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Gott setzt Jakob als Erben des Segens ein
„Völker sollen dir dienen, und Stämme sollen dir zu Füßen fallen. Sei ein Herr über deine Brüder, und deiner Mutter Söhne sollen dir zu Füßen fallen. Verflucht sei, wer dir flucht; gesegnet sei, wer dich segnet!“
(1. Mose 27,29)
In Kapitel 26 haben wir betrachtet, wie Isaak Gottes Wort angenommen und sein Leben im Vertrauen auf Gottes Segensverheißung geführt hat. Die Philister haben ihm immer wieder die lebenswichtigen Brunnen weggenommen, aber er stritt nicht darum, sondern zog weiter und erfuhr, wie Gott ihn versorgte. Unser Text heute berichtet uns, wie Isaak im Alter den Segen an die nächste Generation weitergab. Das war deshalb so bedeutsam, weil mit dem Segen nicht nur der materielle Besitz verbunden war, sondern auch der geistliche Segen, den Gott zuerst Abraham und später Isaak versprochen hat. Dazu gehörte Gottes Versprechen, Isaak zu einem großen Volk zu machen und ihm das Land Kanaan zu geben und durch seine Nachkommen alle Völker der Erde zu segnen. Weil Gott der Geber des Segens ist, ist es offensichtlich, dass ein Mensch den Segen nicht nach Belieben weitergeben kann, sondern dass das ganz im Einklang mit Gottes Willen geschehen soll. Wir erfahren heute, dass Isaak aber seine eigenen Vorstellungen darüber hatte und dass die Art und Weise, wie er schließlich doch den Sohn segnete, den Gott dafür vorgesehen hatte, ziemlich dramatisch und gar nicht unproblematisch war. Das ist wohl auch der Grund dafür ist, warum diese Geschichte allgemein ziemlich bekannt ist und wohl in fast jeder Kinderbibel enthalten ist. Wir wollen in dem Text auf drei Fragen Antwort finden: 1. Wie kam es dazu, dass Isaak Jakob segnete? 2. Inwiefern war dabei das Verhalten von allen Beteiligten problematisch? 3. Was können wir hier über Gott lernen?
Unser Text beginnt mit dem Hinweis darauf, dass Isaak alt geworden war und seine Augen zu schwach zum Sehen wurden; und dass er seinen älteren Sohn Esau rief und zu ihm sagte: „Siehe, ich bin alt geworden und weiß nicht, wann ich sterben werde. So nimm nun dein Gerät, Köcher und Bogen, und geh aufs Feld und jage mir ein Wildbret und mach mir ein Essen, wie ich’s gern habe, und bring mir’s herein, dass ich esse, auf dass dich meine Seele segne, ehe ich sterbe“ (2-4). Isaak war also alt und blind oder fast blind geworden. Weil er dachte, dass er bald sterben könnte, wollte er seinen älteren Sohn Esau als Erben des Segens einsetzen, was nicht nur der Tradition entsprach, sondern auch Isaaks besonderer Zuneigung zu Esau. Vielleicht mochte Isaak Esau deshalb mehr als Jakob, weil er Esau mehr der wilde, toughe, männliche Typ war, der er insgeheim vielleicht gerne mehr gewesen wäre. Außerdem aß Isaak sehr gerne Wildgerichte und freute sich darüber, dass Esau oft jagen ging und leckeres Wildgulasch kochte. Die Art und Weise, wie diese Einsetzung als Erbe ablaufen sollte, war, dass Esau jagen gehen und für seinen Vater ein Wildgericht zubereiten sollte, wie er es gern aß; und nach dem Essen wollte Isaak ihn segnen.
Dieser erste Abschnitt wirft bereits mehrere Fragen auf: dass Isaak blind wurde, ist nicht verwunderlich, weil ältere Menschen im Alter aus unterschiedlichen Gründen blind werden konnten, die man damals nicht therapieren konnte. Aber warum dachte Isaak, dass er vielleicht bald sterben würde? Wenn wir die Genesis aufmerksam studieren, stellen wir fest, dass Isaak nach diesem Ereignis noch über 40 Jahre lang weiterlebte (er war nämlich zu diesem Zeitpunkt etwa 137 Jahre alt, was aus heutiger Sicht schon extrem alt ist; aber tatsächlich lebte er danach noch 43 Jahre lang, denn er wurde noch etwas älter als sein Vater Abraham und starb erst mit 180 Jahren). Vielleicht fühlte sich Isaak viel älter als er war und dachte schon ans Sterben, weil er sein Leben durch seine Blindheit sehr eingeschränkt war. Aber eklatanter als diese falsche Selbsteinschätzung ist, dass Isaak den Segen Gottes an seinen „älteren“ Sohn Esau vererben wollte (Esau nd Jakob waren Zwillinge). Das entsprach zwar ganz der damaligen Tradition, dass der Älteste alles oder fast alles erbt. Aber es entsprach nicht dem, was Gott Isaaks Frau Rebekka über ihre beiden Söhne gesagt hat, als sie wegen starker Schwangerschaftsbeschwerden zu Gott gebetet hat. Gott hatte ihr damals offenbart: „Zwei Völker sind in deinem Leibe, und zweierlei Volk wird sich scheiden aus deinem Schoß; und ein Volk dem andern überlegen sein, und der Ältere wird dem Jüngeren dienen“ (25,23). Damit hatte Gott offenbart, dass der ältere der Zwillinge, also Esau, dem Jüngeren, Jakob, dienen würde und dass Jakob ihm überlegen sein würde, das heißt, dass Jakob der gesegnete Sohn sein würde. Hatte Rebekka ihrem Mann nie von dieser Offenbarung Gottes erzählt? Oder hatte Isaak diese wichtige Offenbarung Gottes zwar gehört, aber im Laufe der Jahrzehnte vergessen? Oder vielleicht auch verdrängt, weil er sich wünschte, dass Esau den Segen bekommt, da er Isaaks Lieblingssohn war? Wir wissen es nicht, weil der Text dazu nichts sagt. Aber die Tatsache, dass Isaak sich dem Tod nahe sah, obwohl er noch über 40 Jahre leben sollte, und die Tatsache, dass er den „falschen“ Sohn segnen wollte, den Gott nicht als Erben vorgesehen hatte, zeigen, dass nicht nur Isaaks Augen schwach zum Sehen geworden waren, sondern dass auch seine geistliche Sicht verschwommen war bzw. dass er eine schwache geistliche Phase hatte. Das zeigt sich auch daran, dass nicht erwähnt wird, dass Isaak zu Gott gebetet hätte, wer den Segen erben sollte. Wie problematisch das war, zeigt das ganze weitere Geschehen. Wir können daraus lernen, wie wichtig es ist, dass wir in jeder Phase unseres Lebens geistlich fit und in einer engen Beziehung zu Gott leben, und dass es gar nicht selbstverständlich ist, dass wir, wenn wir in einer engen Vertrauensbeziehung mit Gott gelebt haben, automatisch weiter so leben. Wir können insbesondere auch lernen, dass es gar nicht selbstverständlich ist, dass man geistlich klar und nahe bei Gott bleibt, wenn man älter wird. Wir können auch lernen, wie wichtig es ist, dass wir jederzeit in einer guten Beziehung zu unserem Ehepartner leben.
Wie reagierte Rebekka, als sie Isaaks Anweisung an Esau und sein Vorhaben, ihn zu segnen, hörte? Sie sagte zu Jakob: „Siehe, ich habe deinen Vater mit Esau, deinem Bruder, reden hören: Bringe mir ein Wildbret und mach mir ein Essen, dass ich esse und dich segne vor dem HERRN, ehe ich sterbe. So höre nun auf mich, mein Sohn, und tu, was ich dich heiße. Geh hin zu der Herde und hole mir zwei gute Böcklein, dass ich deinem Vater ein Essen davon mache, wie er’s gerne hat. Das sollst du deinem Vater hineintragen, dass er esse, auf dass er dich segne vor seinem Tod.“ Rebekka hatte offenbar nicht vergessen, was Gott ihr über die Zukunft der beiden Brüder offenbart hatte. Sie hätte ihren Mann ansprechen und ihn an die Verheißung erinnern können, die sie von Gott bekommen hatte, und hätte ihm aufgrund dessen raten können, nicht Esau, sondern Jakob zu segnen. Wir erfahren nicht, warum sie das nicht tat. Vielleicht dachte sie, dass Isaak sowieso nicht auf sie hören würde, weil er Esau mehr liebte als Jakob oder weil er allgemein in den letzten Jahren ziemlich stur geworden war. Vielleicht war in dieser Zeit ihre Ehebeziehung nicht so gut. Jedenfalls redete sie nicht mit Isaak, sondern fasste einen eigenen Plan und handelte. Sie forderte Jakob auf, ihr zwei Ziegen von der Herde zu bringen, damit sie ein Essen machen konnte, wie Isaak es mochte. Das sollte Jakob seinem Vater bringen und sich dabei als sein Bruder ausgeben. Jakob zeigte sich offen für ihren Vorschlag. Er äußerte keine Bedenken, seinen Vater zu belügen und seinen älteren Bruder auf diese Weise um den Segen zu betrügen. Sein einziges Bedenken war, dass sein Vater den Betrug erkennen und ihn verfluchen könnte. Aber Rebekka beruhigte ihn mit den Worten „Dein Fluch sei auf mir, mein Sohn; gehorche nur meinen Worten, geh und hole mir“ (13). Wir wissen nicht, ob Rebekka Jakob nur deshalb so drängte, weil es ihr darum ging, dass Gottes Plan in Erfüllung kommt; oder ob es auch eine Rolle spielte, dass Jakob ihr Lieblingssohn war und sie sich auch deshalb wünschte, dass er den Segen erben würde.
Jakob ging und holte zwei Ziegen. Seine Mutter kochte das Wildgericht und legte Teile vom Ziegenfell um Jakobs Hals und an seine Hände. Jakob ging mit dem Essen zu seinem Vater. Auf dessen Frage: „Wer bist du, mein Sohn?“, antwortete Jakob: „Ich bin Esau, dein erstgeborener Sohn; ich habe getan, wie du mir gesagt hast. Richte dich auf, setz dich und iss von meinem Wildbret, auf dass mich deine Seele segne.“ Das war eine glatte Lüge. Auf Isaaks Frage, wie er denn so schnell bei der Jagd Erfolg haben konnte, antwortete Jakob: „Der Herr, dein Gott bescherte mir’s“. Diese Antwort kann man bei großem Wohlwollen als schlagfertig und weise oder als eine dreiste Lüge bezeichnen. Jakob war misstrauisch, weil er die Stimme Jakobs erkannte. Deshalb ließ er Jakob zweimal zu sich kommen, um ihn zu betasten und um an seinen Kleidern zu riechen. Wegen der Ziegenfelle an Jakobs Hals und Händen und wegen des Geruchs der Kleider von Esau, die Jakob angezogen hatte, wurden seine Bedenken zerstreut.
Schließlich segnete Isaak Jakob: „Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle. Völker sollen dir dienen, und Stämme sollen dir zu Füßen fallen. Sei ein Herr über deine Brüder, und deiner Mutter Söhne sollen dir zu Füßen fallen. Verflucht sei, wer dir flucht; gesegnet sei, wer dich segnet!“ (28.29). Isaak segnete ihn mit dem Tau des Himmels und mit der Fettigkeit der Erde. Vor allem die Worte, dass Völker ihm zu Füßen fallen und ihm dienen sollten und dass er ein Herr über seine Brüder sein würde und sie ihm zu Füßen fallen sollten, war der Zuspruch von Gottes Segen und stand im Einklang mit der Verheißung, die Gott Abraham gegeben hatte, und mit der Verheißung Gottes zur Zeit von Rebekkas Schwangerschaft. Auf diese Weise sprach Isaak unwissentlich Jakob den vollen Segen Gottes zu.
Wir können hier verschiedenes Fehlverhalten von Isaak, Rebekka und Jakob finden bzw. Missstände in Isaaks Familie ausmachen. Isaak hatte eine starke Vorliebe zu einem seiner Kinder und hörte offenbar nicht oder nicht genug auf seine Frau. Rebekka redete nicht mit ihrem Mann, betete anscheinend auch nicht, sondern stiftete Jakob dazu an, seinen Vater zu betrügen. Dass Jakob ihre Aufforderung anstandslos annahm und ohne Hemmung umsetzte und dabei seinen blinden Vater mehrfach anlog und seinen Bruder betrog, war moralisch gesehen verwerflich. Jakob verstieß damit direkt gegen Gottes (8.) Gebot, nicht zu lügen, das Gott später dem Mose gab, und auch gegen das spätere Gebot, Blinde nicht zu betrügen. Wenn wir das Ganze nur aus der moralischen Sicht betrachten, sieht das Ganze nur verwerflich und ein Desaster aus. Aber wenn wir die Ereignisse nur aus moralischer Sicht betrachten, begehen wir einen Fehler, weil wir zu wenig auf Gottes Sichtweise achten. Sicher hat Gott die Methode nicht gefallen und er hat sie gar nicht gut gefunden. Aber Gott muss die Intention gesehen haben, dass Rebekka wollte, dass der Segen Gottes nach Gottes Verheißung bzw. nach seinem Willen weitergegeben werden soll (selbst wenn dabei auch ihre Vorliebe zu Jakob eine Rolle gespielt haben mag). Sie muss sich in einer Art Notlage gesehen haben, weil ihr Mann offenbar für ihre Argumente nicht empfänglich war. Ebenso muss Gott gesehen haben, dass Jakob den Segen Gottes wertschätzte und ihn deshalb unbedingt bekommen wollte – ganz im Gegensatz zu Esau, für den der Segen eigentlich nichts wert war. Jedenfalls hat Gott zugelassen, dass alles so lief und dass Jakob tatsächlich schließlich den Segen empfing, und Gott hat das Vorgehen von Rebekka und Jakob in der Bibel nicht getadelt. Gott erduldete ihr Verhalten und sorgte dafür, dass statt Isaaks Willen Gottes Wille geschah, nämlich dass Jakob den Segen empfing, wie Gott es geplant hatte, und sein Segenswerk weiter ging.
Hier sollen wir uns vor einem verkehrten Umkehrschluss hüten. Es bedeutet nicht, dass es nicht so wichtig wäre, ob wir moralisch richtig handeln oder nicht, oder gar, dass der Zweck die Mittel heiligen würde. Gott will eindeutig nicht, dass wir lügen oder andere betrügen. Gott will auch, dass Ehepaare jederzeit eine gute Beziehung pflegen und offen miteinander reden und einander geistlich beraten, ganz besonders dann, wenn es um Gottes Willen und sein Werk geht. Aber Gott gebrauchte in seiner Gnade hier schwache Menschen in einer mangelhaften Familie, in der sich alle nicht so verhielten, wie sie es eigentlich sollten, um sein großes Werk, alle Völker der Erde zu segnen, fortzusetzen.
Diese Sichtweise deckt sich auch damit, dass Isaak, als er erkannte, dass er nicht Esau, sondern Jakob gesegnet hatte, zwar erschrak, dann aber sofort gesagt hat: „Er soll auch gesegnet bleiben.“ Es war wohl das erste Anzeichen dafür, dass Isaak seinen Fehler einsah. Als Esau von der Jagd zurückkam und den Segen seines Vaters erhalten wollte, erfuhr er, dass sein Vater bereits seinen Bruder gesegnet hatte. Esau wurde wütend und traurig und bettelte seinen Vater an, ihn auch zu segnen. Aber Isaak machte ihm klar, dass er keinen Segen mehr für ihn hatte. Der Hebräerbrief sagt uns, dass Esau zwar traurig war, dass er den Segen verloren hatte, aber verworfen wurde, weil er keinen Raum zur Buße fand (Hebräer 12,16.17).
Esau entwickelte so einen Hass auf seinen Bruder, dass er Jakob umbringen wollte. Als Rebekka davon erfuhr, sorgte sie dafür, dass Isaak ihn zu Rebekkas Verwandtschaft in Mesopotamien schickte, damit er sich dort vor einer Rache Esaus schützte und auch eine Frau aus Rebekkas gläubiger Verwandtschaft nehmen sollte.
Heute können wir lernen, wie Gott dafür gesorgt hat, dass sein Segenswerk weitergeht, und dafür eine mangelhafte Familie gebrauchte und sogar das Fehlverhalten Isaaks, Rebekkas und Jakobs erduldete. Gott der die Menschen liebt, will sie so sehr segnen und von der Sünde und vom Tod erretten, dass er mangelhafte Menschen dafür gebraucht. Aus diesem Grund hat er sein Segenswerk immer weiter vorangetrieben, bis er schließlich Jesus seinen Sohn gesandt hat, der am Kreuz für uns starb, um für alle Sünder den Weg zum Leben und zu seinem Reich zu öffnen. Das ist die gute Botschaft des heutigen Textes. Gott will auch uns für dieses Werk gebrauchen ,wenn wir einen geistlichen Wunsch haben, von ihm gesegnet und gebraucht zu werden. Möge Gott uns helfen, seinen Segen wertzuschätzen und uns danach auszustrecken und unter seinem Segne zu leben.