Predigt: 1. Mose 3,8 – 24

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Zerbrochene Beziehungen

„Und sie hörten Gott den HERRN, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes des HERRN zwischen den Bäumen im Garten.“

1. Mose 3,21

Christen sind sich nicht einig darin, ob unser heutiger Text sprichwörtlich zu verstehen ist oder eher bildlich. Es gibt viele Christen, die unseren Text als historische Tatsache betrachten. Sie lesen den Text als einen historischen Bericht, der sich genau so zugetragen hat: mit einer Frau namens Eva und mit einer sprechenden Schlange. Es gibt viele andere christliche Ausleger, die diesen Text nicht wortwörtlich lesen. Sie sehen den Text eher als ein Bild oder als eine Art Gleichnis. Um das zu veranschaulichen erwähnt der großartige Kommentator Derek Kidner, die Geschichte von Davids Sünde. 2. Samuel 11 ist der historische Tatsachenbericht, also das, was sich tatsächlich zugetragen hat. Aber in 2. Samuel 12 erzählt der Prophet Nathan diese Sünde als ein Gleichnis. So ähnlich könnte es auch in Genesis 3 sein. Wenn dem so ist, dann man findet in unserem Text einen wahren historischen Kern, ohne dass sich historisch alles genau auf diese Weise zugetragen haben muss. Was ist richtig? Beide Seiten haben ihre Argumente, die mal mehr mal weniger überzeugend sind.

Ganz egal welche Sicht man auf diesen Text hat, finde ich, dass dieser Text erstaunlich ist. In wenigen Zeilen werden hier Eigenschaften der Menschen offenbart, wie man sie treffender und präziser kaum formulieren könnte. Die Beschreibung des Menschen trifft genau ins Schwarze.

Was lernen wir im Text also über uns? Drei Dinge sehen wir: erstens, unsere tiefe Bosheit; zweitens, die Folge dessen; und drittens, eine neue Hoffnung.

Erstens, unsere tiefe Bosheit

Der erste Punkt klingt sehr negativ. Und als ich vor vielen Jahren an einem Lichtblick-Gottesdienst in Köln teilgenommen hatte, war da ein junger Mann, mit dem wir uns unterhalten hatten. Ein Freund von mir hatte ihn willkommen geheißen und ihn gefragt, warum er längere Zeit nicht da war. Seine Antwort war: „die Kirche versucht doch nur, uns Schuldgefühle einzuflößen. Und damit haben ich abgeschlossen. Das brauche ich nicht mehr.“ Wenn ich mit Menschen über den Glauben diskutieren will, stelle ich meistens eine einfache Frage: „glaubst du, dass Menschen gut sind oder böse?“ Und aus dieser simplen Frage entstehen meistens richtig tiefgehende Diskussionen. Ich glaube nicht daran, dass alle Menschen nur böse sind. Aber ich glaube, dass der heutige Text uns auf eine tiefe Bosheit aufmerksam macht, die in einen jeden von uns schlummert. Diese Bosheit zeigt sich auf verschiedene Weise in unserem Alltag.

Was hatten Adam und Eva verbrochen? In Vers 11 stellt Gott die Frage: „Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?“ Und genau das war es natürlich, was Adam und Eva getan hatten. Um ganz kurz zu wiederholen, was es damit auf sich hat: Gott hatte Adam und Eva die Erlaubnis gegeben, von allen Bäumen im Garten zu essen. Es gab nur einen einzigen Baum, von dem Gott sagte: „von diesem Baum bitte nicht.“ Das war das einzige Gebot, das Gott den Menschen gegeben hatte. Und die Menschen hatten sich nicht daran gehalten.

Frage ist dann natürlich, was daran so schlimm war. Hier ist das, was Gottes Gebot bedeutete: Adam sollte nicht von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen essen, einfach aus dem einen Grund, weil Gott es ihm gesagt hatte. Es lag nicht daran, dass der Baum an sich schlecht war; oder dass die Früchte des Baums giftig oder ungenießbar waren. Der Baum an sich war vielleicht wie jeder andere Baum auch. Gott sagte also praktisch: „Kannst du dich an eine Sache halten, nur aus dem einen Grund, dass ich Gott bin und du nicht? Kannst du nicht von diesem Baum essen, weil ich dich liebe und du mich liebst?“

Und genau dieser eine Punkt macht deutlich, dass in allen unseren guten Taten, die Motivation das A und O ist. Viele Unternehmen haben einen Verhaltens-Codex. Der Verhaltens-Codex beruft sich auf die gesetzlichen Bestimmungen, aber tut häufig noch etwas anderes. Er appelliert an das menschliche Gewissen, sich ethisch und integer zu benehmen. Beruflich leite ich ein Konsortium, in welchem sich verschiedene Pharma- und Unipartner zusammengefunden haben. Als wir unser erstes offizielles Treffen zum Projektstart hatten, hatte mir ein erfahrener Kollege … den Tipp gegeben, ebenfalls ein paar Regeln mit auf den Weg zu geben, auf die sich alle Partner einigen sollten. Andere Menschen mit Respekt zu behandeln ist eine gute Sache. Geistiges Eigentum von anderen anzuerkennen und das nicht zu klauen, ist eine gute Sache. Warum versuchen wir alle dazu zu bewegen, sich daran zu halten? Der Grund ist, weil es uns Menschen hilft, gut miteinander auszukommen. Die Verhaltensregeln sollen helfen, eine Umgebung zu schaffen, in der man produktiv gemeinsam arbeiten kann. Sie sollen helfen, ein Klima zu schaffen, in dem man es überhaupt gut miteinander aushält.

Was sind dann also Gründe, weshalb Menschen Gutes zu tun? Eine der Gründe ist, weil es uns selbst hilft. Wenn wir nicht lügen und nicht betrügen, dann werden wir viel eher von den anderen als vertrauenswürdig wahrgenommen, was uns wiederum gut tut. Wenn wir andere mit Respekt und Freundlichkeit behandeln, dann ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich höher, dass wir ebenfalls so behandelt werden. Wenn wir ehrlich und transparent sind, stehen die Chancen höher, dass es die anderen auch zu uns sind.

Was sagt das dann über unsere intrinsische Motivation, Gutes zu tun? Zwei Motive stehen dahinter. Das eine ist Furcht. Wir verhalten uns gut, weil wir uns vor den möglichen negativen Konsequenzen fürchten, wenn wir es nicht tun; wir fürchten uns davor, unseren Ruf zu verlieren; oder Karrieremöglichkeiten zu verlieren. Das andere Motiv ist Stolz. Man verhält sich gut, weil man sich als etwas Besseres vorkommt. Man tut das Richtige, weil man nicht so schlecht und schlimm ist wie die anderen unmoralischen, verdorbenen Verlierer. Man tut Gutes, weil man eben diszipliniert und fleißig ist, nicht so wie die anderen, die ihr Leben nicht auf die Reihe kriegen. Es ist die Motivation der Pharisäer, die immer auf andere herabgeblickt haben. Das sind die Hauptmotive, die uns häufig antreiben, Gutes zu tun: Furcht vor negativen Konsequenzen oder eitler Stolz. Beides, sowohl Furcht als auch Stolz sind am Ende des Tages selbstzentriert und egoistisch. Man tut das Gute mehr für sich selbst als für andere.

Und genau das war es, was Gott nicht wollte. Gott wollte, dass Adam und Eva nicht von dem einen Baum essen, nicht deshalb, weil es ihnen Vorteile bringt, wenn sie es nicht tun; und auch nicht deshalb, weil davon zu essen für sie direkte Nachteile bringen würde. Gott wollte, dass sie es nicht tun, nicht für sie selbst, sondern für ihn. Gott wollte, dass sie ihm gehorchen, nicht um ihretwillen, sondern um seinetwillen. Und die Tragik der Geschichte ist, dass Adam und Eva das nicht wollten. Ihre Tat war ein Ausdruck dessen, dass sie Gott nicht auf dem Thron ihres Herzens haben wollten.

Was sagt das dann also über die tiefe Bosheit des Menschen? Was sagt das über uns? Wir denken so oft, eigentlich zu oft, dass Sünde lediglich bedeutet, schlechte Dinge zu tun. Und in der Tat, Stehlen, Lügen, Ehebrechen sind Sünde. Hass und Rassismus sind Sünde. Jeder einzelne von uns denkt, sagt und tut Dinge, die schlecht sind. Das ist leider so. Aber der Ungehorsam von Adam und Eva zeigen, dass selbst die guten Werke, die wir vollbringen, viel zu oft aus den falschen Motiven getan werden. Selbst unsere guten Taten haben so oft eine faule Wurzel, weil es uns ständig um uns selbst geht und weniger um Gott und die anderen. Die Tatsache, dass selbst die guten Dinge, die wir tun, häufig aus bösen Motiven geschehen, ist ein Indiz dafür, dass in jedem menschlichen Herzen Bosheit ist: eine Bosheit im Herzen, deren Wurzeln bis in die tiefsten Ecken unserer Herzen herunterreichen.

Zweitens, die Folge dessen

Wir sehen in der Tat eine ganze Lawine von Konsequenzen. Wenn man alles das in einem Wort zusammenfassen wollte, würde ich sagen, dass wir zerbrochene Beziehungen sehen. Das Resultat der Sünde sind zerbrochene Beziehungen. Hier sind ein paar ziemlich klare Indizien, die darauf hinweisen. Vers 8: „Und sie hörten Gott den HERRN, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes des HERRN zwischen den Bäumen im Garten.“ Adam und Eva versteckten sich vor Gott. Sie wollten nichts mit ihm zu tun haben. In Vers 10 sagt Adam: „Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.“ Adam und Eva hatten sich geschämt. Wir gehen gleich darauf ein, was das genau bedeutet. Als Gott Adam dann zur Rede stellt bezüglich des Baumes, war Adams Antwort: „Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum und ich aß.“ Es ist als ob Adam sagen würde: „Gott, hast du nicht gesagt, dass Eva mein Helfer sein sollte? Und jetzt sieh an, was sie angerichtet hat. Ich bin so enttäuscht von ihr und von dir.“ Als Gott die Frau zu Rede stellt, sehen wir wieder eine Schuldzuweisung: „Die Schlange betrog mich, so dass ich aß.“ Ihre Ausrede war: „Ich wurde betrogen! Ich bin doch nur das Opfer. Ich kann gar nichts dafür.“

Als nächstes sehen wir den Fluch der Sünde. Auf der Arbeit wird ein Fluch liegen: Arbeit wird uns nicht nur anstrengen, sie wird uns kaputtmachen. Jemand sagte einmal, dass unser ganzes Leben ein Kampf gegen Staub ist. Wenn eine Ecke im Haus frei von Staub ist, verstaubt die andere Ecke. Was ist der Lohn für diese Kampf? Wenn wir sterben, werden wir mit 2 Metern Staub bedeckt. Als nächstes sehen wir einen Fluch auf den Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Derek Kidner fasst alles das mit folgenden Worten zusammen: „Drei Arten von Chaos, die einen großen Teil menschlichen Leids abdecken, erscheinen im Keim in diesem Kapitel. Innerhalb persönlicher Beziehungen sehen wir die ersten Anzeichen gegenseitiger Entfremdung und die Brutalisierung sexueller Liebe. Misstrauen und Leidenschaften, die in der Gesellschaft wüten werden, sind hier in ihrer Embryonalform. Auf der geistlichen Ebene befindet sich der Mensch in seinem Selbstwiderspruch zum einen auf der Flucht vor Gott und zum anderen im Kampf gegen das Böse. Auf der physischen Ebene ist sein Leben ein schmerzhafter Kampf die grundlegenden Prozesse zu erneuern und zu erhalten, die zu einem gewissen Maß gestört sind.“ Das ist die Welt nach dem Fall.

Bevor wir fortfahren, wollen wir uns an dieser Stelle Gedanken darüber machen, wie sich die zerbrochenen Beziehungen auf unser persönliches Leben anwenden lassen. Wir könnten dieses Thema stundenlang vertiefen. Ich will nur einen Punkt herauspicken, der in Genesis 3 ziemlich zentral ist: die Scham.

Adam und Eva schämten sich und versuchten ihre Nacktheit zu bedecken. Es gibt eine Reihe von Träumen, die von ganz vielen Menschen geträumt werden. Einer von diesen Träumen, ist, dass man plötzlich vor anderen Menschen nackt ist. Und sehr häufig schämt man sich dafür. Interessanterweise ist Nacktheit und Scham ein relatives Phänomen. Z.B. ist es im Schwimmbad oder am Strand völlig in Ordnung, sich nur in Badehose und Bikini zu zeigen. Aber in fast allen anderen gesellschaftlichen Situationen wäre das nicht angemessen. Und die meisten von uns kennen es, wenn man durch seine Kleidung komplett aus der Rolle fällt. Zum Beispiel wäre es inakzeptabel, wenn ein Bankangestellter in Jeans und T-Shirt zur Arbeit kommen würde. Man kann auch aus der Rolle fallen, indem man völlig overdressed ist. Ich hatte einmal einen Termin mit Kollegen von …, einem etwas konservativen Pharma-Unternehmen. Ich kam ziemlich lässig gekleidet im Polo-Shirt. Mein Chef hatte zumindest noch ein Hemd an. Der dritte Kollege kam in einem richtig schicken Anzug mit Krawatte. Als er mich sah, machte er eine Bemerkung bezüglich meiner legeren Kleidung. Mein Chef sagte nur: „Wir sind Biotech. Wir dürfen das.“ Und sofort hat sich der gut gekleidete Kollege die Krawatte ausgezogen. Nacktheit ist ein relatives Phänomen.

Was genau bedeutet Nacktheit dann? Wer nackt ist, der gibt sich den anderen so zu erkennen, wie er ist. Das gilt sowohl im physischen wie auch im charakterlichen Sinne. Wer sich den anderen so zeigt, wie er ist, der macht sich verletzlich und verwundbar. Ein hässliches Beispiel dafür sind Opfer, die „Bodyshaming“ erfahren, z.B. weil ein unvorteilhaftes Foto von ihnen erschienen ist. Was bedeutet das dann also? Diejenigen, die sehen aber selbst nicht gesehen werden, sind im Vorteil. Diejenigen, die sehen und selbst nicht gesehen werden, sind in einer Position der Macht. Hier ist ein sehr praktisches Beispiel dafür, wie sich das bei uns zeigt: als die COVID-Krise bei uns durchgeschlagen hat, sind wir auf Online-Gottesdienste umgestiegen. Wir haben euch, die Teilnehmer, mehrfach darum gebeten, ihre Webcams einzuschalten (sofern eine vorhanden ist), weil es die Möglichkeiten zur Gemeinschaft drastisch verbessert. Manche sind der Bitte nachgekommen. Aber viele von euch haben das trotz vorhandener technischer Möglichkeiten nicht gemacht. Ich will niemanden Vorwürfe machen. Und ich kann es absolut nachvollziehen. Fakt ist, dass man sich immer besser fühlt, wenn man andere sehen kann, aber selbst nicht von anderen gesehen wird.

Wir alle sind absolute Weltmeister darin, zu kontrollieren, was wir vor anderen Menschen preisgeben. Bewusst oder unterbewusst betreiben wir ununterbrochen ein Selbstimage-Management. Hier sind ein paar Beispiele: Die Männer unter uns: warum ziehen manche von uns den Bierbauch ein, wenn jemand ein Foto von uns machen will? Die Frauen unter uns: warum darf man euch aus manchen Winkeln erst gar nicht fotografieren? Wenn wir uns zu klein fühlen, warum versuchen wir mit Absätzen und vorteilhaften Frisuren zu versuchen, uns größer zu machen? Wenn wir uns zu groß fühlen, warum versuchen wir uns kleiner zu machen? Diejenigen unter uns, die die Tendenz haben, eher unordentlich zu sein: warum räumen wir erst dann und häufig nur dann auf, wenn wir Besuch bekommen? Wenn wir auf ein Date gehen, warum zeigen wir uns nur von unserer absoluten Schokoladenseite, obwohl wir wissen, dass wir eigentlich nicht so sind? Wer von uns war schon mal in einem Gespräch mit Kollegen oder Freunden, die sich über etwas unterhalten haben, wovon man gar keine Ahnung hat; wer von uns hat in solchen Situationen einfach mitgenickt und „uhum“ gesagt, anstatt einfach zuzugeben, dass man keine Ahnung von der Materie hat, weil man nicht zeigen will, wie ignorant man ist? Vielleicht fallen euch noch viele weitere Beispiele ein. Was ist das alles? Das sind Feigenblätter, die wir benutzen, um unsere Nacktheit vor anderen Menschen zu verbergen.

Warum verhalten wir uns so? Und die Antwort ist folgende: seit dem Fall sind wir Menschen davon überzeugt, dass wir entweder gekannt oder geliebt werden können, aber nicht beides gleichzeitig. Da wir denken, dass beides nicht möglich ist, ist es bevorzugen, lieber nicht wirklich gekannt zu werden. Beides ist aber notwendig, um echte Beziehungen führen zu können. John Ortberg hat das auf einem Diagramm sehr anschaulich illustriert. Auf der einen Achse steht: „Angenommen sein“. Auf der anderen Achse steht: „Gekannt werden.“ Nehmen wir an, niemand kennt uns und niemand hat uns angenommen. Dieser traurige Fall würde bedeuten, dass wir überhaupt keine Beziehungen haben. Das wäre Isolation. Angenommen der Fall wir werden gekannt, aber werden nicht angenommen. Wer immer solche Erfahrungen macht, der weiß, wie verletzend das ist. Dieses Phänomen heißt Ablehnung. Auf der anderen Seite, wenn wir nicht gekannt werden aber angenommen sind, dann befinden wir uns in einer oberflächlichen Beziehung. Diese Beziehung nur den Schein echter Gemeinschaft. Wenn wir aber sowohl gekannt werden und gleichzeitig angenommen sind, dann ist das nichts weniger als Liebe.

Wir alle wollen eigentlich diese Art von Liebe erfahren. Wir haben die Vermutung, dass eine solche Liebe uns wieder heil und ganz machen könnte. Und gleichzeitig wissen wir, dass wir nicht so sind, wie wir hätten sein sollen. Wir wissen, dass wir schwach sind, unvollkommen, gefallen, gezeichnet von der tiefen Bosheit in uns. Was ist die Lösung?

Drittens, eine neue Hoffnung

Auffallend im Text ist, dass es Gott ist, der die Initiative ergreift. In Vers 8 lesen wir: „Und sie hörten Gott den HERRN, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war.“ Adam und Eva hatten sich vor Gott versteckt wie Verbrecher vor der Polizei. Aber Gott kommt nicht als Polizist oder als Richter. Dasselbe Wort, was hier mit „ging“ übersetzt wird, finden wir später in Genesis, wenn es heißt, dass Henoch oder Noah mit Gott wandelte. Gott wandelte im Garten immer noch als ein Freund, obwohl er von den Menschen betrogen war. Gott kam seine Kinder besuchen.

In Vers 9 ist es Gott, der den Menschen ruft: „Wo bist du?“ Nicht der Mensch macht sich auf die Suche nach Rettung. Gott macht sich auf die Suche nach dem Menschen. Das verlorene Schaf macht sich nicht auf den Weg zum Hirten. Der Hirte kommt und findet das verlorene Schaf.

Und schließlich sehen wir in dem berühmten Vers 15 das sogenannte Protoevangelion: „Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.“ Eines Tages würde ein Nachkomme der Frau die Schlange besiegen. Eines Tages würde dieser Nachkomme alles das, was mit dem Fall in die Brüche gegangen ist, reparieren und wiederherstellen.

In unserem reichhaltigen Text finden wir noch einen weiteren Hinweis auf das, was Jesus eines Tages tun würde. In Vers 21 lesen wir: „Und Gott der HERR machte Adam und seiner Frau Röcke von Fellen und zog sie ihnen an.“ Adam und Eva hatten Feigenblätter benutzt. Das war kein guter Schutz. Gott bedeckt ihre Scham. Gott ist der Erfinder von Kleidung. Die Kleidung, die Gott ihnen machte, war aus Fellen gemacht. Das impliziert, dass Tiere gestorben waren.

Viele Jahre später sehen wir das Lamm Gottes, das wahre Opfer. Jesus ist der eine, wahre Nachkomme der Frau. Er ist der Mensch, der wir alle hätten sein sollen. Als Jesus hingerichtet wurde, gehörte es zum Schauspiel, dass er nackt ausgezogen wurde. Jesus hing ohne Kleidung am Kreuz. Er wurde ganz entblößt. Jesus wurde maximal gedemütigt. Jesus erduldete die maximale Schande, die absolute Ablehnung, die wir verdient hätten. Das ist der Preis, der bezahlt werden musste, damit unsere Scham bedeckt werden kann. In Jesus Christus bedeckt Gott unsere Nacktheit. Gott legt ein weißes Gewand über unsere Fehler, unsere Bosheit, alle die Dinge, für die wir uns in Grund und Boden schämen oder schämen sollten.

Was bedeutet das dann? In Jesus erfahren wir die wahre Liebe Gottes. Gott sieht uns. Er kennt uns durch und durch. Er sieht unsere tiefe Bosheit. Am Kreuz sehen wir, dass er uns trotzdem angenommen hat. Er liebt uns, obwohl er uns kennt. Wer von dieser Liebe geschmeckt hat, der bekommt die Kapazität von den Wunden und Verletzungen frei zu werden, die uns in der Vergangenheit zugefügt wurden. Wer diese Liebe erfahren hat, der wird befähigt, andere zu lieben. Wer diese bedingungslose Annahme Gottes erfahren hat, der wird selbst den Wunsch haben, eine Gemeinschaft zu bauen, in der andere Menschen das erfahren können.

Wo stehst du in diesem Heilungsprozess? Wo stehen wir als Gemeinde?

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