Download [ODT] [PDF] Bibeltext
Rettung, Bund und Gnade
„Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Werde, ihr aber sollt mir als ein heiliges Volk gehören“
(2. Mose 19,5.6a [EÜ])
Es gibt historische Ereignisse, die ganz tief mit dem Selbstverständnis einer ganzen Nation verbunden sind. Ich gebe euch zwei Beispiele. In der Weihnacht 1776 überquerte George Washington mit seinen Truppen den Delaware Fluss. Am Morgen griffen sie dann ein verbündetes Lager der Briten an und gewannen die Schlacht bei Trenton. Das wurde zu einem Wendepunkt im Unabhängigkeitskrieg der Amerikaner gegen die Briten. Oder ein anderes Beispiel: zu Beginn der Französischen Revolution 1789 wurde die Bastille gestürmt: limitierte militärische Bedeutung aber gewaltige symbolische Sprengkraft. Von beiden Ereignissen, gibt es berühmte Gemälde. Beides gehört untrennbar zur Identität dieser beiden Nationen.
Und wisst ihr, so ziemlich alles, was in der ersten Hälfte von Exodus berichtet wird, hat mindestens eine genau so große Bedeutung für das Volk Israel. Der Exodus, also der Auszug aus Ägypten und der Durchzug durch das Rote Meer und der Bund am Berg Sinai gehören zur Identität Israels.
Das hat Implikationen für unsere Identität. Was ist deine Identität? Wer bist du? Was sind die Ereignisse in deinem Leben, die maßgeblich bestimmen, wer du bist? Im ganz großen Kontrast zu den USA und zu Frankreich, feierten die Israeliten nichts, was sie selbst vollbracht hatten; sie feierten keine Heldentaten ihrer Vorfahren. Sie feierten etwas, was Gott für sie getan hatte. Was ist es dann also, was Gott für sie getan hatte? Wir sehen im Text drei Dinge. Erstens, Gott hatte sie gerettet; zweitens, Gott schloss mit ihnen einen Bund; und drittens, Gott offenbarte seine Absicht mit ihnen zu sein. Oder kürzer gefasst: die Rettung, der Bund, die Gnade Gottes in seiner Gegenwart.
Ich möchte gerne an diesem Morgen argumentieren, dass alle diese drei Punkte für deine Identität relevant sind. Gott bietet dir ein Selbst an, das auf der Tatsache gegründet ist, dass Gott dein Retter ist; dass Gott mit dir einen Bund eingeht; und dass dieser Gott mit dir sein will.
1. Die Rettung
In Vers 3 lesen wir, dass Mose auf den Berg steigt. Gott spricht mit Mose und lässt ihn die Worte wissen, die er zum Volk sprechen sollte: „Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern angetan habe, wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und zu mir gebracht habe.“ Die Ägypter waren die damalige Weltmacht. Wie wir in den letzten Wochen gesehen hatten, waren die Israeliten in der Hand dieser unbestrittenen Weltmacht. Sie waren Sklaven gewesen. Hier sagt Gott nun, dass selbst eine Weltmacht kein Hindernis für ihn war, sein Volk zu befreien. Die Befreiung lang erst wenige Wochen zurück. D.h., sie hatten tatsächlich mit ihren eigenen Augen gesehen, was für Wunder Gott getan hatte. Gott hatte sein Volk mit großer Macht befreit.
Zwei Dinge sollten wir hier noch festhalten. Das erste ist, die Rettung kam von außen, nicht von innen. Um eine Illustration aus einem Film zu verwenden: In dem animierten Film „Shrek“ gibt es eine Prinzessin, die unter einem schrecklichen Fluch leidet und in einem Turm weggesperrt ist; der Turm wiederum wird von einem feuerspeienden Drachen bewacht. Der Märchenklassiker also. Sie wird von dem Antiheld Shrek befreit. Im letzten Film dieser Serie wird der Frage nachgegangen, was wäre, wenn Shrek niemals gekommen wäre? Die Antwort ist sehr klar: die Prinzessin war eigentlich immer stark genug, um sich selbst zu befreien. Irgendwann würde sie selbst die Initiative in die Hand nehmen und aus der Gefangenschaft ausbrechen. Danach würde sie zu einer Anführerin einer Rebellion werden. Selbst ist die Frau. Wie war es bei den Israeliten? Es war ziemlich eindeutig: das Volk war den Ägyptern völlig unterlegen und völlig ausgeliefert. Sie hatten nicht die Möglichkeit auszubrechen und zu fliehen, schon gar nicht mit Frau und Kindern, schon gar nicht mit all ihrem Vieh und ihrer Habe. Sie waren viel zu schwach. Sie hatten aus sich selbst heraus keine Ressourcen, sich in irgendeiner Weise selbst zu helfen. Was sie brauchten, war ein starker Retter, der von außen in ihre Lage eingriff.
Das zweite ist, Gott ist ein unendlich starker Retter. Gott spricht davon, dass er sie auf Adlerflügeln getragen hatte. Kann man sich etwas majestätischeres vorstellen? In der „Herr der Ringe“ Trilogie gibt es überdimensional große Adler mit einer Flügelspannweite von mehr als 50 Metern. Das Erscheinen dieser Adler ist immer ein Highlight. Wenn die Hoffnung am Ende zu sein scheint, erscheinen sie und bringen Rettung. Die Adler sind groß genug, dass sie ohne Probleme ein oder sogar mehrere ausgewachsene Personen auf ihrem Rücken tragen können. Aber diese Adler sind nur ein Schatten von und nur eine symbolische Geste für den einen Adler, der das ganze Volk Israel herausgetragen hatte. Eine sehr bildliche Beschreibung von dem, was Gott getan hatte.
Eine Anwendung, bevor wir fortfahren. Teil der Identität von jedem einzelnen von uns, ist die Frage, wie wir gerettet wurden. Vielleicht fragt sich der ein oder andere: Rettung wovon denn? Wir leben in einem freien, demokratisch regierten Land. Uns geht es doch so weit sehr gut. Fakt ist, dass niemand von uns 100%ig frei ist. Wir alle leben für etwas. Hier ist ein Beispiel. Vor Jahren wurde ein Vorgesetzter von mir von der Geschäftsleitung eingeladen, Daten zu präsentieren, die, unter anderem auf meinen Analysen beruhten. Die Präsentation verlief überhaupt nicht gut. Irgendwann brach der CEO das Ganze ab. Das Interessante war aber, was sich hinterher ereignete. Ein Mitglied der GL traf meinen Chef in der Küche und fragte ihn, wie er denn die Daten einschätzen würde? „Ist das gut? Verheißen die Daten Gutes?“ Und mein Chef sagte ihm: „Ja, die Daten sehen vielversprechend aus.“ Und daraufhin war die Antwort: „Gott sei Dank. Ich kann nachts schon nicht schlafen, weil so viel an dieser Studie hängt!“ Und dieser Satz wird von jemanden gesagt, der nicht frei ist. Es erinnert mich an einen Witz, den ein Freund von mir erzählt hatte, der selbst gerade versucht, eine Firma zu gründen. Ein CEO wurde gefragt, wie er nachts schläft. Die Antwort: „Oh, ich schlafe wie ein Baby. Ich wache jede Stunde auf und fange an zu weinen.“ Warum? Weil das Menschen sind, für die der Job mehr ist als einfach nur ein Job. Sie leben für den den Job. Sie dienen ihrem Job.
Wir alle leben für etwas. Und das, wofür wir leben, ist das, dem wir dienen. Das klingt alles nicht so wild. Aber ich möchte dir gerne sagen, dass die Bibel sagt, dass gerade das die Essenz der Sünde ist. Die Tatsache, dass wir für etwas leben, was nicht Gott selbst ist, ist das, was Sünde ausmacht. Wenn Gott nicht das Zentrum deines Lebens ist, wenn Gott nicht das höchste und größte und in seiner Absolutheit das einzige Ziel deines Lebens ist, dann lebst du in Sklaverei. Praktisch alle Bosheiten unserer Herzen, sind ein Resultat dessen, dass Gott nicht an erster Stelle steht. Um ein letztes Mal ein Beispiel aus einem Film zu verwenden: In dem Marvel Film „Doctor Strange“ ist Wanda Maximoff der überstarke Bösewicht. Wanda war ursprünglich eine gute Person; fast zumindest. Aber gleichzeitig war sie jemand, der ein ums andere Mal viel Leid erfahren hatte: ihre Eltern waren durch einen Bombenangriff gestorben; danach verlor sie ihren Bruder; danach verlor sie die Liebe ihres Lebens. Ihr größter Traum ist es, ihre Kinder wiederzufinden, weil sie der Ansicht ist, dass es das ist, was sie glücklich macht. Das ist an und für sich nichts Schlimmes. Sie ist so besessen von ihren Kindern, dass sie diesem Ziel alles andere unterordnet. Irgendwann ist sie sogar dafür bereit, andere Menschen zu opfern und ein ganzes Multiversum in Chaos zu stürzen. Sie wird zu einem Schurken.
Das, was du mehr liebst als Gott, ist das, dem du untergeordnet bist, dem du als Sklave dienst. Es wird dich am Ende des Tages ins Elend stürzen, falls es noch nicht der Fall ist. Wir alle brauchen Rettung.
2. Der Bund
Die Rettung Gottes, auf Adlerflügeln getragen worden zu sein, ist der Anfang. Es ist die Basis und die Grundlage für das, was folgen soll. Ihre Rettung erfüllt einen höheren Sinn und Zweck. Verse 5 und 6a: „Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde, ihr aber sollt mir ein Königreich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören.“
Was ist ein Bund? Wir kennen das Wort Bund vor allem durch den Bund der Ehe. Und tatsächlich trifft es sehr, sehr gut. Der Bund ist eine feierliche Abmachung und ein verbindliches Versprechen, auf das sich die Bundespartner einlassen. Tim Keller hat es so beschrieben: „Der Bund ist eine erstaunliche Mischung aus Gesetz und Liebe. Erstaunlich, weil es sich um eine persönliche Beziehung handelt, die durch ihre Rechtmäßigkeit noch liebevoller und inniger wird. Dies geschieht durch freiwillige, gegenseitige, verbindliche Versprechen und Gelübde, einander zu lieben und treu zu sein, unabhängig von den Umständen.“ Gott schließt mit seinem Volk einen Bund. Der Bund ist gegründet auf Gottes Liebe und dem Gehorsam des Volkes. Das Tragische an diesem Bund ist, dass das Volk Israel sich so überhaupt rein gar nicht an diese Abmachung halten konnte.
Und trotzdem ist dieser Bund alles andere als vergeblich. Er weist weit in die Zukunft auf das hin, was Gott durch einen neuen Bund doch noch realisieren würde. Worum geht es hier? Gott sagt: „Mir gehört die ganze Erde, ihr aber soll mir als ein Königreich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören.“ Die Israeliten sollten ein Volk sein, das von Gott regiert wird. Gott wollte der König dieser Nation sein. Und vielleicht klingt das für manche von euch etwas abschreckend. Eine Nation, die von Gott regiert wird, klingt wie eine Theokratie, wo religiöse Fanatiker das Sagen haben; wo Fundamentalisten alle verfolgen, die nicht das gleiche Mindset haben; wo Sittenwächter alles wegsperren, was nicht bei Drei auf dem Baum ist.
Und genau das Gegenteil ist der Fall. Die Gesetze im Alten Bund des Alten Testaments (AT) stehen wirklich im Gegensatz zu vergleichbaren Gesetzestexten dieser Zeit. Tim Keller machte darauf aufmerksam, dass Israel das erste Volk war, in welchem Ehebruch nicht nur für Frauen eine Sünde war, sondern auch für Männer. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit wurden Zehnte gefordert, mit dem die Bedürftigen versorgt wurden. Es war das erste Volk, das Gesetze hatte, das die Rechte der Schwachen in besonderem Maß schützte: die Witwen, die Waisen, die Armen und Fremdlinge. Es ist der erste Gesetzestext, in welchem Menschen relativ gleichgestellt waren. Kein anderes Volk hatte zu diesem Zeitpunkt solche humanen Gesetze.
Und gleichzeitig ist das Gesetz im AT noch nicht das, was Gott sich wünscht. Im AT gab es Gesetze, wie eine Ehescheidung abzulaufen hatte. 5. Mose 24 erwähnt zum Beispiel dass ein Ehemann, der seine Ehefrau wegen einer Anstößigkeit rauswirft, ihr eine Scheidungsurkunde ausstellen musste. Was genau heißt aber „anstößig“? Darüber haben sich dann die Gelehrten zu Jesu Zeit gestritten. Jesus wurde gefragt: „Darf man seine Frau aus jedem beliebigen Grund aus der Ehe entlassen?“ Jesu Antwort darauf war: „Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer sie am Anfang männlich und weiblich erschaffen hat und dass er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein?“ Das steht in Genesis 1 und 2. Mit anderen Worten, Jesus fragte die Gesetzesgelehrten seiner Zeit: „Habt ihr es bei eurem Bibellesen bis auf Seite 2 geschafft?“ Sie antworteten sehr verständlicherweise: „Aber es gibt doch ein Gesetz dazu von Mose?“ Jesu Antwort darauf spricht Bände: „Nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch gestattet, eure Frauen aus der Ehe zu entlassen. Am Anfang war das nicht so.“ Jesus sagt, dass Moses Gesetz etwas adressiert, was eigentlich niemals vorgesehen war. Das Gesetz im AT entspricht nicht ganz dem, was Gott sich eigentlich erdacht hatte.
Hier ist das, was wir mitnehmen sollen. Als Gott den Bund mit Israel schließt, startet Gott ein völlig neues Projekt. Gott erschafft eine Gesellschaft, die ein Gegenentwurf zu dieser Welt ist; eine Gesellschaft, in der Gottes Recht und Gerechtigkeit alle Menschen regiert. Das Gesetz von Mose ist noch nicht in allen Ecken und Enden das, was Gott sich wünschte. Es war eine temporäre Notwendigkeit. Aber eines Tages würde das Reich Gottes so unter den Menschen Einzug halten, dass viel klarer und eindeutiger werden würde, wer Gott ist und was er sich wünscht. Letztes Jahr haben wir uns über viele Monate mit der Bergpredigt beschäftigt: die Verfassung oder das Grundgesetz des Himmelreiches. Gottes Himmelreich ist der Ort, an welchem nicht nur nicht gemordet wird, sondern wo es auch keinen Zorn mehr gibt und kein Schimpfen über andere; im Himmelreich wird nicht nur kein Ehebruch mehr begangen wird, sondern Menschen sind frei von unmoralischer Begierde; im Himmelreich wird nicht nur nicht mehr gelogen wird, sondern es schwindet auch die Notwendigkeit, zu schwören, weil alle Beziehungen real, transparent und von Vertrauen gezeichnet sind; wo Gott regiert vergelten Menschen nicht Böses mit Bösem, sondern mit Güte, Barmherzigkeit und Vergebung; unter Gottes Herrschaft lieben Menschen nicht nur ihre Freunde und ihre engste Familie, sondern auch ihre Feinde. Wenn Gott von einem Königreich von Priestern und einem heiligen Volk spricht, ist es das, was er im Sinn hat. Dieses Himmelreich hier auf Erden auszubreiten ist sein Projekt.
Wir haben gesagt, dass es in diesem Text um Identität geht. Und unsere Identität darf darauf aufbauen, dass wir gerettet sind; und unsere Identität gründet auch darauf, dass Gott uns als seine geliebten Kinder in seinem Projekt einsetzen will, sein Himmelreich hier auf Erden zu verwirklichen. D.h., die nächste Frage, die wir uns stellen dürfen, ist: bist du Teil von diesem Projekt? Bist du ein königlicher Priester?
3. Gnade in seiner Präsenz
Praktisch alle Ausleger und Kommentatoren erwähnen, dass es im Buch Exodus um die Gegenwart Gottes geht: Gott ist mit dem Volk Israel in einer Wolken- und Feuersäule; Gott offenbart sich auf dem Berg; Gott lässt die Israeliten eine Stiftshütte bauen, um mit ihnen zu sein. Wir stellen auf der einen Seite fest, dass es keinen Zweifel daran gibt, dass Gott wirklich mit seinem Volk sein will.
Aber auf der anderen Seite ist in der Gegenwart Gottes immer und überall eine große Distanz. Vielleicht ist euch das beim Lesen des heutigen Textes auch aufgefallen? Douglas Stuart hat einen wunderbaren Kommentar zu Exodus geschrieben. In der Einleitung geht er auf die Theologie von Exodus ein und sagt: „Exodus präsentiert mit Sorgfalt nicht so sehr das Konzept der Gegenwart Gottes, sondern vielmehr die begrenzte Gegenwart Gottes.“ Die Gegenwart Gottes hat Limitationen!
In Exodus 3,5 spricht Gott: „Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.“ Unser Text sagt in Vers 12: „Zieh um das Volk eine Grenze und sag: Hütet euch, auf den Berg zu steigen oder auch nur seinen Fuß zu berühren! Jeder, der den Berg berührt, hat den Tod verdient.“ Oder Exodus 28 erwähnt, was Aaron und seine Söhne tragen müssen, wenn sie zum Altar kommen: „so werden sie keine Schuld auf sich laden und nicht sterben.“ Stuart schreibt: „Die Situation lässt sich wie folgt zusammenfassen: Gott offenbart sich seinem Bundesvolk durch Symbole hinter Barrieren.“ Hier ist ein Beispiel: die Bundeslade war nicht Gottes Gegenwart (Gott war nicht „in“ der Bundeslade). Die Bundeslade ist ein Symbol für die Gegenwart Gottes. So weit so gut. Aber als die Bundeslade einmal fertiggestellt war, bekam kein Israelit diese zu sehen. Die Bundeslade war fortan immer verborgen, entweder hinter dichten Zeltvorhängen der Stiftshütte oder beim Transport unter einer Decke. Gott war da inmitten des Volkes Israel, aber nur durch Symbole. Und selbst die Symbole befanden sich hinter Barrieren.
Im AT sehen wir immer wieder erschreckende Geschichten von Menschen, die Gott entheiligt haben und sofort den Preis dafür bezahlt haben. Zwei Söhne von Aaron verloren ihr Leben, weil sie mit einem ‚falschen‘ Feuer zum Altar kamen. Ein Mann namens Usa fasste die Bundeslade an, weil sie herunter zufallen drohte, und er starb auf der Stelle. In Bet-Schemesch starben 70 Menschen, weil sie die Bundeslade auch nur angesehen hatten. Das passierte immer dann, wenn Menschen von sich aus versuchten, die Distanz zu Gott zu überwinden.
Wie anders ist das, was wir im NT sehen! Die erste Predigt, die Jesus hielt, war: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ Und aufgrund von diesem Vers hatte ich letztes Jahr während unserer Serie zur Bergpredigt immer wieder gesagt, dass in Jesus Christus die Herrschaft Gottes zum ersten Mal so nahe herbeigekommen ist, dass jeder Mensch, der es will, unter dieser Herrschaft leben kann. Oder anders gesagt, jeder, der will, kann eine direkte, vertraute, intime Beziehung mit Gott haben. In der Person Jesu, ist uns Gott so nah, dass alle Barrieren, alle Grenzen, alle Limitationen, die wir im alten Bund gesehen haben, aufgehoben zu sein scheinen.
In der Gegenwart Jesu sehen wir, wie Kinder zu ihm kommen und mit ihm spielen und von ihm in die Arme genommen werden. (Und alle diejenigen unter uns, die selbst Kinder haben, wissen, dass sie längst nicht so unschuldig sind, wie sie tun). Wir sehen die Jünger, die tagein tagaus engste Gemeinschaft mit ihm hatten, so dass jemand wie Johannes seinen Kopf an Jesu Brust lehnen konnte. Immer wieder lesen wir davon, dass Jesus Menschen anrührte, um sie zu heilen. Noch einmal die Frage: Wie ist das möglich? Wo ist das alles verzehrende Feuer? Wo ist der Rauch? Wo sind die Blitze und das Donnern des Heiligen Berges?
Statt eines Berges sehen wir einen Hügel draußen von Jerusalem. Jesus, der Sohn Gottes, starb am Kreuz durch die Hand von Sündern. Das Feuer fiel auf ihn! Jesus wurde vom Feuer verzehrt; Jesus wurde durchbohrt; Jesus wurde entheiligt. Jesus erfuhr die Trennung vom Heiligen Gott, die wir verdient hätten. Jesus erfuhr wie es ist, wenn das Angesicht Gottes vor ihm verborgen ist. Die Folge von Jesu Tod war, dass der dicke und schwere Vorhang im Tempel, der das Allerheiligste vom Heiligsten trennte, zerrissen wurde – von oben nach unten. Weil Jesus alle unsere Sünden auf sich geladen hat, können wir in die heilige Gegenwart Gottes kommen.
Was bedeutet das für unsere Identität? Jeder von uns will jemand sein. Jeder von uns baut seine Identität auf etwas. Ich möchte gerne klarstellen, dass jede andere Identität außerhalb von Gott uns früher oder später im Stich lassen wird. Wenn deine Identität darauf beruht, dass du eine tolle Karriere hast, was tust du, wenn du deinen Job verlierst? Wenn deine Identität darauf beruht, dass du Familie hast, was tust du, wenn deiner Familie irgendetwas zustößt, was früher oder später der Fall sein wird? Gott bietet dir eine Identität, die nichts und niemand dir wegnehmen kann: sein geliebtes Kind zu sein für das er mit seinem Blut bezahlt hat, um dich zu erkaufen; sein königlicher Priester zu sein, der in dieser Welt Gottes Liebe hinausträgt; von ihm gerettet zu sein. Was gibt es Besseres?