Jesus ist die Auferstehung und das Leben
(wie Jesus eine Begräbnisfeier ruinierte)
„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“ Johannes 11,25b.26aWir fahren fort mit unserem Bibelstudium aus Johannesevangelium. Raymond Brown, ein Spezialist für Johannesevangelium hat dieses Buch in zwei große Abschnitte unterteilt, und zwar Kapitel 1-12 zum einen und zum anderen die Kapitel 13-21. Den ersten Abschnitt nannte er Buch der Zeichen. Und den zweiten Abschnitt nannte er Buch der Herrlichkeit. Persönlich finde ich, dass diese Zweiteilung sehr viel Sinn macht. Der erste Teil des Evangeliums berichtet über sieben grandiose Zeichen. Der zweite Teil des Evangeliums handelt von Jesu ultimativer Verherrlichung in seinem Tod und in seiner Auferstehung. Wir nähern uns also langsam dem Ende des ersten Abschnitts. Sechs Zeichen haben wir bereits studiert. Und wir studieren heute das letzte der sieben Zeichen. Es ist die Auferweckung des vier Tage verstorbenen Lazarus. Dieses Zeichen bildet einen einsamen Höhepunkt unter allen Zeichen, die Johannes von Jesus überlieferte.
Die Auferweckung des Lazarus wird häufig an Ostertagen studiert. Sehr oft wird dieser Text bei Beerdigungen gepredigt. Und vielleicht ist es wirklich so, dass sie uns ein Teil der Wahrheit des Textes erst dann erschließ, wenn wir jemanden verloren haben, der uns sehr nahe stand. Aber ich stehe heute hier in der Überzeugung, dass unser heutiger Text nicht nur Relevanz für Ostern und für Begräbnisse hat. Er hat sehr praktische und unmittelbare Anwendungen für jeden von uns, heute, hier und jetzt. Wir wollen heute Jesus als die Auferstehung und das Leben kennen lernen. In drei Abschnitten betrachten wir den heutigen Text: erstens, Jesu Proklamation, dass er die Auferstehung und das Leben ist, zweitens, Jesu Beweis, dass er die Auferstehung und das Leben ist, drittens, in aller Kürze nur, Reaktionen auf Jesus, die Auferstehung und das Leben.
Teil 1 Jesu Proklamation, dass er die Auferstehung und das Leben ist (17-27)
Vor zwei Wochen haben wir studiert, wie Lazarus, der Freund von Jesus, todkrank war. Jesus hatte die ganze Familie sehr lieb. Und weil er sie lieb hatte, wollte er ihnen etwas weit Besseres und Größeres schenken, als eine übernatürliche Heilung. Wir haben gesehen, wie Jesus zwei Tage wartete, bevor er sich überhaupt auf den Weg gemacht hatte. Nach Jerusalem zu gehen war alles andere als eine Urlaubsreise für Jesus und seine Jünger. Die Juden hatten wiederholt versucht, Jesus umzubringen. Jerusalem war die Hochburg von Jesu Todfeinden. An jeder Ecke lauerte Gefahr und Bedrohung auf sie. Es war wie ein Hornissennest. Allein die Tatsache, dass Jesus sich mit den Jüngern wieder auf nach Judäa machte, war ein Beweis für seine Liebe zu Lazarus und seiner Familie.
Was fanden sie aber in Betanien vor, als sie dort ankamen? Die Verse 17-19 illustrieren die Situation dort. Lazarus war bereits gestorben. Nicht erst vor kurzem, sondern bereits vor vier Tagen. Wir hatten in der letzten Woche einige der heißesten Tage in diesem Jahr. Solche Temperaturen waren aber im Mittleren Osten an der Tagesordnung. Mit anderen Worten, der Leichnam war längst am verwesen. Der Verwesungsprozess war vermutlich so weit fortgeschritten, dass der tote Leichnam kaum mehr an Lazarus erinnerte. Und deshalb war es auch gut so, dass die sterblichen Überreste von Lazarus seit vier Tagen im Grab lagen. Vers 18 sagt, dass viele Juden gekommen waren, um Marta und Maria zu trösten. Wir wissen nicht, was für eine Familie Lazarus war. Aber anscheinend waren sie doch bedeutend. Jerusalem war von Betanien 15 Stadien entfernt, was in etwa 3km entspricht. Viele Menschen waren aus Jerusalem gekommen, um die Familie zu trösten. Und es fand eine ausgiebige Trauerfeier statt. Wie wurden Begräbnisse damals gefeiert? Hochzeiten dauerten im Orient eine Woche. Das Gleiche galt auch für Beerdigungen. Eine Woche lang wurde geweint und getrauert. Könnt ihr euch die Atmosphäre vorstellen? Es war eine zutiefst bedrückende Stimmung. Es war eine Atmosphäre voll von Leid und Schmerz. Zu jeder Tages- und Nachtzeit hörte man lautes Wehklagen und Weinen, dass es einem das Herz zerbrach. Vor allen Dingen war es eine Atmosphäre, in welcher der Tod herrschte, in seiner ganzen dämonischen Finsternis.
Wie sehen die Menschen heutzutage den Tod? Generell scheint es zwei Möglichkeiten zu geben, wie Menschen mit dem Tod umgeben. Die eine Möglichkeit ist Verdrängung. So viele Menschen verdrängen den Tod. Sie leben, als ob es den Tod gar nicht geben würde. Sie ignorieren diese Option radikal. Sie studieren, sie gehen auf Partys, sie gehen Beziehungen ein, sie heiraten, sie lassen sich scheiden, alles, als ob der Tod nicht existieren würde. Und der Grund, warum sie den Tod ignorieren, ist einfach. Weil sie anderenfalls nicht in der Lage wären, morgens aufzustehen und zu leben. Weil der Tod alles sinnlos macht. Und weil man im Angesicht des Todes die Sinnlosigkeit des Lebens nicht ertragen würde. Die andere Möglichkeit ist es, den Tod schön zu reden. Sie sagen: „es ist doch okay zu sterben. Das ist doch das normalste auf der Welt. Und durch den Tod wird neues biologisches Leben erst möglich.“ Aber wie unnatürlich und unsinnig ist es, den Tod schön zu reden. Jemand verglich das damit, wie wenn man Lippenstift auf einen Skelett aufträgt. Man kann den Tod nicht schön reden. Gibt es nicht einen sinnvolleren Umgang mit dem so schwerwiegenden Thema Tod?
Die biblische Sicht auf den Tod ist die, die es am besten trifft. Aus der Sicht der Bibel ist der Tod ein hässliches Monster. Tod macht uns zu hilflosen Sklaven. Der Tod ist ein mächtiges Ungeheuer, das überall seine schmutzigen Fänge zeigt. Und es ist doch nur ehrlich und aufrichtig, das zuzugeben. Pastor John Piper sagte: „Wir wurden geschaffen, um zu leben! Wir wurden nicht geschaffen, um zu sterben. Ich will für immer leben. Ich hasse den Tod. Der Tod ist mein Feind. … Wollt ihr nicht auch leben?“ Es gibt nichts Schlimmeres, als in eine Umgebung zu kommen, in welcher der Tod alles unter Kontrolle hat. Aber gerade das war der Fall, als Jesus nach Betanien kam.
Marta hörte, dass Jesus kam. Sie kam ihm sofort entgegen. Betrachten wir das Gespräch zwischen Marta und Jesus. Vers 21: „Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben.“ Ihre Worte klingen vorwurfsvoll. Warum war Jesus erst jetzt gekommen? Warum zu einem Zeitpunkt, an welchem alles längst zu spät schien? Und weiter sagte sie: „Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben.“ Wie antwortete Jesus darauf? Lesen wir gemeinsam Vers 23: „Jesus spricht zu ihr: „Dein Bruder wird auferstehen.“ Hier offenbarte Jesus Marta seine Absicht und seinen Plan, dass er Lazarus auferwecken würde. Aber wie reagierte Marta darauf? „Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird – bei der Auferstehung am Jüngsten Tage.“ Sie glaubte nicht an eine sofortige Auferstehung. Jesus verkündigte dann: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?“ Was für ein Wort, was für eine Selbstoffenbarung, was für eine Verheißung finden wir hier! Gehen wir kurz darauf ein.
Zunächst die Selbstoffenbarung. Inmitten aller Trauer und Traurigkeiten offenbarte sich Jesus als die Auferstehung und das Leben. Jesus ist die Auferstehung und das Leben! Aber was bedeutet das? Jesus konnte dies sagen, weil er selbst der Schöpfer und Urheber allen Lebens ist. Er konnte das sagen, weil in ihm alle Machtfülle innewohnte, Leben zu schaffen und zu neuem Leben zu erwecken. Johannes schrieb darüber im Prolog seines Evangeliums: „In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen!“ Und weil dem so ist, hatte der Tod keine Macht über Jesus. Jesus würde in wenigen Tagen gekreuzigt werden. Aber er würde wieder auferstehen. In der Pfingstpredigt sagte Apostel Petrus: „wie es denn unmöglich war, dass er vom Tode festgehalten werden konnte.“ Jesus selbst als göttliche Person ist die Auferstehung und das Leben. Wir sehen als nächstes zwei grandiose Verheißungen, die der Sohn Gottes machte.
Zum einen sagte Jesus, dass wer an ihn glaubt, leben wird, auch wenn er stirbt. Was bedeutet das? Im Urtext steht das Wort „auch wenn er stirbt“ in der Vergangenheit. Wir lesen daher in der Elberfelder-Übersetzung: „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist;“ Dieses Wort bezieht sich auf unsere leibliche Auferstehung. Der Tod ist für jeden von uns bittere Realität. Aber wenn wir an Christus glauben, werden wir leben, auch nachdem wir gestorben sind. Und es wird der triumphale Tag kommen, an welchem Jesus uns von den Gräbern rufen wird. Und er wird uns neue Körper geben, Leiber, die geschaffen sind für die Ewigkeit, Leiber, die nicht krank werden, nicht grau und runzelig werden und vor allem nicht dick werden.
Jesus lehrte als nächstes, dass wer lebt und an ihn glaubt, niemals sterben wird. Und dieses Wort bezieht sich auf unsere geistliche Auferstehung. Was Jesus hier lehrt ist, dass wir uns jetzt für das geistliche Leben entscheiden können und sollen. Das ewige Leben beginnt jetzt: wenn der heilige Geist uns unserer Sünde überführt, wenn er uns zu neuem Leben erweckt, wenn Christus in uns zur Realität wird. Und dieses geistliche Leben ist das wahre Leben, in welchem wir nimmermehr sterben. Der Tod ist nichts anderes als unser Eintritt zur ewigen Herrlichkeit, nichts anderes als Schlaf, um es mit Jesu Worten zu sagen; ein Monster, dem der Stachel gezogen wurde, um es mit Paulus zu sagen.
Und die einzige Verbindung zu dieser göttlichen Realität ist Glaube. Also fragte Jesus Marta: „Glaubst du das?“ Marta schloss das Gespräch ab, indem sie sagte: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.“ Hatte Marta Jesus wirklich geglaubt? War damit für Marta alles erledigt? Konnte sie befreit aufatmen und voller Freude anfangen, Loblieder zu singen? Wir sehen im weiteren Verlauf, dass dies nicht der Fall war. Was war ihr Problem? Wir sollten versuchen, etwas mehr darüber nachzudenken. Denn Martas Problem ist in Wirklichkeit auch unser Problem. Wenn wir uns Martas Worte anschauen, dann können wir sehen, dass sie eine hervorragende Theologin war. Sie hatte Ahnung von den letzten Ereignissen in der Welt- und Menschheitsgeschichte. Sie kannte die Beziehung zwischen Jesus und Gott. Sie war wirklich eine hervorragende Theologin. Und wisst ihr was? Das war nicht alles. Sie schrieb auch perfekte Stellungnahmen. Sie schrieb die besten Stellungnahmen auf der Welt: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.“ Ein Wort: Jesus ist mein Christus. Fantastische Stellungnahme! Aber leider fehlte ihr der praktische Bezug. Sie machte Jesu Verheißungen kleiner und schmaler, als sie eigentlich waren. Sie war eine Person, die Jesu Verheißung so weit in die Zukunft schob, dass man die Erfüllung der Verheißungen mit dem bloßen Auge nicht mehr sehen konnte, und dass Jesu Worte dadurch an Bedeutung verloren. Aber vor allen Dingen brauchte ihr Christusbild eine radikale Ergänzung und Vervollständigung. Marta glaubte an einen Christus, der alles von Gott erbeten konnte. Aber Jesus offenbarte sich als der souveräne Gott, der mit dem Vater eins ist und der Gottes unbegrenzte Allmacht in sich trägt. Marta glaubte an eine Auferstehung am Ende der Geschichte. Aber Jesus offenbarte sich selbst als die Auferstehung und das Leben, nicht in ferner Zukunft, sondern im Hier und Jetzt. Marta glaubte an die Auferstehung als ein abstraktes Ereignis. Aber Jesus offenbarte sich ihr als die Auferstehung und das Leben in Person, kein abstraktes Ereignis, sondern der inkarnierte Sohn Gottes als vollkommener Mensch zum Anfassen nahe.
Bevor wir aber Marta zu vorschnell verurteilen, sollten wir uns nicht auch an unsere eigene Nase fassen? Wie ist es mit uns? Begrenzen wir nicht ebenfalls Jesus in seiner Macht, so wie Marta es tat? Zum Beispiel: wir glauben daran, dass Jesus allmächtig ist. Nur nicht allmächtig genug, um diesen einen unbußfertigen Bibelschüler zu verändern. Wir glauben daran, dass Jesus das Leben ist. Nur eben nicht Leben genug, um die gottlose Stadt zu erwecken. Wir glauben daran, dass Jesus zwölf Jünger unter uns aufstellen kann. Nur eben nicht zu unseren Lebzeiten. Wir glauben an einen großen Jesus. Nur eben nicht groß genug für unsere Probleme. Genau wie Marta brauchen wir ebenfalls einen praktischen Bezug zu ihm, mehr als nur theologisches Wissen über Jesus und mehr als gute aber theoretische Stellungnahmen.
Lesen wir noch einmal die Verse 25 und 26: „Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?“ Haben wir Jesu Worte wirklich verstanden? Jesus ist die Auferstehung. Weil er als Auferstehung und Leben unseren größten Feind niederrang, ist ihm nichts unmöglich! Möge Jesus uns helfen, in dieser Realität zu leben und zu wirken! Wir sehen im zweiten Teil, wie Jesus anschaulich bewies, dass er tatsächlich die Auferstehung und das Leben ist.
Teil 2 Jesu Beweis, dass er die Auferstehung und das Leben ist (28-44)
Jesus war noch nicht einmal in das Dort hineingekommen. Aber nun machte er sich auf dem Weg zum Grab. Maria hatte von Marta gehört, dass Jesus gekommen war. Sie kam sofort, um ihn zu empfangen. Und sie sagte: „Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben.“ Es sind haargenau die gleichen Worte, wie die von Marta. Aber wie antwortete Jesus auf Marias Worte?
Lesen wir gemeinsam den Vers 33. „Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr gekommen waren, ergrimmte er im Geist und wurde sehr betrübt.“ Jesus gab Maria eine komplett andere Antwort als Marta! Bei Marta ließ Jesus sich in einen tiefsinnigen Dialog ein. In seiner Wahrheit offenbarte er sich als Auferstehung und Leben. Aber bei Maria sagte Jesus fast gar nichts. Er fragte nur: „Wo habt ihr ihn hingelegt?“ Bei Marta sehen wir Jesus als den souveränen Sohn Gottes, der über alles und jeden erhaben ist und der alles in seiner Kontrolle hat. Aber bei Maria sehen wir ihn als Schwachen unter den Schwachen. Und der Text sagt, dass er wütend wurde und zugleich zutiefst betrübt. Warum all die heftigen Gemütsregungen bei Jesus? Es ist so wichtig zu verstehen, dass Jesus nicht zornig war, weil die Menschen weinten. Er war nicht zornig, weil sie trauerten. Jesus war zornig über die Macht des Todes. Und unser Text geht weiter. Als sie Jesus schließlich das Grab von Lazarus zeigen, lesen wir in Vers 35: „Und Jesus gingen die Augen über.“ Man kann das auch kürzer formulieren. Im Griechischen sind das nur zwei Wörter. Andere Übersetzungen sagen daher einfach: „Jesus weinte.“ Vermutlich ist das der kürzeste Vers in der Bibel. Und doch ist dieser Vers voll von tiefgehender Lehre. Jesus weinte. Er war ganz in Schmerzen aufgelöst! Ist das nicht zutiefst erschütternd und auch irritierend?
Warum weinte Jesus? Jesus hätte in dieser Situation doch einfach lachen können: „Ha, ha, ha… jetzt schaut mal, was ich gleich mit Lazarus mache.“ Aber Jesus tat genau das Gegenteil davon. Weinte Jesus wegen des Unglaubens der Menschen? Weinte Jesus wegen ihrer Sünde? Clarke kommentierte an dieser Stelle: „Zu sagen, dass Jesus hier wegen der Sünde und ihrer Konsequenzen weinte, würde einer der schönsten Eigenschaften im menschlichen Charakter unseres Herrn beseitigen. Nein, Jesus hatte Menschlichkeit in seiner Vollkommenheit, und unverfälschte Menschlichkeit ist großzügig und sympathisch. Ein besonderer Freund Jesu war verstorben; und als sein Freud war die liebevolle Seele Christi aufgewühlt und er vermischte seine heiligen Tränen mit denen der heimgesuchten Verwandten. Seht einen Mann, in seinem tiefen, im Herzen gefühlten Schmerz und seine fließenden Tränen! Und als er sagte, „Lazarus komm heraus“, seht Gott selbst und dieser Gott ist voll unendlicher Milde, Liebe und Macht. Kann ein solcher Jesus es ablehnen, die Bekümmerten zu trösten oder die Verlorenen zu retten? Kann er seine Gnaden der bußfertigen Seele vorwehren? … Kann einer solchen Gesinnung die Fürsorge seiner Geschöpfe egal sein? Hier ist Gott offenbart in Fleisch, der in menschlicher Beschaffenheit lebte, für die Bekümmerten fühlte und für die Verlorenen litt. Leser! (oder Zuhörer!) Frag deine Seele, frag dein Herz, … könnte dieser Jesus ohne Vorbehalte eine (gerettete) Seele auf Ewigkeit verwerfen? Du antwortest „niemals“! Gott wiederholt „niemals“! Das ganze Universum erschallt das „niemals“ im Echo. Und die Tränen und das Blut Jesu sagen auf alle Ewigkeit „niemals“!“
Unser heutiger Text illustriert wie nur wenige andere Stellen im neuen Testament, dass Jesus beides ist: vollkommener Mensch und vollkommener Gott. Wir sehen seine Gottheit in seiner Selbstoffenbarung als Auferstehung und Leben. Und wir sehen seine unverfälschte Menschlichkeit in seiner aufrichtigen Anteilnahme an Martas und Marias Trauer. Wir hatten das so oft, und man kann es nicht zu oft sagen: Jesus vereint in sich Gnade und Wahrheit. Seine Wahrheit, als er Marta dazu aufforderte an ihn zu glauben und seine Gnade, als er ohne Worte anfing zu weinen. Und ist das nicht zutiefst wundervoll? Es gab eine Frau, die in ihrem Leben viel Leid erfahren hatte. Und sie erfuhr Trost, als sie auf den leidenden Sohn Gottes am Kreuz sah. Sie sagte: „Was ich zum ersten Mal verstand, war, dass Jesus nicht nur für mich litt. Das war etwas, was ich schon lange wusste und schon lange verstand. Aber was mir zum ersten bewusst wurde, war, dass Jesus nicht nur für mich litt, sondern dass dieser Jesus mit mir zusammen litt.“ Jesus weinte hier nicht über uns oder wegen uns. Jesus weinte hier zusammen mit uns. Der Allmächtige trauerte mit uns. Der lebendige Schöpfergott teilt alle unsere Nöte und Schmerzen. Gibt es irgendetwas, was uns mehr und besser trösten könnte als das?
Betrachten wir weiter den Text. Die Juden sahen seine Tränen. Und sie sagten. „Siehe, wie hat er ihn lieb gehabt!“ Andere sagten: „Er hat dem Blinden die Augen aufgetan; konnte er nicht auch machen, dass dieser nicht sterben musste?“ Sie missverstanden Jesu Weinen. Sie hielten das für Unvermögen und Schwäche. Wieder ergrimmte Jesus im Geist. Und wir kommen jetzt zum eigentlichen Wunder. Drei Punkte wollen wir von diesem Wunder in aller Kürze lernen.
Erstens, durch den Glauben sehen wir Jesu Herrlichkeit. Betrachten wir Vers 39. Jesus gab den Befehl, den Stein weg zu heben. Wie antwortete Marta darauf? Sie sagte: „Herr, er stinkt schon; denn er liegt seit vier Tagen.“ Sie hatte vorher ein solch wundervolles Zeugnis abgegeben. Sie hatte Jesus als Christus bekannt. Und trotzdem hatte sie Zweifel an Jesus. Wie antwortete Jesus? Lesen wir Vers 40. „Jesus spricht zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?“ Jesus tadelte sie hier sanft, weil sie keinen Glauben hatte. Wir lernen hier, dass auch wir ohne Glauben die Herrlichkeit Jesu nicht sehen können.
Zweitens, Jesus offenbart seine Allmacht durch die Auferweckung von Lazarus. Der Stein war weg. Und Jesus betete: „Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich weiß, dass du mich allezeit hörst; aber um des Volkes willen, das umhersteht, sage ich’s, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast.“ Ist das nicht wunderschön? Genauso wie wir Gott vor dem Essen danken, konnte Jesus Gott danken für das übernatürliche Wunder, das gleich unter ihnen geschehen würde. Und dieses Gebet zeigt die Einmütigkeit zwischen dem Vater und dem Sohn. Alles, was Jesus, der Sohn tat, war absolut im Einklang mit Gott. Und dann rief Jesus mit vollmächtiger Stimme: „Lazarus, komm heraus!“ Wenn man sonntags bei den Hongs zum Frühstück kommt, kann man mit Regelmäßigkeit einem traditionellen Familienschauspiel zuschauen. M. Kaleb ruft mit lauter Stimme aus der Küche ins Jungenzimmer: „Esra, komm heraus!“ Meistens passiert da gar nichts. Zu tief ist der Schlaf von meinem Bruder. Niemand in der Familie ist in der Lage, ihn aufzuwecken. (Wenn man sich dem Bett von Esra zu sehr nähert und Pech hat, dann kriegt man von ihm noch eine stinkende Socke an den Kopf geknallt). Aber was geschah aber, als Jesus Lazarus herausrief? Lazarus ganzer Körper war sofort wiederhergestellt, der ganze Verwesungsprozess war wieder rückgängig gemacht, sein Kreislauf arbeitete wieder, seine Organe funktionierten wieder, sein Herz schlug. Und Lazarus musste der unwiderstehlichen Stimme gehorchen. Er kam aus dem Grab heraus. Die Auferweckung des Lazarus war ein einzigartiges Zeichen für die göttliche Allmacht und unendliche Schöpferkraft Jesu. Jesus besiegt den Tod.
Der dritte Punkt, den wir beachten wollen, lautet: Jesus gebraucht Menschen für sein Wunder. Die Auferweckung des Lazarus war ein großartiges Wunder, dass nur Gott vollbringen konnte. Aber auf dem Weg zum Wunder und danach sehen wir, wie Jesus Menschen gebrauchte. Mit einem Fingerschnipsen hätte Jesus den Stein selbst weg heben können. Er hätte ihn auch einfach in die Luft jagen können. Aber er tat das nicht. Es waren Menschen, die Stein vor dem Grab weg hoben. Nach der Auferweckung gab Jesus den Befehl: „Löst die Binden und lasst ihn gehen!“ Jesus hätte dafür sorgen können, dass Lazarus mit ganz normalem Outfit aus dem Grab herauskommt. Aber auch das tat Jesus nicht. Jesus gebrauchte Menschen vor dem Wunder wie auch nach dem Wunder. Auf die heutige Zeit bezogen: ist das nicht auch, was unsere Gemeinden tun sollen? Es ist Jesu Aufgabe die Toten aufzuerwecken. Das können wir nicht tun. Aber unsere Gemeinde kann Steine weg heben. Und unsere Gemeinde kann die Binden der Auferweckten lösen und ihnen zum Gehen verhelfen. Wir sehen hier einmal mehr, dass Jesus keine Zuschauer sucht, sondern Mitarbeiter.
Betrachten wir im dritten Teil die Konsequenzen von diesem Wunder.
Teil 3 Reaktionen auf Jesus, die Auferstehung und das Leben (45-57)
Wie müssen die Augenzeugen auf dieses Wunder reagiert haben? Die Menschen müssen entsetzt gewesen sein. Vielleicht fielen einige von den Trauergästen in Ohnmacht. Können wir uns das Freudengeschrei von Marta und Maria vorstellen, als sie Lazarus sahen? Jesus hatte alles Weinen in Jubelschrei verwandelt. Bei seinem ersten Zeichen hatte er Wasser in Wein verwandelt. Jesus hatte auf diese Weise eine Hochzeit vor dem Ruin gerettet. Bei seinem letzten Zeichen erweckte er den Verstorbenen bei dessen Beerdigung. Und Jesus ruinierte auf diese Weise diese die Begräbnisfeier.
Sehen wir uns Vers 45 an. „Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn.“ Viele glaubten an Jesus. Was taten aber einige andere von den Augenzeugen? Sie gingen zu den Pharisäern und berichteten, was Jesus getan hatte. In Vers 47 sehen wir, wie der Sanhedrin eine Notstandsversammlung ausrief. Offensichtlich sahen sie großen Bedarf zum Handeln. Was war ihre Sorge? Verse 47b und 48 sagen: „Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen. Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute.“ Ihre Sorge war, dass Jesu Einfluss immer mehr zunahm. Ihre Befürchtung war, dass bald alle an Jesus glauben würden und dass es unter Jesus zu einem politischen Aufruhr kommen würde. Die Römer würden diesen Aufruhr zum Anlass nehmen, das Volk vernichtend zu schlagen und sie zu zerstreuen. Mit einem Wort, die religiösen Leiter fürchteten sich davor, ihre politische Stellung und ihre Macht zu verlieren. Schließlich ergriff der Hohepriester Kaiphas das Wort: „Ihr wisst nichts. (d.h. „ihr Ignoranten“, oder „ihr seid ja so doof“) ihr bedenkt auch nicht: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe.“ Der Tod Jesu war hiermit beschlossene Sache. Wie es dazu kommen sollte und die genauen Umstände waren nur noch Detailfragen. Es war nur eine Frage der Zeit.
Was sehen wir hier also? Uns fehlt die Zeit, tiefer darauf einzugehen. Für unser Verständnis finden wir einen wichtigen Hinweis in Vers 51. Kaiphas sprach die Worte nicht einfach nur so, „sondern weil er in dem Jahr Hoherpriester war.“ Die Worte von Kaiphas waren eine Weissagung, eine Prophetie. Sie waren somit nicht seine Worte, sondern Gottes Worte. Und doch kamen sie aus einem sündigen Herzen, gesprochen in einer sündigen Umgebung, erdacht aus hasserfüllten, sündigen Motiven. Hinter all dem bösen Plan sehen wir, wie Gott aber dennoch seine Geschichte erfüllte. Denn Jesus musste sterben, um die Verlorenen zu retten. Jesus war das stellvertretende Opfer zur Rettung des Volkes Israel, aber nicht nur Israel, sondern der Text sagt für alle verstreuten Kinder Gottes.
Übrigens, die Rechnung der religiösen Leiter ging nicht auf. Sie konnten zwar Jesus umbringen. Aber Kaiphas wurde trotzdem später von den Römern abgesetzt. Und es kam zum Krieg zwischen Juden und Römern. Und letztendlich wurde Jerusalem mitsamt den Tempel von den Römern zerstört.
Eine weitere Sache, die wir hier sehen: die Versammlung war ein Akt des Unglaubens vor dem Hintergrund eines großartigen Wunders, das unter ihnen geschehen war. Dieses Zeichen war von solcher Vollmacht, dass die religiösen Leiter nur zwei Möglichkeiten hatten: entweder an Jesus zu glauben und vor ihm auf die Knie zu fallen, oder aber ihn zu beseitigen. Wir sehen also, dass Unglauben mit rationalem Denken, mit Vernunft und mit objektiver Betrachtung der Tatsachen rein gar nichts zu tun hat.
Der letzte Punkt, der hier angemerkt werden sollte: Jesus zeigte, dass er die Auferstehung und das Leben ist, indem er Lazarus auferweckte. Und Jesus musste gewusst haben, was es für Konsequenzen hat. Jesus kannte die bereits bestehende und schwelende Feindschaft mit den Pharisäern und Schriftgelehrten. Jesus wusste, was es bedeuten würde, zurück nach Judäa zu gehen. Und Jesus wusste, dass die Auferweckung seines Freundes letztendlich auf Kosten seines eigenen Lebens gehen würde. Jesus wusste, dass Lazarus aus dem Grab zu rufen, bedeutete, dass er mit Lazarus bald die Plätze tauschen würde. Und welch eine unglaubliche Liebe und Freundschaft erwies Jesus also Lazarus und der Familie, als er dieses Wunder tat. Können wir uns einen besseren und selbstloseren Freund vorstellen als Jesus?
Lesen wir zum Schluss das Leitwort, die Verse 25 und 26. „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“ Wir haben heute die Auferweckung von Lazarus studiert. Manch einer mag sich fragen, was wohl aus Lazarus später noch geworden ist. Die Legende berichtet, dass Lazarus ein Bischof wurde, und zwar auf der Insel Zypern in Kition (heute Larnaca). Dort hat man um 900 nach Christus sein Grab ausgegraben. Ravi Zacharias war dort und hat den Sarkophag von Lazarus gesehen. Auf dem Sarkophag befinden sich die Worte: „Lazarus, der vier Tage Verstorbene, Freund von Jesus.“ Wundervoll. Die Auferweckung des Lazarus war keine Sage, keine Fabel, keine Legende, keine Mythologie, sondern ein historisches Event. Und Jesus die Auferstehung und das Leben ist Realität.
Wollen wir uns zum Schluss noch Gedanken darüber machen, welche praktischen Anwendungen der Text für uns hat? Wir haben heute Jesus als die Auferstehung und das Leben kennen gelernt. Wir haben gelernt, dass Glauben die Brücke ist. Glaube verbindet unsere Finsternis mit Jesu Licht. Glaube verbindet unsere Leblosigkeit mit seinem pulsierenden Leben. Glaube verbindet unsere Begrenztheit mit seiner unbegrenzten Allmacht. Glaube schlägt die Brücke von unserem Hier und Jetzt zur Ewigkeit. Die Frage ist hier nicht nur, ob du glaubst. Die Frage ist, wie du glaubst. Die Frage ist, wie der Glaube auf unser Leben abfärbt. Die Frage ist, ob Jesus, die Auferstehung und das Leben, solche drastischen Folgen und Konsequenzen auf unser Leben hat, dass niemand das übersehen kann.
Glauben wir als Gemeinde daran, dass weil Jesus die Auferstehung ist, eine Generation von jungen Menschen auferstehen kann, die diese Stadt verändern? Glauben wir als Gemeinde daran, dass weil Jesus das Leben ist, er in diese Stadt und dieses Land neues Leben einhauchen kann? Glauben wir daran, dass weil Jesus Lazarus auferweckte, Erweckung in unserem Land möglich ist, angefangen mit jedem persönlich hier in der Gemeinde?
Es ist mein Gebet, dass wir beginnen, die Herrlichkeit Jesu Christi in unserer Gemeinde zu sehen, heute angefangen!
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