Predigt: 1. Mose 40,1-23

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Mit Gott im Gefängnis

„Sie antworteten ihm: Wir hatten einen Traum, aber es ist keiner da, der ihn auslegen kann. Josef sagte zu ihnen: Ist nicht das Träumedeuten Sache Gottes? Erzählt mir doch!“

(1. Mose 40,8 [EÜ])

Wir haben gesagt, dass die Genesis die Geschichte erzählt, wie wir Menschen unser wahres Zuhause verloren haben. Der Grund weshalb wir uns so fühlen wie wir uns fühlen, getrieben, unglücklich, auf der Suche nach etwas, was uns wirklich erfüllen kann, liegt daran, dass wir Heimatlose sind; auf der Suche nach dem wahren Ort, zu dem wir gehören. Die gute Nachricht ist, dass Gott gekommen ist, das Verlorene zu suchen; den Weg nach Hause wiederherzustellen. Gott begann mit Abraham und seiner Familie. Wir sind jetzt mit Josef in der vierten Generation angekommen. Vergangene Woche haben wir gehört, dass Josef durch Entführung und Versklavung in Ägypten gelandet war. Unser Text schließt nahtlos daran an.
Der Text lädt uns ein, über drei Dinge nachzudenken: erstens, über das Leiden; zweitens, über die Gegenwart Gottes; drittens, was das für uns bedeutet.

1. Über das Leiden
Unser Text beginnt damit, dass der Pharao, der Alleinherrscher Ägyptens mit den Diensten von zwei seiner Diener unzufrieden war. Es war ein Bäcker und ein Mundschenk. Weil die Jobs dieser Diener mit Essen und Trinken zu tun hat, könnten wir vielleicht denken, dass das relativ niedrige Bedienstete waren. Tatsächlich war das Gegenteil der Fall. Zu einer Zeit, in der man unliebsame Alleinherrscher gerne durch Vergiften beseitigt hat, waren Diener, die dem Pharao der Essen servierten, seine engsten Vertrauten. Nicht nur das, sie mussten gleichzeitig auch sehr fähige Manager sein (um es mit R. Worten zu sagen: Sie mussten die ganze Lieferkette im Blick haben).
Der Pharao lässt beide ins Gefängnis werfen. Vers 3 lautet: „Er gab sie in Haft in das Haus des Obersten der Leibwache, in den Kerker, den Ort, wo Josef gefangen gehalten wurde.“ Sie wurden dort gefangen gehalten, wo sich auch Josef befand. Und damit wären wir bei Josef. Josef war im Gefängnis. Josef litt im Gefängnis. Natürlich litt er. Freiheitsentzug ist immer schlimm. Es braucht nicht viel historisches Wissen, um zu verstehen, dass Gefängnisse in der Bronzezeit um einiges schlimmer und brutaler waren, als irgendwelche Justizvollzugsanstalten in Deutschland. Die Texte der Genesis geben nicht unmittelbar Aufschluss darüber, wie Josef sich gefühlt haben muss, aber wir finden sehr starke indirekte Hinweise.
In den Versen 14 und 15 lesen wir: „Doch denk an mich, wenn es dir gut geht! Erweise mir dann einen Liebesdienst: Erzähl dem Pharao von mir und hol mich aus diesem Haus heraus! Denn entführt hat man mich aus dem Land der Hebräer und auch hier habe ich nichts getan, dass man mich hätte in die Grube werfen müssen.“ Josef bittet hier den Mundschenken, dass dieser sich für Josef einsetzen soll. Diese beiden Verse zeigen uns, dass Josef kein Supermensch war. Die Gefangenschaft machte ihm zu schaffen. Das war nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Wir finden im nächsten Kapitel noch direktere Hinweise. Genesis 41,51-42 berichtet darüber, wie Josef zwei Söhne bekommt: „Josef gab dem Erstgeborenen den Namen Manasse – der vergessen lässt –, denn er sagte: Gott hat mich all meine Sorge und mein ganzes Vaterhaus vergessen lassen. Dem zweiten Sohn gab er den Namen Efraim – der Fruchtbare –, denn er sagte: Gott hat mich fruchtbar werden lassen im Lande meines Elends.“ Sorge würde man hier besser mit „Plage“ oder „Mühsal“ übersetzen. Und Josef erwähnt „Elend“. Noch einmal: Josef hatte in Ägypten eine sehr elende Zeit.
Ein paar Gedanken und Anwendungen dazu. Zum einen, Leiden sind unvermeidlich. Niemand von uns will das hören; die meisten wollen es nicht wahrhaben. Leiden und Schmerzen sind im menschlichen Leben nicht wegzudenken. Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir leiden wenig, weil wir viel zu früh versterben, aber dann leiden andere Menschen, weil wir in einem viel zu jungen Alter sterben; oder aber, wir erreichen ein gewisses Altern und werden Leiden haben: Leiden körperlicher Art und Leiden seelischer Art. Leiden sind unvermeidlich, aber die meisten versuchen es gerne unter den Teppich zu kehren. Wir leben in einer Gesellschaft, in welcher man alles darangesetzt hat, Leiden und Unannehmlichkeiten so gering wie möglich zu halten. Das ist an und für sich eine gute Sache, und wir sind dankbar dafür. Gleichzeitig ist es einer der Gründe, weshalb sich in reichen westlichen Ländern eine Erwartungshaltung eingeschlichen hat, dass Leiden unnatürlich sind. Für die Menschen damals war es die Norm, dass Dinge schief gehen und man darunter leidet; es war außergewöhnlich, wenn das mal nicht der Fall war. Für die Menschen heute ist es die Norm, dass es uns gut geht, (eigentlich viel zu gut geht!); wir empfinden es als sehr fremd, wenn das nicht der Fall ist.
Ich kann mich daran erinnern, als unsere Kinder Babys waren und geimpft werden mussten. Interessant war, dass es beim Impfen häufig eine kleine Verzögerung gab, zwischen dem Piksen der Nadel und dem Geschrei. Es ist, als ob die Babys zunächst verarbeiten müssen, dass jemand tatsächlich auf die Idee kommen würde, ihnen eine Nadel ins Bein zu stecken: „Ich kann nicht glauben, dass mir so etwas angetan wird!“ Vielleicht ist es bei vielen Menschen heute ähnlich. Wenn uns etwas Schlimmes passiert, ist ein großer Teil der Agonie der Schock, dass uns überhaupt etwas Böses passiert. Es ist kein angenehmer Gedanke, aber häufig sind wir nicht gut auf Leiden vorbereitet.
Ein weiterer Gedanke, viele Menschen leiden unverschuldet. Wenn Schüler zum Nachsitzen verdonnert werden, weil sie trotz wiederholter Warnung den Unterricht sabotieren, dann ist das Leid für die Schüler, aber sehr verdientes Leid. Wenn man sturzbetrunken Fahrrad fährt und einen Unfall hat, ist das Leid; und ebenfalls verdientes Leid. Aber nicht alles Leid ist so trivial. Wie war es bei Josef? In Vers 15b sagt er: „und auch hier habe ich nichts getan, dass man mich hätte in die Grube werfen müssen.“ Josef verstand, dass es bei den Ägyptern ein Rechtssystem gab, das die Menschen vor zu großer Willkür schützen sollte. Er hatte nichts verbrochen, das gerechtfertigt hätte, dass er ins Gefängnis geworfen wird, obwohl er ein einfacher Sklave war. Mit anderen Worten, Josef saß unschuldig im Gefängnis.
Und das ist die Geschichte von unzähligen Menschen. In sehr vielen Fällen ist das Leid, das man erduldet nicht selbst verschuldet. Bei Josef war es ganz klar die Schuld der anderen, die seiner Brüder und die Schuld von Potifars Frau. In anderen Fällen ist es praktisch unmöglich einen Schuldigen zu benennen. Jesus lehrte seine Jünger einmal, dass weder der Blindgeborene noch seine Eltern an seiner Behinderung schuld waren (Joh 9,2). Der Theologe David Hart schrieb ein Buch mit dem Titel „Die Tore der See“. Er schrieb das Buch anlässlich des schrecklichen Tsunamis, das sich 2004 im indischen Ozean ereignet hatte und das fast 230.000 Menschenleben gekostet hatte. Das Leid derer, die überlebt hatten und Angehörige und ihr ganzes Hab und Gut verloren hatten, ist unvorstellbar. Das Leid ist nicht selbst verschuldet.
Noch ein Gedanke, Leiden ziehen sich oft über eine lange Zeit. Josef kam als 17-jähriger Junge nach Ägypten. Wir wissen nicht, wie lange er Sklave war, bevor er ins Gefängnis kam. Was wir wissen ist, dass es nach der Befreiung des Weinexperten noch einmal 2 Jahre dauerte, bis Josef aus dem Gefängnis kam. Und was wir ebenfalls wissen, ist, dass Josef 30 Jahre alt war, als er zum Regent von Ägypten befördert wurde. Vor einigen Jahren gab es einen brutalen Film über die Sklaverei in Amerika, basierend auf einer wahren Begebenheit. Der Film hieß „12 years a slave“. Josef war 13 Jahre Sklave und Gefangener, ein Jahr länger als 12 Jahre. Das ist eine sehr, sehr lange Zeit.
Als ich damals in den USA zum ersten Mal Papa wurde, hatte ich einen Kollegen, der bereits drei Kinder hatte. Er gab mir ein paar richtig gute Ratschläge für die Kinder mit. Einer dieser Tipps war: Bei Kindern ist das meiste einfach eine Phase. Er erzählte mir, dass eins von seinen Kindern richtige Schreikrämpfe bekam, sobald es ins Auto einsteigen musste. Ein paar Male war es so schlimm, dass er dachte, dass ihm die Kraft fehlt, das noch länger auszuhalten. Nach ein paar Tagen und Wochen war es vorbei. Es war nur eine Phase. Ich wünschte, dass wir ebenfalls sagen könnten, dass unser Leiden nur eine Phase ist. In gewisser Weise ist es das. Aber diese Phase kann sich oft ganz schön lange hinziehen. In manchen Fällen über Jahre hinweg oder sogar Jahrzehnte.
Wie finden wir dann inmitten von schweren Zeiten Trost und Hoffnung?

2. Über die Gegenwart Gottes
Viermal hatte Kapitel 39 berichtet, dass Gott mit Josef war. Genesis 39,2: „Der HERR war mit Josef und so glückte ihm alles. Er blieb im Haus seines ägyptischen Herrn.“ Vers 3: „Sein Herr sah, dass der HERR mit Josef war und dass der HERR alles, was er unternahm, durch seine Hand gelingen ließ.“ Vers 21: „Aber der HERR war mit Josef. Er wandte ihm das Wohlwollen und die Gunst des Kerkermeisters zu.“ Vers 23: „Der Kerkermeister sorgte sich um nichts mehr, was Josef in seine Hand nahm, denn der HERR war mit ihm.“ Und mehrfach sagt der Text, dass Gottes Gegenwart in Josefs Leben sich darin äußerte, dass er Josef segnete; dass alles, was Josef in die Hand nahm, praktisch zu Gold wurde, weil Gott es ihm gelingen ließ.
Gott war mit Josef im Gefängnis. Wie äußerte sich das im Gefängnis? Wir sehen das an mindestens zwei Aspekten. Zum einen, wenn Gott da ist, dann passieren übernatürliche Dinge. Bäcker und Weinschenk waren einige Zeit im Gefängnis, als sie beide in derselben Nacht einen Traum hatten. Beide hatten erkannt, dass es ein besonderer Traum war mit einer Bedeutung. Robert Alter verwendet hier sogar das Wort „Lösung“ für Bedeutung. Vielleicht kann man sich das wie das Lösungswort von einem Kreuzworträtsel vorstellen. Ihr Traum hatte jeweils eine konkrete Lösung, wenn man nur in der Lage wäre, den Traum auf die eine richtige Weise zu deuten.
Josef sah, dass es den beiden Männern an diesem Morgen nicht besonders gut ging. Vers 8: „Sie antworteten ihm: Wir hatten einen Traum, aber es ist keiner da, der ihn auslegen kann. Josef sagte zu ihnen: Ist nicht das Träumedeuten Sache Gottes? Erzählt mir doch!“ Im Alten Ägypten war das Deuten von Träumen eine richtige Wissenschaft. Es gibt anscheinend Überlieferungen mit Anleitungen und Techniken dazu. Aber Josef sagt, dass es am Ende des Tages nur eine Autorität gibt, der Gott, der alle Dinge weiß und der alle Fäden der Geschichte hält. Die Tatsache, dass Josef die beiden Träume richtig auslegt, ist ein Wunder. Es ist kein spektakuläres Wunder, kein Engel, der Ketten sprengt, Erdbeben schickt und Türen auftut. Und trotz alledem geschieht hier etwas Übernatürliches. Wenn Gott mit uns ist, dürfen wir erwarten, dass Wunder passieren: kleine Wunder und große Wunder. Gott tut Übernatürliches.
Zum anderen, wenn Gott da ist, fügen sich alle Details auf solche Weise, dass sein guter Wille sich erfüllt. Josef sah zwei hochrangige Gefangene mit ominösen Träumen. Drei Tage später waren die Gefangenen wieder weg, und Josef war zurück in seinem Gefängnisalltag. Die Hoffnung, dass der Mundschenk sich für Josef einsetzte, müssen sich nach Wochen und Monaten des Wartens zerschlagen haben. Und gleichzeitig war Gott dabei, hinter den Kulissen zu arbeiten und zu orchestrieren. Gott war dabei, alles vorzubereiten, um Josef an die Stelle zu setzen, die er geplant hatte: als zweitmächtigster Mann der Welt hinter dem Pharao. Gott war dabei, die Rettung von allen Menschen in der Region vorzubereiten, vor der bitteren Hungersnot. Und vor allem war Gott dabei, die Rettung von Jakobs Familie vorzubereiten.
Das Problem ist natürlich, dass wir nichts davon sehen können, wenn wir leiden. Alles, was sich hinter unserem Schmerz abspielt, ist uns grundsätzlich verborgen. Wenn wir in echte Krisen und Nöte geraten, ist die schwierigste Frage immer die nach dem „warum“: Warum passiert mir das? Was ist der Sinn des Ganzen? Welchen guten Zweck könnte das haben? Die Frage nach dem warum, ist die, die in den allermeisten Fällen unbeantwortet bleibt. Wir sehen das auch im Buch Hiob. Hiob ist eines der wichtigsten Werke in der Literatur über das Leiden, nicht nur innerhalb der Bibel sondern überhaupt. Hiob klagte: „Ich sage zu Gott: Sprich mich nicht schuldig, / lass mich wissen, warum du mich befehdest!“ Wieder ist hier die Frage nach dem Warum. Das Interessante ist, dass diese eine Frage von Hiob bis zum Schluss unbeantwortet bleibt. Stattdessen antwortet Gott ihm, indem er ihm mehr als 60 Fragen stellt, auf die Hiob ebenfalls keine Antworten hat.
Und trotzdem ist Gott da. Gott war mit Hiob. Gott war mit Josef. Und seine Gegenwart äußerte sich darin, dass alle Details sich auf solche Weise gefügt haben, dass am Ende Gottes guter Wille geschieht.

3. Was das für uns bedeutet
Wenn wir alte Menschen beobachten, dann fallen uns vielleicht zwei sehr gegensätzliche Eigenschaften auf. Auf der einen Seite gibt es so etwas wie Altersmilde. Viele ältere Menschen werden entspannter, ruhiger und freundlicher. In einer Schweizer Studie haben die Autoren das als „Senior Coolness“ bezeichnet. Auf der anderen Seite finden wir auch das andere Extrem: ältere Menschen, die sehr bitter, unzufrieden, verzweifelt und enttäuscht sind. Man könnte meinen, dass das mit dem zusammenhängt, was sie erlebt haben: die Summe der positiven und negativen Erfahrungen, glückliche und unglückliche Beziehungen, gute und schlechte Zeiten. Gute Erlebnisse führen zu einem angenehmen Charakter, schlechte Erlebnisse zu einem grantigen Charakter. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.
Wenn wir Menschen bittere Erfahrungen machen, macht das etwas mit uns. Wir verändern uns. Wir werden entweder bitter und mit Groll erfüllt. Oder praktisch das Gegenteil geschieht in uns: wir werden geduldiger, freundlicher, liebevoller. Wir hatten gesehen, wie Josef sich als 17-jähriger Teenager verhalten hatte. Er war denkbarst naiv aber auch arrogant und ein verhätschelter Bengel. Die 13 Jahre Sklaverei und im Gefängnis veränderten ihn. Als Josef vor den Pharao tritt oder später seinen Brüdern begegnet, sehen wir eine unglaubliche Weisheit. Er hat tiefe Menschenkenntnis. Charakterlich ist er sehr reif, sehr geduldig, sehr gütig. Er ist ein Mensch, der ein gesundes Verhältnis zu seinen Emotionen hat: Auf der einen Seite ist er sich seiner Gefühle immer bewusst und trägt sein Herz auf der Zunge; auf der anderen Seite lässt er sich von seinen Gefühlen nicht hin- und hertreiben oder beherrschen. Mit anderen Worten, Josef ist zu einem wirklich reifen Menschen geworden, der uns alle ein Vorbild ist.
Frage: Wie können wir dann zu Menschen werden, die angesichts von schwierigen und harten Erfahrungen, nicht verbittern, sondern zu Menschen heranreifen, die Gott gebrauchen kann? Wie kann Leid in uns Gutes bewirken, anstatt uns zu zerstören? Die Antwort ist: Nur wenn wir uns darauf einlassen, dass Gott mit uns ist; dass Gott mit uns ist, wenn es uns gut geht geht und dass er mit uns ist, wenn es uns richtig dreckig geht; wenn wir verstehen, dass Gott mit uns ist, wenn wir in Freiheit unseren Träumen nachgehen und dass Gott mit uns ist, wenn wir im Gefängnis unsere Träume beerdigen.
Woher wissen wir, dass Gott mit uns ist, so wie Gott mit Josef war? Woher wissen wir das nicht nur intellektuell, sondern auch mit unserem Herzen? Wie kann Gottes Gegenwart bei uns nicht einfach nur Kopfwissen sein, sondern zu echtem Trost und Zuversicht führen? Wie kann Gottes Gegenwart uns verändern wie Josef? Wir müssen verstehen, dass uns noch einmal ganz andere Ressourcen zur Verfügung stehen.
Jeden Sonntag stehen wir gemeinsam auf und bekennen unseren Glauben durch das Apostolische Glaubensbekenntnis. Vielleicht gibt es Sonntage, an welchen wir es etwas gedankenlos und etwas mechanisch vor uns her lesen. Aber was da drinsteht, ist wirklich erstaunlich. Unter anderem heißt es da, dass Jesus unter Pontius Pilatus gelitten hat. Jesus litt. Jesus hatte Schmerzen. Jesus wurde gekreuzigt, Jesus starb und Jesus wurde begraben. Und dann kommt dieser seltsame Satz, der uns von den frühen Christen überliefert ist und der deshalb Teil des Bekenntnisses geworden ist: „Hinabgestiegen ist das Reich der Toten.“ Jesus war im Reich der Toten. Epiphanius, ein Kirchenvater aus Zypern hatte in einer Predigt dazu gesagt: „Etwas Seltsames geschieht – heute herrscht große Stille auf der Erde, große Stille und Ruhe. Die ganze Erde schweigt, weil der König schläft. Die Erde bebte und ist still, weil Gott im Fleisch eingeschlafen ist und alle auferweckt hat, die seit Anbeginn der Welt geschlafen haben. Gott ist im Fleisch gestorben, und die Hölle zittert vor Angst.“
Jesus ist für uns gestorben und in das Reich der Toten hinabgestiegen. Was ist die Konsequenz? John Ortberg sagte: „Es gibt keine Hölle, von der du jemals gehört hast, es gibt keine Hölle, die du jemals gekannt hast, keine Hölle, die du jemals sehen oder von jemand anderem hören wirst, die wirklich von Gott verlassen ist. Jesus Christus besiegt unseren großen Feind, den Tod, nicht indem er seine Unbesiegbarkeit über ihn verkündet, sondern indem er sich ihm unterwirft. Wenn du diesen Jesus in einem Grab finden kannst, wenn du ihn im Tod finden kannst, wenn du ihn in der Hölle finden kannst, wo kannst du ihn dann nicht finden? Wo wird er nicht auftauchen?“
Ortberg erzählte davon, wie er mit seiner Familie auf Reisen war. Die Kinder waren ganz aufgeregt, weil das Hotel einen Swimmingpool hatte. Das ist aber natürlich nicht ungefährlich. Er versuchte seinen Kindern einzutrichtern, dass sich beim Spielen wirklich aufpassen mussten, nicht in das Becken zu fallen. Er sagte ihnen immer wieder: „Wenn ihr in den Pool fallt, dann ertrinkt ihr.“ Es kam wie es kommen musste: Seine vierjährige Tochter fiel versehentlich in den Pool. Aber er war sofort zur Stelle und holte sein Kind aus dem Wasser. Seine Tochter war aber trotzdem geschockt und in Tränen aufgelöst. Sie weinte und sagte: „Papa, ich bin ertrunken. Ich bin ertrunken.“ Er antwortete: „Nein, mein Schatz. Du bist nicht ertrunken. Papa hat gesehen, wie du ins Wasser gefallen bist und hat dich sofort herausgeholt. Das war jetzt überhaupt nicht schlimm. … Also lass uns Mama nichts davon erzählen.“
Jesus ist für uns gestorben. Weil Jesus für uns gestorben ist, weil Jesus in das Reich der Toten hinabgestiegen ist, gibt es für uns kein „Ertrinken“: die allmächtigen, unendlich starken Arme von unserem himmlischen Vater sind da, um uns in jeder Not zu retten.