Aber es selbst wird ewig bleiben
„Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es selbst wird ewig bleiben.“
(2,44)
Habt ihr schon einmal einen Traum gehabt, über den ihr aufgewacht seid und beunruhigt ward? Man träumt im Schlaf oft alle möglichen Dinge, aber längst nicht jeder Traum hat wirklich eine Bedeutung. Aber im heutigen Text geht es um einen ganz besonderen Traum, den Gott dem König Nebukadnezar gab, der nicht nur für ihn ein wichtige Botschaft enthielt, sonddern auch für alle Menschen. Was war der Inhalt dieses Traums? Und was bedeutete er für den König und für uns heute? Möge Gott uns heute helfen, sein Wort persönlich zu verstehen!
I. Nebukadnezars besonderer Traum (1-23)
Betrachten wir den Vers 1: „Im zweiten Jahr seiner Herrschaft hatte Nebukadnezar einen Traum, über den er so erschrak, dass er aufwachte.“ Hier bezieht sich die Zeitangabe wohl auf die Zeit, in der Nebukadnezar offiziell als König herrschte, nachdem sein Vater gestorben war. Zu diesem Zeitpunkt hatte Daniel seine dreijährige Ausbildungszeit am babylonischen Königshof wohl gerade beendet. In dieser Zeit hatte der König Nebukadnezar einen Traum, über den er so erschrak, dass er aufwachte. In vielen heidnischen Kulturen maß man Träumen im Allgemeinen eine große Bedeutung bei. Aber dieser Traum war irgendwie anders, er beunruhigte den König so sehr, dass er alle Zeichendeuter, Weisen, Zauberer und Wahrsager zusammenrufen ließ und sie aufforderte, dass sie ihm seinen Traum sagen sollten. Die Wahrsager sagten zum König: „Der König lebe ewig! Sage deinen Knechten den Traum, so wollen wir ihn deuten.“ Ihre ruhige Reaktion lässt vermuten, dass sie es für eine machbare Aufgabe, dem König einen Traum zu deuten, was sie wohl schon öfter gemacht hatten. Aber der König machte seine Forderung noch klarer, dass sie ihm nicht nur die Deutung des Traums, sondern auch den Traum selbst sagen sollten; daran wollte er feststellen, dass auch ihre Auslegung richtig war. Er drohte ihnen, dass sie ansonsten in Stücke gehauen und ihre Häuser zu Schutthaufen gemacht würden. Aber woher sollten Weise und Zeichendeuter wissen, was der König in der Nacht geträumt hatte? Sie antworteten: „Der König sage seinen Knechten den Traum, so wollen wir ihn deuten“ (7). Aber der König blieb hart: „Wahrlich, ich merke, dass ihr Zeit gewinnen wollt, weil ihr seht, dass mein Wort deutlich genug ist. Aber werdet ihr mir den Traum nicht sagen, so ergeht ein Urteil über euch alle, weil ihr euch vorgenommen habt, Lug und Trug vor mir zu reden, bis die Zeiten sich ändern. Darum sagt mir den Traum; so kann ich merken, dass ihr auch die Deutung trefft.“ Die Weisen und Zeichendeuter und Wahrsager waren Profis. Wir können davon ausgehen, dass sie schon auf viele schwierige Fragen des Königs geantwortet hatten. Wenn sie Träume deuten mussten, hatten sie bestimmt immer gut überlegt, welche Auslegung sowohl zum Traum passte als auch der Erwartung des Königs entsprach und dabei so unverfänglich war, dass man nicht leicht behaupten konnte, dass ihre Voraussage nicht eingetroffen sei. Notfalls legten sie den Zeitpunkt der Erfüllung ihrer Voraussagen so weit in die Zukunft, dass sie davon ausgehen konnten, dass der König bis dahin vergessen würde, was sie angekündigt hatten. Aber diese Forderung des Königs, ihm auch den Traum selbst zu erzählen, war mit solchen Tricks nicht zu erfüllen.
Die Weisen standen mit dem Rücken zur Wand. Mit dem Mut der Verzweiflung sagten sie: „Es ist kein Mensch auf Erden, der sagen könnte, was der König fordert. Ebenso gibt es auch keinen König, wie groß oder mächtig er sei, der solches von irgendeinem Zeichendeuter, Weisen oder Wahrsager fordern würde. Denn was der König fordert, ist zu hoch, und es gibt auch sonst niemand, der es vor dem König sagen könnte, ausgenommen die Götter, die nicht bei den Menschen wohnen“ (10.11). Sie gaben offen zu, dass diese Forderung des Königs für sie unerfüllbar war, und appellierten an die Vernunft des Königs, der verlangte, was man eigentlich von keinem Menschen verlangen konnten. Wie reagierte aber der König? Die Verse 12 und 13a berichten: „Da wurde der König sehr zornig und befahl, alle Weisen von Babel umzubringen. Und das Urteil ging aus, dass man die Weisen töten sollte.“ Der König wurde sehr zornig und befahl dem Obersten seiner Leibwache, alle Weisen von Babel zu töten. Seine heftige Reaktion und seine drakonische Strafe zeigt, wie sehr der Traum ihn beunruhigte und wie verzweifelt er sich wünschte, dass ihm jemand seine Bedeutung sagen könnte. Tragischerweise zählten auch Daniel und seine gläubigen Freunde zu den Weisen und sollten getötet werden. Die Leibwache des Königs hatte sich schon aufgemacht, um sie zu töten.
Was tat Daniel, als er davon erfuhr? Normalerweise würde ein Mensch, der noch am selben Tag hingerichtet werden soll, in Todesangst oder in Wut und tiefe Verzweiflung geraten, erst recht, wenn er erst 18, 19 oder vielleicht 20 Jahre alt sind – oder wie würdet ihr reagieren? Doch wie reagierte Daniel? Verse 14 und 15 berichten: „Da wandte sich Daniel klug und verständig an Arjoch, den Obersten der Leibwache des Königs, der auszog, um die Weisen von Babel zu töten. Und er fing an und sprach zu Arjoch, dem der König Vollmacht gegeben hatte: Warum ist ein so strenges Urteil vom König ergangen? Und Arjoch teilte es Daniel mit.“ Daniel wurde weder von Todesangst gepackt noch von Wut oder Verzweiflung erfüllt, sondern er blieb ruhig und konnte besonnene Schritte machen. Er fasste Mut und fragte den Obersten der Leibwache, der ihn eigentlich töten sollte, nach dem Grund für den strengen Befehl des Königs. Dann ging er zum König hinein und bat ihn um eine bestimmte Frist und versprach ihm, bis dahin ihm seinen Traum zu deuten. Wie konnte Daniel in dieser lebensbedrohlichen Situation so cool bleiben und klug vorgehen? Wie konnte er dem König versprechen, dass er ihm seinen Traum erzählen und deuten würde, obwohl er gar keine Ahnung hatte, was der König nachts geträumt hatte? War er einfach so ein cooler Typ? Selbst der ruhigste Charakter gerät in Angst und innere Bedrängnis, wenn der höchste Richter im Land entschieden hat, dass er getötet werden soll (die Männer, die selbst dann noch cool bleiben, gibt es nur im Film). Aber Daniel blieb, auch aös er ,ot seinem Todesurteil konfrontiert war, ruhig und konnte überlegt vorgehen, weil er wirklich an Gott glaubte und an Seine Souveränität über sein Leben in allen Lagen. Daniel glaubte, dass Gott auch über den König souverän war und das Todesurteil von ihm und den anderen Weisen abwenden konnte. Er glaubte, dass der souveräne Gott selbst die Träume der Menschen kennt und ihm auch zeigen konnte, was der König in der Nacht geträumt hatte.
Was tat Daniel daraufhin? Dachte er, dass er nun nichts zu machen bräuchte, weil Gott souverän ist und sowieso tun kann, was er will? Betrachten wir die Verse 17 und 18: „Und Daniel ging heim und teilte es seinen Gefährten Hananja, Mischaël und Asarja mit, damit sie den Gott des Himmels um Gnade bäten wegen dieses Geheimnisses und Daniel und seine Gefährten nicht samt den andern Weisen von Babel umkämen.“ Daniels Glaube an Gott war nicht vage, er wartete nicht einfach untätig ab nach dem Motto: „Ach, Gott ist gnädig, er wird mir schon irgendwann zeigen, was der König geträumt hat.“ Er vertraute auch nicht einfach auf seine besondere Fähigkeit, Gesichte und Träume auszulegen, die er von Gott erhalten hatte (1,17b). Daniel ging heim und betete. Weil das Anliegen so wichtig war, teilte er es auch seinen Freunden mit und bat sie darum, dafür mit zu beten, dass Gott ihm diesen Traum offenbaren würde.
Wie reagierte Gott auf ihr Gebet? Vers 19a sagt: „Da wurde Daniel dies Geheimnis durch ein Gesicht in der Nacht offenbart.“ Gott erhörte Daniels ernsthaftes Gebet und das seiner Freunde. Kein Mensch konnte von sich aus darauf kommen, was der König in der Nacht geträumt hatte. Aber als Daniel betete, zeigte Gott es ihm durch eine Erscheinung in der Nacht. Dieses Ereignis zeigt eindrücklich, dass unser Gott ein Gott ist, der ernst gemeintes Gebet erhört. Wie wahr ist das Wort, das Jesus in der Bergpredigt gesagt hat: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Gott erhört die Gebete der Menschen, die ihm vertrauen, und zwar nicht unbedingt erst nach ein paar Tagen, Wochen oder Monaten, sondern wenn nötig auch in Kürze.
Was machte Daniel, nachdem Gott ihm den Traum des Königs und seine Bedeutung offenbart hatte? Ging er eilig zum König, um ihm den Traum zu sagen, damit das Todesurteil über ihn schnellstmöglich aufgehoben wurde? Die Verse 19b-23 berichten, wie Daniel als erstes Gott lobte und ihm ausführlich für seine Gnade dankte. Er begann mit den Worten: „Gelobet sei der Name Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit, denn ihm gehören Weisheit und Stärke!“ (20). Daniel lobte Gottes Souveränität, seine Weisheit und dafür, dass Gott ihm Weisheit und Stärke verliehen und ihm den Traum des Königs offenbart hatte. Gott ist tatsächlich allein weise und hat Kraft, und er ist es, der uns Menschen unbegrenzt Weisheit und Stärke geben kann, wenn wir ihn darum bitten. Gott ist der souveräne Herr, der Könige und Regierungen absetzt und einsetzt und so die Geschichte lenkt. Daniel dankte Gott vom Herzen, der ihm Weisheit gab, den Traum des Königs zu erkennen und zu verstehen, und pries seine Souveränität und Macht. Viele Menschen bitten Gott in Notlagen inbrünstig um seine Hilfe. Aber wenn Gott ihre Bitte erhört hat, danken sie ihm kaum oder vergessen es völlig, Gott zu danken und ihn zu loben. Aber Daniel dankte und lobte Gott für seine Weisheit und Stärke und erkannte tief seine Souveränität über die Menschen. Möge Gott uns helfen, an Gottes Souveränität fest zu glauben und auch in Notlagen nicht in Angst zu geraten und zu verzweifeln, sondern ihn im Vertrauen um seine Hilfe zu bitten! Möge Gott uns helfen zu beten, bis er uns erhört hat, und danach ihm zu danken und ihn zu preisen!
II. Daniel deutet den Traum (24-49)
Was tat Daniel, nachdem er Gott gedankt hatte? Betrachten wir die Verse 24 und 25. Er ging zu Arjoch, dem Obersten der Leibwache, und sagte ihm zunächst, dass er die Weisen von Babel nicht umbringen sollte. Dann ließ er sich zum König führen. Der König fragte ihn: „Bist du es, der mir den Traum, den ich gesehen habe, und seine Deutung kundtun kann?“ (26) Nun durfte Daniel vor dem König reden. Da er als einziger Mensch im Land den Traum des Königs und seine Bedeutung kannte, hätte er dieses Wissen leicht ausnutzen und sich als eine Art Superheld oder Gottmensch darstellen und vom König große königliche Privilegien verlangen können. Aber was sagte Daniel dem König? Er begann mit den Worten: „Das Geheimnis, nach dem der König fragt, vermögen die Weisen, Gelehrten, Zeichendeuter und Wahrsager dem König nicht zu sagen. Aber es ist ein Gott im Himmel, der kann Geheimnisse offenbaren. Der hat dem König Nebukadnezar kundgetan, was in künftigen Zeiten geschehen soll“ (27.28a). Daniel wollte nicht sich selbst, sondern Gott groß machen. Von Anfang an ging es ihm in seiner Rede darum, Gott und seine Offenbarung bekannt zu machen und damit dem wahren Bedürfnis des Königs zu dienen, nicht seinen eigenen. Darum stellte er sich nicht selbst als einen besonderen Menschen dar, sondern verkündigte den Gott im Himmel, der Geheimnisse offenbaren und die Zukunft voraussagen kann. Daniel wollte ihm den Traum deuten, nicht um sich selbst groß zu machen, sondern damit der König die Bedeutung verstehen und sich selbst erkennen würde (29).
Was war dann der Inhalt des Traums? Betrachten wir die Verse 31-35: „Du, König, hattest einen Traum, und siehe, ein großes und hohes und hell glänzendes Bild stand vor dir, das war schrecklich anzusehen. Das Haupt dieses Bildes war von feinem Gold, seine Brust und seine Arme waren von Silber, sein Bauch und seine Lenden waren von Kupfer, seine Schenkel waren von Eisen, seine Füße waren teils von Eisen und teils von Ton. Das sahst du, bis ein Stein herunterkam, ohne Zutun von Menschenhänden; der traf das Bild an seinen Füßen, die von Eisen und Ton waren, und zermalmte sie. Da wurden miteinander zermalmt Eisen, Ton, Kupfer, Silber und Gold und wurden wie Spreu auf der Sommertenne, und der Wind verwehte sie, dass man sie nirgends mehr finden konnte. Der Stein aber, der das Bild zerschlug, wurde zu einem großen Berg, so dass er die ganze Welt füllte.“ Im Mittelpunkt stand ein großes, hell glänzendes Standbild, das aus verschiedenen Materialien bestand und erschreckend aussah. Der Stein, der ohne Zutun von Menschenhänden vom Berg herabkam, zerschlug das Bild und wurde zu einem großen Berg, der die ganze Welt füllte.
Was bedeutet dieses geheimnisvolle Bild mit seinem verschiedenen Elementen und was der Stein? Betrachten wir die Verse 36-43. Daniel beginnt die Deutung mit den Worten: „Du, König, bist ein König aller Könige, dem der Gott des Himmels Königreich, Macht, Stärke und Ehre gegeben hat und dem er alle Länder, in denen Leute wohnen, dazu die Tiere auf dem Felde und die Vögel unter dem Himmel in die Hände gegeben und dem er über alles Gewalt verliehen hat. Du bist das goldene Haupt.“ Nebukadnezar war als König des babylonischen Reiches tatsächlich der Herr des stärksten Landes, dem damals niemand seine Vorherrschaft streitig machen konnte. Dementsprechend wurde er als das goldene Haupt dargestellt, was die große Macht und die weltliche Herrlichkeit seines Reiches zum Ausdruck bringt. Aber Daniel sagte dabei klar, dass es der Gott des Himmels war, der ihm Königreich, Macht, Stärke und Ehre gegeben hatte und auch all die Länder, über die er derzeit herrschte. Daniel verkündigte Nebukadnezar also Gott als den souveränen Herrn, der über seinem Leben stand und dem er alles zu verdanken hatte. Durch den Traum sollte er erkennen, wer er in Wirklichkeit vor Gott war und wie begrenzt und zeitlich limitiert sein Leben und seine Rolle war, die er in der Geschichte spielte. Denn sein Königreich würde nicht für immer bestehen. Daniel sagte weiter, dass nach ihm ein anderes Königreich aufkommen würde und danach ein drittes, das über alle Länder herrschen würde. Nebukadnezar sollte also wissen, dass sein Reich nicht lange bestehen bleiben, sondern von anderen Reichen abgelöst werden würde.
In dem Traum und der Deutung durch Daniel in den Versen 39-43 gewährte Gott Nebukadnezar eine weite Vorausschau auf über eintausend Jahre in der Geschichte. Die drei Großreiche, die nach dem babylonischen Reich kommen würden, würden alle auch nicht für immer bleiben, sondern auch wieder untergehen und von einem anderen Reich beerbt werden. Das Reich nach ihm, das im Traum durch die silberne Brust und Arme des Bildes dargestellt war, war das Reich der Meder und Perser, die etwa 50 Jahre später das babylonische Reich einnehmen und seine Herrschaft übernehmen würden. Das dritte Großreich, das im Traum durch den kupfernen Bauch und Lenden des Bildes dargestellt war, war das mazedonische Reich Alexanders des Großen, der etwa 150 Jahre später in einem gewaltigen Eroberungszug alle Länder von Griechenland bis nach Indien einnahm. Dass im Traum der Wert des Materials, immer mehr abnimmt, weist darauf sein, dass die Qualität der Reiche immer mehr abnehmen würde. Das vierte Reich, das durch die eisernen Beine und die Füße dargestellt war, steht für das Römische Reich, das mit eiserner Härte fast alle Länder im Mittelmeerraum eroberte und viele weitere unterdrückte. Aber wie Daniel vorausgesagt hat, war es nur teilweise stark, teilweise auch schwach; denn es war wohl militärisch stark, aber von der Kultur seiner Bewohner her eher schwach und zunehmend verdorben. Außerdem wurde es ein geteiltes Reich, das nicht mehr vereinigt werden konnte, sondern als weströmisches und oströmisches Reich geteilt blieb, dort aber in Form des ottomanischen Nachfolge-Reiches bis um 1900 Bestand hatte.
Was war der Hauptpunkt des Traum, den Gott Nebukadnezar gab? Der Traum und Daniels Deutung machen klar, dass Gott der souveräne Herr der Geschichte ist und sowohl das Leben der einzelnen Menschen als auch das Aufkommen und den Untergang der Reiche lenkt. Nebukadnezar herrschte damals über das stärkste Reich der Welt, und nach seinem Sieg über Ägypten gab es scheinbar niemanden, der sich mit ihm messen konnte. Er muss gedacht haben, dass er der mächtigste Mann der Welt sei und dass seine Macht nicht zu brechen war. Aber Gott ließ ihn gerade in dieser Zeit, in der er sich auf dem Höhepunkt seiner Macht befand, durch den Traum wissen, dass sein Reich nur eine begrenzte Zeit Bestand haben und er selbst nur eine begrenzte Rolle in der Geschichte spielen würde. Selbst die nachfolgenden Reiche würden nicht für immer bleiben, sondern einmal untergehen; denn Gott bestimmte ihr Aufkommen und die Zeit ihres Niedergangs. Nebukadnezar sollte also durch den Traum und Daniels Deutung seinen eigenen Platz in der Geschichte finden und die Bedeutung seiner eigenen Person vor Gott erkennen. Auch wenn er bis zu diesem Zeitpunkt geglaubt haben mag, dass sein Götze „Bel“ stärker sei als alle Götter und ihm sogar den Sieg über den Gott Israels geschenkt hätte, sollte er nun durch den Traum erkennen dass der Gott des Himmels, der Gott Israels, der souveräne Herr über die ganze Welt und die Geschichte ist und sie nach seinem Willen lenkt.
Welches Willen und Plan verfolgt Gott in der Geschichte vor allem? Lesen wir gemeinsam den Vers 44: „Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten,
das nimmermehr zerstört wird; und sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es selbst wird ewig bleiben.“ Hier verkündigt Daniel dem König das Hauptwerk Gottes, das er in seiner Souveränität in der Geschichte vollbringt. Während alle Reiche aufkommen und nach einer bestimmten Zeit wieder untergehen, baut Gott selbst ein Reich auf, das nie zerstört wird, sondern ewig besteht. Dieses Reich begann in der Zeit der Könige des zuletzt genannten Reiches, also in der Zeit des Römischen Reiches, und es wird nie von jemandem beerbt bzw. übernommen werden.
Wie würde dieses Reich entstehen? Vers 45 sagt: „wie du ja gesehen hast, dass ein Stein ohne Zutun von Menschenhänden vom Berg herunterkam, der Eisen, Kupfer, Ton, Silber und Gold zermalmte. So hat der große Gott dem König kundgetan, was dereinst geschehen wird. Der Traum ist zuverlässig, und die Deutung ist richtig.“ Es würde durch den Stein kommen, der ohne Zutun von Menschenhand vom Himmel fällt, alle anderen Reiche zerstört und schließlich selbst so groß wird, dass es die ganze Erde erfüllt. Wer ist dieser Stein? Viele Stellen in der Bibel sprechen bildhaft von Jesus als dem Stein. Im Markusevangelium Kap. 12 zitiert Jesus selbst die betreffende Stelle in Psalm 118 und sagt: „Habt ihr nicht dieses Schriftwort gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen?“ (Mk 12,10.11) Jesus ist der Stein, der ohne Zutun von Menschenhänden vom Himmel gekommen ist und das Reich aufbaut, das nie zerstört wird.
Jesus kam vom Himmel in die Welt und predigte: „Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15) Um das Reich Gottes zu bauen, erzog Jesus einige Menschen als seine Jünger und starb am Kreuz, um für unsere Sünden zu sühnen und Gottes Reich für alle zu öffnen, und erstand von den Toten auf. Seitdem wächst sein Reich durch seine Jünger, die die Botschaft vom Reich Gottes in allen Ländern verkündigen. Selbst in Rom, wo sich Kaiser wie Götter verehren ließen, entstand eine lebendige Gemeinde, die wuchs, bis das Christentum in Rom zur Staatsreligion wurde. Gott ließ sein Reich auch in unserem Land entstehen und wachsen. In einer Zeit, als die Kirche sich in mancher Hinsicht vom Kern des Evangeliums entfernt hatte, ermöglichte Gott eine geistliche Erneuerung, obwohl die Mächtigen in Staat und Kirche sich dagegen sträubten. Gott baut bis heute sein Reich durch diejenigen, die sich durch den Glauben an seinen Sohn unter seine Herrschaft stellen, nicht nur in Deutschland und Europa, sondern in allen Teilen der Erde, sogar im kommunistischen China und in Nordkorea. Wir können nicht genau sagen, wie es konkret überall weitergehen wird. Aber Gott wird sein Reich sicher weiter bauen, bis es die ganze Erde erfüllt. Jesus wird wiederkommen und alle Reiche dieser Welt zerstören und sein ewiges Reich vollends errichten, sodass es alles erfüllt. Das ist das Ziel der Geschichte, auf das Gott hinarbeitet und das deshalb sicher eintreten wird. Wir sollen auch für dieses Ziel leben und es erlangen.
Die Menschen haben seit dem Verlust des Paradieses den Wunsch, in dieser Welt ein starkes Reich zu bauen, das ihnen ein Leben in Glück und Sicherheit ermöglicht und das möglichst nie vergehen soll. Aber alle Reiche der Menschen vergehen, weil sie keine feste Substanz haben, sondern nur auf menschlichem Willen, menschlicher Macht und Organisation beruhen, seien sie politischer oder wirtschaftlicher oder sonstiger Art. Aber Gottes Reich wächst unaufhörlich und bleibt ewig. Es sieht oft so aus, als ob die Mächtigen dieser Welt den Lauf der Welt bestimmen. Aber Gott ist der souveräne Herr der Geschichte. Parallel zu den oft schwer überschaubaren Prozessen in der Politik baut Gott sein eigenes Reich auf, das ewig bleibt. In diesem Reich allein herrschen Wahrheit, Friede und Gerechtigkeit. Nur dieses Reich kann uns Menschen wahrhaft glücklich machen und Ziel unseres Lebens sein. Gottes ewiges Reich allein kann uns Menschen festen Halt und ewigen Bestand geben. Allein für dieses Reich lohnt es sich zu leben; weil es bestehen bleiben wird und wir ewig seinen Segen genießen können. Dieses Reich soll unser klares Ziel und Anliegen sein. Alle Zeit, Streben und Kraft, die wir in andere Reiche investieren, sind letztlich vergeblich verbraucht und vergeudet. Daher sagte Jesus: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen“ (Mt 6,33). Als die Jünger Jesus baten, sie zu lehren, wie sie beten sollen, sagte er: „Wenn ihr betet, so sprecht: Vater! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme“ (Lk 11,2). Gottes Reich ist Gottes Anliegen und Ziel und es wird gewiss kommen und allein für immer bleiben.
Es ist für alle Menschen aller Zeiten die wichtigste Angelegenheit im Leben, Gottes Reich zu erkennen und sich seiner Herrschaft zu unterstellen. So zeigte Gott auch dem mächtigen König Nebukadnezar, dass auch er trotz seiner momentanen Macht Gott unterstand und dass sein Reich nicht ewig bestehen würde. Nebukadnezar sollte Gott als den souveränen Gott anerkennen und Gottes Reich bejahen, anstatt bloß ein eigenes Reich weiter zu bauen, als ob es ewig bestehen und er selbst dadurch ewig bleiben könnte.
Wie reagierte Nebukadnezar? Betrachten wir Verse 46-47: „Da fiel der König Nebukadnezar auf sein Angesicht und warf sich nieder vor Daniel und befahl, man sollte ihm Speisopfer und Räucheropfer darbringen. Und der König antwortete Daniel und sprach: Es ist kein Zweifel, euer Gott ist ein Gott über alle Götter und ein Herr über alle Könige, der Geheimnisse ofenbaren kann, wie du dies Geheimnis hast offenbaren können.“ Nebukadnezar war davon, dass Daniel seinen Traum perfekt wiedergeben und überzeugend auslegen konnte, überwältigt. Er erkannte Gott mit dem Mund als Gott über alle Götter an und gab Daniel und seinen Freunden hohe Positionen (48.49). Aber wie wir nächste Woche sehen werden, zog er in seinem Herzen leider keine richtige Konsequenz und unterstellte sich nicht Gottes Herrschaft.
Wir sollen es besser machen als er. Es ist ein großes Privileg, dass wir durch den Glauben an Jesus zu diesem Reich gehören dürfen. Dies gibt unserem Leben Sinn, eine feste Grundlage und festen Bestan. Sonst arbeiten und leben wir für etwas, was vergeht. Gottes Reich gibt uns Hoffnung, denn sein Reich bleibt ewig und wird alle anderen Reich zerstören und beenden. Möge Gott uns helfen, ganz bewusst als Bürger seines Reiches und für sein Reich zu leben, wo wir wahrhaftigen, ewigen Lohn bekommen werden. Lesen wir zum Schluss nochmals das Leitwort: „Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es selbst wird ewig bleiben“ (2,44).
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