Predigt: 1.Mose 25,1 – 34

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Gottes Geschichte mit Abraham, Isaak und Jakob

Und es geschah nach dem Tod Abrahams, da segnete Gott seinen Sohn Isaak. Und Isaak wohnte bei dem „Brunnen des Lebendigen, der [mich] sieht“

(1.Mose 22,11)

Die Bibel setzt im Vergleich zu säkularen Geschichtsbüchern ganz andere Schwerpunkte. Während Letztere viel über die damaligen Reiche und deren Herrscher berichten, erwähnt die Bibel sie nur am Rande, dafür aber sehr ausführlich die Geschichte Israels – die Geschichte eines Volkes, das in der Geschichtsschreibung kaum Beachtung findet. Genauso wenig die Person Abraham. Die Bibel hingegen berichtet über ihn etwa 14 Kapitel lang. Warum diese unterschiedliche Schwerpunktsetzung? Die Bibel behandelt nicht irgendeine menschliche Geschichte, sondern Gottes Geschichte mit uns Menschen. Vom 1. Buch Mose bis zum Buch der Offenbarung geht es um Gottes Geschichte mit uns. Und eben in dieser Geschichte spielte Abrahams Leben eine sehr wichtige Rolle. Von ihm sollte der Nachkomme kommen, durch den alle Völker gesegnet werden. In dem heutigen Text erfahren wir, wie diese bedeutende Geschichte Abrahams zu Ende ging und gleichzeitig wie Gott Seine Geschichte in den nachfolgenden Generationen fortsetzte. Drei Fragen sollen uns bei der Betrachtung des Textes helfen:

1. Wie endete Gottes Geschichte mit Abraham?
2. Wie setzte Gott die bereits begonnene Geschichte mit Isaak fort?
3. Wie begann Gott die Geschichte mit Jakob?

Teil 1: Das Ende von Gottes Geschichte mit Abraham (V. 1 – 10)
Im Vers 1 erfahren wir, dass Abraham erneut geheiratet hat. Mit einer Frau namens Ketura zeugte er sechs Söhne. Aus ihnen gingen verschiedene Völker hervor. Warum Abraham noch mit über 100 Jahren geheiratet hatte, wissen wir nicht. Jedenfalls nutzte Gott diese Wiederheirat von Abraham, um eine seiner Verheißungen an ihn wahr zu machen, nämlich die Verheißung, ihn zum Vater vieler Völker zu machen. Vielleicht hat Abraham aus dem Glauben an diese Berufung noch einmal geheiratet. Jedenfalls kam die Fähigkeit, noch in diesem Alter Kinder zu zeugen, von Gott.
Unter den Söhnen Abrahams nahm Isaak eine Sonderstellung ein. Isaak erhielt das gesamte Erbe, während die anderen nur Geschenke von Abraham bekamen und in den Osten fortgeschickt wurden. Die Sonderstellung Isaaks zeigt sich auch darin, dass sowohl Hagar als auch Ketura im Vers 6 als Nebenfrauen bezeichnet werden. Auch bei der Aufzählung der Nachkommen Keturas im Buch der Chronik wird Ketura als Nebenfrau Abrahams bezeichnet (1. Chr. 1,32). Ketura war nicht einfach Abrahams zweite Ehefrau nach Sarah und Isaak nicht einfach nur der Lieblingssohn von Abraham. Indem Abraham die anderen Söhne wegschickte und nur Isaak das Erbe gab, handelte Abraham ganz im Sinne des Wortes: denn nach Isaak soll dein Geschlecht genannt werden (1. Mo 21,12). Dieses Wort war an Abraham ergangen, als er Ismael aus dem Haus vertreiben sollte, damit Isaak als einziger Erbe bestehen bleibt. Seine Söhne wegzuschicken, fiel Abraham sicherlich nicht leicht. Wir können das bei der Austreibung Ismaels sehen (vgl. 1. Mo 21,10-12). Aber Abraham handelte nicht nach familiären Interessen, sondern nach Gottes Plan für ihn und seiner Nachkommenschaft. Abraham lebte bis ans Ende seines Lebens im Bewusstsein, dass sein Leben eingebunden ist in die Heilsgeschichte Gottes.
Abraham war 75 Jahre alt, als er den Ruf Gottes vernahm. Er war 175 Jahre alt, als er starb. Abraham lebte also 100 Jahre als Nomade oder Halbnomade. Später sollten die Israeliten bei der Darbringung der Erstlingsfrüchte sagen: „Mein Vater war ein umherirrender Aramäer“ (5. Mo 26,5). Abraham lebte das Leben eines Heimatlosen. Abraham hatte kein bequemes Leben gehabt. Es war ein Leben voller Herausforderungen gewesen. Und das schon gleich zu Beginn: Gott hatte Abraham dazu herausgefordert, alles hinter sich zu lassen. Seine Verwandtschaft, seine Heimat, seine Sicherheit, alles. Aber dennoch heißt es am Ende über sein Leben: Und Abraham verschied und starb in gutem Alter, alt und lebenssatt (V.8). Das hebr. Wort für „alt“ meint nicht einfach nur hohes Alter, sondern „durch Erfahrungen geprägt“. Und was bedeutet „satt“? In einem Kommentar hierzu heißt es:

„satt“ ist der Gegensatz von „hungrig“. Der Satte hat keinen Hunger mehr. Der satte Mensch ist befriedigt. Er (…) hat die Erfüllung dessen erlebt, was von Gott her in seinem Leben angelegt war“ 1

In seinem Leben hatte Abraham erfahren, dass Gott stück für stück seine Verheißungen an ihn erfüllte, insbesondere die Verheißung seines Sohnes, auf den er 25 Jahre lang gewartet hatte. Im Laufe seines Lebens hatte Abraham Gott immer mehr kennengelernt und immer mehr verstanden, dass Gott selbst und Gottes Plan für Sein Leben das sind, was ein Leben erfüllt. Darüber hinaus hatte Gott Abraham mit vielen irdischen Gütern beschenkt. Daher endete Gottes Geschichte mit Abraham in viel Segen und Zufriedenheit.
Im Vers 11 erfahren wir, dass Gott die Geschichte, die er mit Abraham begann, mit Isaak fortsetzte. Lasst uns im zweiten Teil betrachten, wie Er es tat.

Teil 2: Die Fortsetzung von Gottes Geschichte mit Isaak (V. 11 – 21)
Von Isaak haben wir bereits in den vorausgegangenen Kapiteln erfahren. Bei der Heirat mit Rebekka hatte Isaak ganz konkret Gottes Führung erlebt gehabt. Gott hatte bereits seine Geschichte mit Isaak begonnen. Der heutige Text berichtet davon, wie sich diese Geschichte fortgesetzt hatte. Im Vers 11 heißt es schlicht: „nach dem Tod Abrahams, da segnete Gott seinen Sohn Isaak“. Isaak wurde gesegnet.
Wie reagierte Isaak auf diese Gnade? Am Ende von Vers 11 heißt es: „Und er wohnte bei dem „Brunnen des Lebendigen, der mich sieht.“ Wenn die Bibel am Satzanfang das Wörtchen „und“ gebraucht, stellt sie damit -zumindest häufig- einen kausalen Zusammenhang zum vorausgegangenen Satz her. Wir kennen das auch aus anderen Stellen der Bibel, z.B. im Zusammenhang des Weltmissionsbefehls. Jesus sagte: „…lehrt sie alles halten, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Weltzeit!“ (Mt 28,20). Mit dem Wort „und“ versprach Jesus seinen Jüngern, bei der Ausführung des Weltmissionsbefehls mit ihnen zu sein. Dass Isaak bei dem „Brunnen des Lebendigen wohnte, der mich sieht“ war seine Reaktion auf den Segen Gottes in seinem Leben. Vers 11 macht also nicht nur eine äußere Angabe über Isaaks Wohnort, sondern auch eine Aussage über Isaaks geistliche Ausrichtung. Isaak, der den Segen Gottes erfahren hatte, wollte in der Gegenwart Gottes leben. Isaak wählte einen Ort, mit dem er sich persönlich identifizieren konnte. Es ist ja von einem „Brunnen des Lebendigen, der mich sieht“ die Rede. Isaak hatte Gott als einen lebendigen Gott erlebt. Isaak kannte Gott also nicht nur aus den Erzählungen Seines Vaters, sondern auch ganz persönlich. Isaak wusste: Gott lebt. Und wer weiß, dass Gott lebt, der weiß auch, dass Gott ihn sieht. Zu wissen, dass Gott einen sieht, ist gleichbedeutend damit, zu wissen, dass Gott alle eigenen Probleme, Sorgen, Ängste und Belastungen kennt. Es ist die Gewissheit, nicht allein zu sein, nicht von Gott vergessen zu sein. Gott ist da und kann helfen.
Dass Gott ihn sieht, hatte Isaak ganz deutlich in seinem Leben erfahren. Hiervon berichten die V. 20 und 21: Als sich herausstellte, dass seine Frau Rebekka unfruchtbar war, brachte Isaak dieses Problem im Gebet zu Gott. Isaak betete und betete und… betete. Im Vers 26 erfahren wir, dass Isaak sage und schreibe 20 Jahre für dieses Anliegen gebetet haben muss! Aber dann kam endlich die Gebetserhörung: Gott schenkte Isaak und Rebekka zwei Söhne. Isaak hatte erfahren: Während der 20 Jahren hatte Gott das Problem von Isaak und Rebekka nicht aus den Augen gelassen. Er dachte daran und löste es zu seiner Zeit. Gott hatte sie nicht vergessen. Diese Erfahrung hatte sicherlich dazu beigetragen, dass Isaak an einem Gott glaubte, der ihn sieht2.
Weil er so glaubte, konnte Isaak in der Abhängigkeit von Gott leben. Wir sehen das auch in der Auseinandersetzung mit den Hirten von Gerar. Jedes Mal wenn die Hirten die Brunnen von Isaak für sich beanspruchten, zog Isaak weg und grub einen weiteren Brunnen. Obwohl Isaak zu dem Zeitpunkt sehr mächtig gewesen war, gab er nach, anstelle mit ihnen zu kämpfen. Dies tat er so lange, bis er auf einen Brunnen stieß, über den die Hirten von Gerar nicht stritten. Isaak sagte: „Nun hat uns der HERR einen weiten Raum gemacht, damit wir fruchtbar sein können im Land“ (1. Mo 26,22b). Über Ismael hingegen heißt es am Ende von Vers 18: „So setzte er sich allen seinen Brüdern vors Gesicht“ Es trat ein, was Gott Hagar bei ihrer Schwangerschaft schon vorausgesagt hatte: „Und er, er wird ein Mensch wie ein Wildesel sein; seine Hand gegen alle und die Hand aller gegen ihn, und allen seinen Brüdern setzt er sich vors Gesicht (1. Mo 16,12).“ Anders als Isaaks Leben war Ismaels Leben nicht von der Abhängigkeit von Gott, sondern von einem Leben auf eigener Faust gekennzeichnet. Im Vers 16 erfahren wir, dass aus ihm zwölf Fürsten hervorgingen. Damit hatte Gott seine Verheißung an Hagar, Ismael zu einem großen Volk zu machen, erfüllt. Zwar hatte Gott auch Ismael gesegnet. Aber doch war dies allein ein irdischer Segen. Isaaks Nachkommenschaft hingegen sollte von geistlicher Bedeutung für die ganze Welt werden. Sowohl über Isaak als auch über Ismael heißt es: „Dies ist die Geschichte Ismaels… (V.12) Dies ist die Geschichte Isaaks (V.19)“ Gleichzeitig verlief die Geschichte von beiden völlig unterschiedlich. Warum? Einfach gesagt: Isaaks Geschichte war ein Teil von der Heilsgeschichte Gottes, Ismaels Geschichte nicht.
In der dritten Generation stand die Frage erneut, durch welchen von den beiden Söhnen Gott seine Heilsgeschichte fortsetzte: Esau oder Jakob? Wie Gott diese Frage klärte und warum Jakob dafür geeignet war, um von Gott gebraucht zu werden, wollen wir im letzten Teil der Predigt betrachten.

Teil 3: Der Beginn von Gottes Geschichte mit Jakob (V. 22 – 34)
Über Gottes Geschichte mit Jakob erfahren wir schon in der Zeit, wo er noch im Mutterleib war. Als Rebekka mit ihren Beschwerden aufgrund der Schwangerschaft zu Gott kam, offenbarte Gott ihr seine Absicht mit ihren beiden Söhnen: Zwei Nationen sind in deinem Leib, und zwei Volksstämme scheiden sich aus deinem Innern; und ein Volksstamm wird stärker sein als der andere, und der Ältere wird dem Jüngeren dienen (V.23). Mit diesen Worten hatte Gott Rebekka indirekt offenbart, dass Er von den beiden Söhnen Jakob erwählt hatte. Durch seine Linie sollten die Verheißungen an Abraham erfüllt werden. Mit ihm wollte Gott die Geschichte, die er mit Abraham begonnen, und mit Isaak fortgesetzt hatte, nun weiter fortführen.
Die nachfolgende Begebenheit, die uns in den Versen 27 – 34 berichtet wird, macht deutlich, warum Jakob von Gott gebraucht werden konnte, Esau hingegen nicht. Man könnte meinen, es läge daran, dass Jakob ein sittsamer Mensch, Esau hingegen ein wilder Jäger gewesen war. Je mehr wir aber die Geschichte betrachten, desto mehr sollte auffallen, dass Jakob nicht moralisch besser war als Esau. Im Vers 31 erfahren wir, dass Jakob eine ziemlich fiese Nummer mit seinem Bruder abgezogen hatte. Esau war erschöpft und sehr hungrig. Offenbar war seine Jagd erfolglos gewesen. Als Esau Jakob um das Linsengericht bat, das Jakob gerade kochte, gab Jakob ihm das Essen nicht ohne Weiteres. Anstelle Esau Bruderliebe zu erweisen, erpresste Jakob Esau: Ohne Erstgeburtsrecht kein Essen. Dies erinnert mich an die Geschichte der Versuchung Jesu. Der Teufel versuchte Jesus gerade dann mit Brot, als Jesus hungerte (Mt. 4,2-3). Das, was Jakob machte, war prinzipiell nicht anders. Jakob nutzte die Situation, in der sein Bruder schwach war, listig aus. Jakob war keineswegs frommer gewesen als Esau. Aber dennoch konnte Jakob von Gott eher gebraucht werden als Esau. Warum? In dem Verhalten von Jakob gegenüber Esau sah Gott mehr als nur List. Das Verhalten von Jakob gegenüber Esau zeigt noch etwas über Jakob: Jakob wollte unbedingt das Erstgeburtsrecht haben, mit anderen Worten: Jakob wollte unbedingt den Segen Gottes haben. Die Art und Weise, wie Jakob an diesen Segen ranging, war zwar nicht richtig, aber dass er ihn unbedingt haben wollte, zeigt, wie sehr er den Segen Gottes wertgeschätzt hatte. Und gerade dies war der krasse Gegensatz zu seinem Bruder Esau. Im Vers 34 tadelt die Bibel Esau mit den Worten: „So verachtete Esau das Erstgeburtsrecht.“ Seine Verachtung kommt eben dadurch zum Ausdruck, dass er um einer Speise willen sein Erstgeburtsrecht verkaufte. Esau sagte nicht einfach nur (V.30): Lass mich schnell von dem Roten essen (Luther-Übers.), sondern: „Lass mich von dem roten (Gericht) da hinunterschlingen“ (Schlachter-Übers.). Das Wort „hinunterschlingen“ bringt mehr seine Gier zum Ausdruck. Für Esau zählte die schnelle Befriedigung seines Fleisches. Im Vers 31 sagte Esau auch: „Siehe, ich muss doch sterben; was soll mir das Erstgeburtsrecht?“ (V. 31). Diese Worte zeigen, dass für Esau der Augenblick mehr zählte als der zukünftige Segen Gottes. In dem Buch „die Pilgerreise“ wird die Einstellung von Esau sehr gut veranschaulicht. Ich möchte hieraus einen Abschnitt vorlesen:

„Ich sah wie Ausleger ihn bei der Hand fasste und ihn in ein kleines Zimmer führte, in dem zwei Kinder saßen. Das ältere hieß Verlangen, das andere Geduld. Verlangen schien sehr unzufrieden zu sein, aber Geduld war ganz still. „Warum ist Verlangen so unzufrieden?“, fragte Christian. „Der Hauslehrer wünscht nicht, dass man die Kinder mit den besten Sachen überschüttet. Sie sollen mit einigen bis Anfang nächsten Jahres warten. Verlangen will alles sofort haben, Geduld dagegen wartet willig.“
Da kam jemand zu Verlangen und schüttete einen Sack voll Kostbarkeiten vor ihm aus. Sofort beschäftigte er sich damit: erfreut sich darüber, wühlte hastig darin herum und sah mit einem höhnischen Lächeln hinüber zu Geduld, der ganz offensichtlich jetzt gerade leer ausging. Doch ich sah, dass Verlangen schon nach kurzer Zeit mit der Zerstörung all der Kostbarkeiten begann, sodass nichts mehr übrig blieb als Trümmer und Fetzen. „Hilf mir das zu verstehen“, bat Christian. „Die beiden Kinder sind Abbilder“, erklärte der Ausleger. „Verlangen ist ein Bild von den Kindern dieser Welt, Geduld von den Kindern der zukünftigen. Wie Verlangen alles sofort haben will, also schon in dieser Welt, so sind auch die Kinder dieser Welt: Sie müssen alles Gute jetzt schon besitzen und können auf ihren Anteil nicht warten. Das Sprichwort: „Ein Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach“ gilt bei ihnen mehr als alle göttlichen Zeugnisse von den Gütern der zukünftigen Welt. Du hast gesehen, wie schnell er alles verschwendet hatte und dass ihm nichts blieb als Fetzen und Trümmer. So wird es auch den Kindern dieser Welt am Ende ergehen.“3

Im Vers 30 erfahren wir, dass man Esau aufgrund der Begebenheit mit der roten Speise auch Edom (= „rot“) nannte. Dieser Name war eigentlich ein schändlicher Name gewesen. Denn er erinnerte daran, dass Esau wegen der roten Speise sein Erstgeburtsrecht verkauft hatte. Auch Jakob erhielt später einen neuen Namen. Gott gab ihm den Namen Israel. Bei Jakob war es aber umgekehrt. Nicht sein neuer Name, sondern sein alter Name erinnerte an etwas Schändlichem aus seinem Leben. Im Vers 26 erfahren wir, dass er deswegen so genannt wurde, weil er bei der Geburt die Ferse seines Bruders festgehalten hatte. Das hebr. Wort für „Ferse“ hat nämlich eine Klangähnlichkeit mit dem Namen Jakob. Später, als Jakob Esau erneut überlistet hatte, sagte Esau: „Er heißt mit Recht Jakob, denn er hat mich nun zweimal überlistet.“ (1. Mo 27,36). Esau machte hier ein Wortspiel, denn das hebr. Wort für „betrügen“ hat eine Lautähnlichkeit mit dem Namen Jakob. Einfach gesagt: Der Name „Jakob“ erinnerte daran, dass Jakob ein „Fersenschleicher“ bzw. ein „Betrüger“ war. Aber der Name „Israel“ hingegen bedeutet: „Gott herrscht“. Dieser Name deutet darauf hin, dass sich Jakob nicht mehr von seinem Eigenwillen, sondern von Gott mehr und mehr beherrschen ließ. Im Laufe der Zeit hatte Gott Jakob immer mehr verändert. Jakob war wie Esau kein vollkommener Mensch gewesen, aber Jakob suchte den Segen Gottes und ließ sich von Gott verändern. Dadurch konnte Gott seine Heilsgeschichte durch ihn fortsetzen.
Was lehrt der Text uns? Die Geschichte, die Gott mit Abraham begann und mit Isaak und Jakob fortsetzte, hat ihren Höhepunkt in dem Tod und Auferstehung Jesu Christi. Christus ist der eingeborene Sohn Gottes. Er ist unter allen Kindern Gottes der Erstgeborene. Von Jesu erhabener Stellung als Erstgeborener spricht auch der Hebräerbrief 1,6-8:

„Und wenn er den Erstgeborenen wiederum in die Welt einführt, spricht er: »Und alle Engel Gottes sollen ihn anbeten!« Von den Engeln zwar sagt er: »Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen«; aber von dem Sohn: »Dein Thron, o Gott, währt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Das Zepter deines Reiches ist ein Zepter des Rechts.“

Aber am Kreuz verzichtete Christus auf sein Erstgeburtsrecht, damit wir gesegnet werden können; damit wir Erben aller Segnungen Gottes werden können. Im Grunde genommen tat Christus an uns genau das Gegenteil davon, was Jakob tat: Während sich Jakob das Erstgeburtsrecht erschlich, verzichtete Christus um unseretwillen freiwillig auf sein Erstgeburtsrecht. Im Philliperbrief 2,6-7 heißt es:

der, als er in der Gestalt Gottes war, es nicht wie einen Raub festhielt, Gott gleich zu sein; sondern er entäußerte sich selbst

Christus hat auf sein Erstgeburtsrecht verzichtet, damit wir wie Erstgeborene behandelt werden können. Welche Wertschätzung bringen wir den Segnungen Gottes, die wir in Christus haben, entgegen? Neigen wir in dieser Sache eher dazu wie Jakob oder wie Esau zu sein? Was beherrscht und treibt uns: Sind es wie bei Esau der Augenblick und die Erfüllung der fleischlichen Bedürfnisse oder das Trachten nach dem Reich Gottes?
Die Heilsgeschichte Gottes hat in dem Tod und Auferstehung Jesu Christi ihren Höhepunkt, aber sie ist noch nicht zu ende. Gott baut jetzt seine Gemeinde. Und er tut dies Werk nicht alleine, sondern durch Menschen. Jeder Gläubige hat das Privileg, Teil dieser Geschichte zu sein. Und die Frage ist daher: Worum geht es in deinem und meinem Leben? Geht es um die höhere Sache Christi oder um das Erreichen von eigenen Zielen und Interessen? Ist mein und dein Leben eingebunden in die Geschichte Gottes oder spielt es sich irgendwo außerhalb davon ab? Abraham hatte so sehr ein Bewusstsein für die Geschichte Gottes in seinem Leben gehabt, dass er Entscheidungen danach traf. Anstelle nach familiären Interessen zu gehen, schickte Abraham seine Söhne in den Osten. Wonach treffen wir unsere Entscheidungen? Geht es da um die höhere Sache Christi oder doch nur um die eigenen Interessen? Wie sehr haben wir es verstanden, dass unser Leben dazu bestimmt ist, ein Teil der Geschichte Gottes zu sein? Abrahams Leben endete mit höchster Zufriedenheit. Ebenso kann Gott es mit jedem tun, dessen Leben sich in der Geschichte Gottes abspielt.
Christus ist der wahre „Brunnen des Lebendigen, der uns sieht“. Denn Christus selbst ist das Leben und daher auch eine Quelle des Lebens. Am Kreuz hat Christus bewiesen, dass er uns sieht, und zwar in all unserer Sündennot und Elend. Nun sitzt er zur Rechten Gottes und leistet als Hohepriester Fürbitte für uns. Christus sieht uns. Lasst uns daher in seiner Gegenwart und in seiner Abhängigkeit leben, wie es Isaak tat. Auf diese Weise kann auch unser Leben zu einem Teil der Heilsgeschichte Gottes werden. Lasst uns beten.

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1 BRÄUMER, H. (2011; 2. Auflage), in: Wuppertaler Studienbibel, S.245. SCM R. Brockhaus.
2 da Jakob noch zu Lebzeiten Abrahams auf die Welt gekommen war, muss das, was in V. 11
   über Isaak gesagt wird, nach dem, was in den V. 20 und 21 berichtet wird, geschehen sein
3 BUNYAN, J. (2016; 6. Auflage). Die Pilgerreise, S. 31f. SCM R. Brockhaus.

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