Download [ODT] [PDF] Bibeltext
Heiraten: was, wie, warum
„Er sagte: HERR, Gott meines Herrn Abraham, lass mich heute Glück haben und erweise meinem Herrn Abraham Huld!“
(1. Mose 24,12 [EÜ])
Die meisten von euch werden die unangenehme Erfahrung in der ein oder anderen Form gemacht haben: das „Sex-Gespräch“ mit den Eltern, wenn Eltern der Ansicht sind, dass ein guter Zeitpunkt gekommen ist, mal darüber zu sprechen. Habt ihr euch dabei (auch) so gefühlt, als ob ihr am liebsten aus Scham im Erdboden versinken würdet? Vielleicht ist eines der Gründe, dass ein privates Thema, das in Familiengesprächen so rein gar nicht auftaucht ganz plötzlich ans Licht kommt. Im Englischen gibt es ein gutes Wort dafür: „awkward“ (peinlich, unangenehm). Und ein ganz klein wenig fühle ich mich heute auch so. Wir haben heute ein Thema, über das wir in der Gemeinde in den letzten Jahren zu wenig gesprochen haben. Eigentlich sind das mehrere Themen, die alle eng miteinander verbunden sind: Liebe, Partnerschaft, Singleness, Dating, Ehe, Sex. Ich gehe davon aus, dass ihr alle damit einverstanden seid, wenn ich sage, dass das für uns alle relevant ist. Wir sollten mehr darüber sprechen.
Um uns den Einstieg in dieses Thema zu erleichtern, betrachten wir Genesis 24. W. hatte vor einigen Wochen dazu eine schöne Predigt gehalten. Wir wollen es nicht einfach wiederholen. Wir wollen anhand dieses Textes etwas thematisch über die Frage nachdenken, was es mit der Ehe auf sich hat. Drei Fragen wollen wir adressieren. Erstens, was ist die Ehe? Zweitens, wozu gibt es die Ehe. Drittens, wie sollen wir dann heiraten?
Ich möchte stellvertretend für die Ältesten sagen, dass wenn wir über dieses Thema sprechen, es kein Frontalunterricht sein soll. Wir wünschen uns einen gemeinsamen Dialog. D.h., wenn ihr Fragen zu diesem Thema habt, meldet euch gerne. Wenn ich in der Predigt etwas sage, womit ihr so überhaupt nicht einverstanden seid, meldet euch gerne. Dieser Gottesdienst ist eine Einladung, sich offen mit diesem Thema zu befassen.
1. Was ist die Ehe?
Unser Text beginnt damit, dass Abraham alt und hochbetagt war. Das war Abraham eigentlich schon immer. Aber jetzt war Abraham nicht nur alt, sondern auch Witwer. In Vers 2 spricht Abraham mit seinem Knecht, der alles in seinem Haushalt verwaltete. Heute würde man in Firmen diese Position „Chief of Staff“ (Stabschef) nennen. Von diesem Manager nimmt Abraham einen feierlichen Eid. Abraham verlangt dabei, dass sein Knecht seine Hand unter Abrahams Hüfte legte. Diese Information findet ihr in keiner Kinderbibel: alle Hebräischexperten bestätigen an dieser Stelle, dass der Ausdruck „unter der Hüfte“ ein Euphemismus für das Geschlechtsteil ist. Das zeigt, dass das ein besonderer Schwur war, der Abraham auch besonders wichtig war.
Was ist der Inhalt von dem Schwur? Verse 3 und 4: „Ich will dir einen Eid beim HERRN, dem Gott des Himmels und der Erde, abnehmen, dass du für meinen Sohn keine Frau von den Töchtern der Kanaaniter nimmst, in deren Mitte ich wohne. Du sollst vielmehr in mein Land und zu meiner Verwandtschaft gehen und eine Frau für meinen Sohn Isaak holen.“ Abraham wollte, dass sein Sohn heiratet. Der Text sagt uns nicht, wann genau Abraham seinen Knecht auf den Weg sandte. Aber in Genesis 25,20 erfahren wir, dass Isaak 40 Jahre alt war, als er Rebekka heiratete. Und für damalige Verhältnisse war das ziemlich spät. Abraham muss sich eine ganze Weile schon viele Gedanken gemacht haben, wie er Isaak unter die Haube bekommen könnte. Der Schwur in den Verse 3 und 4 klingt in heutigen Ohren sehr problematisch.
Zum einen könnte man sich die Frage stellen: Weshalb wollte Abraham nicht, dass Isaak eine Kanaaniterin heiratete? Ist das nicht richtig diskriminierend? Als nächstes, wie kommt es, dass Abraham und sein Knecht hier schalten und walten wie sie wollen? Es geht um Isaaks Partnerschaft. Sollte nicht Isaak die Initiative ergreifen? Wiederum, Abraham will, dass der Knecht eine Frau „holen“ geht. Das klingt, wie als ob die Ehefrau eine Ware ist, die man auf einem Bazar kaufen kann. Wo sind die Rechte der Frauen? Und schließlich muss man natürlich auch fragen: Wo ist denn hier die Liebe? Kann man sich eine unromantischere Weise vorstellen, zu heiraten?
Historiker vermuten, dass die Ehe erst wenige Tausende Jahre alt ist. In „The Week“ gab es einen kurzen Artikel über die Geschichte der Ehe. Die Autoren schrieben: „Die ersten dokumentierten Zeugnisse von Hochzeitszeremonien, bei denen eine Frau und ein Mann vereint wurden, stammen aus dem Jahr 2350 v. Chr. aus Mesopotamien. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte entwickelte sich die Ehe zu einer weit verbreiteten Institution, die von den alten Hebräern, Griechen und Römern angenommen wurde.“ Die Autoren schreiben weiter: „Der Hauptzweck der Ehe bestand darin, Frauen an Männer zu binden und so sicherzustellen, dass die Kinder eines Mannes auch wirklich seine leiblichen Erben waren. Dies war besonders wichtig in patriarchalischen Gesellschaften, in denen diese Erben oft Führungspositionen erbten. Durch die Ehe wurde eine Frau zum Eigentum eines Mannes.“ *1) Ist das der Beginn der Ehe?
Was genau ist eigentlich eine Ehe? Aufgrund von dem, was die Bibel sagt, möchte ich nur zwei Dinge hervorheben. Als erstes, die Ehe ist Gottes Erfindung. In den ersten Kapiteln von Genesis erfahren wir, dass Gott derjenige war, der die erste Ehe zwischen einem Mann und einer Frau initiiert hatte. Gott sah, dass es nicht gut war, dass der Mann alleine war. Das impliziert, dass es auch nicht gut ist, dass die Frau alleine ist. Gott war es, der die ersten Menschen zusammengeführt hatte, damit sie eine lebenslange Partnerschaft eingehen. Die Ehe ist also Gottes Idee.
Der zweite Punkt ist, dass Ehe ein Versprechen ist. Die Bibel verwendet einen besonderen Ausdruck dafür: „Bund“. Zum Beispiel ist in Sprüche 2,17 davon die Rede, dass Ehe der Bund Gottes ist. In Maleachi 2,14 spricht der Prophet davon, dass Gott selbst der Trauzeuge war, als Mann und Frau einen Bund miteinander geschlossen haben. Wenn ein Mann und eine Frau am Altar ihre Gelöbnisse ablegen, dann ist die Gegenwart praktisch irrelevant. Bei einem Gelöbnis sagen sie sich nicht: „Ich liebe dich so sehr“ oder „du bedeutest mir so viel“. Sondern sie sagen sich: „Ich werde dich lieben“, oder „ich werde dir treu sein“, oder „ich werde dich achten, ehren, respektieren.“ Oder als mein Cousin J. geheiratet hatte, war eines seiner Versprechen: „Ich verspreche dir, dass ich auch mit dir tanzen werde, wenn wir beide alt sind.“ Die Versprechen haben etwas mit unserer Zukunft zu tun. Der Bund hat etwas mit unserer Zukunft zu tun.
Warum ist das alles hier wichtig? Es geht um die Frage, wem die Ehe eigentlich gehört. Vielleicht eine ganz einfache Illustration. In Deutschland gibt es eine ganz tolle Sache, die „Kindergeld“ heißt. Der deutsche Staat leistet Kindergeld an Eltern, damit diese besser für ihre Kinder sorgen können. D.h., in gewisser Weise gehört den Eltern das Kindergeld. In gewisser Weise können die Eltern das Kindergeld so einsetzen wie sie es wollen. Aber hinter dem Kindergeld steht die Absicht des Staates, Familien zu fördern und zu helfen, dass die Existenz der Kinder abgesichert ist.
Wenn die Ehe nur eine Erfindung der Menschheit ist, die irgendwann in der frühen Bronzezeit aufkam, dann steht es uns natürlich frei, damit zu machen, was wir wollen; wir können Ehe interpretieren wie wir wollen. Aber wenn die Ehe Gottes Erfindung ist, wenn Ehe Gottes Institution ist, wenn Ehe der Bund Gottes ist, den wir vor ihm schließen, dann gehört die Ehe zwar uns; sie ist aber Gottes Geschenk an uns. Es ist auch klar, dass Ehe einen höheren Zweck hat; dass Gott durch die Ehe Ziele verfolgt; dass es einen Grund gibt, weshalb Gott uns dieses Geschenk gibt. Und es ist auch klar, dass wenn wir wissen wollen, was eine gute Ehe ist, wir uns an den Autor der Ehe wenden müssen.
Das bringt uns direkt zum zweiten Punkt.
2. Wozu gibt es die Ehe?
Der Knecht fragt Abraham, was er tun sollte, wenn die Frau sich weigert, mitzukommen. Abrahams Antwort ist in Vers 7: „Der HERR, der Gott des Himmels, der mich aus dem Haus meines Vaters und aus dem Land meiner Verwandtschaft herausgenommen hat, der zu mir gesagt und mir geschworen hat: Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land!, er wird seinen Engel vor dir hersenden und so wirst du von dort eine Frau für meinen Sohn mitbringen.“ Abraham zitiert hier Gottes eigenes Versprechen: „Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land!“ Isaaks Ehe diente dem Zweck, Gottes Verheißung zu verwirklichen. Isaaks Ehe war ein notwendiger Schritt, dass durch Abraham ein Volk entstehen würde, das groß und stark genug war, sich das ganze Land zu eigen zu machen. Die Ehe war Teil von Gottes Plan für Abraham.
Heute haben wir keine Berufung, mit unseren Nachkommen ein Land einzunehmen. Welches Ziel verfolgt Gott bei uns? In Epheser 5 [EÜ] schreibt Apostel Paulus: „Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche.“ Paulus schreibt, dass die Ehe ein Bild für ein großes Geheimnis ist, die Beziehung zwischen Christus und seiner Gemeinde. Jesus hat sein Leben gegeben, um die Gemeinde als seine Braut zu erkaufen. Die Gemeinschaft aller Menschen aller Kulturen, aller Nationen und aller Zeiten, die Jesus als ihren Herrn und Heiland bekennen und anbeten, ist die Braut Jesu. Im Leib Christi finden wir eine fast unendliche Vielfalt dessen, wie Jesus geehrt und geliebt wird und wie Jesu Gegenwart erfahren wird. Die Ehe soll ein Mikrokosmos sein, die auf einzigartige Weise die Vielfalt und Schönheit dessen reflektiert, wie Jesus seine Gemeinde liebt.
Damit eine Ehe das tun kann, braucht es etwas ganz Wesentliches in unserem Leben. Die Bibel nennt es Heiligung. Gary Thomas schrieb ein Buch mit dem Titel „Die heilige Ehe: Was wäre, wenn Gott die Ehe eher dazu geschaffen hätte, uns heilig zu machen, als uns glücklich zu machen?“ Und ich denke das trifft es ziemlich gut. Ehe ist eines der Werkzeuge, die Gott in seinem Arsenal hat, um seine Pläne an uns zu verwirklichen: uns als seine Kinder zu erziehen. Die Ehe ist Gottes Charakterformierungsprojekt. Er will, dass wir ihm ähnlicher werden. Inwiefern? Gott ist ein Gott in drei Personen, die in Ewigkeit zusammen existierten. Gott ist ein Gott in Gemeinschaft, in der jede Person sich der anderen Person unterordnet, in welcher jede der anderen dient, allesamt verbunden durch eine vollkommene, sich hingebende agape-Liebe. Diesen Gott sollen wir in allen Beziehungen, die wir haben, imitieren. Das ist das Ziel von Ehe.
Wir sind ja alle Kinder unserer Kultur und unseres Zeitgeistes. Für die meisten Menschen unserer Zeit ist Ehe und Partnerschaft das höchste Ideal, im Bezug darauf, wie wir versuchen, unser Glück zu finden. Wir würden es vielleicht nicht so ausdrücken, aber insgeheim träumen wir vermutlich davon, unsere wahre Erfüllung in einer Beziehung mit dem Traumprinzen oder der Traumprinzessin zu finden. Fakt ist ja, dass wir alle in unserem Herzen eine tiefe Leere verspüren. Wir wissen, dass Erfolg und Geld diese Leere nicht wirklich füllen können. Selbst wenn wir beruflich die größten Erfolge feiern, bleibt ein Gefühl der Unvollständigkeit. Vielleicht haben wir solche epischen Szenen im Kopf wie am Ende von dem Film „Jerry Maguire“ (1996), wenn Jerry seine Frau aufsucht und ihr sagt: „Ich liebe dich. Du machst mich vollständig.“
Vielleicht denkst du, dass eine biblische Eheanschauung einfach zu extrem ist: „Eine Ehe, in der ich erst gar nicht versuche, mein Glück und meine Verwirklichung zu suchen; eine Ehe, die vor allem dazu da ist, mich Jesus ähnlicher zu machen; ist nicht so wirklich romantisch…“ Vielleicht hast du große Bedenken, dich auf so ein Ehemodell einzulassen, weil es in so einem Widerspruch zu dem steht, was wir tagtäglich auf allen verfügbaren Kanälen zu sehen bekommen: in unzähligen Liebesfilmen, in Zeitungen, Klatsch und Tratsch Zeitschriften, auf Social Media. Weil wir überall eintrichtert bekommen, dass nur der richtige Partner der Weg zum Glück ist. Und wenn du unglücklich bist, dann kann das nur daran liegen, dass du in deinem Leben noch nicht den richtigen Partner hast.
Falls du das denkst, möchte ich dir gerne sagen, dass eine biblische Vorstellung von Ehe nicht nur „richtig“ ist (weil es von Gott kommt). Es ist irgendwo auch sehr befreiend. Ein Beispiel: Letzte Woche hatte W. über die Familie von Jakob gepredigt. Jakob war unsterblich, bis über beiden Ohren in Rahel verknallt. Nach sieben Jahren Arbeit wie ein Sklave (die ihm vorkamen wie sieben Tage, weil er so ein Liebestrottel war), konnte er endlich die Liebe seines Lebens heiraten. Er ging mit Rahel ins Bett (zumindest dachte er das). Und wir lesen in Genesis 29,25: „Am Morgen aber, siehe, da war es Lea.“ Laban hatte Jakob betrogen. Wenn wir diesen Vers bildlich verstehen, könnte das für uns bedeuten, dass wir auch betrogen werden: Du gehst mit der Liebe deines Lebens ins Bett, aber stellst am nächsten Morgen fest, dass es doch nicht das war, was du dir erhofft hattest; dass es doch nicht die Erfüllung, das Glück gebracht hat, auf die du dein ganzes Leben gewartet hattest; am nächsten Morgen ist es Lea, nicht Rahel. Und der Grund ist ganz einfach: Kein Mensch auf Erden kann die Leere deines Lebens füllen; kein Mensch auf Erden kann dir das Gefühl geben, dass du wirklich vollständig bist. Und wenn du solche Erwartungen an jemand anderen stellst, ist das nicht fair. Das Gleiche gilt auch umgekehrt: Du bist nicht in der Lage, eine andere Person dauerhaft das Glück zu schenken, das sie sich wünscht und das sie braucht. Wenn solche Erwartungen an dich gestellt werden oder du dir selbst solche Erwartungen stellst, baust du einen Druck auf, dem du nicht standhalten kannst.
Es gibt einen polnischen Pianisten, der auf YouTube Videos veröffentlicht, um Tipps zu geben, wie man besser und effizienter üben kann. Er wollte darauf aufmerksam machen, dass die linke und die rechte Hand unbedingt getrennt voneinander üben müssen. Erst dann, wenn man mit jeder Hand einzeln den Part perfekt spielen kann, dürfen beide Hände zusammenkommen. Und er hat das mit der Ehe verglichen. Man denkt vielleicht, dass der andere Partner einem helfen kann, seine Lebensprobleme gelöst zu bekommen. Aber wenn beide Partner mit ihrem ungelösten Problem heiraten, dann ist der Ärger vorprogrammiert. Es ist stattdessen viel besser, wenn beide Partner jeder für sich vor der Partnerschaft an seinen Problemen arbeitet. Da steckt sehr viel Weisheit drin.
Zu heiraten, um geheiligt zu werden, mehr als glücklich zu werden, ist ironischerweise der Weg zum Glück. Wenn du primär heiratest, um glücklich zu werden, wirst du enttäuscht werden. Wenn du primär heiratest, um Jesus ähnlicher zu werden, hast du gute Chancen, eine glückliche Ehe zu führen. Es ist die Voraussetzung, dass wir die Romanze mit unserem Partner wirklich genießen können. Wir können die Beziehung genießen, weil keine unrealistischen Erwartungen damit verknüpft sind. Und das kann sehr befreiend sein.
3. Wie sollen wir dann heiraten?
Genesis 24 ist das längste und ausführlichste Kapitel in der Bibel, das davon handelt, wie eine Ehe zustande kam. Im Bezug auf diesen Text gibt es zwei Fehler, die wir versuchen sollten zu vermeiden.
Der erste Fehler, den wir vermeiden sollten: Dieses Kapitel ist kein Blueprint oder Masterplan dafür, wie Ehen geschlossen werden sollten. Isaak hatte eine Ehe, die von Menschen, die ihm nahestanden, arrangiert wurde. Ich denke, dass es ein Fehler wäre, deshalb daraus zu schlussfolgern, dass alle Ehen arrangiert sein sollten. Fakt ist, durch die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg, waren die allermeisten Ehen arrangiert. Dass zwei Menschen sich an der Uni oder in einer Bar (oder in der Gemeinde!) kennenlernen, verlieben, ein Pärchen werden und danach heiraten ist eine sehr westliche und sehr moderne Erscheinung. Asien ist ganz klar am Nachziehen dank der Globalisierung. Trotzdem sind in Indien heute noch mehr als 90% der Ehen arrangiert. In Korea waren bis vor wenigen Jahrzehnten die meisten Ehen arrangiert.
Hier ist das Problem: Wir alle (ich auch!) haben die ganz starke Tendenz, die Bibel durch unsere kulturelle Brille hindurch zu lesen. Und diejenigen, die arrangierte Ehen befürworten, sehen in Genesis 24 ganz starke Evidenz dafür, dass das der beste oder gar der einzige richtige Weg ist, wie man heiraten sollte. Weil unsere Gemeinde einen koreanischen Ursprung hat, gab es und gibt es vielleicht auch in unseren Kreisen Individuen, die ähnlich gedacht haben oder denken. Was wir verstehen müssen, ist, dass Genesis vor allem eine Narrative ist. Der Autor erzählt uns einfach, was sich zugetragen hat. Es wird dem Leser überlassen, das Ganze richtig einzuordnen. D.h., wir lernen natürlich wichtige Prinzipien aus dieser Geschichte; aber Narrative heißt eben auch, dass dieser Text nicht einfach unreflektiert als das Vorbild schlechthin gesehen werden sollte. Ich denke nicht, dass das die Intention des biblischen Autors war.
Der andere Fehler, den wir vermeiden sollten, ist, bei diesem Text die Nase zu rümpfen und zu sagen: „Das ist so veraltet, so patriarchalisch. Damit will ich nichts zu tun haben. Zum Glück kann ich mir meinen eigenen Partner selbst aussuchen. Zum Glück kann mir hier niemand reinreden, weil das allein mein Bier ist.“ Ein christlicher Pastor, den ich übrigens sehr liebe und respektiere, hatte einmal davon erzählt, wie er gefragt wurde, ob er Input geben kann, was der Wille Gottes ist im Bezug auf eine bestimmte Person, die jemand heiraten wollte. Seine Antwort war: „Das tue ich ganz bestimmt nicht!“ Und warum nicht? „Wenn ich dir dabei schlechten Rat gebe, was ist dann? Ich werde einfach zu Gott ins Gebet gehen und ihm sagen: „Sorry, hatte einen schlechten Tag!“ und Gott wird mir vergeben. Aber was ist mit dir? Du bist zeitlebens mit dem falschen Ehepartner verheiratet.“ Das ist das andere Extrem, das wir vermeiden dürfen.
Wenn die Ehe eine Institution ist, die Gott erfunden hat, und wenn Ehe das Ziel hat, dass wir geheiligt werden, wie sollen wir unseren Partner fürs Leben finden? Was sehen wir im Text? Der Knecht bereit sich vor und macht sich auf den Weg. Als er nach einer langen und beschwerlichen Reise das Ziel erreicht hat, geht er zum Brunnen. Es war der Ort, an dem die Frauen abends herauskamen, um Wasser zu schöpfen. Und dann betete er: „HERR, Gott meines Herrn Abraham, lass mich heute Glück haben und erweise meinem Herrn Abraham Huld!“ Sobald er aufgehört hatte, zu beten, sah er Rebekka, die Frau, die perfekt war für Isaak.
Zwei kurze Anwendungen zum Schluss. Sieh deine Partnerwahl nicht allein als deine Privatsache an. Ich glaube, dass es das biblische Modell ist, dass wir in diesem so wichtigen Gebiet unseres Lebens, andere Personen, denen wir vertrauen, einbeziehen. Bevor du eine Beziehung zum anderen Geschlecht eingehst, oder wenn du bereits in Beziehung bist, nimm andere Menschen mit ins Boot: Menschen, die dich gut kennen, die ein Herz für dich haben, die bereit sind, für dich beten, und die dir mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Für angehende Ehepaare: fragt gerne bei älteren Paaren, ob ihr vor der Ehe Beratung, Bibelstudium, seelsorgerliche Hilfe zur Ehe bekommen könnt. Geht diesen Weg nicht alleine. Das Ziel dieser Predigt ist, den Dialog dafür zu öffnen.
Als letztes, in Genesis 24 waren praktisch alle Individuen im Gebet miteinander verbunden. Abraham musste viel gebetet haben, um zu wissen, dass der Engel Gottes selbst vorangehen würde; der Knecht hatte im Text um Gottes Führung gebetet; Isaak betete; Rebekka hat bestimmt auch gebetet. Sprüche 19,14 sagt: „Haus und Habe sind das Erbe der Väter, / doch eine verständige Frau kommt vom HERRN.“ Das gilt auch für verständige und brauchbare Ehemänner. Wenn du auf der Suche nach einem geeigneten Ehepartner bist, verbringe viel Zeit im Gebet. Ehe ist ein Geschenk Gottes.
*1) https://theweek.com/articles/528746/origins-marriage