Stephanus gibt Nachhilfe in Geschichte
„Dies ist der Mose, der zu den Söhnen Israels gesagt hat: Einen Propheten wie mich wird Gott euch aus euren Brüdern erwecken.“
(Apostelgeschichte 7,37)
Die Apostelgeschichte erzählt, wie Gott seine Versprechen und Verheißungen an Israel durch die christliche Gemeinde erfüllt. In einem Gespräch zwischen einem (demütigen) jüdischen Rabbi und einem anglikanischen Priester, sagte der Rabbi Folgendes: „Wie viele gläubige, praktizierende Juden gibt es in China?“ Die Antwort kann man sich denken: Die Zahl ist ziemlich klein. Und dann fragte er: „Und wie viele Christen gibt es dort?“ Je nach Schätzung könnten das um die 100 Millionen Chinesen sein, die an Jesus glauben. Seine Schlussfolgerung war: Gottes Verheißung, dass Israel ein Licht für die Heiden sein sollte, erfüllt Gott durch die Christen. Das ist so eine wunderbare und demütige Einschätzung von dem Rabbi.
Und vielleicht helfen uns diese Worte, ebenfalls demütig zu sein. Wir dürfen Teil von Gottes großartiger Geschichte sein. Gottes Geschichte begann mit Israel, und wir haben das Geschenk und das Vorrecht bekommen, zu diesem Volk dazu gerechnet zu werden. Der heutige Text steht ganz in dieser Linie. Stephanus fasst die Geschichte Israels in einer langen Predigt zusammen. Die Predigt von Stephanus offenbart uns mindestens drei Dinge: Erstens, wie wir sind; zweitens, wie Gott ist; drittens, wie Gott uns trotzdem rettet.
1. Wie wir sind
Die Predigt von Stephanus ist wirklich lang. Und wenn wir Vers für Vers durch diese Predigt gehen würden, dann würden wir morgen immer noch hier sitzen. Auf der Suche nach einer geeigneten Illustration ist mir folgendes eingefallen: Ikea. Die meisten von uns waren schonmal im Ikea. Und ihr wisst, dass es im Ikea einen vorgezeichneten Weg gibt: Man läuft durch ihre gesamte Einrichtungsausstellung, was auch schon mehr als einige Stunde dauern kann. Dann kann man dort essen. Anschließend geht man durch die riesige Möbel- und Einkaufsabteilung. So eine ganze Tour kann locker mal drei Stunden dauern. Und man könnte sich fragen: „Was soll das alles? Wo soll das alles hinführen? Worum geht es hier eigentlich?“ Und bei Ikea erfährt man das am Ende, beim Höhepunkt: Wenn man mit einer großen, blauen, stabilen Ikea-Tüte an der Kasse steht und für all den Krimskrams bezahlt, den man unterwegs aufgesammelt hat. Wir waren mit einer kleinen Gruppe von Doktoranden-Kollegen zusammen im Ikea. Und mein Kollege meinte am Ende zu mir: „Weißt du, wir wollten eigentlich alle nur eine Glühbirne kaufen …“
Worum geht es bei Stephanus‘ Predigt? Wir finden die Antwort auf dem Höhepunkt seiner Predigt am Ende (Vers 51): „Ihr Halsstarrigen, unbeschnitten an Herzen und Ohren! Immerzu widersetzt ihr euch dem Heiligen Geist, eure Väter schon und nun auch ihr. Welchen der Propheten haben eure Väter nicht verfolgt?“ Was Stephanus hier auf den Punkt bringt, ist die Bosheit des Volkes. Er sagte hier: „Eure Väter waren Sünder; und ihr seid ebenfalls Sünder.“
Nachdem wir diesen Punkt verstanden haben, können wir zurückgehen in seine lange Predigt, und feststellen, wie er diesen Punkt immer und immer wieder hervorhebt. In Vers 9 spricht er von den Patriarchen, die Stammväter des Volkes Israel. Und er sagt: „Die Patriarchen aber waren eifersüchtig auf Josef und verkauften ihn nach Ägypten.“ In diesem einen Satz fasst der das Verbrechen der Brüder von Josef zusammen: Entführung, Raub, Menschenhandel – und das alles aus niederen Motiven.
Als Nächstes spricht Stephanus sehr viel über den Glaubenshelden Mose. Neben Abraham ist Mose eine sehr zentrale Person im Selbstverständnis des Volkes Israel. Er war der designierte Anführer und Befreier Israels. Aber in Vers 39 heißt es: „Aber unsere Väter wollten sich ihm nicht unterordnen; sie wiesen ihn ab und wandten ihr Herz nach Ägypten zurück.“ Nicht nur das, Stephanus erwähnt den Götzendienst, den die Israeliten kurz nach ihrer Befreiung bereits in der Wüste begingen. Vers 43: „Das Zelt des Molochs und den Stern des Gottes Raifan habt ihr herumgetragen, die Bilder, die ihr gemacht habt, um sie anzubeten.“
Stephanus zeigt, wie in den wichtigsten Momenten der Geschichte Israels, das Volk ein ums andere Mal versagt und rebelliert hatte. Und das war radikal anders als, sie sich ihre Geschichte vorgestellt hatten. Sie dachten: „Wir sind das auserwählte Volk. Wir haben die besten und die frommsten Vorfahren. Wir haben die höchsten moralischen Ansprüche. Wir leben im Land der Verheißung. Mit wem sonst sollte Gott großartige Pläne haben als mit uns?“ Stephanus macht durch seine Erzählung ihrer Geschichte deutlich, wie sehr sie sich hier geirrt hatten. Sie befanden sich auf dem Holzweg. Sie waren aufmüpfige, aufständische Rebellen. Das war die erste zentrale Botschaft, die Stephanus in seiner Predigt verkündigte. Und das Erste, das wir aus seiner Botschaft mitnehmen können, ist, dass wir ebenfalls Sünder sind.
Wie genau äußerte sich die Sünde der Israeliten? Vielleicht kann man die Essenz ihres Problems folgendermaßen beschreiben: Sie vertrauten auf alles Mögliche aber nicht auf Gott. Und das mag auf den ersten Blick überraschend klingen, weil die Juden doch unglaublich fromm und religiös waren. D. h., man kann zutiefst religiös sein und doch nicht auf Gott vertrauen. Die religiösen Leiter vertrauten auf ihr Land, sie vertrauten auf das Gesetz, die vertrauten auf die Ausübung ihrer Religion, sie vertrauten auf ihre Leistung, sie vertrauten auf ihre Herkunft, sie vertrauten auf ihre nationale Identität, aber sie vertrauten nicht auf Gott. Zum Beispiel, ist euch aufgefallen, wie oft Stephanus von Land spricht? In den Versen 3 und folgende spricht Stephanus von der Berufung Abrahams. „Geh in das Land, das ich dir zeigen werde.“ Vers 5: „Er hat ihm darin kein Erbteil gegeben, auch nicht einen Fußbreit, doch hat er verheißen, das Land ihm und seinen Nachkommen zum Besitz zu geben, obwohl er kinderlos war.“ Das Land war für sie heilig. Der Tempel war das zentrale Heiligtum in ihrem Land. Salomo hatte diesen Tempel gebaut. Sie dachten, dass so lange sie das Land und den Tempel hatten, ihnen Gottes Bewahrung und Segen sicher waren.
Aber es steht im großen Kontrast dazu, wie Gott das Land sah. „Doch der Höchste wohnt nicht in dem, was von Menschenhand gemacht ist, wie der Prophet sagt: »Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel für meine Füße. Was für ein Haus könnt ihr mir bauen?, spricht der Herr. Oder welcher Ort kann mir als Ruhestätte dienen? Hat nicht meine Hand dies alles gemacht?«“ (48-50) Gott lässt sich nicht auf ein Land oder gar ein Gebäude reduzieren. In Gottes Reich ist kein Platz für irgendeine Form von religiösem Nationalismus.
Bevor wir fortfahren, möchte ich gerne zeigen, dass diese Botschaft nichts von ihrer Relevanz verloren hat. Die Juden damals hatten auf ihr Land und auf ihre Abstammung vertraut. Das ist überhaupt nicht einzigartig. Die Ägypter, Babylonier, Griechen und Römer taten das. Im Prinzip tun das praktisch alle Völker dieser Welt auf die ein oder andere Art und Weise. So subversiv und ironisch das auch klingt, das taten und tun auch die Nazis. Im Jahr 2017 hatte es einen Marsch von Neonazis in den USA gegeben, die unter anderem „Blut und Boden“ gerufen hatten. Das ging wiederum auf die nationalsozialistische Ideologie zurück, in der es um die Einheit zwischen einem aufgrund der Rasse definierten Volk und seinem Land ging: ein Vertrauen auf seine Herkunft und sein Land.
Oder um es mit einem Beispiel aus der populären Kultur zu illustrieren: In dem Marvel Film Thor Ragnarok, gerät das Volk Asgard in eine tiefe Identitätskrise, weil ihr Zuhause von einem feurigen Monster namens Surtur angegriffen und zerstört wird. Die Überlebenden schaffen es auf ein Raumschiff. Von dort aus müssen sie mit ansehen, wie ihr ganzer Heimatplanet Asgard in Flammen aufgeht. Korg, ein Freund ihres Anführers, versucht das Volk zu trösten, indem er sagt: „Der Schaden ist nicht allzu schlimm. Solange die Fundamente noch stark sind, können wir alles wieder aufbauen. Es wird ein sicherer Hafen werden, für alle Völker und Wesen im Universum.“ Genau in diesem Augenblick explodiert der ganze Planet. Es herrscht Stille. Korg sagt: „Jetzt sind die Fundamente futsch. Tut mir leid.“ Aber der Anführer Thor kommt schließlich zu folgender Einsicht: „Asgard ist kein Ort. Asgard sind die Menschen, das Volk.“ Aber alles das zeigt die tiefe Verbindung zwischen Menschen und ihrem Land.
Was bedeutet dieser Text dann für uns? Ich glaube daran, dass Stephanus ein Problem anspricht, das nicht nur seine Zeitgenossen hatten. Es ist ein Problem, das auf alle Menschen aller Zeiten zutrifft. Fakt ist: Jeder Mensch braucht ein Gefühl von Sicherheit. Jeder Mensch vertraut auf etwas. In jedem von uns ist die Tendenz da, auf alles zu vertrauen, was nicht Gott ist. Ganz viele Menschen in Deutschland denken, dass sie Gott nicht brauchen. Die meisten von euch sind hier, weil ihr glaubt, dass ihr Gott braucht; zumindest ein wenig. Und doch ist tief in unseren Herzen eine Rebellion, es ohne Gott schaffen zu wollen. Ich will hierzu nur ein kleines Beispiel erwähnen. Hier in diesem Land geht es uns extrem gut; wir haben politischen Frieden und Stabilität; wir leben in einem geradezu überfließenden Wohlstand, auch dann, wenn wir uns nicht so reich fühlen; für sehr viele unserer Nöte ist gesorgt; wenn wir die Arbeit verlieren, gibt es das Arbeitslosengeld; es gibt die Krankenversicherung und soziale Leistungen, die sehr stark sind. In Deutschland muss niemand verhungern und niemand muss erfrieren. Und vor allem haben wir in Deutschland auch ein sehr bequemes Leben, verglichen mit den allermeisten anderen Ländern dieser Welt. Die Frage ist jetzt, ist es das, worauf wir unser Vertrauen gesetzt haben? Ist das unsere Sicherheit? Wenn dem so ist, dann vertrauen wir auch auf unser Land; bewusst oder unbewusst ziehen wir unser Gefühl der Sicherheit aus den äußeren Umständen unserer Gesellschaft.
Hier ist das Problem: Das Land und der Tempel konnten die Israeliten nicht retten. Die Römer zerstörten den Tempel und die Stadt. Es war das Ende ihrer nationalen Identität verbunden mit dem Land Israel. Am Ende des Tages wird unser Land uns auch nicht retten können. Wir finden in unserer Gesellschaft und in unserer Kultur nicht die letzte Sicherheit, die uns wirklich retten kann; wir finden in ihr nicht den Sinn des Lebens, der uns wirklich zufrieden macht; wir finden nicht die Freude und Erfüllung nach der wir uns sehnen. Und trotzdem ist es so, dass wir so ziemlich auf alles Mögliche vertrauen, was geschaffen ist, aber nicht auf den Schöpfer.
Die Tatsache, dass wir Gott überflüssig machen, ist genau die Essenz der Sünde. Das ist der erste Punkt, den wir aus Stephanus Predigt mitnehmen können.
2. Wie Gott ist
Stephanus beginnt seine Erzählung der Geschichte Israels mit einem sehr interessanten Ausdruck: Er nennt den Gott Israels den Gott der Herrlichkeit. Howard Marshall macht darauf aufmerksam, dass das wahrscheinlich ein Zitat aus Psalm 29,3 ist: „Die Stimme des HERRN erschallt über dem Meer. Der Gott der Herrlichkeit lässt den Donner grollen.“ Wir haben leider nicht die Zeit, den Begriff Herrlichkeit hier ausführlich zu besprechen. Für diese Predigt wollen wir einfach eine praktische Definition verwenden. Für was verwenden wir im deutschen Sprachgebrauch das Wort „herrlich“? Johannes Hartl machte folgende Beobachtung: Für uns ist das Wort „herrlich“ die Steigerung von „schön“. Zum Beispiel: „War das Wetter schön?“, „Das Wetter war herrlich!“ Oder: „War das Abendessen schön?“, „Das Abendessen war herrlich!“ (Übrigens, die Verwendung des Wortes „herrlich“ in diesem Zusammenhang verlangt nach einem Ausrufezeichen).
Gott ist wunderbar und wunderschön: Er ist herrlich! Und Stephanus macht in seiner ganzen Predigt deutlich, in welchem Aspekt die Herrlichkeit Gottes deutlicher zu tragen kommt als sonst irgendwo: in der Tatsache, dass er ein rettender Gott ist. Gottes Herrlichkeit wird am klarsten und am deutlichsten offenbart in der Tatsache, dass er uns rettet. Wir sehen das an verschiedenen Stellen im Text.
In Vers 10 und den folgenden Versen spricht Stephanus über Josef. Gott rettete Josef. Gott rettete Josef nicht nur, weil Josef ein armer Junge war, der Unrecht erfahren hatte. Gott rettete ihn, weil er durch Josef seine ganze Familie und schließlich ein ganzes Volk retten wollte. Josef war nicht der einzige Retter, den Gott erwählte.
Stephanus spricht als Nächstes ganz viel über Mose. Diejenigen unter uns, die Moses Geschichte kennen, wissen, dass er erst spät und im hohen Alter angefangen hatte, Israel anzuführen. Aber tatsächlich hatte er sehr früh die Berufung verinnerlicht, dass er Israel befreien sollte. Vers 25: „Er dachte, seine Brüder würden begreifen, dass Gott ihnen durch seine Hand Rettung bringen wolle; doch sie begriffen es nicht.“ Zwei Aspekte muss man hier verstehen. Als 40-jähriger Mann hatte Mose nicht die Reife, um von Gott gebraucht zu werden. Zum anderen aber war es auch so, dass niemand ihn als Retter wollte. Er war zwar von Gott berufen. Gleichzeitig war er jemand, der von seinem eigenen Volk abgelehnt wurde.
Was lernen wir hier über Rettung? Wir haben vorhin gesehen, dass es eine Eigenschaft des menschlichen Herzens ist, Rettung in allem zu suchen, was nicht Gott ist. Warum ist dem so? Weil wir unsere Rettung selbst in der Hand haben wollen. Wir wollen die Kontrolle haben. Aber was hier im Text sehen, ist, dass wir uns nicht selbst retten können. Josef rettete sein Volk vor einer Hungersnot, die praktisch die ganze ihnen bekannte Welt erfasst hatte. Mose befreite sein Volk aus der Sklaverei der damaligen Supermacht. Das war aber noch der einfache Teil seiner Arbeit. Danach begleitete er das Volk 40 Jahre lang, um sie von der Sklaverei in ihren Herzen frei zu machen. Wir können uns selbst nicht retten, weil die Mächte, die uns versklaven zu groß, zu mächtig und zu stark sind. Wir brauchen Hilfe von außen. Rettung ist etwas, das außerhalb von uns stattfindet; Rettung ist etwas, was uns geschieht, nicht etwas, was wir tun.
Und Gott ist der ultimative Retter. Er ist der weise Regent hinter Josef; er ist der starke Befreier hinter Mose. Er ist derjenige, der sich zu unseren Nöten herablässt. Er ist unser wahrer Held. Und er offenbart seine ganze Schönheit und Herrlichkeit in der Tatsache, dass er uns rettet. Es ist die Herrlichkeit seiner Liebe zu uns.
3. Wie Gott uns trotzdem rettet
Um kurz zusammenzufassen: Wir haben gesehen, dass wie wir sind – Sünder, weil wir auf uns und auf alles Mögliche vertrauen, was nicht Gott ist. Wir haben gesehen, wie Gott ist – herrlich, und dass seine Herrlichkeit dadurch zum Ausdruck kommt, dass er uns rettet, obwohl wir uns gegen seine Rettung sträuben. Gott rettet uns trotzdem. Die Frage ist jetzt: Wie macht Gott das?
Wir dürfen nicht vergessen, dass Stephanus lange Predigt, eigentlich noch länger gegangen wäre, wenn man ihn nicht unterbrochen hätte. Was hätte er in seiner Predigt noch erwähnt, wenn man ihn gelassen hätte? Die Antwort liegt auf der Hand. Es geht um Jesus. Stephanus erwähnt den Namen Jesus nicht, aber doch ist absolut offensichtlich, dass Jesus die zentrale Person ist, um die sich alles dreht. In Vers 37 sagt er: „Dies ist der Mose, der zu den Söhnen Israels gesagt hat: einen Propheten wie mich wird Gott euch aus euren Brüdern erwecken.“ Natürlich ist Jesus der Prophet wie Mose: Jesus würde den wahren Exodus aus der wahren Knechtschaft anführen. Er ist der Prophet, der alle Prophetien in sich vereinigt. In Vers 52 erwähnt Stephanus Jesus explizit, indem er sagt: „Welchen Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Sie haben die getötet, die die Ankunft des Gerechten geweissagt haben, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid.“ Jesus ist der Gerechte, den alle Propheten angekündigt hatten, auf den das ganze Alte Testament hinweist. Stephanus zeigt durch die Geschichte Israels, dass Gott sein Volk durch Jesus Christus rettet.
Der Reformator Calvin hatte über Jesus geschrieben: „Er ist Isaak, der geliebte Sohn des Vaters, der als Opfer dargebracht wurde, aber dennoch nicht der Macht des Todes erlag.
[…] Er ist der gute und barmherzige Bruder Josef, der sich in seiner Herrlichkeit nicht schämte, seine Brüder anzuerkennen, egal wie niedrig und elend sie auch waren. Er ist der große Opferbringer und Bischof Melchisedek, der ein für alle Mal ein ewiges Opfer dargebracht hat. Er ist der souveräne Gesetzgeber Mose, der durch seinen Geist sein Gesetz auf die Tafeln unserer Herzen schreibt. Er ist der treue Hauptmann und Anführer Josua, der uns in das gelobte Land führt. Er ist der siegreiche und edle König David, der durch seine Hand alle rebellischen Mächte in die Schranken weist. Er ist der prächtige und triumphierende König Salomo, der sein Reich in Frieden und Wohlstand regiert.“ Jesus ist die Erfüllung des Alten Testaments.
Einen letzten Gedanken zum Schluss. Lukas erwähnt zu Beginn seines Evangeliums und der Apostelgeschichte, dass er sorgfältig nachgeforscht hatte, bevor er seine Geschichten aufschrieb. Heute hätte man gesagt, dass Lukas als investigativer Journalist gearbeitet hatte. Lukas hatte vermutlich alles gelesen, was es über Jesus zu lesen gab, aber vor allem hatte er mit Augenzeugen geredet, die Jesus persönlich erlebt und gesehen hatten. Frage: Wie kam Lukas zur Predigt von Stephanus vor dem Hohen Rat? Wer war der Augenzeuge, der ihm das alles berichten konnte? Es musste irgendeine Person sein, die mit dem Sanhedrin anwesend im Raum war. Wer war diese Person?
Tim Keller mutmaßte, dass es ein junger Mann namens Saulus war. Saulus war ein Extremist. Er war Augenzeuge der Steinigung von Stephanus, und wir lesen am Ende der Erzählung, dass er die Ermordung von Stephanus befürwortete. Und trotzdem war es so, dass diese Predigt auf ihn einen bleibenden Eindruck machte. Der Same war in seinem harten und kalten Herzen gepflanzt. Es brauchte noch ein wenig Licht und Regen, um diesen Samen aufgehen zu lassen. Er bekam es mit Jesu Licht und drei Tagen Blindheit (Regenwetter) zu tun.
Diese Predigt von Stephanus ist eine Zusammenfassung der ganzen Theologie von Paulus: dass wir Menschen nicht durch unsere Werke gerecht werden, sondern durch Gnade und durch Vertrauen auf die herrliche Person Jesus Christus. An die Galater schrieb er: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen.“
Hier ist der Punkt, den ich zum Schluss weitergeben will: Wenn das Evangelium für jemanden wie Saulus ist, dann ist es für jede Person, einschließlich für dich und für mich. In Jesus Christus gibt es Hoffnung für jeden einzelnen von uns. Gott rettet uns durch Jesus Christus.