondern schrieb darüber, weil es eine Tatsache war. In der Tat berichtet Johannes uns, den Lesern, was geschehen war und was er selbst am Ostermorgen erlebt hatte.

Obwohl Johannes als Erster zum Grab kam, ging er nicht hinein. Er schaute nur hinein und sah die Leinentücher liegen. Dann kam Simon Petrus ihm nach und ging hinein und sah ebenfalls die Leinentücher. Was Petrus im Grab besonders auffiel, war, dass das Schweißtuch, das Jesu Haupt bedeckt hatte, nicht bei den Leinentüchern, sondern daneben lag, zusammengewickelt an einem besonderen Ort. Es sah so aus, als ob jemand die Bettdecke nach dem Aufstehen ordentlich gemacht hätte. Die Lage im Grab spricht eindeutig gegen die Annahme, dass jemand den Leichnam Jesu in Eile gestohlen hätte. Wenn es so wäre, stellt sich die Frage, warum nur die Leichentücher ohne den Leichnam Jesu im Grab lagen. Und warum lag das Schweißtuch nicht bei den Leinentüchern, sondern daneben, zusammengewickelt an einem besonderen Ort? Im leeren Grab herrschte nicht die Unordnung, sondern die Ordnung.

Sicherlich wusste der Verfasser, welches Gerücht damals bei Juden verbreitet wurde. Die Ältesten der Juden wollten die Tatsache der Auferstehung vertuschen. Dafür gaben sie den Wachsoldaten viel Geld und beauftragten sie, beim Volk das folgende Gerücht zu verbreiten: „Seine Jünger sind in der Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen.“ Aber das leere Grab, das ordentlich aussah, beweist, dass der Leichnam Jesu nicht gestohlen wurde.

Nach Petrus ging auch der andere Jünger hinein, der als Erster zum Grab gekommen war, und sah und glaubte. Im Vers 9 wird beschrieben, welchen Glauben Petrus und Johannes damals hatten. Dort heißt es: „Denn sie verstanden die Schrift noch nicht, dass er von den Toten auferstehen müsste.“ Zwar sahen sie das leere Grab und glaubten, dass etwas im Grab geschehen war, aber verstanden die Schrift noch nicht, dass Jesus von den Toten auferstehen müsste. Und sie gingen wieder zu den anderen zurück, ohne den verschwundenen Jesus zu suchen. Das leere Grab Jesu könnte für sie ein Hinweis auf die Auferstehung sein, wie er ihnen vorher angekündigt hatte. Aber Jesu Jünger verstanden noch nicht, dass Jesus nach der Schrift auferstehen musste.

Das Grab war leer. Das sahen Simon Petrus und Johannes. Immerhin gibt es zwei Augenzeugen, die selbst ins Grab Jesu hinein gingen und das leere Grab sahen.

Nachdem zwei Jünger nach Hause gegangen waren, fing nun der Verfasser an, sein Augenmerk auf Maria zu richten. Die Verse 11-12 sagen: „Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte.“ Maria konnte keine Ruhe darüber finden, dass Jesu Leichnam verschwunden war. Daher konnte sie nicht aufhören, Jesus zu suchen. Weinend schaute sie ins Grab hinein und sah zwei Engel. Sie fragten Maria: „Frau, was weinst du?“ Sicherlich wussten die Engel, warum Maria weinen musste. Darum wollten sie ihr sagen, dass sie nicht mehr zu weinen bräuchte, weil Jesus auferstanden war. Aber wie Petrus und Johannes war auch Maria noch nicht in der Lage, zu erkennen, dass das leere Grab ein Hinweis auf die Auferstehung Jesu war. Darum klagte Maria weiter: „Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“ Selbst die Engel Gottes konnten Maria nicht trösten.

Endlich erschien der auferstandene Jesus Maria Magdalena. Vers 14 sagt: „Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist.“ Noch erkannte Maria nicht, dass Jesus vor ihr stand. Es ist erstaunlich, warum es ihr schwerfiel, Jesus zu erkennen. Wahrscheinlich war es für sie unvorstellbar, dass der verstorbene Jesus wieder lebendig vor ihr stehen könnte. Oder in ihrer Trauer konnte sie nicht genau merken, dass der auferstandene Jesus ihr gerade gegenüberstand. Jesus fing an, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Jesus fragte sie: „Frau, was weinst du? Wen suchst du?“ Als sie die Stimme des Herrn hörte, hätte sie noch leichter erkennen können, dass Jesus mit ihr redete. Aber auch durch das Hören seiner Stimme konnte sie ihn nicht erkennen. Sie meinte, es sei der Gärtner und fragte ihn: „Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir: Wo hast du hingelegt? Dann will ich ihn holen.“

Ihre Augen waren noch geschlossen. Aber als Jesus sie mit ihrem Namen „Maria!“ rief, erkannte sie ihn sofort und antwortete: „Meister!“ Aus Freude wollte sie Jesus anrühren. Aber Jesus sprach zu ihr: „Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“ Wie sehr wünschte sich Maria, Jesus anzurühren. Am liebsten wollte sie bei Jesus in Ewigkeit bleiben. Aber Jesus erinnerte sie daran, dass er die Welt verlassen und zum Vater zurückgehen würde. Der auferstandene Jesus ist Gottes Sohn, der die Macht des Todes überwunden hat. Er ist der Christus, der durch seinen Tod und Auferstehung die Erlösung der Menschen vollbracht hat. Jesus beauftragte Maria: Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen.

Jesus nannte seine Jünger meine Brüder. Jesus, Gottes Sohn bestätigte, dass seine Jünger seine Brüder sind. Also hatten sie dieselbe Stellung zu seinem Vater und zu seinem Gott. Sein Vater ist auch ihr Vater, sein Gott ist wiederum ihr Gott. Durch seinen Tod und seine Auferstehung hatte er es ermöglicht, dass seine Jünger in die gleiche Stellung zu seinem Vater und zu seinem Gott versetzt werden, in der er selbst war. Sein Wort bestätigt, dass die Beziehung zu Gott durch seinen Tod und Auferstehung wiederhergestellt wurde. Alle, die Jesus als Gottes Sohn annehmen, denen gibt Gott die Macht, Gottes Kinder zu werden.

Die Jünger waren noch unwissend, welches Werk Jesus für sie vollbracht hatte. Darum wollte Jesus durch Maria ihnen diese neue Stellung verkündigen. Maria Magdalena ging und verkündigte den Jüngern: »Ich habe den Herrn gesehen«, und was der Herr zu ihr gesagt hatte.

Am Ostermorgen hörten die Jünger Jesu die Botschaft durch die Augenzeugin Maria Magdalena: Ich habe den Herrn gesehen, und was Jesus zu ihr gesagt hatte.

Interessanterweise berichtet der Verfasser nicht über die Reaktion der Jünger auf die Nachricht durch Maria. Keine Reaktion ist auch eine Reaktion, sagt man. Der Verfasser fand keine erwähnenswerte Reaktion bei den Jüngern. Hier können wir nachvollziehen, wie die Botschaft durch Maria bei den Jüngern angekommen ist. Zwar hörten sie durch Maria: „Ich habe den Herrn gesehen“, aber sie zeigten keine Reaktion. Die Botschaft durch Maria war für sie zuerst nicht glaubwürdig, weil nicht zwei Personen sie bezeugten. Sie konnten auch meinen: OK, du hast ihn gesehen, aber warum erscheint er uns denn nicht? Durch die Botschaft, dass Maria Jesus gesehen hat, kamen die Jünger nicht zum Glauben an die Auferstehung.

Die Botschaft durch Maria kann bei den Menschen unterschiedlich ankommen. Zurzeit sind viele Menschen in der ganzen Welt mit der Pandemie durch Covid-19 konfrontiert. Viele Menschen fühlen sich unsicher. Warum haben die Menschen Angst? Diese Angst hat mit dem Tod zu tun. Niemand will sein Leben verlieren. Aber leider hören wir jeden Tag, dass viele ihr Leben verloren haben. Wie stark können die Familienangehörigen geschockt werden, wenn sie mit so einem Todesfall konfrontiert werden. Die Botschaft „Ich habe den Herrn gesehen“ kann vielen Menschen unwichtig vorkommen. Aber die Botschaft der Auferstehung ist die Botschaft von Gottes Sohn. Er will die Menschen, die unter der Todesangst leiden, trösten. Er will denen, die wegen dem Tod betroffen sind, die Hoffnung auf die Auferstehung geben. Heute erleben wir, wie schwach die Menschen sind. Wir werden irgendwann alle unterschiedlich zu dem Punkt kommen, dass wir uns von dieser Welt verabschieden müssen. Aber der Tod ist nicht unser Ende, sondern wir werden zum Vater gehen.

Gott will, dass alle in Jesus das ewige Leben haben. Darum sollen wir heute die Botschaft Jesu ernst nehmen und Jesus als Gottes Sohn aufnehmen.

Amen.

 

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