Predigt: 1. Mose 32,1 – 33

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Die dunkle Nacht und der neue Tag

„Und er sprach: Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“

(1.Mose 32,27)

Jakob ist nicht nur eine der faszinierendsten Gestalten in Genesis; er gehört definitiv zu den interessantesten Charakteren der Bibel. Viele, die sich vielleicht mit Abraham oder Isaak nicht so identifizieren können, finden in ihrem Leben die ein oder Parallele zu Jakob. Jakob ist eine Person, die viele moderne Menschen in besonderem Maße anspricht. Und heute haben wir eindeutig den Höhepunkt deiner Geschichte.
Drei Dinge passieren ihm, die allesamt für uns Relevanz haben. Jakob erfährt eine tiefe Finsternis; er begegnet einem unergründlichen Geheimnis; und erlebt einen neuen Tag.

Erstens, die tiefe Finsternis
Die meisten von uns sind mit der Geschichte von Jakob vertraut. Jakob hatte das Erbrecht seines älteren Bruders erschlichen, indem er ihn übers Ohr gehauen und den gemeinsamen Vater belogen hatte. Er hatte viele Jahre weit weg von zu Hause bei seinem Onkel Laban gewohnt. Bei Laban hatte er geheiratet, und dann nochmals geheiratet, und dann streng genommen noch zwei weitere Male geheiratet. Er hatte sich Reichtum angehäuft. Nach vielen Jahren und einer gewachsenen, unterschwelligen Feindschaft mit Laban, war für ihn die Zeit gekommen, nach Hause zu gehen.
In Vers 4 sehen wir, dass Jakob Boten zu seinem Bruder Esau schickt. Er lässt seinem Bruder folgendes ausrichten: „Bei Laban habe ich mich aufgehalten und bin bis jetzt geblieben. Ich habe Stiere, Esel, Schafe und Ziegen sowie Knechte und Mägde bekommen. Ich schicke nun meinem Herrn eine Nachricht, um dein Wohlwollen zu finden.“ Vielleicht kann man das folgendermaßen übersetzen: „Ich bin verheiratet und habe Kinder. Ich bin erwachsen und vernünftig geworden und bin nicht mehr der Chaot, der ich vorher war. Wollen wir wieder Freunde werden?“
Die Boten kommen zurück zu Jakob und sagen: „Als wir zu deinem Bruder Esau kamen, war auch er schon unterwegs zu dir. Vierhundert Mann hat er bei sich.“ Diese Nachricht ist seltsam. Wir können aus dieser einen Aussage nicht herauslesen, was Esau im Sinn hatte. Vierhundert Mann war eine typische Milizen-Einheit damals. Die Tatsache, dass er mit so vielen Männern loszog, konnte natürlich als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden, dass Esau seinem Bruder mit feindseliger Absicht entgegen ging. Vers 8 sagt: „Jakob fürchtete sich sehr und Angst ergriff ihn.“ Jakob wurde durch diese Nachricht getroffen wie der Schlag.
In den nächsten Versen sehen wir wie Jakob mit der Situation umging. Er fing sofort an, zu planen. Er machte aus seinem großen Lager zwei Lager. Dann betete er. Dann plante er wieder: er sendet eine ganze Reihe von teuren und wertvollen Wiedergutmachungsgeschenken. Und er plant weiter. Jakob war ein Kontroll-Freak. Er hat nichts dem Zufall überlassen. Alles, was er kontrollieren konnte, das wollte er kontrollieren. Nichts sollte geschehen, was er nicht zuließ und was er nicht bereits eingeplant hatte.
Verse 22 und 23: „er aber bleib diese Nacht im Lager. Und Jakob stand auf in der Nacht und nahm seine beiden Frauen und die beiden Mägde und seine elf Söhne und zog durch die Furt des Jabbok.“ Und Vers 25: „Jakob aber blieb allein zurück.“ Und hier ist sie: die tiefe Finsternis, in der sich Jakob befand. Jakob hatte tiefe Furcht. Die Furcht hatte ihn gepackt, er stand nicht darüber. Wieder war er einsam und allein. Und wieder war es Nacht. Nicht nur sprichwörtlich Nacht, sondern auch literarisch und symbolisch. Was genau bedeutet das? Was die Finsternis von Jakob angeht, sehe ich mindestens zwei Aspekte. Und ich denke, dass beides Relevanz hat für unser Leben.
Der erste Aspekt der tiefen Finsternis war seine Furcht. Zweimal erwähnt es der Text explizit. Wir sehen seine Furcht implizit in der Art und Weise wie er handelt. 400 kampferprobte, marodierende Soldaten waren unterwegs zu ihm. Natürlich hatte Jakob Panik. Wer hätte das nicht in einer solchen Situation? Aber da war noch mehr. In seinem Gebet sagt Jakob: „ich hatte nicht mehr als diesen Stab, als ich hier über den Jordan ging, und nun sind aus mir zwei Lager geworden.“ Jakob nannte hier seinen Besitz. Er war ein sehr reicher Mensch. Er hatte Furcht davor, alles auf einen Schlag zu verlieren. Und da war noch mehr: „denn ich fürchte mich vor ihm, dass er komme und schlage mich, die Mutter samt den Kindern.“ Der andere „Besitz“ war seine Familie. Seine Ehefrauen und seine Kinder. Er hatte Furcht, sie zu verlieren.
Jeder von uns hatte schon Erfahrungen mit Angst und Furcht. Jeder von uns hatte natürlich schon mal Angst vor einer wichtigen Prüfung oder einer wichtigen Klausur; vermutlich hatten wir alle schon mal Angst wegen finanziellen Problemen; oder Angst in akuten Situationen, z.B. weil man weiß, dass man sich in Gefahr befindet. Aber die Angst, die Jakob hier hat, ist von einer ganz anderen Qualität. Sie ist existentieller.
Vadim Gluzman ist ein großartiger Geiger. In einem Interview wurde er einmal gefragt, welche Bedeutung das Publikum hat. Gluzman musiziert immer mit Leib und Seele. Wenn er spielt, dann öffnet er sein ganzes Herz. Er sagte folgendes: „Ich gebe ihnen alles, was ich habe. Ich hoffe auch umgekehrt, dass sie mir alles geben. … Denn wenn ich nicht für ein Publikum spiele, dann ist mein Leben total bedeutungslos. Wenn man das Publikum herausnimmt aus der Kette, dann gibt es für mich keinen Existenzgrund.“ Der Interviewer fragte dann, ob der Künstler in diesem Zusammenhang das Wörtchen „Liebe“ verwenden würde. Gluzman sagte daraufhin: „Wenn Liebe für Sie bedeutet, dass Sie ohne etwas nicht leben können, dann kann ich sagen: ja.“ Aus dem Kontext des Interviews heraus weiß ich, dass Gluzman sich durchaus ein Leben ohne Geige vorstellen kann. Aber das, was er sagt und wie er es sagt, ist trotzdem interessant. Gibt es etwas im Leben, was so grundlegend ist, dass wir ohne das nicht leben können?
Für Jakob war sein Reichtum nicht einfach nur Geld. Und seine Familie waren nicht einfach nur seine geliebten Menschen. Sie waren mehr als das. Sie waren seine Identität. Er konnte ohne das nicht leben. Er war davon überzeugt, dass er ohne seinen Besitz und ohne seine Familie nicht leben konnte. Jeder von uns hat etwas im Leben, von dem wir ausgehen, dass es essentiell ist. Wie bei Jakob können das unsere Ersparnisse sein; oder unsere Karriere; oder das Haus, das wir gebaut haben; oder die Familie. Essentiell bedeutet, dass es unsere Identität ausmacht. Es bedeutet, dass wir darin den ganzen Sinn unseres Lebens sehen. Weil diese Dinge in seinem Leben essentiell waren, war die Furcht davor, sie zu verlieren, eine existentielle Furcht.
Um ein Beispiel dafür zu geben: stellen wir uns vor, wir haben ein wichtiges Vorstellungsgespräch. Natürlich sind wir nervös. Aber wir können uns darauf einigen, dass es einen himmelweiten Unterschied zwischen einer Person geben wird, die sagt: „Es ist nur ein Job“ und einer anderen Person, die sagt: „Das ist mein Traumjob in meinem Traumunternehmen. Wenn ich das erreicht habe, dann bin ich jemand. Wenn ich das habe, dann habe ich endlich etwas erreicht, auf das ich stolz sein kann. Wenn ich da angenommen werde, dann wird mir das niemand mehr nehmen können.“ Wer von den beiden wird entspannter ins Gespräch gehen können?
Was die Finsternis der Nacht angeht, muss uns bewusst sein, dass wir früher oder später alle einmal hindurchgehen müssen. Es wird der Moment kommen, an dem wir alles loslassen müssen, was uns lieb und teuer ist. Es wird der Moment kommen, in dem wir alles verlieren, worauf wir uns verlassen. Manche mögen auf ihre gute körperliche Verfassung und Gesundheit vertrauen: das wird vergehen. Manche von uns vertrauen auf ihre intellektuellen Fähigkeiten: das wird vergehen. Manche von uns vertrauen auf ihr gutes Aussehen: das wird definitiv vergehen. Jeder von uns wird durch die dunkle Nacht der Seele gehen: spätestens dann, wenn wir im Sterben liegen. Wir sind nackt auf die Welt gekommen. Und wir werden nichts mitnehmen können, wenn wir dieses Leben verlassen. Und deshalb ist Jakobs Finsternis in gewisser Weise auch unsere Finsternis.
Jakobs Finsternis hat noch einen zweiten Aspekt. Wenn die Bibel von Licht und Finsternis oder von Tag und Nacht spricht, z.B. im Johannes-Evangelium, dann hat es häufig mit dem zu tun, was wir sehen. Zum Beispiel sagte Jesus einmal: „Hat nicht der Tag zwölf Stunden? Wer bei Tage umhergeht, der stößt sich nicht; denn er sieht das Licht dieser Welt. Wer aber bei Nacht umhergeht, der stößt sich; denn es ist kein Licht in ihm.“ Unser Text hat ebenfalls etwas mit Sehen zu tun, bzw. mit der Unfähigkeit Jakobs zu sehen. In Vers 2 sah Jakob die Engel Gottes. Tief beeindruckt davon sagt Jakob dann: „Hier ist Gottes Heerlager.“ Mit anderen Worten, Gott war an diesem Ort. Gott hatte Jakob versprochen, dass er mit ihm sein würde und ihn begleiten würde. Und Gott hatte sein Wort gehalten. Weil Gott mit ihm war, war diese Welt der sicherste Ort des Universums. Selbst ein plündernder, wütender Mob würde Jakob nichts anhaben können. Gott war mit ihm. Aber Jakob sah es nicht. Er glaubte es nicht. Er vertraute nicht wirklich auf Gott. Deshalb war die Nacht so finster.
Und hier ist der Grund weshalb. Letzte Woche hat Noah in seiner Predigt einen sehr wichtigen Gedanken weitergegeben. Für Jakob war Gott ein Assistent. Gott war eine willkommene Hilfskraft, so lange Jakob selbst alles kontrollierte. So lange Jakob der Herr über sein Leben war, durfte Gott gerne da sein. Aber hier, in der Nacht am Jabbok, inmitten seiner existentiellen Not brauchte Jakob keinen Assistenten. Er brauchte keinen lieben, harmlosen Opa-Gott. Jakob brauchte einen Herrn. Er brauchte einen Retter. Er brauchte einen König. Er brauchte einen Gott, der groß ist, der würdig ist, der souverän und allmächtig ist. Und er konnte diesen Gott nicht sehen.
Frage an uns: an welchen Gott glauben wir?

Zweitens, das unergründliche Geheimnis
In Vers 25 lesen wir, dass ein Mann anfing, mit ihm zu ringen. Und das ist so seltsam. So viele offene Fragen: Warum ringt Jakob mit ihm? Jeder, der einmal Ringkampf gemacht hat, weiß, dass selbst eine Minute Ringkampf richtig anstrengend ist. Wie konnten sie stundenlang die ganze Nacht hindurch miteinander ringen? (Haben die beiden zwischenzeitlich eine freundschaftliche Pause eingelegt?) Wie sah der Ringkampf aus? Wer hat hier wen angegriffen? Und die wichtigste Frage natürlich: wer ist diese Person überhaupt? Eine mysteriöse Figur, die aus dem Nichts zu kommen scheint. Und erst nach und nach erfahren wir mehr über diese ominöse Person.
Wir sehen in Vers 26, dass diese Person sehr stark ist: „Als der Mann sah, dass er ihn nicht besiegen konnte, berührte er sein Hüftgelenk. Jakobs Hüftgelenk renkte sich aus, als er mit ihm rang.“ Dieses Zitat ist aus der Einheitsübersetzung. Der geheimnisvolle Mann hatte die ganze Nacht gerungen und Jakob nicht überwältigt. Das klingt jetzt nicht besonders stark. Aber dann bricht die Morgenröte an. Und dann berührt er lediglich Jakobs Hüfte. Rober Alter, der Hebräisch-Experte sagte, dass es ein Hauch einer Berührung war. Und das hat ausgereicht, um Jakobs Hüfte auszurenken. Jakob war fortan ein Krüppel, der gehumpelt ist.
Vermutlich war es in diesem Moment, dass Jakob erkannte, dass er es nicht mit einem normalen Menschen zu tun hatte. Aber Jakob wäre nicht Jakob, wenn er selbst in diesem verletzten Zustand nicht weiter kämpfen würde, mit seinen Armen und mit seinen Worten. Der Mann sagt: „Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an.“ Jakob sagt: „Ich lasse dich nicht gehen, du segnest mich denn.“ Und das Erstaunliche ist, dass dieser Mann Jakob tatsächlich segnet. Verse 18-20: „Er sprach: Wie heißt du? Er antwortete: Jakob. Er sprach: Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen.“ Jakob hatte mit Gott gekämpft. Spätestens an diesem Punkt hatte Jakob erkannt, dass er es mit niemand Geringerem zu tun hatte als mit Gott selbst. Jakob nennt den Ort Pnuel. Es ist der Ort, wo er Gott von Angesicht gesehen hatte und doch nicht gestorben ist.
Was die Begegnung zwischen Gott und Jakob so faszinierend macht, sind die scheinbaren Widersprüche, denen wir hier begegnen. Natürlich ist Gott unendlich stark. Und trotzdem lesen wir, dass Gott Jakob nicht überwinden konnte. D.h., dass Gott zu schwach ist? Dann heißt es, dass Jakob den Kampf gewonnen hat: „du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen.“ Und trotzdem geht Gott hier siegreich aus dem Kampf hervor, weil Gott das erreicht, was er erreichen wollten, nämlich am Ende der Begegnung Jakob zu segnen. Ja, was jetzt eigentlich? Wer hat hier gewonnen? Diese scheinbaren Widersprüche lösen sich im Evangelium auf.
Viele Jahre später kommt der inkarnierte Gott auf die Welt: Gott wird Mensch. Das ewige Wort wird Fleisch. Jesus, der Sohn Gottes und der Menschensohn, ist die absolute Allmacht Gottes in absoluter Schwäche. Jesus sagte solche widersprüchlichen Dinge wie: „Denn wer sein Leben behalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s behalten.“ Jesu ganzes Leben verlief nach diesem Prinzip. Sein ganzes Leben war ein Aufgeben und Opfern seines Lebens. Jesu Tod am Kreuz war die letzte Konsequenz dessen. Nirgendwo sonst wurde die Schwäche Gottes deutlicher offenbart als dort. Es war die ultimative Niederlage. Und doch wurde nirgendwo sonst gleichzeitig Gottes Stärke größer und deutlicher offenbart als am Kreuz. Es war der alles entscheidende Sieg Gottes über Tod und Teufel, über die Sünde und unser Selbst.
Wir hatten vorhin gesehen, dass dieser unendliche starke Mann nicht in der Lage war, Jakob zu besiegen. Woran lag das? Eine mögliche Antwort: es war Jakobs Bockigkeit. Folgende Illustration ist mir eingefallen: Geldkassetten, die sich in Geldautomaten befinden haben einen Sicherheitsmechanismus. Wenn ein Geldautomat aufgebrochen wird, dann machen Farbpatronen das Geld wertlos. Jakob war wie so ein widerspenstiger Geldautomat. Natürlich hätte Gott ihn zerstören können. Das wäre einfach gewesen. Gott hätte ihn platt wie eine Flunder machen können. Aber Gott wollte an den wertvollen Inhalt, ohne ihn zu beschädigen. Gott wollte Jakobs Herz.
Gott respektiert unseren freien Willen. Aus Liebe zu uns will Gott unser Bestes; aber Gott zwingt uns nicht zu unserem Glück. Gott hat uns nicht als Roboter geschaffen, die programmiert sind, das zu tun, was sie sollen; und die man gegebenenfalls umprogrammieren kann. Diejenigen unter uns, die Kinder haben, wissen, dass das nicht funktioniert. Kinder haben einen freien Willen. Das Problem ist, dass viele Eltern versuchen, ihre Kinder zu kontrollieren. Kinder werden alles tun, um aus dieser Kontrolle auszubrechen, weil sie dazu gemacht wurden, frei zu sein. Die Kunst der Kindererziehung ist es nicht, über die Kinder zu herrschen und schon gar nicht, deren Willen zu brechen; die Kunst besteht darin, diesen freien Willen in die richtigen Bahnen zu lenken und zu hoffen und zu beten, dass die Kinder eines Tages das Richtige und das Gute wollen.
Gott will nicht nur, dass wir tun, was er will. Gott will nicht nur, dass wir ihm gehorchen. Gott will, dass wir es auch wollen. Gott will, dass wir das wollen, was er will. Die Tragik ist, dass wir meistens das Gegenteil wollen. Wir brauchen eine Veränderung des Herzens. Wie geschieht diese Transformation? Jakob begegnet Gott in Gottes Schwäche. Diese Schwäche Gottes verleitet ihn dazu, vor Gott zu knien und ihn darum zu bitten, ihn zu segnen. Jakob, der Sture, der Dickkopf, der Betrüger, der Lügner, der Egoist, war endlich an dem Punkt angekommen, wo Gott ihn haben wollte: es war der Moment wo Gottes Willen endlich anfangen konnte, Teil von Jakobs Willen zu werden.
Unsere Veränderung geschieht genauso: wenn wir Gott begegnen in seiner Schwäche. Am Kreuz sehen wir das Undenkbare und das Unvorstellbare. Am Kreuz sehen wir, wie Gott schwach wurde: für uns. Am Kreuz sehen wir Gott leiden: für uns. Am Kreuz sehen wir Gott verlieren. für uns. Wenn wir diesem Gott begegnen, und nur dann, wenn wir diesem Gott begegnen, fangen die Polkappen unseres Herzens an zu schmelzen. Im Angesicht dieser unendlichen Liebe Gottes, werden wir erneuert.

Drittens, der neue Morgen
Wie so viele Texte in Genesis, ist unser Text heute ein literarisches Meisterwerk. Jakob wird gesegnet, als die Morgenröte sichtbar wird. Und in Vers 32 lesen wir: „Und als er an Pnuel vorüberkam, ging ihm die Sonne auf; und er hinkte an seiner Hüfte.“ Die Sonne ging auf. Ein neuer Tag war angebrochen. Für Jakob begann an diesem Morgen ein neues Leben. Er humpelte. Den ganzen Rest seines Lebens würde dieses Humpeln eine Erinnerung daran sein, dass er mit Gott gekämpft hatte. Was hatte Jakob in dieser Begegnung gewonnen?
Alle Fäden von Jakobs Leben laufen in dieser Begegnung zusammen. Erinnern wir uns: sein ganzes Leben war ein Kampf darum, gesegnet zu werden. Er hatte seinen Bruder betrogen und seinen Vater belogen, um gesegnet zu werden. Er hatte den Segen zwar irgendwie eingeheimst, aber war er wirklich der Gesegnete? Aber hier in diesem Text bekommt er endlich den Segen, den er sich immer gewünscht hatte in Vers 30: „Und er segnete ihn daselbst.“ Was genau wird Gott ihm wohl gesagt haben? Als Junge hatte Jakob sich nichts mehr gewünscht, als von seinem Vater geliebt zu werden und angenommen zu sein. Tim Keller hat gemutmaßt, dass Gott ihm diese Worte zugesprochen hat: „Du bist mein Sohn. Ich habe dich angenommen, so wie du bist. Ich liebe dich, Jakob.“ Mit anderen Worten, Jakob erfährt, dass Gott selbst der Segen ist, den er wollte.
Wir haben gesehen, dass Jakob 14 Jahre für die Liebe seines Lebens arbeitete. Alles, was er wollte, war die Traumfrau seines Lebens zu heiraten. Er hat sie dann geheiratet und war doch nicht glücklich. Danach haben wir gesehen, dass Jakobs Leben bei Laban ein Kampf war, um sich Reichtum anzuhäufen. Nur konnte der ganze Reichtum Jakob nicht glücklich machen. Aber hier im Text bekommt Jakob die Liebe, die er immer haben wollte; und Jakob bekommt den Reichtum, den er immer haben wollte. Gott selbst ist die Liebe seines Lebens und Gott selbst ist der unendlich große Reichtum.
Und wir haben gesehen, dass das Weglaufen vor Esau Teil von Jakobs Lebensgeschichte war. Als er an diesem Morgen in Gottes Angesicht schaut, hat sein Weglaufen vor Esau ein Ende. Alle Fäden von Jakobs Leben laufen in dieser Begegnung mit Gott zusammen. Nicht alles war danach gut in Jakobs Leben. Beileibe nicht! Aber sein Leben hatte jetzt endlich die richtige Ausrichtung.
Was ist deine Lebensgeschichte? Vielleicht bist du wie Jakob der Romantiker, der denkt, dass die Beziehung oder die Heirat mit der einen Traumfrau / dem einen Traummann endlich glücklich machen würde. Vielleicht bist du wie Jakob der Karrierist, der denkt, dass der Studienabschluss an der Prestige-Uni oder die eine Beförderung endlich die Befreiung schenkt. Oder vielleicht ist dein Leben wie Jakob der Flüchtling. Vielleicht bist du jemand, der wegläuft; Weglaufen vor der Vergangenheit; Weglaufen von zu Hause; Weglaufen vor verbindlichen Beziehungen; oder Weglaufen vor existentiellen Ängsten, die ungeklärt sind. Was immer deine Lebensgeschichte ist, alle Fäden laufen zusammen, wenn du dem Gott von Jakob begegnest.

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