Predigt: Bergpredigt — Matthäus 6,5-8

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Das Gebet im Verborgenen und sein Lohn

„Du aber, wenn du betest, geh in deine Kammer, schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist! Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“

(Matthäus 6,6 [EÜ])

Letzte Woche haben wir in der Bergpredigt mit einem neuen Abschnitt begonnen. Als Bürger des Himmelreichs sind wir zu einem Leben in Gerechtigkeit berufen. Aber Jesus sagt, dass wir diese Gerechtigkeit nicht ‚raushängen‘ lassen sollen. Jesus lehrte, dass wir nicht deshalb Gutes tun sollen, um bei den anderen gut dazustehen. Jesus spricht drei geistliche Aktivitäten an, auf welche das in besonderem Maße zutrifft: das Geben von Almosen, das Gebet und das Fasten. Mit Almosen haben wir uns letzte Woche beschäftigt. Heute geht es ums Gebet.
Drei Dinge wollen wir dann hier mitnehmen. Erstens, das Gebet ist die höchste Berufung, die wir haben. Zweitens, das Gebet geschieht im Verborgenen. Drittens, das Gebet ist mit unendlicher Belohnung verbunden.

1. Das Gebet ist die höchste Berufung
Woher können wir ableiten, dass das Gebet die höchste Berufung und Aufgabe ist, zu der wir berufen sind? Wir haben gesagt, dass Jesus drei religiöse Praktiken diskutiert: Almosen, Beten und Fasten. Um dem Ganzen etwas Kontext zu geben: Jesu Diskurs über das geistliche Leben stehen im Zentrum der Bergpredigt. Und im Zentrum dieses Zentrums wiederum steht das Gebet. Jesus spricht weit mehr über das Gebet als über das Geben von Almosen und das Fasten zusammengenommen. Nicht nur das, Jesus sagt uns auf zweifache Weise, wie wir nicht beten sollen. Und auf zweifache Weise sagt uns Jesus wie wir stattdessen beten sollten. Und dabei gibt Jesus uns das berühmteste, das bekannteste Gebet der Bibel, das Vaterunser. Wenn man so will, könnte man sagen, dass das Vaterunser das Zentrum des Zentrums des Zentrums der größten Rede ist, die jemals auf Erden gehalten wurde. Das Vaterunser ist die Mitte des Schwarzen des inneren Rings der Zielscheibe. Es ist sprichwörtlich das Zentralste innerhalb der Lehre Jesu zum Himmelreich Gottes.
Es besteht kein Zweifel: Für Jesus war das Gebet die Zentralste und die Wichtigste und die Höchste unter den geistlichen Disziplinen. In Vers 5 sagt Jesus nun: „Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler!“ Im Deutschen hat das Wörtchen „wenn“ zwei verschiedene Bedeutungen. Zum einen kann es eine Zeitangabe sein: „Wenn es 11 Uhr ist, beginnt bei uns der Gottesdienst.“ Das Wörtchen „wenn“ kann aber auch eine Kondition angeben: „Wenn du wieder zu spät kommst, gibt es Ärger.“ Hier könnte man „wenn“ auch mit „falls“ ersetzen. Was meint Jesus hier? Jesus sagt hier nicht „falls“ ihr betet. Er setzt voraus, dass wir es tun; und Jesus setzt voraus, dass wir es regelmäßig tun, so dass es bei uns eine Gewohnheit ist.
Der Puritaner Jonathan Edwards hatte eine krasse Predigt mit dem Titel gehalten: „Heuchler, die der Pflicht des Gebets nicht nachkommen.“[1] In dieser Predigt argumentiert er, dass alle, die Jesus nachfolgen, die wahrhaftig Kinder Gottes sind, ein aktives, persönliches Gebetsleben haben. Tim Keller hatte gemeint, dass er von dieser Predigt Albträume bekommen hatte. Nachdem Tim Keller als Pastor seiner Gemeinde zurückgetreten war, hatte er ein Interview gegeben mit dem Titel „4 Fragen, über die es sich lohnt, nachzudenken.“ Wie ihr wisst, bin ich ja ein riesiger Tim Keller Fan. Oft lasse ich mich von ihm berieseln. Aber als er seine erste Frage gestellt hatte, musste ich sofort innehalten. Ich fühlte mich sofort ganz persönlich angesprochen. Die erste Frage war: „Wie schaffen wir es eine Atmosphäre zu schaffen, in der Pastoren dazu kommen, so viel beten, wie sie beten sollten?“ Ich bin kein Pastor. Aber ich habe die Verantwortung als Prediger, die Verantwortung als Bibellehrer, die Verantwortung meiner Familie gut vorzustehen und die Verantwortung als geistlicher Leiter und Vorbild. Und Fakt ist, ich bete nicht annähernd so viel wie ich es sollte. Mein Gebetsleben ist ganz klar das, was Jonathan Edwards als Heuchlerei bezeichnen würde. Dieser Text ist daher ganz besonders für mich. Und vielleicht, vielleicht fühlst du dich hier ebenfalls angesprochen.
Hier ist das Betrügerische an der Sache: Die Aufgaben, denen wir nachgehen, erfüllen wir irgendwie. Wenn wir in der Gemeinde den Worship anleiten, braucht es dazu gewisse musikalische Gaben. Und wenn Menschen, die diese Gabe haben, Worship machen, dann kann es richtig gut werden, relativ egal, ob sie vorher viel oder wenig gebetet haben. Oder wenn du eine leitende Funktion hast, braucht es unter anderem organisatorische Fähigkeiten und die Gabe, andere inspirieren zu können. Und vielleicht hast du ein natürliches Charisma und hervorragendes organisatorisches Talent. Und wenn du als Leiter dienst, kann es gut sein, dass es gut wird, ganz egal, ob du vorher viel oder wenig gebetet hast. Das Gleiche gilt sogar für Prediger! Und es können sogar Menschen zum Glauben kommen und andere Menschen können ermutigt und bestärkt werden. Aber es bringt zwei riesige Probleme mit sich. Zum einen muss man sich immer die Frage stellen: „Wie viel mehr würde Gott uns segnen wollen, wenn wir nur beten würden? Wie viel mehr könnte Gott durch uns tun, wenn wir nur beten würden?“ Und der andere Punkt ist: Das Leben ohne Gebet ist ein Kartenhaus. Es kommt der Punkt, an dem das Kartenhaus in sich zusammenfällt. Es kommt der Moment, in welchem das ganze System kollabiert.
Nicht jeder von uns ist berufen, als Missionar ins Ausland zu gehen. Nicht jeder von uns ist berufen, ein Pastor zu sein und einer Gemeinde vorzustehen. Nicht jeder von uns ist berufen, ein Bibellehrer oder Prediger zu sein (das ist es, was die Bibel explizit so sagt). Aber jeder von uns ist berufen, ein Beter zu sein. Lasst mich zwei einfache Bilder gebrauchen, um das zu illustrieren. Gebet ist wie das Zähneputzen. Jeder von uns hat die Verantwortung, seine eigenen Zähne zu putzen. Du kannst nicht von anderen erwarten, dass sie dir die Zähne putzen. Und Gebet ist wie eine immense geistliche Waffe, denken wir an ein riesiges Schwert. Der Umgang mit diesem Schwert muss aber geübt und trainiert werden. Jeder von uns muss mit diesem Schwert umgehen können, weil jeder von uns seinen eigenen geistlichen Kampf zu kämpfen hat. Es gibt Kämpfe, in denen nur du allein kämpfen kannst. Niemand, nicht Freunde, noch Familie können diesen Kampf für dich kämpfen. Und es gibt Gebete, die nur du allein beten kannst: Niemand kann diese Gebete an deiner Stelle beten. Wir alle haben ein einzigartiges, individuelles Leben, das nur einmal und nur auf eine Weise gelebt werden kann. Um dein Leben gut zu leben, brauchst du das Gebet.
Der erste Punkt ist also, dass jeder Christ, jedes Kind Gottes, jeder Bürger des Himmelreichs die Aufgabe hat, ein Beter zu sein. Das Gebet ist die höchste und erste Berufung, die wir in unserem Leben haben. Ein Pastor hat es einmal wunderbar auf den Punkt gebracht: „Gebet ist nicht alles. Aber ohne Gebet ist alles nichts.“

2. Das Gebet geschieht im Verborgenen
In Vers 5 lehrte Jesus, wie wir nicht beten sollen. Wir sollen es nicht wie die Heuchler tun. Letzte Woche haben wir gesehen, dass Heuchler Schauspieler sind. Sie tun so als, ob in ihrem Herzen etwas ganz anderes ist. Vers 5: „Sie stellen sich beim Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken, damit sie von den Leuten gesehen werden.“ Bei den frommen Juden gab es täglich 2 bis 3 Gebetszeiten. Psalm 55,18 erwähnt Gebetszeiten zur Abend-, Morgen und Mittagszeit. Der Geschichtsschreiber Josephus erwähnt, dass sowohl zur Morgenstunde als auch zur neunten Stunde Opfer und Gebete dargebracht wurden. Es gab Menschen, die es genossen, zu diesen Gebetszeiten öffentlich aufzutreten, um von den anderen gesehen zu werden. Jesus sagt, dass das nicht die Art und Weise ist, wie wir beten sollen.
Was sollen wir stattdessen tun? Vers 6: „Du aber, wenn du betest, geh in deine Kammer, schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“ Die wenigsten Menschen hatten in ihrem Zuhause eine Kammer, die sie verschließen konnten. Deshalb ist die Kammer, die Jesus erwähnt, eher bildlich gemeint. Es geht darum, dass das Gebet bildlich im Verborgenen stattfinden sollte, zwischen Gott und dir.
Bevor wir fortfahren, sollten wir uns kurz bewusst machen, was Jesus hier nicht sagt. Jesus hat überhaupt rein gar nichts gegen öffentliches Gebet einzuwenden. Jesus selbst hat oft öffentlich und in Gemeinschaft mit anderen gebetet. Das öffentliche Gebet hat seinen Platz. Die meisten von euch wären vermutlich mit folgender Aussage einverstanden: „Beim öffentlichen Gebet sollten die Beter in erster Linie auf Gott fokussiert sein, anstatt an die Zuhörer zu denken.“ Frage: Sollten wir beim öffentlichen Gebet zumindest ein wenig an die Zuhörer denken? Jemand hatte von seinem gläubigen Großvater erzählt. Wenn er vor dem Essen gebetet hat, dann konnte man sich auf ein langes, ausführliches Gebet gefasst machen. Da wurde für die Gemeinde gebetet, für die Weltmission gebetet usw. Wenn er dann mit seinem Gebet fertig war, war das Essen kalt. Sollten wir beim öffentlichen Gebet die Menschen, die uns zuhören, ignorieren? Und ich denke, dass Jesus diese Frage selbst am besten beantwortet hat. Am Grab von Lazarus betete Jesus vor der versammelten Menge: „Vater, ich denke dir, dass du mich erhört hast. Ich wusste, dass du mich immer erhörst; aber wegen der Menge, die um mich herumsteht, habe ich es gesagt, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast.“ Hier ist die Antwort auf die Frage: Natürlich dachte Jesus an die Menschen, die ihn hörten. D.h., wenn wir öffentlich beten, dann sollte das Gebet erbaulich sein, auch wenn die Menschen um uns herum nicht die primären Adressaten sind. Manchmal (oder besser selten?) bedeutet es, lange und ausführlich zu beten. Meistens bedeutet es, kurz und knackig zu beten. Aber vor allem bedeutet es, was Craig Bloomberg in seinem Kommentar zum Text geschrieben hatte: „Öffentliche Reden sollten der Überfluss eines lebendigen persönlichen Gebetslebens sein.“
Sehen wir uns noch einmal den Vers 6 an: „Du aber, wenn du betest, geh in deine Kammer, schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist!“ Ich liebe diesen Satz: „bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist.“ Gott ist im Verborgenen. Du könntest die einsamste Kammer der Welt aufsuchen, auf einer Bergspitze, oder in einer Wüste, oder in einer verlassenen Höhle: Gott ist da im Verborgenen. Und wenn wir diese Einsamkeit aufsuchen, begegnen wir einem Vater, der bereits auf uns gewartet hat. Er ist die Verabredung, die uns nie vergessen wird, nie allein lassen wird und immer bereits da ist, wenn wir eintreffen.
Was könnte das Verborgene noch für uns bedeuten? Hier ist ein weiterer Gedanke dazu, den ich sehr hilfreich fand. Das Verborgene ist ein Ort der Stille. Es ist ein Ort, an dem wir frei sind, von dem, was uns ablenkt: kein Handy, keine elektronischen Medien, keine Pop-up-Nachrichten, kein Vibrationsalarm. Es ist ein Ort, wo unser Herz zur Ruhe kommen soll. Ein katholischer Theologe hat einmal gesagt: „Gott ist im Hier und Jetzt. Das Problem ist nur, dass wir da häufig nicht anzutreffen sind.“ Wir sind mit unseren Gedanken häufig in der Vergangenheit. Wir kämpfen mit unseren Fehlern und unserem Versagen, oder mit dem, was uns angetan wurde. Oder aber wir sind mit unseren Gedanken häufig in der Zukunft, in Form von Sorgen und Zukunftsängsten. Der Ort, an dem wir nicht sind, ist das Hier und Jetzt. Aber das Hier und Jetzt ist der einzige Ort, an dem wir Gott nur begegnen können.
Frage an dich: Hast du diesen verborgenen Ort, den Ort der Stille, der Ort den nur du allein kennst und dein Gott, der dort auf dich wartet?

3. Das Gebet ist mit einer unendlichen Belohnung verbunden
In den Texten von letzter und dieser Woche wie auch im Text über das Fasten, gibt es mehrere Wörter, die sich ständig wiederholen, wie zum Beispiel: „wenn ihr … [etwas tut]“, oder das Wort „Heuchler“, gefolgt von „das Verborgene“. Es gibt ein weiteres Wörtchen, das sich ständig wiederholt, und das ist „Lohn“. Jesus sagt, dass die Heuchler ihren „Lohn“ bereits erhalten haben. Aber wenn wir im Verborgenen Almosen geben, im Verborgenen beten, und im Verborgenen fasten, dann wird Gott es uns „vergelten“. Gott wird uns dafür belohnen. Jesus sagt das in Vers 4, in Vers 6 und in Vers 18. Er scheint es uns förmlich unter die Nase zu reiben.
Manche haben mit diesem Konzept ihre Probleme. Zum Beispiel, würden wir nicht sagen, dass wir das Gute und das Richtige tun sollten, ganz egal, was die Konsequenzen sind? Also auch in der Abwesenheit von Belohnungen? Diejenigen, unter uns, die Kinder haben, kennen vielleicht folgende Konversation. Eltern: „Könntest du bitte den Abwasch machen?“ Kind: „Was bekomme ich dafür?“ Und daraufhin sollte man dann sagen: „Könntest du den Abwasch machen nicht deshalb, weil du etwas dafür bekommst, sondern weil es eine gute Tat ist und weil es gut und richtig ist, dass du das jetzt machst? Tu das Richtige auch dann und gerade dann, wenn es keine Belohnung gibt!“ So oder so ähnlich würden wir versuchen, unsere Kinder zu erziehen.
Und jetzt sagt uns Jesus, dass es doch einen Lohn gibt. Nicht nur das, in seinem Argument wird sehr deutlich, dass der Lohn, den er uns versprochen hat, unsere Motivation sein sollte, ihm zu gehorchen: „Gib Almosen im Verborgenen! Bete zum Vater im Verborgenen! Wasche dein Gesicht und tu nicht so heilig, wenn du fastest! Warum? Weil Gott dich belohnen will.“ Der Lohn Gottes ist das Motiv. Und damit stellt sich die Frage: Wenn dem so ist, dann ist Christusnachfolge nicht selbstlos, oder? Im Gegenteil, ist es dann nicht irgendwo selbstsüchtig, an Jesus zu glauben? Ist Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes nicht einfach eine andere Form von Egoismus?
Wie antworten wir auf diese Frage? Ein britischer Autor hat eine Antwort auf diese Frage gegeben, die ich persönlich am hilfreichsten fand: „Wir dürfen uns nicht von den Nichtgläubigen beunruhigen lassen, wenn sie sagen, dass diese Verheißung von Belohnung das Leben des Christen zu einer selbstsüchtigen Angelegenheit macht. Es gibt verschiedene Arten von Belohnung. Es gibt die Belohnung, die in keinem natürlichen Zusammenhang mit den Dingen steht, die man tut, um sie zu verdienen, und die den Wünschen, die diese Dinge begleiten sollten, völlig fremd ist. So ist Geld nicht der natürliche Lohn der Liebe; deshalb nennen wir einen Mann, der eine Frau um ihres Geldes willen heiratet, gewinnsüchtig. Aber die Ehe ist die richtige Belohnung für einen wirklich Liebenden, und er ist kein Egoist, weil er sie begehrt … Die richtige Belohnung wird nicht einfach an die Tätigkeit angehängt, für die sie gegeben wird, sondern sie ist die Tätigkeit selbst in ihrer Vollendung.“
Es gibt passende Belohnungen, und es gibt unpassende Belohnungen. Hier ist ein Beispiel für eine zumindest fragwürdige Belohnung: Im Moment haben wir zu Hause ein Punktesystem. Unsere Jungs essen kein Gemüse. Traurig aber wahr und auch normal, wie ich mir habe sagen lassen. Jedes Mal, wenn die Jungs etwas essen, das eine ordentliche Mengen an Gemüse enthält, bekommen sie einen Punkt. Es soll den Jungs helfen, etwas weniger wählerisch zu sein, und zumindest zu versuchen, sich etwas gesünder zu ernähren. Jetzt fragt ihr euch vermutlich alle: „Was ist der Lohn“? Wenn die Jungs die vereinbarte Anzahl an Punkten gesammelt haben, gehen wir gemeinsam zum McDonalds, oder Burger King oder KFC. Der Lohn macht alle guten Bemühungen zunichte. Der Lohn scheint nicht wirklich zu den Mühen zu passen.
Jesus sagte, dass wenn wir spenden, beten und fasten, um von den anderen gesehen und von den anderen gefeiert zu werden, dann haben wir bereits unseren Lohn erhalten. Aber es ist ein unpassender Lohn. Es ist ein Lohn, der nicht zur Ausübung dieser geistlichen Aktivität passt. Was ist ein Lohn, der besser ist? Was ist ein Lohn der passender ist? Natürlich ist das der Lohn, den Gott uns anbietet. Aber welchen Lohn will Gott uns schenken?
Eigentlich gibt es nur eine gute Antwort auf diese Frage. In 1. Mose 15,1 lesen wir, wie Gott Abram in einer Zeit erscheint, als es ihm nicht besonders gut ging. Gott sagte zu ihm: „Fürchte dich nicht, Abram! Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.“ Der Lohn ist Gott selbst. Das ist ein Gedanke, der sich durch die ganze Bibel hindurchzieht, vom 1. Buch Moses bis zum Buch der Offenbarung. Das ist der Grund, weshalb Asaf in Psalm 73 sagt: „Wen habe ich im Himmel außer dir? Neben dir erfreut mich nichts auf Erden. Mag mein Fleisch und mein Herz vergehen, Fels meines Herzens und mein Anteil ist Gott auf ewig.“ Gott will uns einen Lohn geben, der nichts weniger ist, als das Größte und das Beste. Und wenn Gott selbst das Größte und Beste im Universum ist, dann ist die einzige Art und Weise wie er uns das Größte und Beste schenken kann, dass er sich uns selbst schenkt. Und genau das ist es, was Gott tut.
Warum betest du? Wenn der einzige Grund ist, weshalb du betest, der ist, weil du von Gott etwas bekommen willst, wie z.B. Hilfe bei der Klausur / Examen, für die du zu wenig gelernt hast, einen besseren Job oder überhaupt einen Job, finanzielle Versorgung, den richtigen Partner fürs Leben usw., dann wirst du kein reiches Gebetsleben haben können. Im besten Fall wird dein Gebetsleben stark fluktuieren: Wenn du viele Nöte und Bedürfnisse hast, wird viel oder überhaupt gebetet; wenn es dir gut geht, dann lässt das Gebet ganz schnell, ganz stark nach. Und verstehte mich nicht falsch: Der Segen Gottes ist eine gute Sache! Mehr noch, wir sind zu 100 % auf Gott und auf seine Versorgung angewiesen. Die Bibel fordert uns dazu auf, Gott darum zu bitten, dass er uns seine guten Gaben schenkt. Wir sollten das tun und vermutlich noch viel mehr tun. Aber wenn das der einzige Grund ist, weshalb du betest, dann suchst du nach dem falschen Lohn. Gott selbst ist der wahre Lohn für die Beter, die ins Verborgene kommen. Die Bürger des Himmelreich Gottes beten nicht primär, um Segen zu erhalten; sie beten, um Gott selbst zu haben. Die Kinder Gottes beten nicht primär, um Dinge von ihrem Vater zu bekommen; sie beten, um beim Vater zu sein. Das ist es, worum es im Himmelreich am Ende geht.
Ist es egoistisch, sich nach diesem Lohn auszustrecken? John Piper hat folgendes Beispiel gegeben. »Stellen wir uns vor, ein Ehemann kommt mit einem Blumenstrauß nach Hause und sagt folgendes zu seiner Ehefrau: „Schatz, ich habe den Babysitter angerufen. Lass uns zusammen ausgehen. Nichts würde mir größere Freude bereiten, als diesen Abend mit dir zu verbringen!“ Würde seine Frau darauf antworten: „Du bist so selbstsüchtig! Du denkst immer nur an dich und an dein Vergnügen!“ Warum würde sie das nicht sagen? Weil der Wunsch ihres Mannes, bei ihr und mit ihr zu sein, ihr Lob und ihr Preis ist: Dadurch wird sie geehrt, gewürdigt, geschätzt.«
Auf einer ungleich viel höheren Ebene verhält es sich mit Gott. Das höchste Ziel des Menschen ist es, Gott zu ehren und ihn zu verherrlichen. Und wenn du in die verborgene Kammer des Gebets gehst, vor allem deshalb, weil es für dich nichts Besseres und Schöneres und Größeres gibt, als mit diesem Gott zu sein, dann wird Gott durch dein Leben verherrlicht. Gott will dein Lohn sein. Und gerade das ist der Grund, weshalb das Gebet im Verborgenen die höchste und schönste Berufung ist, die alle Kinder Gottes haben.