Predigt: Johannes 13,1-17

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So liebte er sie bis ans Ende

„Vor dem Passafest aber erkannte Jesus, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum Vater; und wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.“ (13,1)

Wir Menschen, ob wir uns nun als modern oder altmodisch bezeichnen, für konservativ oder progressiv halten, haben eine Eigenschaft seit Jahren, Jahrhunderten und Jahrtausenden gemeinsam, nämlich das unerschöpfliche Verlangen nach unendlicher Liebe. Eine Liebe, die uns vollkommen und vollständig beglücken soll. In unzähligen Liedern, Gedichten, Märchen, Romanen und Filmen suchen Menschen nach der glücklich machenden Liebe ihres Lebens. Doch genauso viele Geschichten handeln vom Scheitern dieses Ziels. Liebe scheint eines der größten und wichtigsten Bedürfnisse der Menschheit zu sein. Doch das Problem ist, dass wir das Richtige an falscher Stelle suchen. Menschen suchen das Vollkommene bei den Unvollkommenen. Selbstverständlich ist dieses Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die vollkommene Liebe kann nur bei der vollkommenen Person gefunden werden, die reine Liebe nur bei der reinen Persönlichkeit und das Unendliche nur beim Unendlichen.

Und das Schöne ist, dass diese Liebe in Perfektion weder Legende ist noch Fiktion. Sie ist niemandem vorenthalten, im Gegenteil, wer möchte, ist dazu eingeladen. Möge Gott uns durch den heutigen Text Zugang zur wahren Liebesquelle verschaffen.

Teil I Unendliche Liebe (1)

Welche Liebe fanden die Jünger bei Jesus? Lesen wir Vers 1: „Vor dem Passafest aber erkannte Jesus, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum Vater; und wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.“

Es war Passafest, ein Lob- und Dankfest der Juden, an dem sie sich an Gottes Erlösung ihres Volkes erinnerten. Doch das anstehende Passafest war ein besonderes. Nicht irgendein Passalamm würde geopfert werden und sein Leben verlieren, sondern das wahre und einzigartige Lamm Gottes. So unermesslich groß die Bedeutung dieses Passafestes in der Geschichte auch war, so groß waren auch die körperlichen und seelischen Schmerzen, die auf Jesus warteten. Jesu Gebetskampf im Garten und sein schmerzvoller Ausruf am Kreuz sind Zeugnisse seines Leidens, von seinen leiblichen Schmerzen ganz abgesehen.

Was aber tat Jesus, der vor den dunkelsten und bittersten Stunden seines Lebens stand? Vers 1 bezeugt: „und wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.“ Dieser Satz stammt von einem Jünger, der das Ende miterlebt hatte. Er hatte gesehen, wer Jesus bis zum letzten Atemzug war. Jesus war keiner, der Liebe ausstrahlte, solange es ihm gut ging. Seine Liebe war nicht bedingt, von seiner jeweiligen Laune. Johannes, der Jünger und Verfasser, erlebte einen Jesus, der die Seinen selbst dann liebte, als diese ihn verrieten, als sie ihn dreimal in Öffentlichkeit verleugneten, auch dann, als er in tiefster Not von ihnen im Stich gelassen wurde und selbst dann, als ihn Metall mit dem Kreuz verband. Trotz unerträglichen Peines liebte Jesus die Seinen. Als Johannes diese Worte schrieb, tat er es als einer, der die unveränderliche Liebe Jesu bis ans Ende persönlich erfahren hatte.

Die grenzenlose Liebe Jesu ist dabei nicht nur zeitlich, sondern auch qualitativ zu verstehen. „Bis ans Ende“ kann auch als vollkommene oder vollbrachte Liebe übersetzt werden. Sie ist keine oberflächliche Sympathie. Sie ist keine auf Gegenseitigkeit beruhende „Wie du mir, so ich dir“ Liebe. Sie ist auch kein leeres Lippenbekenntnis. Sie ist weder unsicher noch droht sie mit der Zeit zu versinken. Jesu Liebe hat nachhaltige Wirkung und nur wer ihr begegnet, wird erkennen, wie einzigartig und unvergleichlich sie ist.

Wie sehr unterscheidet sich menschliche Liebe von der Liebe Christi? Jesus sagte einmal: „Und weil die Ungerechtigkeit überhand nehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten.“ (Mt. 24,12) Diese Aussage ist traurig aber leider wahr. So heiß glühend menschliche Liebe manchmal auch sein kann, so rapide erleidet sie einen Wärmeverlust. Oftmals reichen Banalitäten aus, um die Liebe einzufrieren. Wer von pochenden Kopfschmerzen geplagt wird, hat in der Regel wenig für die Belange anderer übrig. Viel lieber möchte der oder diejenige in Ruhe gelassen werden. Die persönliche Not ist ein wunderbares Alibi für fehlende Liebe. Oftmals reicht auch nur ein einziges, unüberlegtes Wort und die nächste Eiszeit bricht an. Die menschliche Liebe ist also unbeständig und wetterwendig. Wehe dem, der darauf baut.

Wie aber sieht Jesu Liebe aus? Darüber sagte er einmal: „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“ (Joh. 15,13) Und nichts anderes hat Jesus getan. Er hat sein Leben für die Seinen gelassen. Er vollbrachte die Liebe grade durch seine Agonie, ihren Höhepunkt erreichte sie durch seinen Tod. Er hat den Seinen somit den aller größten Liebensdienst erwiesen. Dieser ist nicht zu übertreffen. Paulus sagt: „Nun stirbt kaum jemand um eines Gerechten willen“. (Röm. 5,7) Jesus aber gab sein Leben für Ungerechte, für Unvollkommene, für Sünder. Selig ist, wer diese Liebe Jesu begreift und persönlich erlebt.

Apostel Paulus, der die Fülle der Liebe Gottes persönlich erfahren hatte, trug einen großen Segenswunsch für die Gläubigen in Ephesus im Herzen, nämlich: „dass (…) ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle.“ (Eph. 3,17-19) Nichts anderes wünschte Paulus dieser Gemeinde, als dass sie die Liebe Christi erfahren sollten, die um vieles breiter, länger, höher und tiefer ist, als jegliche Erkenntnis. Erst durch diese Liebe Jesu wird der Mensch von der ganzen Gottesfülle erfasst und ergriffen.

Warum aber führen wir nicht ein Leben in stetiger Glückseligkeit? Warum sind wir oft traurig und wie abgeschnitten von der Liebe Jesu? Die Antwort finden wir bereits bei den ersten Menschen. Als Adam gegen Gott sündigte, versteckte er sich unter den Bäumen vor Gott. Auch wir verstecken uns vor Jesus, wenn wir sündigen. Unsere Schuld wirkt in dem Augenblick größer als die Liebe Christi. Dieser Zweifel an der Liebe Jesu führt uns in große Versuchungen und Anfechtungen. Worin besteht das Problem? Das Problem liegt darin, dass wir von unserer subjektiven Wahrnehmung ausgehen. Die Sünde in uns verzerrt dabei das Bild der Liebe Christi. Was aber gilt in Bezug auf Christi Wesen? Hebr. 13,8 verkündet: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“ Menschliche Worte vergehen, auch Flora und Fauna werden vergehen, sogar Himmel und Erde werden eines Tages vergehen, aber die Liebe Jesu nicht! Sie ist ein absolut konstanter Faktor. Demnach gilt: Wer schlau sein und klug handeln will, baut sein Haus des Lebens auf das einzig stabile Fundament, nämlich der Liebe Christi. Die Liebe Jesu ist nicht nur eine stabile Basis, sondern auch eine sehr fruchtbare. Wenn wir unser Leben auf Jesus bauen, gleicht es einem schönes Haus, der felsenfest steht und von einem schönen und fruchtbaren Garten umgeben ist. Die Früchte, die wir ernten werden, sind köstlich und anschaulich. Wir ernten wahre Liebe und wahres Glück. Wir empfangen Licht und Leben. Wir verweilen in Freude und Dank. „Von nun an, bis in Ewigkeit.“

Teil II Die dienende Liebe Jesu (2-5)

Welches bedauerliche Ereignis ist zutiefst tragisch, betont aber umso mehr die Liebe Christi? Betrachten wir den Vers 2: „Und beim Abendessen, als schon der Teufel dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu verraten“. Jesus liebte auch Judas, seinen Verräter. Doch der Teufel war am Werk und hatte Judas bereits seinen teuflischen Plan eingeflößt. Konnte Judas nicht anders, als nachzugeben? Waren die 11 übrigen Jünger nicht genauso anfechtbar? Böse Gedanken schwirren hin und wieder in unseren Köpfen. Doch entscheidend ist nicht ob wir versucht werden, sondern ob wir der Versuchung Folge leisten. Die übrigen Jünger widerstanden. Sie kannten die Liebe Jesu nicht nur, sondern öffneten sich dafür und gaben sie wieder. Judas Herz war aber, wie wir aus Kapitel 12 noch wissen, bei den klirrenden Münzen. Diese liebte er mehr als seinen Herrn und Meister.

Judas liefert allen Christen ein heikles Warnbeispiel. Er gehörte der besten Gemeinschaft, der besten Gemeinde an, er hatte den besten Pastor der Welt, den besten Prediger aller Zeiten. Dennoch kann ein Mensch verloren gehen, wenn er Jesus sein Herz verschließt.

Warum war Jesus dennoch kein Spielball schicksalhafter Intrigen? Werfen wir einen Blick auf Vers 3: „Jesus aber wusste, dass ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott ging.“ Jesus wusste einfach alles, er wusste von Judas Verrat, von seiner bevorstehenden Festnahme, vom demütigenden Verhör, von seiner ungerechten Verurteilung und seinen erbarmungslosen Misshandlungen. Doch weder Judas, noch die religiösen Leiter, auch nicht Pilatus, nicht einmal der Teufel hatten die Kontrolle über die Geschehnisse. Der Vater hatte Jesus alles in seine Hände gegeben.

Was würde ein Mensch, der am Ende seines Lebens steht, aber die absolute Vollmacht besitzt, tun? Wenn er böse gesinnt wäre, könnte er jeden bestrafen, der ihm etwas zu Leide getan hatte. Bei einer wohlwollenden Gesinnung könnte er die vielen Probleme des Landes wie Armut, Hunger, Besatzung, Ungerechtigkeit usw. durch eine fundamentale Strukturreform angehen. Doch was tat Jesus mit seiner Vollmacht?

Lesen wir die Verse 4 und 5: „da stand er vom Mahl auf, legte sein Obergewand ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich. Danach goss er Wasser in ein Becken, fing an, den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.“ Was wir in diesen Versen antreffen ist keine Machtdemonstration im klassischen Sinne. Matthew Henry kommentiert, dass wir an dieser Stelle keinem Wunder im gewöhnlichen Sinne begegnen, sondern einem Wunder der Demut. An dieser Stelle, vor den Füßen der 12 Jünger, geschah etwas, das die Welt in keinster Weise gesehen, gehört oder erlebt hatte. Der Herr der Herrlichkeit ging vor den Füßen seiner Jünger auf die Knie. Ein unbegreifliches Schauspiel ereignete sich an jenem Abend! Unfassbar war nicht nur die Haltung, die Jesus einnahm, ungeheuerlich war auch der darauf folgende Dienst, den er an den Jüngern vollbrachte. Seine Vollmacht über Himmel und Erde gebrauchte Jesus, um 24 schmutzige Füße zu waschen, die er im Anschluss auch einzeln wieder abgetrocknet hat. So finden wir an dieser Stelle nicht nur ein einzigartiges Beispiel an Demut, sondern auch an dienender Liebe. Von keinem anderen würden die Jünger je wieder auf vergleichbare Weise geliebt werden.

Wer Jesus kennen lernen möchte, findet gerade an dieser Stelle gute Gelegenheit, denn Jesu Wesen wird besonders durch die Fußwaschung offbar. Er ist der Herr der Herren, der König aller Könige, herrscht aber in Demut und Liebe. Die Fußwaschung ist charakteristisch für das Wirken Jesu, das in einem noch viel größeren Liebesdienst gipfelte. Jesu Liebe und Dienst reichten noch viel weiter, nämlich bis an das Kreuz.

Teil III Jesus half Simon aus Liebe (6-11)

Ist die Fußwaschung eigentlich reibungslos verlaufen? Betrachten wir Vers 6: „Da kam er zu Simon Petrus; der sprach zu ihm: Herr, solltest du mir die Füße waschen?“ Was hat Simon verstanden und was hat er nicht verstanden? Er verstand die Unbegreiflichkeit der Situation. Sollte Jesus ihm die Füße waschen? Konnte Simon seine Füße nicht selber waschen? Ausgerechnet Jesus? Sein Unverständnis ist verständlich, denn Jesu Tat übertraf jegliche Vorstellungskraft. Wie half ihm Jesus weiter? Betrachten wir Vers 7: „Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht, du wirst es aber hernach verstehen.“ Weil Jesus wusste, dass Petrus ihn nicht verstand, appellierte er an sein Vertrauen. „Du hast keine Ahnung was ich jetzt tue, aber eines Tages, da wirst du es verstehen, eines Tages wird dir ein Licht aufgehen, eines Tages, da wirst du auf deine Knie fallen und Gott loben, danken und preisen, für den Dienst, der an dir und deinen Brüdern geschehen ist.“

Hat Simon es nun verstanden? Vers 8 berichtet: „Da sprach Petrus zu ihm: Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!“ Für „nimmermehr“ müsste eigentlich das Wort „niemals“ stehen. Niemals sollte Jesus seine Füße waschen. Er lehnte Jesu Vorhaben kategorisch ab. Es war unheimlich schwer Simon Vertrauen abzuringen. Seine Sturheit und sein Stolz erschwerten Jesus, seine Füße hervorzuholen, um sie zu waschen.

Doch welche aufklärende Antwort gab ihm Jesus? „Wenn ich dich nicht wasche, hast du kein Teil an mir.“ Diese Antwort saß! Sie läutete einen Gesinnungswandel bei Petrus ein. Nun wollte er von Jesus förmlich gebadet werden. Aber was meinte Jesus mit den Worten: „Wenn ich dich nicht wasche, hast du kein Teil an mir?“

Wir wollen uns über diese Worte Gedanken machen. Was bedeutet Teil, welchen Teil würde Simon durch die Fußwaschung von Jesus erlangen? Das ewige Leben oder einfach nur saubere Füße? Beide Möglichkeiten sind Extreme, in deren Mitte etwa die Antwort liegt. Hätte Jesus das ewige Leben gemeint, würde jeder Mensch durch Jesu Fußwaschung gerettet werden. Wir wissen aber, dass Jesus auch Judas, dem verräterischen Jünger, die Füße gewaschen hat, dieser ist aber verloren gegangen. Außerdem erklärte Jesus, dass seine Jünger, mit Ausnahme von Judas, bereits von ihren Sünden reingewaschen waren und lediglich der Fußwaschung bedurften.

Was war also der wichtige Teil, den Jesus Simon und den restlichen Jüngern vererben wollte? Zum einen wollte Jesus sich selbst vererben. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass die Jünger, zwar von Jesus angenommen und den Status eines Gotteskindes empfangen hatten, ihnen jedoch an der göttlichen Lebensweise mangelte. Zwischen ihrem Status als Kinder des Lichts und ihrem alltäglichen Glaubenswandel herrschte eine weite Kluft. Wodurch wurde sie sichtbar?

Eines Tages, als Jesus mit seinen Jüngern eine Reise unternommen hatte, muss er unterwegs gehört haben, wie sie energische Verhandlungen führten. „Und als er daheim war, fragte er sie: Was habt ihr auf dem Weg verhandelt? Sie aber schwiegen; denn sie hatten auf dem Weg miteinander verhandelt, wer der Größte sei.“ (Mk. 9,33.34) Wie kann man seine Größe verhandeln? Indem jeder seine guten und starken Seiten demonstriert und die der anderen schlechter bewertet. Das war die Zielsetzung der Jünger. Davon wurde ihr Leben, ihr Reden und ihr Tun bestimmt. Sie waren die Kinder Gottes, ihre Lebensweise ähnelte aber stark den sich mit Ellenbogen Erfolg verschaffenden Gottlosen in der Welt. Wie wollte Jesus ihnen helfen? Wie wollte er ihnen eine andere Lebensweise vermitteln? Er tat es, indem er ihnen ein unvergleichliches Beispiel vorlebte. Er gab ihnen ein ungesehenes Exempel der wahren Größe, nämlich in tiefster Demut und Hingabe, jedoch mit der allerhöchsten Liebe und Herzlichkeit. Dies geschah durch das Waschen ihrer Füße. Dadurch erlebten sie leibhaftig die christliche Lebensweise. Jesus vererbte ihnen ein unverfälschtes Teil von sich selbst.

Wofür steht die Fußwaschung noch? Zum anderen wollte Jesus den wahren Weg der Buße bzw. den wahren Weg zu Gott vermitteln. Wie hätte Simon je sein Herz ausschütten können, wenn er seine Füße vor Jesus verstecken wollte? Wie hätte Simon Sündenerkenntnis erlangen und seine Sünde bekennen und sein Innerstes, seinen tiefhaftenden Schmutz und übelriechenden Dreck hervor krempeln und Jesus vor die Füße werfen und aufrichtige Buße tun sollen, wenn er zu stolz war, seine schmutzigen Füße vor Jesus auszustrecken? Wie hätte er von den dunkelsten Elementen seines Herzens und den finstersten Flecken seiner Seele rein gewaschen werden sollen, wenn er nicht einmal bereit war, seine Füße von Jesus reinigen zu lassen? Wie hätte er je eine offene, tiefsinnige, aufrichtige und über alle Maßen persönliche Liebesbeziehung zu Jesus eingehen können, wenn er seine Schwächen vor Jesus verstecken und für sich behalten wollte? Jesus zu haben, Anteil an ihm zu erben, ja, ein Teil von Jesus zu sein bedeutete, sich zu ergeben und sich schamlos der Reinigung hinzugeben.

Teil IV Jesu Liebesbeispiel folgen (12-17)

Was tat Jesus, nachdem er die Füße der Jünger gewaschen hatte? Vers 12 lautet: „Als er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder und sprach zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe?“ Wie erklärte Jesus die Bedeutung seiner Tat? Lesen wir die Verse 13-15: „Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin’s auch. Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“ Wir erfahren die Hauptbotschaft der Fußwaschung. Jesus forderte seine Jünger zur Nachahmung heraus. Seine Jünger würden eine derart niedrige und demütigende Arbeit niemals freiwillig tun. Doch wenn selbst ihr Herr und Meister sich nicht zu schade war, ihnen zu dienen, dann sollten sie es erst recht nicht sein!

Es ist also die Pflicht der Jünger Jesu, ihm gleichzutun und seinem Beispiel zu folgen. Was bedeutet Jesu Aufruf für uns? Ist er wörtlich gemeint? Sollen wir Schüsseln mit Wasser bereithalten und unsere Schuhe ausziehen? Oder ist sein Apell im übertragenen Wortsinn zu verstehen?

Es reicht nicht aus, wenn wir Experten der Fußwaschung werden, wenn wir jedem Menschen, dem wir begegnen, bedrängen, seine Schuhe und Socken auszuziehen, damit wir sie waschen können. Die Menschen würden sehr schnell einen großen Bogen um uns machen.

Wie können wir Jesu Wort im Übertragenen Sinne verstehen? Jesus möchte zu allererst unseren Stolz brechen, der uns daran hindert anderen zu helfen. Jesus möchte uns Verantwortungsbewusstsein für andere Menschen schenken. Durch Demut und Dienst sollen wir zu großen geistlichen Persönlichkeiten heranwachsen, deren Ziel es ist, anderen zur Erlösung, also zu Christus zu führen. (Beispiel: Einladung zum Bibelstudium)

Bedeutet das wiederum, dass wir Jesu direktes Wort: „so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen“ einfach beiseiteschieben und als Sprichwort verstehen können? Auch das ist nicht angebracht.

Ich muss zugeben, dass mich diese Frage lange Zeit, auch lange vor der Predigtvorbereitung, sehr beschäftigt hat, bis ich eines Tages zur Klarheit gelangt bin. Vor einigen Jahren las ich das Buch „Heavenly Man“ von Bruder Yun. Er hatte es geschafft, die Vertreter wichtiger und großer Glaubensgemeinschaften in China zusammenzubringen, um zusammen zu wirken und gemeinsam zu beten. Doch die Fronten waren verhärtet und ein Scheitern war wahrscheinlicher, als ein Konsens. Dies ahnend, gab ihm seine Frau am Tag vor dem Treffen die Orientierung, allen Anwesenden die Füße zu waschen, um ein Zeichen der Liebe und der Demut zu setzen. Bruder Yun fand die Idee gut, vergaß sie aber am Tag darauf, in der Hitze des Gefechts. Das Resultat waren viele gespaltene Köpfe ohne gemeinsamen Leib. Am selben Abend stellte ihn seine Frau zur Rede: „Warum hast du ihnen nicht die Füße gewaschen?“ Ihr Ehemann hatte nicht viel zu antworten und versprach, allen beim nächsten Treffen die Füße zu waschen. So kam der Tag der Wiederkunft. Es war eine schrecklich unangenehme Zusammenkunft misstrauischer Teilnehmer, die keine wirkliche Basis christlicher Gemeinschaft und Wirksamkeit bildete. Doch dieses Mal beherzigte Bruder Yun den Rat und fing zu Beginn an allen die Füße zu waschen. Das Resultat war tiefe Betroffenheit aller Beteiligten über ihr Fehlverhalten und nicht wenige warme Tränen der Buße und der brüderlichen Liebe wurden vergossen. Das Ergebnis war eine unglaublich herzliche Gemeinschaft Gleichgesinnter.

Was Jesus von seinen Jüngern und von uns fordert ist beides, wörtliches Gehorchen, wenn es angebracht ist und darüber hinaus die christliche Lebensweise und Gesinnung, in allen Bereichen unseres Alltaglebens.

Was passiert nämlich, wenn wir den Weg der Demut und der Liebe gehen, auch wenn er Erniedrigung bedeutet? Lesen wir Vers 17 zusammen: „Wenn ihr dies wisst – selig seid ihr, wenn ihr’s tut.“

Wie sieht der Weg des Glücks in der Welt aus? Menschen versuchen alles, um sich selbst zu verwirklichen, sich mit Geld, Ehre und Geltung zu bereichern. Doch der Erfolg ist nicht nur zweifelhaft, sondern auf langer Sicht auch zum Scheitern verurteilt. Der christliche Weg zum wahren Glück ist dem völlig entgegen gesetzt. Nicht das Streben nach irdischen Gütern generiert das Glück, nicht das Extrapolieren meines eigenen Ichs macht mich glücklich, sondern ein Leben mit Jesus im Herzen, mit Jesu Liebe, seinem gütigen Wesen und seinem hilfsbereiten Charakter.

Unser Glück und unsere Freude werden vollkommen sein und wir werden einen Schatz im Himmel haben, wenn wir Jesu Beispiel unbedingt folgen. Das ist der Weg eines wahrhaftig gesegneten Lebens, Segen für uns und Segen für andere.

Seit Dienstag habe ich mich mit dem heutigen Text auseinandergesetzt und wusste sofort was Jesus von mir verlangt. Ich müsste taube Ohren, blinde Augen und ein verstocktes Herz haben, um die unmissverständliche Botschaft Jesu zu überhören und zu übersehen. Jesus möchte, dass ich seinem Beispiel folge, d.h. dass ich den Dienst der Liebe antrete. So unmissverständlich diese Forderung Jesu ist, so unheimlich schwer ist es mir gefallen, mich dafür zu öffnen. Denn was Jesus in Wirklichkeit von mir verlangt ist eine 180° Wende, er möchte, dass ich meine komplette Lebensweise umstelle. Den verlorenen Menschen in der Welt mit Liebe und Dienerschaft zu begegnen, fällt mir nicht sonderlich schwer, denn ihre geistliche Verlorenheit bringt mein Herz zum jammern. Doch ironischerweise fällt mir die Liebe zu den Glaubensgeschwistern am aller schwersten. Sie sind schon errettet, denke ich, sie haben die gleiche Berufung wie ich und stehen in derselben Verantwortung. Sie sollen mich zuerst lieben. Genau darin habe ich mein Problem erkannt. Ich verlange Liebe, um reziprok darauf zu antworten. Diese Erwartungshaltung widerspricht allerdings der Liebe Christi in allen Belangen. Ok, nahm ich mir vor, ich muss dem Willen Jesu gehorchen, wie schwer es mir auch fällt, koste es was es wollte, denn das ist meine Chance, meine große Gelegenheit, mich von Christi Wort und seiner Liebe verändern zu lassen. Doch nun begegnete ich einem weiteren Problem. Wie soll ich die Glaubensgeschwister lieben? Meine Ratlosigkeit diesbezüglich war unvorstellbar! Anstatt Antwort zu erhalten, tauchten immer neue Fragen auf. Soll ich sie passiv lieben, soll ich sie aktiv lieben, soll ich den ersten Schritt tun oder auf Hilferufe warten? Usw. Völlig ratlos kam ich im Gebet zu Gott, zwar mit der Entscheidung die Geschwister zu lieben, aber mit der großen Frage: „WIE?“ Und wie so oft, beantwortete Gott mein Gebet sogleich und wie üblich kam seine Antwort durch sein Wort. Während ich betete, empfing ich die passende Bibelstellte aus 1.Kor. 13: „Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubte alles, sie hofft alles, sie duldete alles. Die Liebe hört niemals auf“. Als ich diese Worte empfing, ging mir ein Licht auf. Einerseits dankte ich Gott für seine beste Antwort auf meine spezifische Frage, andererseits ärgerte ich mich über meine Vergesslichkeit und Nachlässigkeit, denn einst hatte ich das ganze Kapitel auswendig gelernt und dreimal in Folge in HD, Köln und auf der Konferenz gepredigt. Ich erkannte, dass alle meine Bemühungen und all mein Streben bedeutungslos sind, wenn ich keine Liebe habe. Vers 1 lautet: „Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle“. Selbst wenn ich die beste Botschaft meines Lebens schreiben und mit der kräftigsten Stimme aller Zeiten verkünden würde und hätte die Liebe nicht, so wäre mein Dienst so bedeutsam wie Rauch im Wind.

So bin ich nun froh, dass ich den neuen Teil meines geistlichen Lebens mit dem gestrigen Tag beginnen durfte. Möge die Liebe Jesu viele Früchte in mir hervorbringen.

Möge die Liebe unseres Herrn jeden von uns erfüllen und unsere Herzen zum überquellen durchfluten. Mögen wir wahre Jünger Jesu sein, weil wir Liebe unter uns haben.

Lesen wir zum Schluss das Leitwort, Vers 1: „Vor dem Passafest aber erkannte Jesus, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum Vater; und wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.“

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