Predigt: Joh 12,27-50

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Herrlichkeit

„Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn verherrlicht und will ihn abermals verherrlichen.“

Johannes 12,28

Heute studieren wir den letzten Abschnitt aus dem ersten Teil des Johannesevangeliums. Wir wollen noch einmal kurz auf die Vorgeschichte eingehen. Bislang haben wir im Evangelium sieben Zeichen kennen gelernt. In Wirklichkeit hatte Jesus noch viel mehr Wunder vollbracht. Alle Zeichen legten einmütig Zeugnis davon ab, dass Jesus mehr war als der größte Prophet aller Zeiten. Sie waren in ihrer Gesamtheit der einleuchtende Beweis dafür, dass Jesus der Christus war, der eingeborene Sohn Gottes vom Vater, der Herr allen Lebens und der Herr der Herrlichkeit. Die Zeit von Jesu messianischer Wirksamkeit war fast zu Ende. Jesus hatte seine letzte Pilgerreise zum Passafest nach Jerusalem angetreten. Unterwegs hatte Jesus in Betanien den vier Tage verstorbenen Lazarus auferweckt. Letzte Woche haben wir gehört, wie Jesus triumphal in Jerusalem einzog. Die Menschenmenge jubelte und rief „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!“ Aber Jesus musste gewusst haben, dass viele von diesen Menschen nur wenige Tage später schreien würden: „Kreuzige ihn!“ Letzte Woche haben wir auch gehört, wie einige Griechen kamen, um auf dem Fest anzubeten. Sie hatten den Wunsch, Jesus kennen zu lernen.

Und Jesus begann seine Lehre mit einer profunden Aussage: „Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.“ Jesus kündigte seine Verherrlichung an. Und dann lehrte er das Prinzip vom sterbenden Weizenkorn. Wir wissen daher alle, dass Jesu Verherrlichung sich auf seinen Tod bezieht. Die Verherrlichung Gottes und die Herrlichkeit des Sohnes sind das Thema dieser Predigt. Über zwei Punkte wollen wir anhand des heutigen Textes nachdenken. Erstens, was bedeutet es, dass Jesus für die Verherrlichung von Gottes Namen betete und zweitens, wie Jesus in seinen letzten öffentlichen Ansprachen das Volk dazu einlud.

Teil 1 Jesus betete für die Verherrlichung von Gottes Namen (27-33)

Lesen wir gemeinsam den Vers 27. „Jetzt ist meine Seele betrübt. Und was soll ich sagen? Vater, hilf mir aus dieser Stunde? Doch darum bin ich in diese Stunde gekommen.“ Jesus sagte hier, dass seine Seele betrübt war. Und das griechische Wort hier ist tarasso. Es wurde verwendet, um zu beschreiben, wenn das Wasser, wie zum Beispiel die See, aufgewühlt war. Elberfelder-Übersetzung schreibt, dass Jesu Seele bestürzt war. Schlachter-Übersetzung sagt, dass Jesus erschüttert war. Es ist also ein sehr starker Ausdruck. Jemand mag hier fragen: „Moment einmal. Ist Jesus nicht Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater und Friedefürst? Was konnte diesen Gott-Held so aus der Fassung bringen? Was konnte den Gott-Held in solch tiefe Verzweiflung und Entsetzen bringen?“ Warum also war Jesus so betrübt, aufgewühlt und erschüttert?

Die Antwort ist, wegen seiner Verherrlichung. Es war sein herannahender Tod. Jesus wusste, was auf ihn zukommen würde: das Verhör, die Verleugnung, die Folter, die Geißelung, die Misshandlung, die Verachtung, die Verspottung, die Dornenkrone, die Kreuzigung, die Schande und die Qualen. Er würde erfahren, wie es ist, wenn alle Kräfte vertrocknen, wie es ist, in des Todes Staub gelegt zu werden, wie es sich anfühlt, wenn Hände und Füße durchgraben sind und wenn man alle seine Knochen zählen kann. Alles das würde Jesus erleiden müssen. Aber alles das war noch nichts im Vergleich damit, die Sünde der Menschheit zu tragen. Jesus würde Ablehnung von Gott erfahren. Er würde die Strafe für alle unsere Schuld auf sich nehmen. Wie kein Mensch zuvor und kein Mensch danach würde Jesus erfahren, was es bedeutet, von Gott verlassen zu sein. Keine Worte können diese Agonie und diese Schmerzen auch nur annähernd beschreiben. Wir sehen hier also seine tiefe Trübsal. Und nur wenig später im Garten Gethsemane würde Jesu Trübsal in seinem Gebetskampf seinen Höhepunkt finden.

Und wir finden hier bereits eine Anwendung. Wenn wir betrübt sind, wenn es uns schlecht geht und wenn wir durch das eine oder andere finstere Tal gehen müssen, denken wir oftmals: „Niemand versteht mich! Niemand hat die Erfahrungen gemacht, die ich gemacht habe. Niemand kann mir helfen!“ Aber wenn wir auf Jesus schauen, dann sehen wir, dass das absolut nicht wahr ist. Jeden körperlichen und seelischen Schmerz, den es gibt, hatte Jesus selbst erfahren. Und Jesus stand nicht absolut souverän über allen Leiden. Er war erschüttert, er war betrübt, er war bestürzt, und er war entsetzt. Das ist der Grund, weshalb wir in Hebräer 4,15 lesen: „Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde.“ Und Hebräer 2,18: „Denn worin er selber gelitten hat und versucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden.“ Jesus versteht uns. In der Tat versteht niemand uns besser als er. Er weiß, wie es sich anfühlt, abgelehnt zu werden. Er weiß wie es sich anfühlt, Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache zu haben. Er weiß, wie es ist, durch Klausuren und Prüfungen durchzufallen oder Misserfolge zu haben und zu versagen. Wir haben in Jesus nicht nur einen herrlichen Herrn und Heiland, sondern auch einen einzigartigen, wunderbaren Freund: in der Tat, der beste und verständnisvollste Freund, den es gibt.

Jesus war wegen seines Todes betrübt. Und was tat er in dieser Situation? Jesus fing an zu beten. Das ist es, was wir ebenfalls tun sollten, wenn wir Not und Elend haben. Wir sollen beten. Aber wie sollen wir beten? Wie betete Jesus? Sehen wir uns noch einmal Verse 27 und 28 an. „Und was soll ich sagen? Vater, hilf mir aus dieser Stunde? Doch darum bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen!“ Wenn wir beten, dann beten wir in den allermeisten Fällen dafür, dass Gott an den Umständen etwas ändern möge. Wir beten dafür, dass Gott die Not wegnimmt. Wir beten dafür, dass Gott die Ursache unserer Leiden beseitigen möge. Es ist nicht unbedingt falsch, so zu beten. Manchmal ist es angebracht, so zu beten. Aber wir sehen hier, dass Jesus anders betete. Jesus betete nicht, dass Gott ihm aus dieser Situation heraushelfen möge. Warum nicht? Weil Jesus wusste, dass er gerade aus diesem Grund in die Welt gekommen war. Jesus wusste, dass der schreckliche Tod am Kreuz seine Bestimmung und seine Mission war. Er wusste, dass es dem souveränen Willen und dem Plan Gottes entsprach. Im Buch „Heavenly Man“ von Bruder Yun, forderte er den Leser dazu auf, für die verfolgten Christen in China zu beten. Aber er sagte, dass wir nicht dafür beten sollen, dass die Verfolgung ein Ende nimmt. Stattdessen sollten wir dafür beten, dass Gott den Rücken der chinesischen Christen stärken möge. Ein sehr Christus-ähnliches Gebetsanliegen, nicht wahr?

Lesen wir noch einmal den Vers 28a. „Vater, verherrliche deinen Namen.“ Jesus betete für die Verherrlichung von Gottes Namen. Das war das Herzensanliegen Jesu. Für diese Anliegen lebte er. Für diese Anliegen starb er. Hier war seine treibende Motivation. Herrlichkeit ist eines der ganz zentralen Themen dieses Evangeliums ist. Bereits Johannes 1,14 sagte: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ Allein in diesem Vers kommt das Wort Herrlichkeit zweimal vor. Nach Jesu erstem Wunder in Kana lesen wir: „Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit.“ Herrlichkeit also überall, wo Jesus auftritt. Aber was bedeutet eigentlich Herrlichkeit? Was ist Herrlichkeit? Wir assoziieren Herrlichkeit manchmal mit der Sonne: die Herrlichkeit der Sonne. Ab und zu gebrauchen wir das Wort „herrlich“ im Zusammenhang mit Fußball: „eine herrliche Flanke, ein herrlich heraus gespielter Pass, ein herrliches Tor!“ Wie wird aber das Wort Herrlichkeit in der Bibel gebraucht?

Für Herrlichkeit lesen wir im griechischen Urtext das Wort doxa. Wir lesen in Vers 41, dass Jesaja die Herrlichkeit Jesu sah. Das hebräische Wort für Herrlichkeit kabod kabod wird ebenfalls mit doxa übersetzt. * Der biblische Begriff Herrlichkeit hat mit Masse und Gewicht zu tun. Wenn wir zum Beispiel vor dem atlantischen Ozean stehen, wenn sich unsere Augen in der Weite des Meeres am fernen Horizont verlieren, dann sind wir mit der Herrlichkeit des Meeres konfrontiert. Wenn wir vor einem Bergmassiv der Alpen stehen, dann sind wir mit der Herrlichkeit der Alpen konfrontiert. Allein die schiere Masse an Gestein und die kolossale Größe des Berges überwältigen uns. Masse und Gewicht implizieren Bedeutung. Das Wort „wichtig“ hängt eng mit dem Wort Gewicht zusammen. Eine bedeutende, wichtige Sache nennen wir daher auch eine gewichtige Sache. Das ist die Bedeutung von Herrlichkeit.

Wir alle haben eine Sehnsucht nach Herrlichkeit! Jeder von uns will ein Leben führen, von dem es heißt, dass es Bedeutung hatte. Jeder von uns wünscht sich Geltung, Ruhm und Ehre. Jeder von uns sehnt sich nach einem Leben mit Gewichtigkeit und nach einem Leben mit Bedeutung für die Ewigkeit. Und wir haben nicht nur Sehnsucht nach Herrlichkeit. Die Bibel sagt uns, dass wir ein Problem mit Herrlichkeit haben. Kennt ihr die Geschichte von Belsazar? Der babylonische König, der sich trotz der Kenntnis von Gott, nicht vor Gott demütigte. Bei einer ausgelassenen Party trank er aus den geheiligten Gefäßen, die die Babylonier aus dem Tempel erbeutet hatten. Und eine Hand tauchte aus dem Nichts auf und schrieb auf die Wand: „mene, mene, tekel u-parsin.“ Gott hatte den König gewogen. Und der Monarch war für zu leicht befunden worden. Dieser ausschweifend lebende König hatte vor Gott kein Gewicht, keine Bedeutung, keine Herrlichkeit, nichts, was er Gott vorweisen konnte. Römer 3,23 sagt: „sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes (wörtlich Herrlichkeit, doxa!), den sie bei Gott haben sollten.“ Haben ihr das Wort Herrlichkeit verstanden? Haben wir verstanden, dass wir alle ein Problem mit Herrlichkeit haben?

Hier betete nun Jesus: „Vater, verherrliche deinen Namen.“ Und Gott antwortete auf das Gebet vom Himmel her: „Ich habe ihn verherrlicht und will ihn abermals verherrlichen.“

Es war eines von drei spezifischen Ereignissen, bei welchem Gott mit einer hörbaren Stimme vom Himmel sprach. Wir lernen hier, dass wir Herrlichkeit allein bei Gott finden und zum anderen, dass wir für die Verherrlichung seines Namens leben sollen.

Zum einen, nur bei Gott allein ist wahre Herrlichkeit. Gott sagte: „Ich habe ihn verherrlicht.“ Gott hatte seinen herrlichen Namen bereits offenbart. Wir sehen seine Herrlichkeit in der Schöpfung, wir sehen seine Herrlichkeit in der Geschichte des Volkes Israel, und vor allen Dingen sehen wir Gottes Herrlichkeit in der irdischen, messianischen Wirksamkeit unseres Herrn und Heilands Jesus Christus. Und was erkennen wir über die Herrlichkeit Gottes? Stellen wir uns eine Waage vor. Auf die eine Seite der Waage legen wir ein 1-Centstück. Auf die andere Wagschale legen wir einen LKW. Was würde passieren? Die Wagschale mit dem 1-Centstück würde an die Decke schießen. Und es würde einfach keinen Unterschied machen, ob die eine Münze auf der Wagschale liegen würde oder nicht. Wie viel weniger kann ein Vergleich mit Gott standhalten! Wir erkennen, dass im Vergleich mit ihm, alles an Gewicht und Bedeutung verliert. Im Vergleich mit seiner Allmacht sind die Supermächte auf Erden wie ein Strohhalm, im Vergleich mit seiner Weisheit ist alle Weisheit der klügsten und intelligentesten Köpfe wie Torheit, im Vergleich mit seiner Schönheit ist alle irdische Anmut wie Asche, im Vergleich mit seinem Reichtum ist alles Vermögen der Welt wie Kehricht, im Vergleich mit seiner Reinheit und Heiligkeit sind alle guten Taten der nobelsten und edelsten Menschen wie Blasphemie. Bei Gott allein ist wahre Herrlichkeit, wahre, unveränderliche Bedeutung in Ewigkeit.

Zum anderen, wir sollen für die Verherrlichung seines Namens leben. In Vers 28 sagte Gott, dass er seinen Namen verherrlicht hatte und ihn abermals verherrlichen wollte. Der Name Gottes wurde verherrlicht durch den Gehorsam seines Sohnes. Und Gott soll auch durch unser Leben verherrlicht werden. Wenn wir verstanden haben, wer Gott ist, dann gibt es kein Leben, das mehr Sinn ergibt, ein Leben für Gottes Verherrlichung zu führen. Es gibt kein anderes Leben, das vernünftiger ist. Wir verherrlichen Gott, indem wir ihm vertrauen und indem wir ihm gehorchen so wie Jesus es tat. Wir verherrlichen ihn, indem wir jedes unsere Gebete mit den Anliegen des Vater Unsers gestalten so wie Jesus uns lehrte: „Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“ Vor allen Dingen verherrlichen wir Gott, wenn wir ihn anbeten. Wir verherrlichen ihn, indem wir ihn mit unserem ganzen Sein ehren und preisen für die Person, die er ist.

Betrachten wir weiter den Text. Gott hatte vom Himmel her gesprochen. Jesus sagte, dass diese Stimme nicht um seinetwillen sondern um des Volkes willen geschehen war. Die Stimme Gottes war ein übernatürlicher Eingriff Gottes. Wie reagierte aber das Volk auf diese Stimme? Im Volk gab es auf der einen Seite die ungläubigen Evolutionsbiologen, die versuchten alles mit Naturphänomenen zu erklären. Sie sagten: „es hat gedonnert.“ Auf der anderen Seite gab es die abergläubischen Spiritualisten. Sie sagten: „Ein Engel hat mit ihm geredet.“ Was sehen wir hier? Ungläubige Menschen beklagen sich immer wieder darüber, dass Gott nicht spricht. Aber die Wahrheit ist, dass Gott spricht. Menschen stellen sich nur gerne bewusst taub oder schalten auf Durchzug.

Lesen wir gemeinsam die Verse 31-33. „Jetzt ergeht das Gericht über diese Welt; nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden. Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. Das sagte er aber, um anzuzeigen, welchen Todes er sterben würde.“ Jesus lehrte hier über seinen Tod. Das Wort im Urtext, das mit „Gericht“ übersetzt wurde, ist eigentlich krisis. Krisis kann mit Gericht übersetzt werden. Es kann aber auch Wende- oder Scheidepunkt heißen. Jesu Tod war gerade ein solcher Moment. Es ist der Wendepunkt der ganzen Menschheitsgeschichte. Durch seinen Tod wurde eine ganz neue Ära des Evangeliums eingeläutet. Sehen wir uns noch einmal die Verse 31-33 an. Wie ist die neue Ära nach Jesu Tod charakterisiert? Wir finden hier drei tief greifende Veränderungen.

Erstens, der Fürst dieser Welt wird ausgestoßen. Der Fürst der Welt bezieht sich auf den Teufel. Die Welt ist sein System und sein Herrschaftsbereich. Und wenn die Welt gerichtet ist, wenn die Welt am Scheidepunkt steht, ist auch der Satan gerichtet. Er verliert den Grund und Boden, auf dem er steht. Sein Schicksal ist bereits besiegelt. Sein Untergang steht bereits fest. Er ist ein Raubtier in Fesseln, ein Monster, dem die Zähne gezogen wurden, ein Tyrann, dessen Tage gezählt sind. Ist das nicht eine wundervolle Nachricht? Wir könnten denken, dass Jesu Schmach am Kreuz seine größte Niederlage war. Aber in der Tat war gerade das Jesu Sieg über den Fürst dieser Welt. Es war die Erfüllung der Prophetie, dass Satan Jesus in die Ferse stach, aber Jesus dem Teufel den Kopf zertrat.

Zweitens, es ist die ultimative Verherrlichung Jesu. Der Tod am Kreuz war ein Tod wie er barbarischer und entwürdigender nicht sein könnte. Es war eine absolute Schande und Erniedrigung. Jesus würde zwischen Himmel und Erde hängen, als ob er – in den Worten Matthew Henry – von beiden verstoßen wäre. Aber Jesus sagte, dass sein Tod eine Erhöhung war. Auf triumphierende Weise lehrte Jesus, dass sein Tod am Kreuz seine ultimative Verherrlichung war. Und der Grund dafür ist, dass es in der gesamten Menschheitsgeschichte kein Ereignis gibt, in welchem Gott seine Herrlichkeit mehr offenbart wird als in Jesu Tod am Kreuz. In keiner anderen Begebenheit sehen wir so deutlich Gottes Gericht und seine rettende Liebe. Kein anderes Ereignis der Weltgeschichte reflektiert so sehr Gottes Heiligkeit und seine triumphierende Barmherzigkeit. An keinem anderen Ort als auf Golgatha offenbaren sich Gottes Gerechtigkeit und seine nicht zu ermessende Gnade. Jesu Erhöhung am Kreuz wurde in der Tat seine größte Verherrlichung.

Drittens, Jesus zieht alle zu sich. Schauen wir uns noch einmal Vers 32 an. „Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ Aber als Jesus verhaftet wurde, lesen wir, dass alle seine Jünger die Flucht ergriffen. Simon Petrus verleugnete ihn sogar. Jesu Tod war die unmissverständliche Ablehnung der Welt. Und doch lehrte Jesus hier, dass sein Tod alle Arten von Menschen anziehen würde. Und heute, 2000 Jahre später sehen wir, wie sich dieses Wort buchstäblich erfüllt hat. Sind wir nicht alle angezogen von seinem Opfer am Kreuz? Als wir Jesu schrecklichen Wunden sahen, haben wir nicht auch gespürt, wie Jesus uns sanft aber mit Nachdruck zu sich zog? Als wir seine Dornenkrone sahen, haben wir nicht sofort den Wunsch bekommen, zu singen: „Krönt, krönt ihn, unsern Herrn, das Lamm auf Gottes Thron! Gebt euer ganzes Leben hin für Ihn, den Gottessohn“? Als wir seinen Siegesruf „Es ist vollbracht“ hörten, haben wir nicht das Verlangen gespürt mit David Livingstone zu sagen: „Mein Jesus, mein König, mein Leben, mein Alles! Wieder widme ich dir mein ganzes Sein!“ Hat Jesus uns nicht alle ein für allemal gewonnen, als er für uns starb? Er hat uns alle zu sich gezogen, genau so, wie er es prophezeit hatte.

Was für einen Triumph und was für eine Herrlichkeit sehen wir in Jesu Kreuz.

Betrachten kurz im zweiten Teil, wie Jesus die Menschen dazu einlud.

Teil 2 Jesus lud die Menschen zu dieser Herrlichkeit ein (34-50)

Wir sehen wiederum in Vers 34, dass das Volk Jesus missverstand. Sie sagten: „Wir haben aus dem Gesetz gehört, dass der Christus in Ewigkeit bleibt; wieso sagst du dann: Der Menschensohn muss erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn?“ Sie hatten richtig verstanden, dass Jesus in Ewigkeit bleibt. Zum Beispiel lesen wir in Daniel 7,13.14: „… und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht. Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende.“ Viele andere Stellen im Alten Testament bezeugten Jesu Ewigkeit. Sie verstanden nicht, weshalb Jesus dann sterben musste. Wir sehen auch, dass ihre Frage auch sehr wenig Sinn ergab. Jesus hatte gesagt: „Und ich, wenn ich erhöht werde.“ Aber das Volk fragte: „wieso sagst du dann: der Menschensohn muss erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn?“

Wie antwortete Jesus ihnen? Lesen wir gemeinsam die Verse 35 und 36. „Da sprach Jesus zu ihnen: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht. Glaubt an das Licht, solange ihr’s habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet. Das redete Jesus und ging weg und verbarg sich vor ihnen.“ Jesus ging überhaupt nicht auf ihre Fragen ein. Stattdessen ermahnte Jesus sie. Jesus, das Licht der Welt, würde nur noch eine kleine Zeit bei ihnen weilen. In wenigen Tagen würde er sterben, dann auferstehen und dann in seine Herrlichkeit zurückkehren. Sie sollten die wenige Zeit, die das Licht unter ihnen war, nutzen, damit nicht Finsternis sie überfallen würde. Finsternis ist charakterisiert durch Sinnlosigkeit und Orientierungslosigkeit. Wer aber an Jesus, das Licht, glaubt, der wird ein Kind des Lichts.

Nachdem Jesus diese Worte vollendet hatte, ging er weg und verbarg sich vor ihnen. Und es bedeutet nichts weniger, als dass die Zeit seiner öffentlichen Wirksamkeit zu Ende war. Was war das Resultat von Jesu Wirken? Betrachten wir die Verse 37 und folgende. „Und obwohl er solche Zeichen vor ihren Augen tat, glaubten sie doch nicht an ihn.“ Jesu eigenes Volk lehnte ihn als Messias ab. Auf der einen Seite war das eine große geistliche Tragödie. Aber auf der anderen Seite erfüllte sich dadurch Gottes souveräner Plan. Gott hatte in seiner Allwissenheit bereits die Verstocktheit des Volkes Israel vorausgesehen und eingeplant. Mehr noch, weil das Volk sich gegen Jesus entschied, verblendete Gott ihre Augen und verstockte ihre Herzen. Bedeutet das, dass Gott schuldig ist an ihrer Ablehnung? Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben im ganzen Evangelium gesehen, dass die Juden immer wieder aufs Neue willentlich Jesus ablehnten. Es lag ganz in ihrer Verantwortung Buße zu tun. Aber sie hatten alle Möglichkeit ungenutzt vorübergehen lassen. Wir sehen des weiteren Jesus, der ihnen bis zum Schluss nachging. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass Glaube an Christus in ihrer Entscheidungskraft war. Und wir sehen, dass einzelne von ihnen doch glaubten, wie etwa Josef von Arimathäa oder Nikodemus.

Was war aber das Problem von diesen heimlichen Jüngern? Vers 43 sagt, dass sie lieber Ehre bei den Menschen hatten als Ehre bei Gott. Das Wort für Ehre ist wieder doxa. Was war ihr Problem? Ihr Problem war, dass sie falsch abwägten. Sie gingen mit unwichtigen Dingen um, als sie wichtig waren und mit wichtigen Dingen als ob sie unwichtig wären. Ihr Problem war, dass sie die Wichtigkeit der Herrlichkeit Jesu nicht begriffen hatten. Sie hatten die Größe und Kraft der Herrlichkeit Jesu nicht wirklich erkannt. Und so wählten sie es lieber, Herrlichkeit bei den Menschen zu suchen.

Jesus gab die Menschen aber nicht auf. Bis zum Schluss predigte er ihnen. Bis zum Schluss redete Jesus ihnen mit seiner Wahrheit ins Gewissen. Bis zum Schluss brachte Jesus Argumente vor. Betrachten wir Jesu letzten Appell an das Volk. Lesen wir gemeinsam den Vers 44: „Jesus aber rief: Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an den, der mich gesandt hat.“ Wir finden hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Argumente, weshalb wir an Jesus glauben sollten.

Argument 1, wer an Jesus glaubt, der glaubt automatisch an den Vater. Jesus sagte auch: „Und wer mich sieht, der sieht den, der mich gesandt hat.“ Jesus ist die direkte Verbindung zu Gott. Später sagte er seinen Jüngern: „Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“ Wer Jesus ablehnt, der jagt die einzige Brücke in die Luft, die über die Kluft führt.

Argument 2, wer an Jesus glaubt, der hat das wahre Licht und ist nicht mehr länger in der Finsternis. Vers 46: „Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.“ Jesus selbst proklamierte, dass er das Licht der Welt ist. Nur in seiner Person finden wir wahre Orientierung für unser Leben und wahren Sinn des Lebens.

Argument 3, nur Jesus rettet vom Gericht. Jesus kam nicht in die Welt, um zu richten, sondern um zu retten. Aber wer seine Worte nicht hört und nicht bewahrt, hat einen Richter in den Worten Jesu. Jesus sagte, dass die Worte, die er geredet hatte, die Menschen am jüngsten Tag richten würden.

Argument 4, alle Worte, die Jesus redete waren im Einklang mit Gottes Worten. Verse 49 und 50: „Denn ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, der hat mir ein Gebot gegeben, was ich tun und reden soll. Und ich weiß: sein Gebot ist das ewige Leben. Darum: was ich rede, das rede ich so, wie es mir der Vater gesagt hat.“

Wir haben heute die letzten Worte Jesu gehört, die er in der Öffentlichkeit sprach. Und seine Predigt handelte von Herrlichkeit. Wie definieren wir also einen Christen, wenn wir uns dieses Wort zu Herzen nehmen? Der Unterschied zwischen einem Christ und einem Nichtchristen, der Unterschied zwischen einem wahren Gläubigen und einer religiösen Person ist gerade das: ein Christ hat die Herrlichkeit Gottes durch die Person Jesus Christus persönlich erfahren. Ein Christ ist ein Mensch, über welchem die Sonne Jesus Christus aufgegangen ist. Für einen Christen ist das Wort aus 2. Korinther 4,6 Realität, wo es heißt: „Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.“ Und von diesem Moment an haben Christen ein neues Wertesystem. Sie wägen ab zwischen der Herrlichkeit der Welt und der Herrlichkeit Jesu Christi. Und sie stellen jedes Mal aufs Neue fest, dass Jesu Herrlichkeit alles, alles überwiegt. Und sie leben daher zur alleinigen Verherrlichung Gottes genauso wie Jesus es tat. In dieser Herrlichkeit zu leben, hat nicht nur Relevanz für das Christsein. Es ist nicht nur Eck- und Grundstein des christlichen Glaubens und Lebens. Es hat auch etwas damit zu tun, Mensch zu sein. Der Westminster Katechismus sagt: „das wichtigste und höchste Ziel des Menschen ist es, Gott zu verherrlichen und sich in alle Ewigkeiten an ihm zu erfreuen.“

Praktisch tun wir das durch Anbetung. Wir sollen Anbeter werden: Männer und Frauen und Jugendliche und Kinder, die allezeit Gott Ehre und Herrlichkeit geben. Frage: Wann war das letzte Mal, dass ihr für die Verherrlichung von Gottes Namen gebetet habt? Wann habt ihr zum letzten Mal eure Hände aufgehoben im Gebet, um die Größe und Barmherzigkeit Gottes zu preisen? Wann war das letzte Mal, dass wir wirklich angebetet haben? Ich muss ehrlich gestehen, dass hier ein theologischer Bereich ist, von dem ich erschreckend wenig Ahnung habe. Wollen wir uns nicht als Individuen und als Gemeinde dazu verpflichten, ganz für die Verherrlichung von Gottes Namen zu leben? Wollen wir uns nicht neu ganz der Anbetung und dem Lobpreis seiner herrlichen Person widmen, gerade weil wir solch ein herrliches Evangelium haben?

William Temple sagte über Anbetung: „Anbetung ist die Unterwerfung unseres ganzen Wesens vor Gott. Es ist das Beleben unseres Gewissens durch seine Heiligkeit, Ernährung unseres Gemüts durch seine Wahrheit, Reinigung unserer Vorstellungskraft durch seine Schönheit, Öffnen unseres Herzens für seine Liebe und das Untertanmachen unseres Willens für seine Absichten. Alles das zusammen in ehrfürchtiger Verehrung ist der größte menschliche Ausdruck, zu welchem wir fähig sind.“ Seid ihr bereit dafür?

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