Predigt: 1. Mose 20,1-18

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Gott bezeugt Abraham als Propheten

„So gib nun dem Mann seine Frau wieder, denn er ist ein Prophet, und lass ihn für dich bitten, so wirst du am Leben bleiben. Wenn du sie aber nicht wiedergibst, so wisse, dass du des Todes sterben musst und alles, was dein ist.“

(1. Mose 20,7)

Wir betrachten seit zwei Monaten das Glaubensleben von Abraham. Apostel Paulus nennt Abraham im Römerbrief „unser aller Vater“ und sagt damit, dass Abraham auch für uns in geistlicher Hinsicht ein Vorgänger und Vorbild ist. Aber das bedeutet nicht, dass Abraham keine Schwächen gehabt und keine Fehler gemacht hätte. Die Bibel zeigt auf sehr ehrliche Weise, dass auch Abraham lernen musste, an Gott und seine Verheißung fest zu glauben und mit einer entsprechenden Gesinnung zu leben. Wie wir in den letzten Wochen gesehen haben, war seine geistliche Entwicklung keine Kurve, die ständig steil nach oben ging. Sein Glaubensleben war vielmehr eine lange Reise mit Gott, in denen es Höhen und Tiefen gab, großartige Glaubensschritte, aber auch Fehltritte. Vor drei Wochen haben wir in Kapitel 17 gesehen, wie Gott mit Abraham einen Bund schloss und ihm half, seinen Glauben fest zu machen. Danach konnte Gott ihn mit Engeln besuchen und eine schöne Gemeinschaft mit ihm haben und ihn in verschiedene Pläne einweihen. Aber unser heutiger Text berichtet noch einmal von einem geistlichen Fehltritt Abrahams mit zunächst dramatischen Folgen.
Der Text bezeugt uns vor allem, wie Gott Abraham nach seinem Versagen beistand und ihm aus der verfahrenen Situation heraushalf. Wir wollen heute auf folgende Fragen Antwort finden: Warum wiederholte Abraham seinen alten Fehler und welche Folgen hatte das? Wie half Gott Abraham aus seiner Misere und was zeigt das über Gott? Was können wir daraus lernen?

Der Text beginnt mit der Information, dass Abraham mit seinem Haushalt ins Südland zog. Für „Südland“ steht im hebräischen Urtext das Wort „Negev“, was „trockenes Land“ bedeutet und das Gebiet südlich von Juda bezeichnet. Gerar war ein Stadtstaat etwa auf halbem Weg zwischen Gaza und Beerscheba und damit noch Teil des verheißenen Landes. Wir erfahren nicht, warum Abraham dorthin umzog. Da er große Viehherden hatte, brauchte er vermutlich nach den vielen Jahren im Gebiet von Mamre neue Weideplätze.

Abrahams Umzug nach Gerar war nicht das Problem. Im Vers 2 gibt es jedoch ein „aber“: „Er sagte aber von Sara, seiner Frau: Sie ist meine Schwester“ (2a). Das Problem war, dass Abraham in der neuen Umgebung Sara als seine Schwester ausgab. Warum tat er das? Einfach gesagt tat Abraham das aus Menschenfurcht. Der Vers 1 sagt ausdrücklich, dass Abraham in Gerar „als ein Fremdling“ lebte, das heißt als ein Ausländer ohne Rechte. In Mamre, wo er davor über zwanzig Jahre lang gelebt hatte, war er auch ein Fremdling gewesen. Aber wir haben schon in Kapitel 14 gelesen, dass Abraham in Mamre zu einigen Nachbarn eine gute Beziehung hatte und mit ihnen im Bund stand. Aber in Gerar kannte er niemanden. Damals war es in vielen Ländern noch verbreitet, dass einflussreiche Männer sich beliebig Frauen nahmen, die ihnen gefielen, und dabei oft den Ehemann beseitigten. Sara sah offensichtlich trotz ihres Alters immer noch sehr gut aus. Daher befürchtete Abraham, dass jemand in Gerar Sara rauben und ihn dabei umbringen könnte. Um sich davor zu schützen, sagte er von Sara, sie wäre seine Schwester. Abraham, der von Gott berufene Mann des Glaubens, log aus Menschenfurcht.

Wenn wir uns in Abrahams Lage versetzen, können wir sein Verhalten einerseits verstehen. Andererseits war es aus zwei Gründen erstaunlich. Zum einen, weil Abraham vor über zwanzig Jahren am Anfang seines Glaubenslebens in einer ähnlichen Situation genau das gleiche getan hatte und in große Probleme geraten war. Als Abraham wegen einer Hungersnot nach Ägypten zog, gab er dort aus der gleichen Angst heraus Sara als seine Schwester aus. Daraufhin holte der Pharao Sara in seinen Harem. Abraham verlor seine Frau, und nur durch Gottes starkes Eingreifen konnte er sie wiederbekommen. Warum machte Abraham wieder den gleichen Fehler? Offenbar hatte er aus seiner damaligen Erfahrung nicht gründlich gelernt. Zum anderen erscheint Abrahams Verhalten erstaunlich, weil er inzwischen so viel Hilfe Gottes erfahren hatte und seit seinem Bund mit Gott in Kapitel 17 an Gottes Verheißung fest glaubte. Aber Glauben an Gott zu haben, bedeutet nicht, dass man automatisch in allen Situationen aus dem Glauben handelt. Offenbar schaute Abraham in Gerar nur auf sich und seine Situation und nicht auf Gott und seine Verheißung. Er dachte nicht bewusst aus dem Glauben an Gottes Versprechen, ihn zu einem großen Volk zu machen und ihn zu segnen. Daher kam in ihm die Sorge auf, dass ihm jemand Sara wegnehmen und ihn dafür umbringen könnte. Ohne konkreten Glauben an Gottes Verheißung handelte er aus seiner Furcht heraus nach einem alten Schema: er behauptete wieder, Sara wäre seine Schwester. Wie der Text berichtet, ging der Plan gründlich schief. Abimelech, der König von Gerar ließ sie holen. Abraham verlor seine Frau und konnte nichts dagegen machen. Als Fremdling hatte er keine Möglichkeit, sie von Abimelech zurückzufordern. Er konnte Abimelech auch nicht um seine Gunst bitten, denn er durfte ihm nicht sagen, dass er ihn belogen hatte (wer damals einen König belog, musste mit schwerster Strafe rechnen).

Hier können wir lernen, dass Menschenfurcht ein ernstes geistliches Problem ist, das wir nicht auf die leichte Schulter nehmen dürfen. Heutzutage wird Menschenfurcht eher als ein charakterliches und psychologisches Problem betrachtet, das den Menschen selbst Nachteile bringt, weil man sich dadurch zum Beispiel nicht so gut vor anderen präsentieren und nicht so gut für seine Rechte eintreten kann. Aber Menschenfurcht ist ein echtes geistliches Problem. Wegen seiner Menschenfurcht belog Abraham alle Leute in Gerar, die ihn nach Sara fragten, was vor Gott eine Sünde war. Später im Vers 13 sehen wir, dass Abraham seine Lüge auch verteidigte. Wegen seiner Menschenfurcht hätte Abraham seine Frau fast für immer verloren, was für beide endloses Leid bedeutet hätte. Außerdem hätte Gottes Verheißung, dass Abraham durch Sara einen Sohn haben würde, schwer erfüllt werden können. Sprüche 29,25 sagt: „Menschenfurcht bringt zu Fall; wer sich aber auf den HERRN verlässt, wird beschützt.“ Menschenfurcht hat ihre Wurzel im Mangel an Glauben bzw. an Gottesfurcht. Sprüche 1,7 sagt: „Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Erkenntnis. Die Toren verachten Weisheit und Zucht.“ Jesus selbst ermahnt uns dazu, uns nicht vor Menschen zu fürchten, sondern allein Gott zu fürchten (Lukas 12,4.5). Es gibt viele Arten und Formen von Menschenfurcht. Viele Leute haben bewusst oder latent Angst vor anderen Menschen und dem, was sie über sie denken, sagen oder gegen sie tun könnten. Wenn wir vor unseren Eltern oder Freunden, Kollegen oder unserem Chef manchmal Dinge nur deshalb sagen, weil wir davor Angst haben, dass sie ansonsten schlecht über uns denken oder uns kritisieren würden, ist das bereits ein Zeichen für Menschenfurcht. Wir sollen Gott fürchten und ihm in allen Bereichen unseres Lebens vertrauen, sodass wir alle Menschenfurcht in uns überwinden. Es ist auch wichtig, dass wir aus begangenen Fehlern und besonders aus geistlichem Versagen gründlich lernen, damit wir sie nicht wiederholen.

Wie half Gott Abraham aus seiner ausweglosen Lage, in die er wegen seiner Lüge geraten war? Betrachten wir die Verse 3-7: „Aber Gott kam zu Abimelech des Nachts im Traum und sprach zu ihm: Siehe, du bist des Todes um der Frau willen, die du genommen hast; denn sie ist eines Mannes Ehefrau. Abimelech aber hatte sie nicht berührt und sprach: Herr, willst du denn auch ein gerechtes Volk umbringen? Hat er nicht zu mir gesagt: Sie ist meine Schwester? Und sie hat auch gesagt: Er ist mein Bruder. Hab ich das doch getan mit einfältigem Herzen und unschuldigen Händen. Und Gott sprach zu ihm im Traum: Ich weiß auch, dass du das mit einfältigem Herzen getan hast. Darum habe ich dich auch behütet, dass du nicht wider mich sündigtest, und habe es nicht zugelassen, dass du sie berührtest. So gib nun dem Mann seine Frau wieder, denn er ist ein Prophet, und lass ihn für dich bitten, so wirst du am Leben bleiben. Wenn du sie aber nicht wiedergibst, so wisse, dass du des Todes sterben musst und alles, was dein ist.“ Gott griff massiv ein. Gott erschien Abimelech und verkündigte ihm, dass er sterben musste, weil er eine verheiratete Frau genommen hatte. Abimelech verteidigte sich vor Gott mit dem Argument, dass Abraham und Sara beide gesagt hatten, dass sie Geschwister wären. Gott erkannte das an, forderte ihn aber dazu auf, Abraham seine Frau wiederzugeben. Dabei verkündigte Gott ihm, dass Abraham ein Prophet war. Abimelech sollte Abraham darum bitten, für ihn zu beten, damit er am Leben bleiben und nicht sterben würde. Hier sehen wir, dass Gott klar hinter Abraham stand, obwohl auch er sich nicht richtig verhalten hatte.

Der folgende Abschnitt (Verse 8-13) beschreibt, wie Abimelech am nächsten Morgen seine Großen versammelte und Abraham vor ihnen zur Rede stellte. Abraham musste sich den starken Tadel des Königs gefallen lassen und musste zugeben, dass er aus Angst gelogen hatte. Dass er vor allen Würdenträgern des Landes bloßgestellt und getadelt wurde, war für Abraham eine äußerst peinliche Situation, sodass Gott es nicht für nötig hielt, ihn selbst auch zu tadeln. Schließlich bat Abraham Gott für Abimelech und seine Familie; und Gott heilte ihn und alle Frauen in seinem Haushalt, sodass sie wieder Kinder gebären konnten. Abimelech empfing vom König das Recht, sich im Land niederzulassen, wo er wollte – er erhielt eine unbeschränkte Aufenthaltserlaubnis. Außerdem gab Abimelech ihm tausend Silberstücke, die die Schmach von Sara bedecken sollte. Auf diese Weise half Gott Abraham und rehabilitierte ihn öffentlich.

Was können wir hier lernen? Vielleicht können sich einige von uns in Abraham wiederfinden. Wir wären gerne immer im Glauben stark und geistlich vorbildlich, aber wie oft müssen wir feststellen, dass wir es nicht sind, sondern menschlich und geistlich Defizite haben, die uns zu Fehltritten und zu Rückschlägen auf unserem Weg mit Gott verleiten. Die Botschaft des Textes ist nicht, dass das gar nicht so schlimm wäre und dass wir da nicht nach Veränderung streben sollten. Dass Abraham aus Menschenfurcht andere belog, war schlimm und hatte eigentlich schlimme Folgen, für ihn selbst und für andere, vor allem für Sara. Die gute Nachricht ist aber: Gott gab Abraham trotz seines wiederholten Fehlers nicht auf. Gott stand Abraham als seinem Bundespartner trotz seines Versagens treu bei und half ihm aus der Misere heraus, in die er sich gebracht hatte. Gott bedrohte nicht nur Abimelech, dass er Abraham seine Frau zurückgeben sollte, sondern Gott bezeichnete Abraham dabei vor allen seinen Großen auch als einen Propheten. Gott bezeugte Abraham als Propheten, indem er auf sein Gebet hin Abimelech und seine Familie heilte. Dadurch wandte Gott die schmachvolle Lage von Abraham ab und ließ ihn letztlich eine gute Erfahrung machen.

Das alles tat Gott nicht aufgrund von Abrahams Tugend oder seiner Werke, sondern vielmehr trotz seiner Schwäche und seines Versagens. Es geschah also allein aus Gottes Gnade. Abraham konnte dadurch Gottes Treue und seine Liebe und Gnade gegenüber ihm unmittelbar erleben. Gott half Abraham also, durch dieses Ereignis nicht nur seine eigene Schwäche, sondern in gewaltiger Weise auch Gottes Gnade zu erkennen. Das muss seinen Glauben gestärkt und ihn dazu befähigt haben, für seine Menschenfurcht tief Buße zu tun. Wenn wir es einfach zusammenfassen wollen: Abraham war schwach und machte schwere Fehler. Aber Gottes Gnade überwog Abrahams Schwäche und sein Versagen.

Diese große Wahrheit gilt auch für uns. Denn auch wir stehen in einem Bund mit Gott, wenn wir an Jesus und seinen Tod für unsere Sünden glauben. Gott hat uns in diesem Bund angenommen und uns versprochen, alle unsere Sünde zu vergeben und uns das ewige Leben zu geben. Gott hat uns dazu berufen, in diesem Glauben zu leben und Jesu Zeugen zu sein. Die gute Botschaft im heutigen Text ist: Gott steht fest zu uns als seinen Bundespartnern, auch wenn wir Fehler gemacht oder gesündigt haben! Denn die Grundlage dieses Bundes ist nicht unsere Treue und Stärke, sondern Gottes Gnade. Gottes Gnade und seine Treue hören nicht auf, wenn wir untreu sind, selbst wenn wiederholt versagt haben. Aus seiner Gnade will er uns nochmals heraushelfen, und er will uns durch diese Erfahrung helfen, geistlich zu wachsen und unsere Schwächen zu überwinden. Der heutige Text bezeugt uns: Gottes Treue ist größer als unsere Untreue, seine Gnade ist größer als unser Versagen. Gottes Gnade überwiegt.