Predigt: Bergpredigt — Matthäus 5,21-26

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Vom Zorn

„Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig.“

(Matthäus 5,22a)

Damit wir den heutigen Text gut verstehen können, wollen wir uns kurz daran erinnern, wie Jesus die Bergpredigt begonnen hat. Jesus hat neunmal „Selig sind …“ gesagt und diejenigen seliggepriesen, die unter seiner guten Herrschaft leben und das Himmelreich besitzen. Sie sind das Salz der Erde und das Licht in der ansonsten dunklen Welt. Dabei hat Jesus in den Versen 17-20 klargestellt, dass er nicht gekommen ist, um Gottes Worte im Alten Testament aufzuheben. Jesus ist nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern es zu erfüllen. Jesus sagte sogar, dass bis Himmel und Erde vergehen, nicht der kleinste Buchstabe oder ein Tüpfelchen vom Gesetz vergeht, bis es alles geschieht. Damit hat Jesus die Autorität und Gültigkeit des Gesetzes als Ausdruck von Gottes Willen unterstrichen. Schließlich sagte Jesus seinen Zuhörern, dass sie, wenn ihre Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, nicht in das Himmelreich kommen. Jesu Jünger brauchen also eine bessere Gerechtigkeit als die Pharisäer, die sich damals bemüht haben, die Gesetze im Alten Testament äußerlich einzuhalten, und meinten, Gott müsse mit ihnen zufrieden sein. In unserem heutigen Text fängt Jesus an, an Beispielen darzustellen, wie Gottes Gebote im Gesetz eigentlich gemeint sind. Dabei mildert Jesus die Gebote nicht etwa ab, sondern zeigt, dass Gottes Wille viel heiliger ist, als wir bisher vielleicht gedacht haben. Jesus lehrt uns dadurch den Charakter des Himmelreichs und gleichzeitig seinen Maßstab. In unserem heutigen Text geht es um das Gebot „Du sollst nicht töten“. Wir wollen auf folgende Fragen Antwort finden: Was ist Gottes Wille hinter diesem Gebot? Wie können wir so leben? Und was ist die gute Nachricht?
Betrachten wir den Vers 21: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht töten; wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig sein.“ Jesus hat hier das fünfte der Zehn Gebote zitierte, die Gott dem Mose auf dem Berg Sinai auf Steintafeln gegeben hat. Im Urtext vom 2. Mose 20,13 stehen dafür nur zwei Worte, die man mit „Nicht töten!“ übersetzen kann. Gott hat damit das Töten anderer Menschen generell verboten. Ein Mensch soll andere nicht töten, weil die Menschen von Gott zu seinem Bild gemacht sind und daher einen unsagbaren Wert vor ihm haben. Deshalb hat Gott das Töten auch explizit unter Strafe gestellt. In 2. Mose 21,12 heißt es: „Wer einen Menschen schlägt, dass er stirbt, der soll des Todes sterben.“
Warum hat Gott dieses Gebot gegeben? Als Gott die Menschen schuf, lebten sie in völliger Harmonie mit Gott und auch miteinander. Es gab nichts, was zwischen ihnen stand, was am Ende von Genesis 2 anschaulich zum Ausdruck (1.Mose 2,25). Aber als die Menschen die Sünde einließen und gegen Gottes Wort handelten, zerbrach nicht nur die Beziehung zu Gott, sondern auch die heile Beziehung untereinander. Plötzlich gab es Lieblosigkeit, Schuldzuweisungen, Angst, Scham, Neid und Hass. Nicht lange danach brachte Kain seinen eigenen Bruder Abel um, weil er auf ihn neidisch war und seinen Zorn nicht beherrschen konnte (1.Mose 4,8). Gott war sehr zornig über Kains Sünde, aber aus seiner Gnade schützte er trotzdem sein Leben. Die Genesis berichtet, dass fünf Generationen später ein Nachkomme Kains zwei junge Männer erschlug und mit seiner Tat vor seinen Frauen prahlte (1.Mose 4,23). Es war so weit gekommen, dass Mord nicht nur eine Option geworden war, sondern sogar für harmlos gehalten wurde.
Aber Gott ist der Schöpfer und Eigentümer menschlichen Lebens. Auch nach dem Sündenfall liebt Gott die Menschen und hat großes Interesse an ihnen. Deshalb wollte Gott das Leben der Menschen schützen. 1.Mose 9,6 sagt: „Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll um des Menschen willen vergossen werden; denn Gott hat den Menschen zu seinem Bilde gemacht.“ Später verankerte Gott das Gebot „Du sollst nicht töten“ in den Zehn Geboten.
Wie haben die Menschen das Gebot verstanden? Die Menschen haben verstanden, dass Gott verboten hat, andere absichtlich zu töten. Aufgrund von Gottes Gebot wurde in Israel jeder, der jemanden getötet hatte, vor Gericht gestellt. Man prüfte, ob derjenige wirklich der Täter war und ob er mit Absicht getötet hatte oder ob es sich um einen Unfall handelte. Mörder wurden zum Tod verurteilt, was Gerechtigkeit herstellen und maximal von der Sünde des Mords abschrecken sollte. Aber trotz des klaren Gebots und der harten Strafe konnte die Sünde des Mords nicht ausgerottet werden. Im Alten Testament werden so viele Morde erwähnt, die aus Neid, Habgier, Machtgier oder Rachgier und Hass geschahen, sogar auf höchster Ebene in der Gesellschaft. Je mehr die Menschen sich von Gott abwandten, desto mehr gab es Mord und Totschlag in der Gesellschaft.
Bis heute können die Menschen die Sünde des Tötens nicht überwinden, obwohl das vorsätzliche Töten in allen Staaten gesetzlich verboten ist. Nach einer Studie von 2012 verlieren auf der Welt jährlich fast eine halbe Million Menschen (437.000) durch vorsätzliche Tötung ihr Leben (ohne Tötung in Kriegsfällen, fahrlässige Tötung, Notwehr oder Suizide). 
Die meisten Juden zur Zeit Jesu bemühten sich, Gottes Gebote zu halten, insbesondere das Gebot, nicht zu töten. Diejenigen, die niemanden umgebracht haben, dachten, dass sie Gottes Gebot gehalten hätten. Auch wir können leicht denken, dass wir dieses Gebot gehalten hätten, weil wir niemanden umgebracht haben. Aber was sagt Jesus dazu?
Lesen wir gemeinsam den Vers 22: „Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz!, der ist des Hohen Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig.“ Hier macht Jesus klar, dass die Sünde des Tötens nicht nur geschieht, wenn man jemanden umbringt, sondern schon dann, wenn wir im Herzen auf jemanden zornig sind. Deshalb sagt Jesus, dass wer zornig ist, vor Gericht gestellt gehört. Er sagt weiter, dass wer aus Zorn zu seinem „Du Nichtsnutz!“ sagt, vor den Hohen Rat gestellt gehört, also vor das höchste Gericht des Landes. Auf heute übertragen gehört jemand, der jemanden mit „Du Idiot!“ beschimpft, vor dem Bundesgerichtshof angeklagt gehört. So schwerwiegend ist es vor Gott, wenn man jemanden aus Ärger beschimpft. Jesus sagt weiter, dass wer aus Zorn zu seinem Bruder „Du Narr!“ sagt, sogar des höllischen Feuers schuldig ist.
Dabei sagte Jesus feierlich: „Ich aber sage euch …“ Damit betont er seine Autorität, Gottes Gebote auszulegen und ihre wahre Bedeutung zu enthüllen. Nach Jesu Wort beginnt die Sünde des Tötens bereits dann, wenn wir im Herzen auf jemanden zornig sind. Das ist vor Gott so schwerwiegend, dass wir dafür vor einem Gericht angeklagt werden sollten. Wer einem Mitmenschen aus Ärger verletzende, beleidigende Worte sagt, hat nach Gottes Maßstab den Tatbestand des Tötens bereits erfüllt und sollte dafür im höchsten Gericht des Landes angeklagt werden. Wer sich im Zorn dazu hinreißen lässt, den anderen „Vollidiot“ zu nennen oder auf ähnliche Weise herabzuwürdigen, hat so schwer gesündigt hat, dass er das höllische Feuer verdient.
Mit diesen Worten enthüllt Jesus Gottes heiligen Maßstab und versetzt seine Zuhörer und uns quasi ins Gericht. Wenn wir darüber nachdenken, erkennen wir, dass Jesu Maßstab richtig und gerecht ist. Gott betrachtet uns nicht nur oberflächlich und sieht nicht nur unsere äußeren Handlungen. Töten beginnt nicht erst dann, wenn jemand ein Messer oder eine Pistole ergreift. Gott, der uns unendlich liebt, will, dass wir ihn von ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzer Kraft lieben und unseren Mitmenschen wie uns selbst. Unser Herz, unsere Gedanken, Worte und Taten sollten daher immer von Liebe geprägt sein. Wenn wir auf einen anderen zornig sind, ist unser Herz nicht mehr von Liebe zu ihm erfüllt, sondern ganz vom Gegenteil. Gott nimmt das zum Problem. Wenn wir zornig sind, hegen wir in unserem Herzen böse Gedanken und Phantasien gegen den anderen. Wenn wir jemandem im Herzen Böses wünschen, ist das vor Gott so schwerwiegend, dass wir dafür vor Gericht gestellt gehören. Wenn wir aus Ärger sogar jemanden beleidigen, können wir ihm schwerwiegende Verletzungen zufügen. Wegen solcher Worte können Menschen lange, eventuell sogar lebenslang unter Verletzungen, Minderwertigkeitskomplexen, Angst, Neid, Hass und psychischen Krankheiten leiden. In Deutschland versuchen jeden Tag etwa 40 Jugendliche, sich das Leben zu nehmen, das sind in jedem Jahr etwa 15.000, davon geschätzt 20% wegen Mobbing. Täglich sterben drei von ihnen. Insgesamt kommen in Deutschland jährlich etwa 11.000 Menschen durch Selbstmord ums Leben (Zahlen von 2021). Wie bekümmert ist Gott über jeden! Wie zornig ist Gott über jedes verletzende Wort, das wir reden?!
Wir mögen Zorn für harmlos gehalten haben, weil wir selbst öfter zornig werden oder den Zorn anderer erleben. Wir mögen gedacht haben, dass wir Gottes Gebot gehalten hätten, nur weil wir niemanden körperlich umgebracht haben. Aber diese Ansicht widerspricht Jesu Wort total und ist vor ihm haltlos. In einem Gericht zählt nicht die Ansicht des Angeklagten, sondern das Urteil des Richters aufgrund des gültigen Gesetzes. Gott ist der Richter und sein Maßstab zählt. Jesu Worte erschrecken uns und lassen uns zunächst hilflos zurück. Wer kann noch sagen, dass er das fünfte Gebot gehalten hätte? Wie oft sind wir schon auf jemanden zornig gewesen? Wie oft haben wir schon jemanden aus Ärger beschimpft oder haben beleidigende, erniedrigende Worte auf sie geschleudert? Wenn wir sagen, dass wir uns der Wirkung unserer Worte nicht bewusst waren oder dass wir es eigentlich nicht so gemeint haben, mag das zum Teil stimmen; aber solche Entschuldigungen gelten nicht vor Gericht. Jesu Worte zeigen uns klar, dass wir vor Gottes Gericht schuldig sind und von uns aus niemals bestehen können.
Was sollen wir tun? Jesus sagt in den Versen 23 und 24 weiter: „Darum, wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort kommt dir in den Sinn, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass dort vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und opfere deine Gabe.“ Vor dem Altar Gott ein Opfer zu bringen, war im Alten Bund eine Form des Gottesdienstes, die Gottes Willen entsprach. Aber wem dabei einfällt, dass sein Bruder sich zurzeit über ihn aus irgendeinem Grund ärgert, sollte seinen Gottesdienst unterbrechen und sich zuerst mit seinem Bruder versöhnen und erst danach Gott sein Opfer bringen. Damit zeigt Jesus anschaulich, wie wichtig es Gott ist, dass wir in intakten Beziehungen im Frieden miteinander leben und dass es keinen Zorn unter uns geben soll. Wenn es ein Problem zwischen uns und einem der Glaubensgeschwister gibt, sollten wir denken, dass das nur das Problem des anderen wäre. Wir sind nicht nur dafür verantwortlich, dass wir im eigenen Herzen keinen Ärger auf andere hegen, sondern mitverantwortlich, wenn ein anderer sich über uns ärgert.
In den folgenden zwei Versen spricht Jesus noch eindringlicher: „Vertrage dich mit deinem Widersacher sogleich, solange du noch mit ihm auf dem Weg bist, auf dass dich der Widersacher nicht dem Richter überantworte und der Richter dem Gerichtsdiener und du ins Gefängnis geworfen werdest. Wahrlich, ich sage dir: Du wirst nicht von dort herauskommen, bis du auch den letzten Heller bezahlt hast.“ Hier spricht Jesus von einem Widersacher, der uns vor Gericht anklagen will. Unser Zorn und unsere verletzenden sind wirklich alles andere als harmlos. Sie bringen andere gegen uns auf und liefern Gründe, aus denen wir vor Gericht verurteilt werden können. Jesus ermahnt uns, uns um Versöhnung zu bemühen, solange das noch möglich ist. Hier geht es nicht nur um die Versöhnung mit Menschen, sondern auch um die Versöhnung mit Gott.
Was sollten wir dann tun? Wir haben den Wunsch, dass wir mit großem Respekt vor Gottes Gebot Ärger und Zorn in unserem Herzen und unsere Zunge wirklich zum Problem nehmen und geistlich kämpfen, um nicht weiter durch Zorn im Herzen oder durch verletzende Worte zu sündigen. Das sollten wir tun, aber das reicht nicht. Wenn wir uns auch mit allem Ernst bemühen, müssen wir bald feststellen, dass wir den Zorn auf andere oft nicht verhindern, noch unseren Mund genug kontrollieren können. Wenn wir vor Jesu Wort ehrlich sind, müssen wir unsere eigene ausweglose Lage vor Gott erkennen. Jesus hat das Gebot „Du sollst nicht töten“ so klar ausgelegt, damit wir eine Vorstellung von der Heiligkeit und Herrlichkeit des Himmelreichs bekommen, gleichzeitig aber auch, dass wir erkennen, was für Sünder wir sind und dass wir in uns gar keine Basis und keinen Weg haben, auf dem wir verhindern könnten, dass wir in seinem Gericht als Sünder befunden und bestraft werden. Vor Jesu Worten müssen wir für alle selbstgerechten Gedanken und Stolz Buße tun.
Jesus will aber nicht, dass wir verzweifeln und in unserer Sünde sterben. Denken wir an das, was Jesus zu Anfang im Vers 17 gesagt hat: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.“ Jesus ist nicht gekommen, um das Gesetz oder Gottes Worte durch die Propheten aufzuheben. Jesus ist gekommen, um zu erfüllen. Was heißt das? Jesus hat das Gesetz zum einen dadurch erfüllt, dass er selbst das Gesetz gehalten hat und uns die eigentliche Bedeutung des Gesetzes klar gelehrt hat, sodass wir Gottes heiligen Willen und unsere eigene Realität vor ihm erkennen können. Im Licht von Jesu Worten müssen wir zugeben, dass Gott heilig ist und dass wir vor seinem Maßstab Mörder sind und wegen unserer wiederholten Sünde den Tod verdient haben. Aber das ist nicht alles! Dass Jesus gekommen ist, um das Gesetz zu erfüllen, bedeutet mehr! Denn Jesus hat die Strafe für all unseren Zorn und alle verletzenden und tödlichen Worte auf sich genommen und ist am Kreuz dafür gestorben, um an unsere Stelle die Strafe zu bezahlen. Gottes Gesetz erfordert die 100%-ige Erfüllung oder den Tod als gerechte Strafe für unsere Übertretung. Dank sei Jesus, der gekommen ist, um das Gesetz für uns zu erfüllen! Wegen seinem Leiden und Tod am Kreuz, dürfen wir nun mit ihm schon hier leben und ewig in seinem herrlichen Himmelreich.
Wie können wir nun leben? Jesus hat uns durch das Gebot aufgezeigt, zu was für einem Leben er uns als Bürger des Himmelreichs befreit hat und wie wir jeder selbst und als Gemeinschaft leben sollten. Wir dürfen seine Liebe und Gnade der Errettung täglich neu annehmen und uns davon so erfüllen lassen, sodass wir seinen Willen tun und unsere Nächsten lieben können, ohne sie zu erzürnen oder auf sie zornig zu werden. Lasst uns beten, dass wir Jesu vergebende Liebe jeden Tag so tief annehmen, dass wir unsere Nächsten immer annehmen und lieben können und keinen Raum für Ärger oder Zorn lassen. Gott möge uns auch helfe, dass wir uns mit denen, die etwas gegen uns haben, schnellstmöglich versöhnen. Wenn wir das tun, wird unsere Gemeinschaft ein Stück Himmelreich. Amen.