Der Richter der Lebenden und Toten
„Und ich sah, und siehe, eine weiße Wolke. Und auf der Wolke saß einer, der gleich war einem Menschensohn; der hatte eine goldene Krone auf seinem Haupt und in seiner Hand eine scharfe Sichel.“
Offenbarung 14,14
Es ist eine Weile her, dass wir uns mit dem apostolischen Bekenntnis beschäftigt haben. Noch einmal zur Erinnerung: wir studieren dieses Bekenntnis, weil es eines der frühen Dokumente der Christenheit ist. Fast alle Christen aller Zeiten, können sich mit dem Bekenntnis identifizieren. Obwohl es nicht Gottes Wort ist, fasst es die essentiellen Lehren der Bibel gut zusammen. Es fasst gut zusammen, woran wir als Christen glauben sollten. Mein Herzenswunsch ist es, dass wir in diesen grundlegenden Lehren Einheit haben können. Im Bezug auf den christlichen Glauben können wir in vielen Dingen anderer Meinung sein. Und das sind wir auch. Aber in den Lehren, die in dem Bekenntnis dargelegt sind, brauchen wir Einheit.
Der Abschnitt, mit dem wir uns heute befassen, lautet: „aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Im Englischen gibt es für Himmel zwei verschiedene Wörter: „sky“ und „heaven“. „Sky“ ist die Gasschicht über der Erdoberfläche, die durch das Sonnenlicht blau aussieht. „Heaven“ hat auf der anderen Seite eine rein geistliche Bedeutung. Himmel ist der „Ort“, den dem Gott regiert. Ich finde diese Unterscheidung hilfreich. Wir glauben an einen Jesus, der nach seinem Tod und nach seiner Auferstehung zu Gott zurückkehrte. Aber die Himmelfahrt ist natürlich nicht das Ende. Von dort wird Jesus wieder kommen, um die Lebenden und die Toten zu richten. Genau das wird in Offenbarung 14,14 ausgedrückt: „Und ich sah, und siehe, eine weiße Wolke. Und auf der Wolke saß einer, der gleich war einem Menschensohn; der hatte eine goldene Krone auf seinem Haupt und in seiner Hand eine scharfe Sichel.“
Und das ist so ne Doktrin, die unter den christlichen Lehren nicht ganz so populär ist. Ein Jesus, der uns lehrt, dass wir unseren Nächsten lieben sollen wir uns selbst, ist wunderbar. Aber ein Jesus, der Menschen richtet und in die Hölle wirft, ist nicht akzeptabel. Es klingt geradezu lächerlich! Die meisten unserer Zeitgenossen haben schon ein Problem damit, wenn man eine absolute Position vertritt. Zum Beispiel, wenn wir sagen, dass Jesus die absolute Wahrheit ist, dann sagen wir ja damit nichts anderes, als dass alle anderen Religionen und Weltanschauungen nicht die absolute Wahrheit sind. Zwei sich widersprechende Aussagen können nicht zur gleichen Zeit und auf die gleiche Art und Weise wahr sein. Eine absolute Position zu vertreten, ist sicherlich schon schlimm genug. Aber wir glauben nicht nur daran, dass Jesus die absolute Wahrheit ist. Wir glauben auch daran, dass er der Richter der Lebenden und Toten ist. Wir glauben daran, dass dieser Jesus eines Tages von allen Menschen Rechenschaft fordern wird mit ewigen Konsequenzen. Und das ist natürlich noch viel schlimmer.
Vor ungefähr einem Jahr war ich in Tübingen auf einer kleinen Feier. Der Chef einer Biotechfirma hielt eine kurze Rede. In seiner Rede sagte er, dass viele Leute versucht haben, Gott zu beweisen, aber dass alle Gottesbeweise gescheitert sind. Er meinte, dass wir beruhigt davon ausgehen können, dass es keinen Gott gibt. Und dann kam der eigentliche Punkt, den er sagen wollte: wir können die Feierlichkeiten genießen ohne Angst vor einem Gericht zu haben. Wenige Jahre davor gab es eine sehr ähnliche Botschaft in London und verschiedenen anderen Städten auf der Welt. Es fuhren Busse mit der Aufschrift rum: „Es gibt mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit keinen Gott. Also höre auf, dir Sorgen zu machen und genieße dein Leben.“ Ich finde das hochinteressant. Die Aufschriften sagten nicht: „Es gibt keinen Gott. Also höre auf, Wunder in deinem Leben zu erwarten.“ Die Aufschriften sagten auch nicht: „Es gibt keinen Gott. Also gibt es keine objektive Realität und keinen wirklichen Sinn im Leben.“ Was die Aufkleber verneinten, war Gott als Richter; und dass wir Menschen einer ultimativen Autorität unterstellt sind. Und wenn wir noch ein paar Jährchen in die Vergangenheit gehen, dann sehen wir einen Garten. In diesem Garten sagte eine Schlange zur Frau: „Ihr werdet keinesfalls des Todes sterben.“ Die Verleugnung dessen, dass Gott richtet, hat also eine lange Tradition.
Aber die Frage bleibt natürlich. Wir sind aufgeklärte, postmoderne Menschen des 21. Jahrhunderts. Warum macht es auch heute noch Sinn, an einen allmächtigen Richter zu glauben? Über drei Punkte möchten wir heute nachdenken. Erstens, die Notwendigkeit des Richters; zweitens, der Zorn des Richters; drittens, unsere Hoffnung.
Erstens, die Notwendigkeit des Richters
In unserem heutigen Text beschreibt Johannes zwei Visionen, die er im Bezug auf das Gericht hatte. Die erste Vision handelt über das Gericht über Babylon. Vers 8: „Und ein zweiter Engel folgte, der sprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große Stadt; denn sie hat mit dem Zorneswein ihrer Hurerei getränkt alle Völker.“ Die andere Vision finden wir in Vers 14 und folgende. Wir lesen in Vers 14: „Und ich sah, und siehe, eine weiße Wolke. Und auf der Wolke saß einer, der gleich war einem Menschensohn; der hatte eine goldene Krone auf seinem Haupt und in seiner Hand eine scharfe Sichel.“ Hier wird das letzte Gericht als zwei Ernten beschrieben. Die erste Ernte ist eine Art Getreideernte wie zum Beispiel Weizen (daher die Sichel). Die andere Ernte handelt von Trauben. Viele Ausleger gehen davon aus, dass die erste Ernte davon handelt, dass Jesus seine Kinder versammelt. Bei der anderen Ernte geht es eindeutig um Gericht. Wenn die Bosheit der Menschen reif ist, werden die Trauben geerntet. Sie kommen in die Kelter des Zornes Gottes und werden draußen vor der Stadt getreten. Der Text erwähnt das groteske Detail, dass das Blut kilometerweit spritzt.
Wir haben diesen Text letztes Jahr schon studiert. Aber nur kurz zur Erinnerung, wir müssen verstehen, dass Johannes’ Zuhörerschaft die Christen im römischen Reich am Ende des 1. Jahrhunderts waren. Viele von diesen frühen Christen wurden bereits verfolgt. Bei etlichen von ihnen stand eine Verfolgung unmittelbar bevor. Die Stadt Babylon hier war ein Symbol für die Stadt Rom. Aber Babylon war nicht einfach reduziert auf die Stadt Rom oder das römische Reich. Es steht repräsentativ für die Autoritäten und Instanzen, welche die Christen verfolgt haben. Von römischen Geschichtsschreibern wissen wir, dass diese Verfolgungen sehr brutal und grausam sein konnten. Niemand von uns hat nur annähernd das mitgemacht, was sie erlebt hatten.
Während diese Christen gehasst, in Gefängnisse gesteckt, geplündert, ausgeraubt, verbrannt und Löwen zum Fraß vorgeworfen wurden, sollten sie so leben, wie Jesus es ihnen vorgemacht hatte. Inmitten dieser Anfeindungen hatten die Christen die Aufgabe, so zu leben, wie Jesus es getan hätte, wenn er ihr Leben geführt hätte. Sie sollten ihre Feinde lieben und für ihre Verfolger beten. Sie sollten diejenigen segnen, die sie verfluchten und für die Vergebung derer beten, die sie gerade umbrachten. Und wir sehen schon, diese ersten Christen hatten mit Sicherheit keine Probleme damit, an einen ultimativen Richter zu glauben. Mit jeder Faser ihres Seins müssen sie sich die Rückkehr Jesu herbeigewünscht haben.
Es gibt mindestens zwei Gründe weshalb wir Gott als Richter brauchen. Der erste Grund ist folgender: ohne den absoluten Richter haben wir keine objektive Grundlage zwischen gut und böse zu unterscheiden. Nietzsche ist berühmt, für seine Aussage: „Gott ist tot.“ Als Atheist war er ehrlich genug, um die Konsequenzen dessen zu Ende zu denken. Er schrieb: „Wohin ist Gott? … ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet – ihr und ich! Wir sind seine Mörder! Aber wie haben wir das gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? Müssen nicht Laternen am Vormittag angezündet werden?“
Nietzsche stellt die faszinierende Frage: „Gibt es noch ein Oben und ein Unten?“ Ohne Gott ist jeder moralische Maßstab nur relativ. Vielleicht denken sich einige: „Na und? Dann ist Moral halt relativ.“ Aber die Folgen dessen sind gravierend. Wenn Moral relativ ist und wenn ich auf offener Straße eine Oma überfalle und ihr die Handtasche klauen würde, wer sagt dann, dass das unmoralisch ist? Ohne einen absoluten Bezugspunkt wäre Moral einfach nur eine Meinungssache: „Die Oma findet, dass es Unrecht war. Ich finde es war kein Unrecht.“ Vielleicht würdet ihr dann antworten: „aber die meisten Menschen sind sich darin einig, dass es unmoralisch ist, einen Schwächeren auszurauben.“ Aber wer sagt dann, dass die Mehrheit der Menschen Recht haben muss? Die meisten Menschen in Westeuropa finden es nicht so gut, dass Putin die Krim einverleibt hat. Aber die meisten Menschen in Russland haben damit kein Problem. Die meisten Menschen in Tibet finden, dass Chinas Einmarsch in ihr Land völkerrechtswidrig war. Die meisten der mehr als 1,3 Milliarden Chinesen haben keine moralischen Gewissensbisse. Wer entscheidet, was hier Unrecht ist und was nicht? Wer definiert gut und böse?
Die allermeisten von uns sind im 20. Jahrhundert auf die Welt gekommen. Zur Erinnerung, es war das Jahrhundert, in dem Stalin Millionen umbrachte, in welchem zwei Weltkriege mehr als 60 Millionen Menschenopfer forderten, die mehr als 13 Millionen Opfer der Nazis durch den Holocaust nicht eingerechnet, in welchem bei dem Genozid in Ruanda innerhalb von 100 Tagen 800,000 Menschenleben ausgelöscht wurden, in welchem Pol Pot in Kambodscha mehr als 1,5 Millionen Menschen folterte und umbrachte. Das waren nur die krasseren Beispiele. Nie zuvor wurde in der Geschichte der Menschheit soviel Blut vergossen wie in dem Jahrhundert, in dem die meisten von uns geboren sind. Wenn wir vor den Massengräbern dieser Verbrechen stehen, wenn wir die Berichte von Zeitzeugen lesen, die Familie und Freunde verloren haben, wenn wir hier in Deutschland die KZs bei Dachau oder Buchenwald besuchen, dann wissen wir alle, dass Moral nicht relativ ist. Jeder von uns weiß, dass Ausschwitz nicht relativ böse war. Wir wissen, dass das absolutes Unrecht war; und dass das Blut zum Himmel schreit.
Und in solchen Momenten wird uns deutlich: es muss einen absoluten Bezugspunkt geben. Es muss einen Richter des Universums geben, der absolut gerecht ist und nach dessen Maßstab wir gerichtet werden. Ohne diesen Richter gibt es kein oben und kein unten, es gibt kein gut und kein böse, und jede moralische Vorstellung wäre nichts anderes als eine Illusion.
Der zweite Grund weshalb wir Jesus, den Richter brauchen, ist emotionaler Natur. Ein Vorwurf der Christen immer wieder gemacht wird, lautet folgendermaßen: „wenn ihr daran glaubt, dass manche Menschen von Gott gerichtet sind und andere nicht, führt das dann nicht zu mehr Diskriminierung, Gewalt und Ausgrenzung?“ Die Antwort darauf lautet: nicht unbedingt. Eigentlich ist oftmals genau das Gegenteil der Fall. Miroslav Volf ist ein kroatischer Theologieprofessor an der Yale Universität. Volf wurde durch seine Erfahrungen im Kroatienkrieg geprägt. Volf schrieb Folgendes: „… Gewalt entfaltet sich heimlich genährt durch den Glauben an einen Gott, der sich weigert, das Schwert in die Hand zu nehmen. Meine Behauptung, dass die Umsetzung von Gewaltlosigkeit den Glauben an göttliche Rache beinhaltet, mag für viele Christen (für Nichtchristen sowieso) unbeliebt sein, vor allem für die Theologen im Westen.“ Aber stellt euch vor, dass ihr Leute in einem Kriegsgebiet belehren wollt, die erlebt haben, wie ihre Dörfer geplündert und verbrannt wurden; die Töchter und Schwestern haben, die vergewaltigt wurden; deren Vätern und Brüdern die Kehlen aufgeschlitzt wurden. Und dann wollt ihr sie belehren, dass sie keine Rache ausüben sollten, weil Gott einfach nur Liebe ist und allen Menschen vergibt. Volf sagte dann: „Ihr werdet feststellen, dass es die Ruhe eines friedlichen Vorortes erfordert, um mit der Behauptung aufzukommen, dass menschliche Gewaltlosigkeit der Weigerung Gottes entspricht zu richten. Auf verbrannter Erde, die getränkt ist mit dem Blut von Unschuldigen wird eine solche Behauptung unweigerlich aussterben.“
Angenommen, wir haben wirkliches Unrecht erfahren. Das Letzte, womit wir etwas anfangen können, sind Leute, die sagen: „Kannst du nicht einfach vergeben?“ oder „Gewalt ist keine Lösung.“ Im Angesichts des Unrechts gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir tun alles, um Vergeltung in unsere eigenen Hände zu nehmen und geraten dabei in eine Spirale der Gewalt. Oder aber wir überlassen die Vergeltung einem anderen. Aber letzteres können wir nur dann tun, wenn wir daran glauben, dass Gott sein Schwert in die Hand nehmen wird. Wir können nur dann gewaltlos bleiben, wenn wir daran glauben, dass die letzte Abrechnung noch folgen wird.
Wenn wir der Meinung sind, dass die Idee von einem absoluten Richter, lächerlich ist, dann zeigt das einfach nur, dass wir selbst noch nicht das Opfer von echtem Unrecht geworden sind. Es zeigt, dass wir oberflächlich sind, in der Betrachtung der Welt. Und es zeigt, dass wir naiv sind im Bezug auf die Realität der menschlichen Bosheit in dieser Welt. Ob wir es bewusst tun oder nicht, wir alle leben, als ob es den Richter gibt, auch dann, wenn wir nicht wirklich an ihn glauben oder nicht an ihn glauben wollen.
Zweitens, der Zorn des Richters
Wenn es also diesen Richter gibt, dann stellt sich die nächste Frage: wie richtet er? Was richtet er? Wir finden die Antwort im Text. Verse 9b und 10: „Wenn jemand das Tier anbetet und sein Bild und nimmt das Zeichen an seine Stirn oder an seine Hand, der wird von dem Wein des Zornes Gottes trinken, der unvermischt eingeschenkt ist in den Kelch seines Zorns, und er wird gequält werden mit Feuer und Schwefel vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm.“ Und in Vers 19: „Und der Engel setzte sein Winzermesse an die Erde und schnitt die Trauben am Weinstock der Erde und warf sie in die große Kelter des Zornes Gottes.“ Ein Wort, das hier dreimal erwähnt wird, ist Gottes Zorn. In der Antike war der Giftbecher eine übliche Methode der Hinrichtung. Und dieser Kelch oder Becher wurde geradezu zu einem Sinnbild für Gottes Zorn. In Psalm 75,8.9 lesen wir z.B.: „Gott ist Richter, der diesen erniedrigt und jenen erhöht. Denn der HERR hat einen Becher in der Hand, mit starkem Wein voll eingeschenkt. Er schenkt daraus ein, und die Gottlosen auf Erden müssen alle trinken und sogar die Hefe schlürfen.“ Gott ist zornig.
Wie ist der Zorn Gottes zu verstehen? Gottes Zorn ist nicht einfach ein unkontrollierter Gefühlsausbruch. Gottes Zorn ist kein willkürlicher, cholerischer Zorn. Sein Zorn ist absolut heilig und absolut berechtigt. Aber vor allen Dingen ist sein Zorn im Kontext seiner Liebe zu verstehen. In 1. Johannes 4,8 schrieb der Apostel: „Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.“ Das, was Gott in seiner Essenz ausmacht, die primäre Motivation von all seinem Handeln, ist Liebe. Es ist eine sich selbst entäußernde, sich selbst aufgebende und völlig hingebende Liebe. Wenn Gott uns mit solch einer Liebe liebt, dann muss er zornig werden. Natürlich ist Gott zornig. Er ist zornig auf alles, was seine Schöpfung und sein Eigentum kaputtmacht, entehrt und degradiert. Er ist zornig auf Menschen, die andere Menschen zerstören einschließlich der Menschen, die ihr eigenes Leben kaputt machen. Gott richtet im Zorn.
Die nächste Frage ist, was genau richtet Gott? In Offenbarung 14 sind zwei Gruppen von Menschen gegenüber gestellt. Die eine Gruppe von Menschen folgt dem Tier (aus Kapitel 13), die andere Gruppe folgt dem Lamm. Das Tier aus Kapitel 13 ist der sogenannte Antichrist. Der Antichrist ist nicht einfach ein Mensch, sondern vermutlich eine ganze Reihe an Herrschern und Regimes, die Christen verfolgt haben und noch immer verfolgen. Das Tier symbolisiert alles, was der Herrschaft Christi entgegengesetzt ist. Wir sehen hier aber, dass es nur zwei Gruppen gibt. Es gibt keine Zwischengruppe. Entweder man gehört dem Lamm an oder man gehört dem Tier an. Und das scheint ja alle Klischees zu bestätigen: „Die Guten kommen in den Himmel, die Bösen kommen in die Hölle. Wenn man genug gute Werke tut, erwirbt man die Zugehörigkeit zum Lamm; wenn man nicht genug gute Werke tut, gehört man zum Tier.“
Aber wie gehört man der einen oder anderen Gruppe an? Vers 9: „Wenn jemand das Tier anbetet und sein Bild und nimmt das Zeichen an seine Stirn oder an seine Hand…“ Und diese Worte werden noch einmal in Vers 11 wiederholt: „… sie haben keine Ruhe Tag und Nacht, die das Tier anbeten und sein Bild und wer das Zeichen seines Namens annimmt.“ Das ist die eine Gruppe. Auf der anderen Seite sagt uns Vers 12: „Hier ist Geduld der Heiligen! Hier sind, die da halten die Gebote Gottes und den Glauben an Jesus!“ Aber wenn wir uns das noch einmal genauer unter die Lupe nehmen: Anbetung, Zeichen annehmen, Geduld, Glauben, was ist das alles? Es sind nicht einfach Werke und Taten und äußeres Verhalten. Es sind vor allem Dinge, die sich in unserem Herzen abspielen. Anbetung und Glauben stehen für die Dinge, die wir für am Wichtigsten in unserem Leben erachten. Was wir anbeten und woran wir glauben ist letztendlich das, wovon wir uns bestimmen lassen. Es geht darum wie unser Herz geschaltet ist, welche Prioritäten wir haben, welche Maximen wir verfolgen, was uns im tiefsten Inneres bewegt und motiviert. Mit einem Wort, Gott richtet uns danach, wer auf dem Thron unseres Herzens sitzt; ob Gott uns regiert oder irgendetwas anderes. Was ist dann mit dem Halten von Gottes Geboten? Jesus hatte seine Jünger gelehrt, dass wir an den Früchten erkennen, ob ein Baum gut oder schlecht ist. Die Früchte machen den Baum nicht gut oder schlecht. Es ist umgekehrt. Ein guter Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter Baum nicht. Das Halten von Gottes Geboten ist nichts anderes als ein Auswuchs von dem, was sich in unserem Herzen befindet.
Aber wenn wir nach dem gerichtet werden, was in unserem Herzen ist, dann bedeutet es nichts anderes als dass niemand vor Gott bestehen kann. Niemand von uns hat ein reines Herz. Niemand von uns hat Gott mit ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Gemüt und allen Kräften geliebt und den Nächsten wie sich selbst. Wenn die 10 schlimmsten Gedanken, die uns nur an einem einzigen Tag kommen, für jedermann öffentlich gemacht werden würden, würden wir ein Loch buddeln und uns selbst begraben. Kein Mensch ist hier besser als der andere. Die Bibel sagt, dass alle Menschen Sünder sind ohne Ausnahme. Wir alle verdienen den Kelch des Zorns. Wir alle gehören unter Gottes Winzermesser. Wir alle verdienen es in seiner Kelter zertreten zu werden. Wer kann vor ihm bestehen?
Drittens, unsere Hoffnung
Im ersten Teil habe ich argumentiert, dass die ganze Menschheit ohne den Richter keine Gerechtigkeit und keinen Grund zur Hoffnung hat. Im zweiten Teil haben wir gesehen, dass wenn dieser Richter existiert, kein Mensch vor ihm bestehen kann, weil er uns nach dem richtet, was in unserem Herzen ist und weil jeder von uns ein Sünder ist. Und das ist eine Zwickmühle: ohne Richter gibt es keine Gerechtigkeit; mit Richter wird seine Gerechtigkeit uns umbringen. Ohne Richter gibt es keine Hoffnung für die Welt; mit Richter keine Hoffnung für mich. Was ist die Lösung?
Die Lösung ist das Evangelium, die frohe Botschaft. Was wirklich erstaunt ist, wie viele Hinweise es dafür in unserem Text gibt. Vers 6: „Und ich sah einen andern Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewiges Evangelium zu verkündigen denen, die auf Erden wohnen, allen Nationen und Stämmen und Sprachen und Völkern. Und er sprach mit großer Stimme: Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre; denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen! Und betet an den, der gemacht hat Himmel und Erde und Meer und die Wasserquellen!“ Die frohe Botschaft ist, dass jeder Mensch umkehren kann. Und hier ist noch viel mehr. Unser Text erwähnt den Kelch des Zorns, die Wolke der Herrlichkeit und die Kelter draußen vor der Stadt. Es sind alles Elemente, die wir bereits aus den Evangelien kennen.
Wir sehen den Kelch des Zorns als Jesus im Garten Gethsemane mit Gott rang. Markus 14,35 und 36: „Und er ging ein wenig weiter, warf sich auf die Erde und betete, dass, wenn es möglich wäre, die Stunde an ihm vorüberginge, und sprach: Abba, mein Vater, alles ist dir möglich; nimmt diesen Kelch von mir; doch nicht, was ich will, sondern was du willst!“ Jesus war mit dem Kelch konfrontiert. Jesus sah dem Zorn Gottes ins Angesicht. Die Antwort auf Jesu Gebet war: es gab keinen anderen Weg. Jesus musste den Kelch trinken bis zum letzten Schluck.
Wenig später wurde Jesus verhaftet und vor das höchste Gericht gestellt. Der Hohepriester fragte Jesus: „Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten?“ Jesus antwortete darauf: „Ich bin’s; und ihr werdet sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen mit den Wolken des Himmels.“ Was bedeutet diese Antwort? Bei Wolken denken wir an das kondensierte Wasser weiter oben in der Luft. Wir denken an die Wolken der Erde. Aber wenn die Juden das Wort „Wolken des Himmels“ hörten, hatten sie eine ganz andere Vorstellung. Die Wolken des Himmels repräsentierten die Herrlichkeit Gottes. Jesus sagte folgendes: „Ich bin der wahre Gott, der auf den Wolken der Herrlichkeit kommen wird, um die Welt zu richten.“ Sobald Jesus diese Antwort gegeben hatte, zerriss der Hohepriester seine Kleider. Für alle Anwesenden war klar: Jesus hatte Gott gelästert. Darauf stand die Todesstrafe. Jesus wurde sofort zum Tod verurteilt. Was wir hier sehen ist eine vollkommen verkehrte Welt! Jesus ist derjenige der die Menschen hätte richten sollen. Stattdessen richteten die Menschen Jesus. Die Menschen hätten auf der Anklagebank sitzen müssen. Aber stattdessen saß Jesus auf der Anklagebank. Mit anderen Worten, Jesus wurde zum Richter, der gerichtet wurde.
Noch etwas später sehen wir die Kelter draußen vor der Stadt. Jesus wurde außerhalb von Jerusalem gekreuzigt. Er wurde getreten wie Weintrauben in der Kelter. Sein Blut wurde vergossen. Als Jesus am Kreuz starb, erfuhr er den ganzen Zorn Gottes. Was ist die frohe Botschaft? Die frohe Botschaft ist, dass Jesus am Kreuz so von Gott behandelt wurde, wie wir es verdient hätten, damit wir von Gott so behandelt werden können wir nur Jesus es verdient hat. Die frohe Botschaft ist, dass alle, die an diesen Jesus glauben, ihren Gerichtstag bereits hinter sich haben. Unser Gerichtstag geschah ungefähr im Jahr 30 nach Christus, als draußen vor der Stadt Jerusalem der Richter an unserer Stelle gerichtet wurde. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet werden. Wenn wir das verstanden haben, dann kann das unser ganzes Leben radikal auf den Kopf stellen. Ich möchte hier nur zwei Anwendungen diskutieren.
Erstens, die Rückkehr des Königs sollte unsere Hoffnung und größte Freude sein. Für die meisten Menschen unserer Zeit ist die Rückkehr Jesu einfach lächerlich. Für die meisten Menschen in unserer Gemeinde ist die Rückkehr eine mäßig wichtige Nachricht, die man zur Kenntnis genommen hat. Aber für die ersten Christen war diese Nachricht Trost und Hoffnung. Sie konnten sich bei lebendigem Leibe verbrennen und auffressen lassen, weil sie daran glaubten. Wie stehen wir zur Rückkehr Jesu? Wenn wir einen Test haben möchten, wie sehr wir das Evangelium wirklich verstanden und wirklich angenommen haben, dann können wir uns folgende Fragen stellen: wie sehr freuen wir uns auf Jesu Rückkehr? Wie hängen unsere größten Lebenshoffnungen mit König Jesus zusammen? Je mehr wir das Evangelium verstanden und angenommen haben, je tiefer diese radikale Botschaft in unser Herz gedrungen ist, desto größer werden unser Trost und unsere Freude im Bezug auf Jesu Rückkehr sein.
Zweitens, wir sollen unser Leben nicht verschwenden. Hebräer 9,27 sagt: „wie den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach das Gericht.“ Jeder von uns wird einmal sterben. Diejenigen, die an Jesus glauben, die hatten bereits den Tag des Gerichts in Jesus. Aber die Tatsache, dass er an unserer Stelle gerichtet wurde, bedeutet nichts anders, als dass unser Leben ihm gehört. Er hat uns gerettet, dass wir von nun an für ihn leben und nicht länger für uns selbst.
Unter den zeitgenössischen Predigern hat es vielleicht kaum jemand besser auf den Punkt gebracht als John Piper. Er sagt: „Es ist möglich, dass du dein Leben verschwendest. Wenige Dinge lassen mich so sehr zittern wie die Möglichkeit, dass ich dieses einmalige Geschenk des Lebens nehme und vergeude. Jeden Morgen wenn ich als kleiner Junge in die Küche kam, habe ich eine Aufschrift gesehen, auf der stand: „Nur ein Leben, es ist bald gewesen; nur das, was für Christus geschah, wird überleben.“ (Im Englischen reimt sich das etwas schöner). Und nun bin ich fast 58 Jahre alt und der Fluss des Lebens schwappt über während es das Gefälle meines Lebens mit rasanter Geschwindigkeit herunterläuft. Mehr und mehr rieche ich Ewigkeit. Und wie ich mir wünsche, dass ich mein Leben richtig nutze. Es ist so kurz und so zerbrechlich und so endgültig. Du hast eine Chance dein Leben zu leben. Danach das Gericht. …
Was sieht ein Leben aus, das nicht vergeudet ist? Was ist die Essenz eines nicht verschwendeten Lebens? … Ein Leben, das den unendlichen Wert Christi so zur Schau stellt, dass die ganze Welt es sehen kann. Die Leidenschaft eines nicht verschwendeten Lebens ist es voller Freude die überragende Exzellenz Christi durch die Art wie wir leben, offen zu legen.“
Wie tun wir das? Indem wir Jesus, den Richter der Lebenden und der Toten, zur größten und bleibenden Freude unseres Lebens machen.
Keine Antworten