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Wer kommt ins Himmelreich?
„Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut.“
(Matthäus 7,21 [EÜ])
Der zugrunde liegende Text für diese Predigt ist relativ kurz, nur drei Verse. Aber diese Verse haben es ziemlich in sich. Sie sind schockierend; wir werden dazu aufgefordert, darüber nachzudenken, was das bedeutet und was das für uns bedeutet. Ein ganz wesentlicher Punkt in der Auslegung ist, dass wir ohne den Kontext aufgeschmissen sind. Der Kontext ist die ganze Bergpredigt. Und diesen Satz habt ihr von mir so oft gehört, dass ihr ihn langsam im Schlaf können solltet: Der Kontext der Bergpredigt ist das Himmelreich, das in Jesus Christus so nahe herbeigekommen ist, dass alle Menschen, die es wollen, im Hier und Jetzt bereits in diesem Reich leben können.
Jesus erklärt, wie dieses Leben aussieht, und vor allem, wie radikal anders dieses Himmelreich im Vergleich zu allem ist, was wir kennen. Jesus hat die Hauptlehre der Bergpredigt abgeschlossen. Ab Matthäus 7,13 befinden wir uns auf der Zielgeraden seiner Predigt. In diesem letzten Abschnitt fordert Jesus seine Zuhörer zu einer Entscheidung auf. Das ist der Kontext. Über drei Fragen wollen wir dann aufgrund der Verse nachdenken. Erstens, wer ist verloren? Zweitens, wer ist gerettet? Und drittens, welche Einladung finden wir hier für uns?
1. Wer ist verloren?
Das Schockierende zuerst: In den 21–23 sagt Jesus, dass viele Menschen, von denen wir erwarten würden, dass sie gerettet sind, es nicht sind. Vers 21: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen …“ Und Verse 22 und 23: „Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, sind wir nicht in deinem Namen als Propheten aufgetreten und haben wir nicht in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und haben wir nicht in deinem Namen viele Machttaten gewirkt? Dann werde ich ihnen antworten: Ich kenne euch nicht. Weg von mir, ihr Gesetzlosen!“ Das klingt erst einmal wirklich hart.
Wer sind die Verlorenen? Wir sehen hier zum einen, dass es Menschen sind, die Jesus Herr nennen. Das ist ziemlich erstaunlich. Das griechische Wort hier ist kyrios. Im weiteren Verlauf des Matthäus Evangeliums wird immer deutlicher und klarer, was kyrios in Bezug auf Jesus bedeutet. Der Kommentator Michael Wilson schreibt: „‚Herr‘ ist der Titel, der regelmäßig von Menschen verwendet wird, die sich an Jesus wenden, um göttlichen Beistand zu erbitten, einschließlich seiner eigenen Jünger, wenn sie göttlichen Hilfe benötigen. Im Laufe des Wirkens Jesu verwenden seine Jünger diesen Titel mit zunehmender Ehrerbietung, denn er erweist sich als mehr, als sie ursprünglich von ihm erwartet hatten. Er ist mit Gottes Macht verbunden und hat als Sohn eine Beziehung zu Gott, die nur mit einem Titel angesprochen werden kann, der normalerweise Gott vorbehalten ist: ‚Herr‘. Das ist besonders bedeutsam, wenn sie seine Wundertaten sehen, ihn als ‚Herr‘ anrufen und ihn dann anbeten, eine Tätigkeit, die nur der Gottheit vorbehalten ist.“
Als Petrus in Jerusalem an Pfingsten seine Predigt abschließt, ist seine Schlussfolgerung, dass Jesus der Herr ist. Wieder wird das Wort kyrios gebraucht. D. h., die Menschen, die Jesus als „Herr“ anrufen, sprechen die biblische Wahrheit aus, die grundlegender kaum sein könnte. Es sind Menschen, die die richtige theologische Grundlage haben. Sie haben die richtige Lehre. Mit anderen Worten, sie sind äußerlich Christen und von Christen nicht wirklich zu unterscheiden.
In der Art und Weise, wie Jesus diese Menschen beschreibt, fällt uns auf, dass die Menschen Jesus nicht nur einmal mit „Herr“ anreden. Sie sagen „Herr, Herr“. Ist euch das aufgefallen? Man könnte vielleicht denken, dass das ein Beispiel für eine Verneinung durch Verdopplung ist. Was meine ich damit? Als ich damals in der fünften Klasse Französisch hatte, wurden wir von einem Lehrer der alten Schule unterrichtet. Einmal hat er einen meiner Mitschüler zurechtgewiesen. Der Schüler antwortete geringschätzig und respektlos: „Ja, ja …“ In dem Moment platzte dem Lehrer der Kragen. Er sagte: „Es heißt ‚ja‘. Einmal ‚ja‘, nicht ‚ja, ja‘, hast du mich verstanden?!?“ Ist es das, was hier mit „Herr, Herr“ gemeint ist? Das genaue Gegenteil ist der Fall. Wenn in der Bibel ein Name zweimal genannt wird, ist das immer ein Ausdruck von Herz und Leidenschaft. Jesus wird hier nicht einfach nur lustlos und halbherzig „Herr“ genannt wird. Da sind echte Emotionen und auch Ehrerbietung im Spiel. Die Leute meinen es durchaus ernst.
Als Nächstes sehen wir, dass diese Menschen auch aktiv für Jesus waren. Wenn wir uns noch einmal Vers 22 anschauen: „Herr, Herr, sind wir nicht deinem Namen als Propheten aufgetreten und haben wir nicht in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und haben wir nicht in deinem Namen viele Machttaten gewirkt?“ Sie sind in Jesu Namen als Propheten aufgetreten. D. h., sehr wahrscheinlich sind sie sogar Lehrer der Schrift; vielleicht sind sie sogar Prediger; auf jeden Fall haben sie die Gabe, prophetisch zu sprechen. Nicht nur das, sie haben auch in Jesu Namen Dämonen ausgetrieben und mächtige Taten vollbracht. Sie haben in Jesu Namen Wunder gewirkt. Menschen sind durch ihren Dienst verändert worden. Alles das ist doch gut! Ist es nicht das, was auch Jesu Jünger getan hatten?
Noch ein Aspekt, den wir hier beachten sollten. In Vers 22 sehen wir, dass die Verlorenen geradezu überrascht sind. Jesus spricht zu ihnen: „Ich kenne euch nicht. Weg von mir, ihr Gesetzlosen!“ Niemand von den verlorenen Menschen scheint damit gerechnet zu haben. Das ist beängstigend.
Was nehmen wir daraus mit? John Ortberg macht darauf aufmerksam, dass wir häufig den Fehler begehen, unser Leben auf zwei Optionen runterzubrechen. Zum Beispiel: „Es gibt nur zwei Optionen für mich. Entweder ich schaffe die Zulassung zum Medizinstudium, oder mein Leben ist ruiniert.“ Oder: „Entweder ich heirate genau diese eine Person, oder mein Leben hat keinen Sinn.“ Oder: „Entweder der eine Politiker wird als Präsident gewählt, oder die Welt geht unter.“ Und was wir bei all diesen Erwägungen außer Acht lassen, ist die Tatsache, dass das Leben nicht schwarzweiß ist, sondern dass es feine Grautöne gibt. Wir ignorieren zu gerne die Tatsache, dass es durchaus Optionen 3 und 4 und 5 gibt, die wir vielleicht nicht auf dem Schirm hatten. Für die meisten Bereiche unseres Lebens gibt es mehr als zwei Möglichkeiten.
Aber das gilt nicht für das Himmelreich. Jesus zeigt uns ganz eindringlich, dass es grundlegend nur zwei Optionen für uns gibt: entweder der schmale Weg oder breite Weg; entweder ein guter Baum oder ein schlechter Baum; entweder unser Haus ist auf Fels gebaut oder auf Sand; entweder wir kommen in das Himmelreich oder wir tun es nicht. Wenn wir unsere nicht christlichen Freunde und Bekannten fragen würden, was sie glauben, wer nach der biblischen Lehre gerettet oder verloren ist, bin ich mir ziemlich sicher, dass mindestens 9 von 10 Leuten darauf antworten würden: „Die Guten kommen in den Himmel; die Bösen kommen in die Hölle. Die Religiösen, die, die sonntags in die Kirche gehen sind gerettet; die Irreligiösen, die, die an gar nichts glauben, sind verloren.“ Davon gingen vermutlich auch Jesu Zuhörer aus. Die Guten der damaligen Zeit waren die Schriftgelehrten und die Pharisäer. Das waren doch diejenigen, die sich an alle Gesetze hielten. Wer sonst, wenn nicht sie?
Jesus sagt, es gibt zwei Optionen und eine klare Trennlinie. Aber in der Bergpredigt zeigt Jesus, dass die Grenze ganz anders verläuft als wir es uns vorstellen. Die Schriftgelehrten und Pharisäer gaben Almosen, sie beteten, sie fasteten. Die Grenze verläuft nicht zwischen Betern und Nichtbetern, Religiösen und Irreligiösen, Frommen und Weltlichen. Jesus scheint hier zu sagen: „Du kannst die richtige christliche Lehre haben, du kannst die Bibel lesen und die Bibel den ganzen lieben langen Tag studieren, du kannst jeden Sonntag in den Gottesdienst gehen, du kannst die ganze Zeit mit Christen abhängen, du kannst sogar aktiv im christlichen Dienst sein und ein reisender Prediger und Evangelist sein, und trotzdem verloren sein.“
Nicht nur das. Scheint es nicht so, dass diejenigen, die öffentlich als Sünder bekannt waren, dem Reich Gottes näher waren? Wenn wir die Evangelien lesen, sehen wir, wie Jesus mit allen möglichen Menschen zu tun hat. Mir ist keine Stelle bekannt, in der Jesus Zöllner und Prostituierte kritisiert. Mir ist keine Stelle bekannt, in der Jesus über die „Weltlichen“ schimpft oder sich darüber beklagt, wie schlimm die Gottlosen der Gesellschaft sind. (Ist das nicht etwas, was wir Christen, die ganze Zeit tun?). Die Menschen, die Jesus in den schärfsten Tönen kritisierte, waren die religiösen Menschen seiner Zeit. Matthäus 23 ist ein ganzes Kapitel, in welcher Jesus ein vernichtendes Urteil über die religiösen Leiter seiner Zeit spricht.
Und das sollte uns wirklich zum Nachdenken anregen. Was qualifiziert unsere Rettung?
2. Wer ist gerettet?
In Vers 21 gibt Jesus eine einfache Antwort auf die Frage, wer gerettet ist: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut.“ Wer sind also die Menschen, die gerettet sind? Es sind diejenigen, die den Willen des Vaters im Himmel tun. Bedeutet es dann, dass wenn wir einfach genug gute Werke tun, die dem Willen Gottes entsprechen, wir in das Himmelreich kommen? Bedeutet es, dass unsere Aufnahme bei Gott doch davon abhängig ist, wie viele guten Taten wir verbucht haben? Bedeutet es, dass wir uns einfach mehr anstrengen müssen, Gott besser zu gehorchen?
Wir müssen zunächst verstehen, was das Himmelreich bedeutet. Im Vater Unser beten wir (jeden Sonntag), dass Gottes Reich kommen möge: „Dein Reich komme.“ Und danach beten wir: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.“ Viele Ausleger gehen davon aus, dass beides ein und dasselbe Anliegen ist, nur mit unterschiedlichen Worten ausgedrückt. Dallas Willard definierte Gottes Reich folgendermaßen: „Gottes eigenes ‚Reich‘ oder ‚Herrschaft‘ ist der Bereich seines wirksamen Willens, in dem das geschieht, was er will. Die Person Gottes selbst und das Wirken seines Willens sind die organisierenden Prinzipien seines Reiches, aber alles, was diesen Prinzipien gehorcht, sei es von Natur aus oder aus freien Stücken, gehört zu seinem Reich.“ Das Himmelreich ist der Bereich, in dem das, was Gott will, geschieht.
Haben wir diesen Punkt verstanden? Wenn das Reich Gottes der Bereich von Gottes wirksamen Willens ist, dann ist natürlich die völlig logische Konsequenz, dass alle, die dem Willen des Vaters untertan sind, Teil vom Himmelreich sind; und alle die sich dem Willen des Vaters widersetzen, können nicht Teil dessen sein. Dallas Willard sagte, dass er glaubt, dass Gott jeden Menschen ins Himmelreich lässt, der es dort aushält. Das ist einer dieser Sätze, die einem eine gesunde Furcht einflößen, je mehr man darüber nachdenkt. Hältst du es im Himmelreich aus? Natürlich ist es so, dass diejenigen, die Gottes Willen nicht wollen, es nicht im Himmel aushalten.
Don Carson erzählte von einer Begegnung mit einem Pastor, der zutiefst geschockt war. Was war passiert? In seiner Gemeinde hatte es einen begabten, vielversprechenden Mann gegeben. Er war christliche aufgewachsen, er war als Jugendlicher und junger Mann auf Missionseinsätzen. Er heiratete schließlich und hatte Kinder. Und ganz plötzlich, von einem auf den anderen Tag, verließ er seine Frau, verließ die Gemeinde, um mit einer anderen Frau zusammen zu sein. Für dessen Familie und für den Pastor brach eine Welt zusammen. Einige Jahre später traf Carson noch einmal auf diesen Pastor. In der Zwischenzeit hatte er diese schwere Episode verdaut. Der Pastor erzählte: „Weißt du, dieser Mann hat sein ganzes Leben lang immer das getan, was er wollte.“ Man könnte meinen: „Wie jetzt? Er hatte doch zuerst nach dem Willen Gottes gelebt, und dann hatte er alles das über Bord geworfen?“ Der Pastor sagte: „Er hatte immer das getan, was er wollte. Er ging in die Gemeinde, weil er es wollte. Er nahm an Missionseinsätzen teil, weil er das wollte. Hier war sein Problem: Er war nie mit Situationen konfrontiert, in welchen er den Willen Gottes tun musste, auch dann, wenn es er nicht wollte. Bis zu dem Augenblick, als die andere Frau in sein Leben kam. Er tat er wieder das, was er wollte und verließ seine Familie, seine Gemeinde und seinen Glauben.“
Hier sind Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen sollten: Hat es in deinem Leben Momente gegeben, in denen Gottes Willen und dein Wille auf Konfrontationskurs standen? Gab es Momente in deinem Leben, in denen du Gott gehorcht hast, nicht deshalb, weil es initial das war, was du wolltest, sondern einfach deshalb, weil Gott es will und weil er Gott ist? Oder gab es Dinge, die du wolltest, aber bewusst unterlassen hast, weil es dem Willen Gottes widersprochen hat?
3. Welche Einladung ist das für uns?
Der Text heute spricht nicht nur eine Warnung aus. Wir dürfen nicht vergessen, dass die ganze Bergpredigt eine Einladung an uns ist, im Reich Gottes zu leben. Wir wollen zum Schluss versuchen, aufgrund von dem, was die Bergpredigt lehrt, den richtigen Fokus zu finden. Gestern hatten wir drei Gäste aus Tübingen bei uns, ehemalige Kollegen von mir, die in den letzten 10 Jahren zu wirklich wundervollen Freunden von uns geworden sind. Wir haben mit den Kindern zusammen die Wohnung aufgeräumt. Zwischenzeitliche musste unser Baby Emma (4 Monate alt) versorgt werden. Und Grace hat dann laut überlegt: „Was kann denn die Emma Schönes anziehen?“ Und genau in diesem Augenblick hatte ich endlich verstanden: „Ja stimmt … meine Freunde kommen ja gar nicht meinetwegen nach Heidelberg. Sie kommen, um Emma zu sehen!“ Und wisst ihr, genau so war es dann auch. Emma war der große Star: Sie wurde mit Geschenken geradezu überschüttet. Emma wurde sofort von einem der Gäste auf den Arm genommen. Frage: Worauf liegt unser Fokus? Wenn nur die Menschen, die den Willen des Vaters im Himmel tun, in das Reich Gottes kommen, welche Prioritäten sollen wir setzen? Drei Vorschläge dazu.
Habe einen größeren Fokus darauf, wer du bist und etwas (etwas!) weniger darauf, was du tust. Vers 21 aus dem Kontext gerissen könnte zu einem ziemlich gesetzlichen Leben verleiten: „Ich muss Gottes Willen mehr gehorchen …, ich muss mehr tun …, ich muss mich mehr anstrengen …“ Nur wenige Verse vorher hatte Jesus gelehrt: „Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter Baum aber schlechte.“ Bist du ein guter Baum? Denn wenn du ein guter Baum bist, dann wirst du unvermeidlich gute Frucht bringen. Die Frage ist nicht so sehr, was wir tun; die Frage ist mehr, wer wir sind. Im Englischen gibt es ein wunderbares Sprichwort: „We are human beings, not human doings.“ Als Menschen geht es darum, dass wir erst einmal sind. Noch einmal, es geht nicht darum, nichts zu tun. Denn um ein guter Baum zu werden, braucht es gewisse Dinge, die wir durchaus tun müssen. Aber der Fokus muss klar sein.
Das wiederum deckt sich mit dem, was Jesus in der ganzen Bergpredigt gelehrt hat. Es geht darum, wer wir tief im Innersten sind. Es geht nicht nur darum, dass wir nicht töten, sondern dass das Innere unseres Herzens so verändert wird, dass wir noch nicht einmal zornig auf andere Menschen werden. Es geht nicht nur darum, dass wir nicht die ehebrechen, sondern dass unser Herz so rein ist, dass unsere Blicke rein sind. Es geht nicht nur darum, dass wir nicht schwören, sondern dass wir solche Menschen der Wahrheit sind, dass wir es nicht nötig haben, andere zu manipulieren. Wenn unsere Innerlichkeit verändert wird, dann folgen die richtigen Taten. Wie wird dann unsere Innerlichkeit verändert? Wie können wir als Baum die richtigen Wurzeln schlagen? Das bringt uns zum nächsten Punkt.
In allem, was du tust, habe einen Fokus auf Gnade. Die Aussage Jesu, dass nur diejenigen, die den Willen des Vaters tun, ins Reich Gottes kommen, deckt sich mit dem, was Jesus vorher gesagt hatte: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ Die viel größere und bessere Gerechtigkeit, von der Jesus spricht, ist keine Gerechtigkeit, die wir uns erarbeiten oder die wir uns verdienen. Es ist eine Gerechtigkeit, die Gott uns zuspricht, unabhängig von unseren Werken. Es ist eine Gerechtigkeit, die auf Gottes Gnade beruht, dass er uns unendlich viel besser behandelt als wir es verdient haben, weil Jesus für uns gestorben ist und alle unsere Sünden vergibt.
Mein Papa hatte mir von einem Gespräch erzählt, das er mit einem meiner Söhne hatte. Er stellte ihm die Frage: „Wogegen müssen wir kämpfen?“ Mein Sohn antwortete: „Gegen die Sünde.“ Die Antwort von meinem Papa: „Nein! Wir kämpfen gegen das Vergessen!“ Das ist der springende Punkt. Unser Kampf ist es, immer und immer wieder neu erinnert zu werden, wie gut, wie barmherzig, wie gnädig Gott zu uns ist. Unser Kampf ist, immer wieder neu zum Kreuz zu kommen, an dem Jesus für uns bezahlt hat. Unser Kampf ist, Gottes Gnade nicht zu vergessen.
Als letztes, fokussiere dich mehr auf Gottes Liebe als auf alles andere. Jesus hat gesagt, dass es nicht ausreicht ihn „Herr! Herr!“ zu rufen. D. h., wir können die beste und reinste und schönste Lehre haben und trotzdem verloren gehen. Gute Lehre zu haben ist wirklich wichtig. Aber wie oft haben wir Christen uns aufgrund von Unterschieden in der Lehre die Köpfe eingeschlagen? Die christliche Gemeinde ist in so vielen wichtigen Lehren unterschiedlicher Meinung und tief gespalten: Wie verstehen wir Taufe und Abendmahl? Sind Genesis 1 und 2 ein historischer Tatsachenbericht oder kann man das auch anders deuten? Wird es eine Entrückung geben? Gibt es auch heute noch die Gabe der Prophetie und Zungenrede? Dürfen Frauen in der Gemeinde predigen? Welche Bedeutung hat das mosaische Gesetz für uns Christen? Das sind alles wichtige Fragen. Wir haben hier in dieser Gemeinde Leute, die teils sehr, sehr unterschiedliche Sichtweisen zu diesen Themen haben. Noch einmal, Lehre ist wichtig.
Aber es gibt etwas, was unendlich viel wichtiger ist: agape Liebe. (Ich verwende hier das griechische Wort agape, damit das Ganze nicht kitschig klingt). Die Essenz der Bergpredigt ist die goldene Regel: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen!“ oder anders gesagt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Liebe übertrumpft alles. Liebe ist die Essenz von dem, worum es im Reich Gottes geht. Der Puritaner Jonathan Edwards hatte eine Serie von Predigten zu 1. Korinther 13 gehalten – Paulus wunderbares Hohelied der Liebe. Die letzte Predigt ist der Höhepunkt. Der Titel dieser Predigt lautet: „Der Himmel ist eine Welt der Liebe.“ Er beschreibt wie die Liebe des Dreieinigen Gottes im Himmel geradezu überfließt: die Liebe von Gott dem Vater, die Liebe des Sohnes und die Liebe des Heiligen Geistes. Und er beschreibt, wie aus diesem Strom der Liebe ein Fluss wird und wie dieser Fluss in einem Ozean der Liebe mündet, in welchem die Geretteten für immer baden werden.
Und er fordert uns auf: „Wenn ihr auf dem Weg in die Welt der Liebe sein wollt, dann seht zu, dass ihr ein Leben der Liebe führt – der Liebe zu Gott und der Liebe zu den Menschen. Wir alle hoffen, im Jenseits an der Welt der Liebe teilzuhaben, und deshalb sollten wir den Geist der Liebe hegen und hier auf Erden ein Leben der heiligen Liebe führen. Das ist der Weg, um wie die Bewohner des Himmels zu sein, die jetzt für immer in der Liebe bestätigt sind. Nur so könnt ihr ihnen an Vortrefflichkeit und Lieblichkeit gleich sein, und wie auch sie an Glück, Ruhe und Freude. Indem ihr in dieser Welt in der Liebe lebt, könnt ihr auch wie sie in lieblichem und heiligem Frieden sein und so auf Erden einen Vorgeschmack der himmlischen Freuden und Wonnen haben.“