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Jakobs Familie, das Bild unserer Familie, die Gott liebt
„Als aber der HERR sah, dass Lea ungeliebt war, machte er sie fruchtbar; Rahel aber war unfruchtbar.“
(1. Mose 29,31)
„Gott gedachte aber an Rahel und erhörte sie und machte sie fruchtbar.“
(1. Mose 30,22)
Am Anfang des Bibelstudiums sprachen wir darüber dass das Thema der Genesis: „Sehnsucht nach der verlorenen wahren Heimat“ ist. Anders ausgedrückt, gingen wir davon aus, dass die Menschen ihre wahre Heimat verloren haben. Wir sehnen uns nach dieser wahren Heimat und begeben uns auf den Pilgerweg, um sie zu finden. Die wahre Heimat ist ein Ort der Freude, der Freiheit und des Glücks, wie es sie in Eden gab. Vor allem ist sie ein Ort, an dem das Licht Gottes strahlt und sein Hauch des Lebens strömen. Sie ist ein Ort der Ruhe, ausgerichtet auf Gott.
Der Anfang lebten die Menschen an einem solchen Ort. Doch die Menschen wurden durch die Lüge getäuscht und wollten selbst wie Gott werden. Infolgedessen wurden sie aus dem Garten Eden, den Gott ihnen gegeben hatte, vertrieben. Diejenigen, die ihre wahre Heimat verloren hatten, bekamen Angst. Sie begannen umherzuirren. Sie töteten diejenigen, die sie zornig machten und ihnen wehtaten. Sie prahlten mit ihrer Stärke und ihren Fähigkeiten.
Obwohl die gesamte Menschheit durch die Sintflut gerichtet wurde und nur eine Familie für den Neuanfang übrig blieb, verschwand der Wunsch wieder, Gott zu ehren. Doch Gott hörte nicht auf, die Menschen zu lieben, egal wie ihr Zustand war. Zu diesem Zweck wollte er ein neues Volk ins leben rufen, das ihm gehorchen und ihn anbeten würde. Er wollte dieses Volk auch zu einem Priestervolk machen, das alle Völker zu Gott führen sollte. Abraham war derjenige, der zum Stammvater eines neuen Volkes berufen wurde, eines Volkes, das Gott anbeten sollte. Gott versprach ihm, dass alle Völker durch seine Nachkommen gesegnet würden. Gottes Werk entfaltete sich immer weiter. Abraham zeugte Isaak, Isaak zeugte Jakob, und Jakob hatte zwölf Söhne und eine Tochter. Der heutige Text erklärt, wie Jakob zu zwölf Söhnen kam.
Aus heutiger christlicher Sicht mag die Familienstruktur Jakobs mit einem Mann und vier Frauen, im starken Gegensatz zur heutigen erscheinen. Selbst wenn wir uns eine harmonische Familie vorstellen, eine glückliche Familie, die sich alle gegenseitig respektieren und lieben, ist Jakobs Familie keine vorbildliche Familie. Laban, der Jakob betrog und ihn daran hinderte, Rahel zu heiraten, und der Rahel zwang, zuerst ihre ältere Schwester Lea heiraten zu lassen, hat Kritik verdient. Jakob arbeitet sieben Jahre lang hart, um Rahel zu heiraten, doch es schien ihm nur ein paar Tage zu sein. Jedoch muss er wütend gewesen sein, als er herausfand, dass sein Onkel ihn betrogen hatte und ihm Lea gab, die er nicht wollte. Rachel muss es ihrem Vater Laben sehr übel genommen haben, dass er ihren Mann weggenommen hat. Lea muss verletzt und unglücklich gewesen sein, weil sie gezwungen wurde, Jakob zu heiraten. Nur weil Jakob Rahel unbedingt heiraten wollte, nahm er das die Bedingung von sieben weiteren Arbeitsjahren an. Lea musste ein trauriges und elendes Leben führen, weil sie die Liebe ihres Mannes nicht bekommen konnte, obwohl sie ihm sechs Söhne und eine Tochter gab: Ruben, Simeon, Levi, Juda, Issachar, Sebulon und Dina. Mit ihrer Magd Silpa gebar sie außerdem Gad und Ascher. Rahel, die schön war und von ihrem Mann geliebt wurde, konnte keine Kinder bekommen und flehte ihren Mann an, ihr Kinder zu schaffen. Sie wollte lieber zu sterben, als kinderlos zu leben. Rahel, die unglücklich war, weil ihre Schwester ihr den Mann genommen hatte und auch keine Kinder hatte, gab ihrem Mann ihre Magd Bilha. Diese gebar Dan und Naftali. Endlich gebar Rahel ihr erstes Kind Josef. Später starb sie jedoch an den Folgen der schweren Geburt Benjamins. Der heutige Text beschreibt, wie Jakob zwölf Söhne bekommen hatte und ist eine Familiengeschichte. Es mag eine alte Geschichte sein, die nicht unserem gesunden Menschenverstand entspricht. Gleichzeitig ist es eine Geschichte, die jeder erleben kann, egal in welcher Zeit er lebt. Ja, die Geschichte von Jakobs Familie ist eine zeitlose Lebensgeschichte, die jeder Mensch erfahren kann. Die Geschichte dieser Familie beleuchtet unser heutiges Leben. In diesem Licht entdecken wir uns selbst, unsere Familien und unsere Gesellschaft.
Als wir dieses Jahr die Frühlingsbibelfreizeit hatten, wurde in meiner Bibelstudiumsgruppe die Frage gestellt: „Warum studieren wir die Geschichte?“. Die antwortete eine Teilnehmerin war: „Wir lernen aus der Vergangenheit, um künftig ein besseres Leben zu führen.“ Jakobs Familiengeschichte ist nicht nur eine Aufzeichnung der Vergangenheit, sondern spricht uns auch heute an. Normalerweise gibt es in Filmen oder Dramen eine Hauptfigur und einen Bösewicht. Wir hoffen, dass die Hauptfigur die schwere Zeiten durchmacht, das Böse überwindet und als Sieger hervorgeht. Wir neigen auch dazu, den Bösewicht zu hassen. Wer ist also die Hauptfigur in Jakobs Familiendrama? Und wer ist der Bösewicht? Unsere Antworten werden wahrscheinlich unterschiedlich ausfallen. Wohl jeder kann als Hauptfigur dienen. Wir können uns Jakob, Lea oder Rahel als Mittelpunkt vorstellen. Warum nicht auch Laban? Könnten nicht die Mägde Silpa und Bilha, die als Eigentum betrachtet wurden, die Hauptfiguren sein? Diese Perspektive ist für uns heute wahrscheinlich möglich. Aber je weiter wir in die Vergangenheit zurückgehen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Hauptfiguren der Geschichte Könige oder Generäle sind. Doch in der Gegenwart erscheinen auch die Kleinen, die Schwachen, die Unterdrückten und die Kranken als Hauptfiguren möglich. Das liegt daran, dass wir uns für die persönliche Geschichte und unserer Nächsten interessieren, nicht für ihre Geschichte. Wir bevorzugen Geschichten, in die wir uns einfühlen können. Deshalb werde ich auch nicht versuchen, die Geschichte dieser Familie mit Jakob, Lea oder Rahel als Mittelpunkt zu betrachten.
Ich hörte einmal die Predigt eines Pfarrers und stimmte ihm zu. Er erzählte, wenn die Gemeindemitglieder in die Kirche kamen, wirkten sie wie Herren und Damen (Lady and Gentleman). Doch wenn er jedes dieser Gemeindemitglieder zu Hause besuchte und von ihrer Familiengeschichte hörte, wurde ihm klar, dass es keine Häuser waren, in denen Herren und Damen lebten, sondern Häuser, in denen Herr Chaos und Frau Chaos lebten. Kein Zuhause ist ohne Probleme, und jeder lebt im Chaos. Auch wir mögen nach außen hin wie Herren und Damen wirken, aber unser Leben ist voller unaussprechlicher Probleme.
Wenn wir zunächst aus Labans Perspektive darüber nachdenken, können wir die Qual des Vaters nachvollziehen. Lea hatte von Geburt an schwache Augen und war ein Mädchen mit mangelndem Selbstvertrauen. Weil ihr Vater sich um sie Kummer machte, täuschte er Jakob. Selbst als sein Neffe wütend wurde, sagte er: „Es ist nicht Sitte in unserm Lande, dass man die Jüngere weggebe vor der Älteren.“ Da sein Neffe Jakob zudem ein guter Arbeiter war, nutzte Laban ihn aus, um seinen Haushalt zu unterstützen. Er schlägt Jakob vor, ihm sieben weitere Jahre zu dienen, um Rahel zu bekommen. Er weiß, dass Jakob es darauf eingehen wird. Es ist schmerzhaft, jemandem zu begegnen, der so egoistisch und eigennützig ist.
Rahel freute sich sieben Jahre lang auf die strahlende Zukunft mit Jakob? Wie oft hat ihr Jakob seine Liebe bezeugt? Doch als es Zeit für ihre Heirat da war, wie groß muss der Schock für sie gewesen sein, als ihr Vater entschied: „Deine Schwester soll vor dir heiraten.“ Wie ungerecht muss sie sich gefühlt haben? So hübsch und geliebt sie auch war, am Ende war alles nutzlos. Alles wurde ihr genommen. Sie muss voller negativer Gedanken gewesen sein. Obwohl ihre Schwester viele Kinder zur Welt bringen konnte, litt sie an Unfruchtbarkeit und fühlte sich als Versagerin und als nutzlose Person. Wir verstehen, wie elend sie sich fühlte, als sie Jakob sagte, sie würde lieber sterben. Und als sie endlich ein Kind zur Welt brachte, sehen wir, wie ein Last von ihr fiel, als sie bekannte, dass Gott ihre Schande weggenommen hat.
Rachel war wunderschön, doch Lea hatte schwache Augen und war nicht attraktiv. Das hatte sie nicht ausgesucht. Sie muss neidisch gewesen sein, wenn sie ihre jüngere Schwester sah, die hübscher und beliebter war als sie. Sie muss auch Groll empfunden und sich gefragt haben, warum die Welt so ungerecht ist. Nach ihrer Heirat hatte sie Grund viele Nächte zu weinen, weil sie traurig war, die Liebe ihres Mannes nicht zu bekommen. Sie wollte ihren Wert beweisen, indem sie ein Kind zur Welt brachte und so Jakobs Liebe bekommen, doch Jakob liebte sie immer noch nicht. Die Frustration, die Liebe ihres Mannes nicht zu erfahren, egal wie sehr sie sich bemühte, muss sie erschüttert haben. Wer könnte die traurige Lea trösten?
Die Situation der Mägde Silpa und Bilha muss ähnlich gewesen sein. Sie stammten wahrscheinlich aus armen Familien. Da sie sich nicht selbst versorgen konnten, lebten sie als Dienerinnen in Labans Haus. Als seine Töchter heirateten, wurden sie deren Dienerinnen. Auch sie waren Individuen und hatten wohl ihre eigenen Träume, doch sie mussten sich dem dem Willen ihrer Herrin unterordnen und Jakob heiraten, ungeachtet ihres eigenen Willens. Die Kinder, die sie bekamen, waren auch nicht ihre Kinder, sondern die der Herrin. Aus heutiger Sicht wäre dies eine inakzeptable Verletzung der Menschenrechte, denn waren nichts weiter als ein Mittel, um Kinder zu bekommen. Die Bibel wurde im Rahmen der Kultur und Traditionen einer jahrtausendealten antiken Gesellschaft geschrieben und spiegelt daher die sozialen Bedingungen jener Zeit wider.
Schließlich, wie war Jakobs Situation? War er glücklich, weil er zwölf Söhne und eine Tochter hatte? Natürlich verließ er seine Heimatstadt allein und ging ins Ausland, wo er erfolgreich eine große Familie gründete. Man kann sagen, dass dies möglich wurde, weil Laban ihn betrog. Er liebte nur Rahel und wollte glücklich mit ihr leben. Deshalb arbeitete er sieben Jahre lang, als wären es nur ein paar Tage. Als er Lea bekam, die er nicht liebte, musst er lernen auch für sie Verantwortung zu übernehmen. Um schließlich Rahel zu bekommen musste gegen die ursprüngliche Vereinbarung weitere sieben Jahre arbeiten. Vor allem aber platzte Jakobs Traum von einer glücklichen Familie. Als er nach Hause kam, konnte er wegen der Eifersucht, des Konkurrenzkampfes und der Streitereien seiner Frauen keinen ruhigen Tag verbringen. Als Rahel, die er so sehr liebte, sich sehr beschwerte und Jakob für ihre Unfruchtbarkeit verantwortlich machte, antwortete er mit großem Ärger: „Bin ich Gott?“ Obwohl er treu und fleißig lebte, um seine Ziele zu erreichen, müssen ihn seine Unfähigkeit und Machtlosigkeit, keinen Frieden in seiner Familie zu schaffen, erschöpft haben.
Hier sehe ich Bilder von Menschen, der die ihre wahre Heimat verloren haben. Egal, was er gewinnt oder erreicht, anhaltendes Glück wird nie kommen. Jakob, der seine Heimatstadt auf der Suche nach Glück verließ, traf Rahel und wollte nur sie heiraten, doch die Welt entwickelte sich nicht nach seinen Wünschen. Wir sehen, dass diese Welt nicht so verläuft, wie ich es mir wünsche. Du wirst Menschen begegnen, die du nicht willst, in der Nähe von Menschen leben, die du nicht magst, und mit Menschen zusammenleben, die versuchen, dich zu täuschen und auszunutzen. Du wirst auch mit Menschen zusammenleben, die prahlen, angeben und auf andere herabsehen, weil sie bessere Bedingungen haben als du. In dieser Welt können Konkurrenz, Streit, Eifersucht und Hass nicht verschwinden. Darüber hinaus können solche Konflikte von Konkurrenz, Eifersucht und Streit nicht nur in der Welt, sondern auch in der Gemeinde existieren. Denn im Menschen wohnt nicht das Gute, sondern das Böse. Die Bibel sagt, dass die Gedanken der Menschen von Kindheit an böse sind. Jesus sagte auch, dass nicht die Nahrung, die von außen in den Menschen gelangt, ihn verunreinigt, sondern die Worte und Gedanken, die aus dem Inneren des Menschen kommen.
Gibt es eine perfekte Familie? Gibt es eine perfekte Gemeinde? Wenn Jakobs Familie, der der Enkel eines großen Mannes wie Abraham war, so von Konflikten und Schwierigkeiten geprägt war, gibt es dann eine Familie ohne Probleme?
Wer ein ruhiges Leben ohne Konflikte führen will, muss diese Welt verlassen. Konkurrenz, Eifersucht und Streit werden niemals aufhören, solange wir in dieser Welt leben. Eine Welt der Ruhe und des Friedens wird nie kommen. Der Grund ist einfach: Wir alle haben unsere wahre Heimat verloren. Wir sind Pilger auf der Suche nach dieser Heimat. Wenn wir Ruhe auf dieser Erde suchen, werden wir enttäuscht. Wahre Ruhe finden wir nur in Gott.
Ein Kirchenlied sagt:
Wenn ich endlos in dieser wüstenähnlichen Welt irre
und einen gefährlichen Weg gehe,
führt mich der Herr
und bringt mich vor seinen Thron
und lässt mich große Gnade empfangen.
Das stimmt. Das Glück, von dem Jakob träumte, konnte er in seiner Familie nicht finden. So sehr Lea und Rahel auch wetteiferten und Kinder bekamen, um bessere menschliche Bedingungen zu schaffen, das Glück blieb ihnen verwehrt. Abrahams Enkel Jakob empfing den Segen des Landes und die Verheißung, dass Gott ihn nicht verlassen würde. Doch die Realität seines Lebens zeigt ein hilfloses Bild, das nicht in der Lage war, Frieden in seiner Familie zu schaffen. Wir sind diejenigen, denen Gott viele Verheißungen gegeben hat. Wir sind Bürger des Himmels, denen eine bessere Heimat, der Himmel, versprochen wurde. Wir sind ein auserwähltes Volk, das lebt, um die Gnade der Erlösung Gottes zu verbreiten, und wir sind königliche Priester. Vor allem hörten wir Jesus sagen: „Ihr seid das Licht der Welt und das Salz der Erde.“ Wie wertvoll ist doch jeder Einzelne von uns! Doch die Realität ist hart. Es gibt keine Menschen, mit denen wir leicht umgehen können. Wie schwierig und kompliziert sind menschliche Beziehungen? Die Welt ist voller Sünde und ermüdet unser Herz. Wir fühlen uns unendlich klein und machtlos angesichts der vielen Probleme und schwierigen zwischenmenschlichen Beziehungen. Doch ich möchte bekennen, dass dies auch eine dankbare Sache ist. Gäbe es Ruhe in dieser Welt, würden wir uns nicht nach der ewigen Ruhe sehnen. Wir werden zum Thron des Herrn geführt, der uns Ruhe schenkt, weil wir müde und beladen sind. Auch wenn wir in dieser wüstenartigen Welt klein erscheinen, werden wir Ruhe finden, wenn wir vor Gottes Thron treten. In einer rauen Welt, wenn wir uns in schwierigen Situationen befinden, die wir nicht bewältigen können, wenn wir verletzt und traurig sind, können wir vor Gottes Thron treten.
Obwohl Jakobs Familie weder Frieden noch Harmonie hatte, stand Gott im Mittelpunkt. Damals kümmerte sich Gott um Lea und Rahel und schenkte ihnen Söhne. Jakob glaubte fest daran, dass nur Gott Rahel Kinder geben könnte.
Obwohl Jakob wie in einem schnellen Strudel lebte, war Gott bei ihm. Gott wartete auf ihn, um ihm Ruhe zu geben. Er sagte nichts zu ihm, verließ ihn aber nicht und erfüllte seinen versprochenen Segen. Wo immer wir uns befinden, ist Gott still bei uns. Er wartet darauf, dass wir zum Thron kommen. Er will uns zu ihm führen. Vor dem Thron erwartet uns Ruhe, die uns die Welt nicht geben kann. Aller Kummer, Schmerz und Müdigkeit unseres Lebens wird vor dem Thron Gottes verschwinden. Denn die wahre Heimat und die wahre Ruhe sind vor dem Thron Gottes. Amen.