Predigt: Johannes 18,28 – 19,16

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Jesus wird zur Kreuzigung überantwortet

„Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde.“

(Johannes 19,16)

Der heutige Text berichtet detailliert über Jesu Verhör und seine Verurteilung durch Pilatus. Im gesamten Text fällt auf, dass Jesus sich nicht verteidigt oder zu seiner Entlastung geredet hat. Stattdessen hat er Pilatus die geistliche Natur seines Reiches verkündigt und sich selbst als der wahre König offenbarte und ihn dazu eingeladen, seine Stimme zu hören und die Wahrheit zu erkennen. Lasst uns betrachten, wie Jesus sich und das Wesen seines Reiches offenbart hat und warum er am Ende von Pilatus doch zur Kreuzigung verurteilt wurde. Möge Gott jeden durch sein Wort segnen!

Betrachten wir den Vers 28: „Da führten sie Jesus von Kaiphas vor das Prätorium; es war aber früh am Morgen. Und sie gingen nicht hinein in das Prätorium, damit sei nicht unrein würden, sondern das Passamahl essen könnten.“ Pontius Pilatus war von 26-36 n.Chr. römischer Statthalter der Provinzen Judäa und Samarien und damit auch oberster Richter im Land. Die Juden betraten das Prätorium nicht, damit sie sich nicht unrein machen würden, sondern das Passamahl essen könnten. Ihre Einhaltung der jüdischen Satzungen stand in krassem Gegensatz zu der mörderischen Absicht, mit der sie Jesus zu Pilatus brachten. Pilatus wollte sich nur ungern mit dem Fall befassen. Aber als er sie aufforderte, Jesus selbst nach ihrem Gesetz zu richten, erwiderten sie, dass es ihnen nicht erlaubt sei, jemanden zu töten. Dadurch wurde Jesu Ankündigung erfüllt, dass er den Heiden überantwortet würde und dass sie ihn geißeln und töten würden (Mk 10,33.34).

Die Verse 33-38 berichten über Pilatus Gespräch mit Jesus. Pilatus fragte Jesus direkt: „Bist du der Juden König?“ Jesus fragte zurück, ob Pilatus das aus eigenem Interesse wissen wollte oder nur, um einen Anklagepunkt der Juden abzuklären. Aber Pilatus erwiderte: „Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben mir dich überantwortet. Was hast du getan?“ (33-35) Obwohl Pilatus Jesus nicht wirklich aus persönlichem Interesse fragte, war Jesus trotzdem bereit, ihm wahrheitsgemäß zu antworten: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von hier.“ Mit diesen Worten lehrte Jesus ihn die geistliche Natur seines Reiches. Pilatus konnte das nicht richtig verstehen und fragte zurück: „So bist du dennoch ein König?“ Eigentlich war es für Jesus gefährlich, dem römischen Statthalter zu sagen, dass er ein König ist. Aber Jesus sagte ihm „Du sagst es: Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.“ Jesus bezeugte klar, dass er ein König ist, und dass er nicht von dieser Welt ist. Jesus bezeugte ihm, dass er dazu geboren und in diese Welt gekommen ist mit dem Ziel, dass er die Wahrheit bezeugt.

Warum ist Jesus dafür in die Welt gekommen, um den Menschen die Wahrheit zu bezeugen? Wenn wir darüber nachdenken, erkennen wir, dass das größte und grundlegende Problem von uns Menschen in dieser Welt ist, dass wir die Wahrheit nicht kennen. Wir mögen zwar manches darüber wissen, wie diese Welt funktioniert, wie wir uns z.B. verhalten sollen, um nicht unnötig viele Probleme mit unseren Mitmenschen zu bekommen, oder wie wir eine gute Stelle bekommen und sie auch behalten können, oder wo wir Dinge mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis kaufen können oder einfach, wie wir dem Leben schöne Momente abgewinnen können. Aber all das ist keine Wahrheit und keine Basis, auf die wir unser Leben bauen könnten.

Die aktuelle Situation, in der das Coronavirus sich weltweit stark verbreitet, ist für viele Menschen eine Gelegenheit, genau das zu erkennen. Wir erleben viele Einschränkungen; vieles, was selbstverständlich war, ist zurzeit nicht mehr möglich, etwa weil Sportvereine, Fitnessstudios, Kinos und Restaurants geschlossen sind. Man soll sich nicht mehr mit Freunden oder Verwandten treffen und viele arbeiten von zu Hause und können ihre Kollegen nicht mehr sehen. Etliche bangen um ihren Job oder um ihre wirtschaftliche Existenz. Die größte Sorge ist, sich an dem Virus anzustecken. Diese Situation führt viele zu der Frage, worum es im Leben eigentlich geht. In einer Umfrage, die schon vor über einer Woche in Deutschland gemacht wurde, als die Verbreitung und die Gegenmaßnahmen noch viel geringer waren als jetzt, hat eine Mehrheit angegeben, dass sie mehr über den Sinn des Lebens nachdenken. Viele mögen jetzt merken: wenn es im Leben vor allem darum dreht, erfolgreich zu sein und seine Zeit und Geld möglichst gut für die Erfüllung der eigenen Wünsche einzusetzen, hat sein Leben keine richtige Basis und geht an Gottes Ziel vorbei. Tatsächlich ist das aber wohl bei den meisten Menschen der Fall, wenn auch in unterschiedlicher Form. Der Grund dafür ist, dass uns Menschen die Wahrheit fehlt.

Dieses Problem gibt es nicht nur auf individueller Ebene. Alle Reiche dieser Welt haben diese Eigenschaft, dass sie nicht erfüllen können, was sie zu geben versprechen, und keinen Bestand haben, weil ihnen die Wahrheit als Grundlage fehlt. Das gilt nicht nur für polilitische Reiche, für Wirtschaftsimperien oder für glänzende Reiche in der Gesellschaft und Kultur. Auch wer sich durch rechtschaffenes Arbeiten als kleiner Angestellter oder Selbständiger und/oder durch eine Freundschaft oder eine Familie sein eigenes kleines privates Reich aufbauen will, aber nicht die Wahrheit in Jesus als Grundlage hat, hat für sein Reich keine richtige Grundlage und sein Reich wird bleiben und ihm nicht bringen, was er erhofft hat. Wir brauchen unbedingt die Wahrheit für unser Leben. Wir müssen die Wahrheit über Gott erkennen, wer er ist, was sein Ziel für uns ist und wie wir es erreichen, und müssen auch die Wahrheit über uns selbst erkennen. Vor allem sollen wir erkennen, dass Gott uns so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Jesus ist der König der Wahrheit. Er ist als ein Mensch in diese Welt gekommen, um uns die Wahrheit zu bezeugen. Jesus sagt: „Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme“ (37b).

Was meint Jesus damit, dass wer aus der Wahrheit ist, seine Stimme hört? Zum einen sagt Jesus dadurch, dass wir, um die Wahrheit zu erkennen, seine Stimme hören müssen, weil die Wahrheit von ihm kommt. Viele haben die Neigung zu denken, dass sie irgendwie von sich aus die Wahrheit erkennen könnten. Viele verlassen sich auf ihren eigenen Verstand oder hören auf ihre „innere Stimme“, als ob sie dadurch die Wahrheit erkennen und richtig leben könnten. Aber das ist nicht wahr. Niemand kann von sich aus durch scharfes Nachdenken oder Hören auf seine innere Stimme die Wahrheit über Gott und seinen Willen erkennen, nicht einmal die Wahrheit über sich selbst. Das liegt nicht daran, dass der eine oder andere dafür nicht intelligent genug wäre. Die Wahrheit über Gott und das Leben, das er geschaffen hat und seinen Sinn, ist der Welt, die sich von Gott abgewandt hat, unbekannt. Nur Jesus kennt die Wahrheit, und er ist gekommen, um uns die Wahrheit durch sein Wort zu bezeugen. Wenn wir seine Stimme hören und ihm glauben, werden wir die Wahrheit erkennen und mit ihm ewig leben.

Zum anderen sagt Jesus in diesem Vers, dass es zwei Arten von Menschen gibt. Es gibt die Menschen, die aus der Wahrheit sind und seine Stimme hören. Es sind diejenigen, die Jesus zuhören und seine Worte annehmen und sie glauben. Sie erkennen Jesus als den wahren König und unterstellen sich seiner Herrschaft und setzen ihre Hoffnung ganz auf seine Gnade und sein Reich. Dadurch macht die Wahrheit sie frei von allen möglichen Lügen, unnötigen Sorgen und Ängsten, von der Herrschaft ihres eigenen Egos und der Sünde. Sie können mit Jesus in der Wahrheit und dadurch in der wahren Freiheit frei und fröhlich leben.

Aber nicht alle tun das. Es gibt auch diejenigen, die nicht aus der Wahrheit sind. Sie hören Jesu Stimme nicht. Ihnen ist die Wahrheit in Wirklichkeit nicht so wichtig. Sie lieben bestimmte Menschen oder Dinge in dieser Welt oder eine bestimmte Lebensweise mehr als Gott. Deshalb bleiben sie in der Sünde und entziehen sie sich so der Liebe Gottes. Jesus hat in Kap. 3 gesagt: „Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Wer Böses tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott getan sind“ (Joh 3,19-21). Lasst uns beten, dass Gott uns hilft, uns als Menschen der Wahrheit zu erweisen, indem wir weiter auf seine Stimme hören, die Wahrheit erkennen und aufgrund dessen wirklich unter seiner Herrschaft leben!

Wenn wir den Text weiter betrachten, erkennen wir, dass Pilatus leider kein Mensch aus der Wahrheit war. Er stand vor dem König der Wahrheit und hörte seine Einladung, die Wahrheit zu erkennen. Aber statt weiter zuzuhören und nachzufragen, sagte er einfach: „Was ist Wahrheit?“, und ging wieder hinaus zu den Juden. Er meinte, dass die Wahrheit ein großes, schwieriges Thema sei, und wandte sich lieber wieder seiner Arbeit zu.

Immerhin erkannte Pilatus durch das Gespräch mit Jesus, dass Jesus keine Schuld hatte. Er sagte zu den Juden im Vers 38: „Ich finde keine Schuld an ihm.“ Das gleiche sagte er dreimal (19,4+6). Konsequenterweise hätte er Jesus freilassen sollen. Aber stattdessen machte er den Juden den Vorschlag, Jesus ihm Rahmen der Tradition, am Passafest einen Gefangenen zu begnadigen, loszugeben. Eigentlich war Pilatus als Statthalter des Kaisers der oberste Richter im Land und konnte souverän entscheiden. Aber er wollte offenbar die Juden nicht verärgern und seine Beziehung zu ihnen nicht belasten und suchte deshalb eine Lösung, mit der sie auch einverstanden wären. Wenn er Jesus im Rahmen der Tradition begnadigen würde, könnte er ihn freilassen, ohne dass sie in dem Prozess als Verlierer dastehen und ihr Gesicht verlieren würden.

Darin zeigt sich, dass Pilatus keine klare Haltung gegenüber der Wahrheit hatte. Er respektierte die Wahrheit nicht als etwas, das über dem Menschen steht und dem man unbedingt folgen muss, auch wenn es Nachteile bedeutet. Für ihn war die Wahrheit etwas, mit dem er je nach der Situation hantieren kann. Er wollte nicht frontal gegen die Wahrheit verstoßen; aber er war bereit, mit der Wahrheit Kompromisse zu machen, wenn sie nicht allzu gravierend wären. Aber sein kluger Plan ging nicht auf. Als er die Juden fragte: „Wollt ihr nun, dass ich euch den König der Juden losgebe?“, schrien sie unerwartet: „Nicht diesen, sondern Barabbas!“ Barrabas war ein Räuber.

Pilatus hätte an dieser Stelle seine Haltung überdenken sollen, aber das tat er wohl nicht. In Kap. 19,1 lesen wir: „Da nahm Pilatus Jesus und ließ ihn geißeln.“ Die Geißelung war, wie die meisten wohl wissen, eine der gefürchtetsten Foltermethoden der Römer. Dabei wurde der Gefangene mit langen Lederstriemen ausgepeitscht, an deren Ende oft spitze Metall- oder Knochenstückchen eingeflochten waren, die den Rücken bis zu den Knochen aufrissen. Die Verletzungen und Schmerzen bei Geißelungen waren oft so schwer, dass viele dabei in Ohnmacht fielen und manche starben. Jesus musste bei der Geißelung unsäglich leiden.

Pilatus ließ Jesus geißeln, obwohl er ihn für unschuldig hielt; offenbar spekulierte er darauf, dass durch Jesu Geißelung der Zorn der Juden besänftigt würde und sie danach seiner Freilassung eher zustimmen würden. Anstatt der Wahrheit zu folgen, suchte er weiter einen Kompromiss, bei dem er die gute Beziehung zu den Juden behalten konnte, ohne Jesus töten zu lassen.

Als die Geißelung endlich zu Ende ging, hörten Jesu Leiden nicht auf. Die Soldaten hatten mitbekommen, dass er der König der Juden genannt wurde. Sie flochten eine Korne aus Dornen und setzten sie auf Jesu Haupt und legten ihm ein Purpurgewand an und traten zu ihm und sagten zu ihm: „Sei gegrüßt, König der Juden!“, und schlugen ihm ins Gesicht (19,2.3). Sie waren so hart und unbarmherzig und hatten sadistischer Freude daran, dass sie einmal über einen König Gewalt hatten. Auf diese Weise verhöhnten sie Jesu Königtum.

Pilatus ging wieder hinaus und sagte zu den Juden: „Seht, ich führe ihn heraus zu euch, damit ihr erkennt, dass ich keine Schuld an ihm finde“ (4). Vers 5 sagt: „Da kam Jesus heraus und trug die Dornenkrone und das Purpurgewand. Und Pilatus spricht zu ihnen: Sehet, welch ein Mensch!“ Pilatus‘ Worte Sehet, welch ein Mensch!“, waren wohl ein Ausruf, der ihm spontan entfuhr, als er Jesus sah. Jesus stand da, von den Qualen gezeichnet, mit der Dornenkrone auf dem Haupt, sein blutender Rücken mit dem purpurroten Mantel bedeckt. Etliche Maler haben versucht, Jesus in jenem Moment darzustellen, als Pilatus „Seht, welch ein Mensch!“, auf lateinisch „Ecce homo!“rief. Jesu Anblick war einerseits mitleiderregend, ein Inbegriff des menschlichen Elends und Leidens und der Erniedrigung. Und obwohl seine Krone aus Dornen war und Blut über sein Gesicht lief, strahlte er mitten in seinem tiefsten Elend trotzdem auch etwas von königlicher Würde aus. Jesus klagte nicht, schrie nicht, fluchte nicht, jammerte nicht und bettelte nicht um Erbarmen und war trotz allem nicht verzweifelt. Pilatus rief: „Ecce homo!“ – „Seht, welch ein Mensch!“, weil er von Jesu Anblick gleichzeitig fasziniert und entsetzt war, als er den wahren König sah, der tiefstes Leid und Erniedrigung erfuhr und es dennoch mit Würde trug.

Wie reagierten die Hohenpriester und ihre Diener, als sie Jesus so sahen? Vers 6 sagt: „Als ihn die Hohenpriester und die Diener sahen, schrien sie: Kreuzige! Kreuzige!“ Ihre laute Forderung nach Jesu Tod zeigt ihre Unbarmherzigkeit und ihren blinden Hass gegen Jesus. Ihre Herzen waren für jegliches Mitgefühl unempfänglich, weil sie vom Hass und Verlangen nach Jesu Tod erfüllt waren. Wie konnte es dazu kommen? Eigentlich waren sie religiöse Menschen, die die Bibel kannten. Eigentlich hatten sie auch Jesu Zeichen selbst gesehen und vielfach davon gehört. Aber sie hatten auf ihren eigenen religiösen Ansichten beharrt und hatten deshalb die Wahrheit über Jesus nicht erkannt. Wegen ihres Unglaubens blieben sie geistlich blind und missverstanden Jesu Offenbarung als Gottes Sohn als Gotteslästerung. Wegen ihres Unglaubens und Missverständnisses wurden sie vom Hass gefangen und wurden zur schlimmsten Perversion von Gottes Dienern, die alles dafür einsetzten, den Sohn Gottes zu töten. Die Menschen in unserer Zeit halten Unglauben für etwas Harmloses, weil dadurch nach ihrer Vorstellung niemand zu Schaden kommt. Aber an den Hohenpriestern und Dienern können wir erkennen, dass Unglaube die krasseste Sünde ist, da er Gott und seinen Sohn verachtet und die Menschen zu Unmenschen macht, die zu allem fähig sind.

Pilatus muss ihren blinden Hass gemerkt haben und wollte sich ihrem Bestreben widersetzen und sagte: „Nehmt ihr ihn hin und kreuzigt ihn, denn ich finde keine Schuld an ihm.“ Die Juden erwiderten: „Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gsetz muss er sterben, denn er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht“ (7). Pilatus muss als Römer an alle möglichen Götter geglaubt haben; aber als er hörte, dass Jesus Gottes Sohn ist, fürchtete er sich noch mehr und ging wieder ins Prätorium und spricht zu Jesus: „Woher bist du?“ Aber Jesus gab ihm keine Antwort. Pilatus fragte ihn: „Redest du nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich loszugeben, und Macht habe, dich zu kreuzigen?“ Jesus antwortete: „Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben gegeben wäre. Darum hat, der mich dir überantwortet hat, größere Sünde.“ (8-11) Während Pilatus während dem Verhör versuchte, durch geschicktes Taktieren für sich Vorteile zu erhalten, redete Jesus nicht so, wie es für ihn vorteilhaft war, sondern schwieg oder redete nach der Wahrheit. Oberflächlich gesehen hatte Pilatus Macht über Jesu Leben und Tod. Aber Jesus wies ihn darauf hin, dass er keine Macht über ihn hätte, wenn sie ihm nicht von oben gegeben wäre. Jesus wusste, dass sein Leben nicht in Pilatus’, sondern in Gottes Hand lag. In diesem Wissen sprach er Pilatus auch auf die Sünde an, die er auf sich laden würde. Jesus bezeugte ihm die Wahrheit, unabhängig davon, ob es für ihn vorteilhaft war oder nicht.

Dies muss Pilatus irgendwie beeindruckt haben. Vers 12a sagt: „Von da an trachtete Pilatus danach, ihn freizulassen.“ Aber sein Gesinnungswandel kam zu spät. Die Juden erhöhten den Druck auf ihn, indem sie sagten: „Lässt du diesen frei, so bist du des Kaisers Freund nicht; wer sich zum König macht, der ist gegen den Kaiser“ (12b). Diese Worte erwischten Pilatus an seinem Schwachpunkt. Als sie eine Freilassung Jesu als eine Illoyalität gegenüber dem Kaiser darstellten, schien das nicht nur seiner Karriere, sondern auch sein Leben zu bedrohen. Auf diese Worte hin führte Pilatus Jesus heraus und setzte sich auf den Richterstuhl. Der Verfasser betont die Bedeutung dieses Moments, indem er genau den Ort und die Uhrzeit erwähnt. Es war um die sechste Stunde, also zwölf Uhr mittags. Pilatus machte nochmals einen zaghaften Versuch und sagte: „Sehet, euer König!“ Aber sie schrien hasserfüllt: „Weg, weg mit dem! Kreuzige ihn!“ Pilatus fragt sie ein letztes Mal, als ob er damit die Verantwortung für seine Entscheidung auf sie abwälzen wollte: „Soll ich euren König kreuzigen?“ Die Hohenpriester antworteten: „Wir haben keinen König außer dem Kaiser“ (15). Ihre Antwort war nicht nur voll geheuchelter Loyalität gegenüber dem Kaiser in Rom, sondern war ihr endgültiger Verrat am wahren König, den Gott ihnen gesandt hatte. Daraufhin traf Pilatus als Richter seine Entscheidung. Vers 16a sagt: „Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde.“

Wir sind damit am Ende unseres heutigen Textes. In diesem Text hat sich Jesus als der König der Wahrheit offenbart, dessen Reich nicht von dieser Welt ist, sondern geistlich und heilig und ewig ist. Und derselbe Text berichtet, dass Jesus schließlich zur Kreuzigung verurteilt wurde. Dadurch stellt er indirekt die Frage: Warum musste Jesus, der König der Wahrheit, gekreuzigt werden? Und der Text gibt selbst darauf Antworten, indem er uns ausführlich die Sünde mehrerer Personen bzw. Gruppen von Personen beschreibt.

An Pilatus sehen wir die Sünde seiner Geringachtung der Wahrheit und Streben nach seinem Vorteil, weswegen er Jesus nicht freigelassen hat, sondern einen Kompromiss gesucht hat und ihn schließlich zur Kreuzigung überantwortet hat. Der Text beschreibt nicht nur einen unglücklichen Verlauf der Ereignisse, sondern macht klar, dass Jesus wegen der Sünde von Pilatus zur Kreuzigung überantwortet werden musste.

Jesus musste auch wegen der Sünde der Hohenpriester gekreuzigt werden. Sie hatten Jesu Wunderzeichen selber gesehen. Aber weil sie ihre Illusion, dass sie selbst gerecht wären, festhielten und sich weigerten, Jesus anzuerkennen, wurden sie geistlich blind und von grundlosem Hass auf ihn erfüllt und wurden zu Gottes Feinden, die all ihre Macht und Fähigkeiten dafür einsetzten, dass Jesus gekreuzigt würde. Jesus musste wegen dem Unglauben und der Blindheit der Hohenpriester gekreuzigt werden.

Jesus musste auch wegen der Sünde der Diener sterben. Sie bildeten sich keine eigene Meinung über Jesus, sondern folgten blind ihre Leitern. Als diese Jesu Kreuzigung verlangten, schrien sie mit ganzer Kraft: „Weg, weg mit dem! Kreuzige ihn!“ Jesus musste auch wegen dem verantwortungslosen Mitläufertum der Diener gekreuzigt werden.

Und wenn wir das einsehen, können wir in diesem Text auch die frohe Botschaft für uns entdecken. Jesus, der wegen der Sünde von Pilatus und der Hohenpriester und der Diener gekreuzigt wurde, ist auch für unsere Sünde gekreuzigt worden. Alle Menschen haben mangelnden Respekt gegenüber der Wahrheit. Jeder hat eine Neigung, Kompromisse einzugehen, um Nachteile zu vermeiden oder Vorteile für sich zu erlangen. Jesus ist auch für unseren mangelnden Respekt gegenüber der Wahrheit zur Kreuzigung verurteilt worden. Jesus ist auch wegen unserer Sünde des Unglaubens gekreuzigt worden. Jesus ist auch wegen unserer Versäumnisse, uns eine ausreichend klare geistliche Meinung zu bilden, am Kreuz getötet worden. Jesus ist wegen allen anderen Sünden von uns am Kreuz getötet worden, damit wir nicht dafür sterben müssen, sondern mit ihm ewig leben können. – Möge Gott jedem von uns helfen, auf Jesu Stimme zu hören und die Wahrheit zu erkennen, vor allem die Wahrheit über Jesu Kreuzigung und über unsere eigene Sünde. Möge er uns helfen, wenn wir die Wahrheit erkennen, dann weiter auf ihn zu hören und ihm vertrauensvoll zu folgen und hier und in Ewigkeit unter seiner Herrschaft in seinem Reich zu leben! Amen.

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