Predigt: 1. Mose 15,1 – 15,21

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Der Bund

„Die Sonne war untergangen und es war dunkel geworden. Und siehe, ein rauchender Ofen und eine lodernde Fackel waren da; sie fuhren zwischen jenen Fleischstücken hindurch.“

(1.Mose 15,17)

Im Leben vom Abraham gab es einige wichtige Momente. Praktisch jedes Kapitel, das uns in Genesis von Abraham berichtet wird, ist ein wichtiges, prägendes Ereignis. Und weil jedes Kapitel wichtig ist, muss man gut begründen, weshalb ausgerechnet das heutige Kapitel besonders wichtig ist. Hier ist die Begründung: Die Autoren des NT fanden dieses Kapitel wichtig. Paulus fand das heutige Kapitel so wichtig, dass er sowohl im Römerbrief als auch im Galaterbrief auf unseren Text Bezug nahm. Auch im Jakobusbrief wird auf unseren Text Bezug genommen. Die NT Autoren haben in diesem Text einen Schlüsselmoment in Abrahams Leben gesehen. Was ist dieser Schlüsselmoment? Gott schließt einen feierlichen, zeremoniellen Bund mit Abraham.
Drei Dinge können wir im Text dann sehen: erstens, die Prophetie; zweitens, die Reaktion; drittens, die Versicherung.

Erstens, die Prophetie
In Vers 1a lesen wir: „Nach diesen Ereignissen erging das Wort des HERRN in einer Vision an Abram.“ Beim schnellen Lesen könnten wir denken, dass Gott hier einfach nur mit Abram spricht, was sicherlich schon außergewöhnlich genug ist. Diejenigen Leser, die sich mit der Hebräischen Sprache auskennen, haben alle hier angemerkt, dass der Autor einen sehr außergewöhnlichen Ausdruck verwendet. Dass das Wort des HERRN an jemanden ergeht lesen wir sonst nicht mehr in Genesis. Es ist ein Ausdruck, den wir von den Propheten kennen, aber nicht von den Patriarchen. Das Wort „Vision“ finden wir außerdem im gesamten Pentateuch nur hier und einmal mehr im 4. Buch Mose. In 4. Mose ist es Bileam, der Visionen sieht. D.h., Gott spricht nicht einfach nur zu Abram. Abram bekam eine Prophetie von Gott. Abram hört nicht einfach nur Gottes Stimme. Er sieht das, was Gott ihm offenbart. Anders gesagt, das Wort, das Abram hier empfängt, ist von einer Klarheit und Deutlichkeit, wie vermutlich kaum ein anderer Mensch vor oder nach ihm in Genesis Gott gehört hat. Abram wird später in Genesis 20 ein Prophet genannt. Und der Autor macht an dieser Stelle ganz deutlich, dass Abram das von Gott erfährt, was sonst nur die Propheten zu sehen und zu hören bekamen.
Was ist es, was Gott Abram in der Prophetie mitteilt? Das, was Abram hört, ist – wie ich finde – eine der schönsten Verheißungen und Zusagen, die es überhaupt in der Bibel gibt. Gott spricht: „Fürchte dich nicht, Abram! Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.“ Die Kreisleiter hatten sich dazu entschlossen Kapitel 14 zu überspringen, was ich etwas schade finde. In Kapitel 14 hätten wir gesehen, dass Abram sich in einen militärischen Konflikt verwickelt hatte. Das hatte er freiwillig getan, um seinen Neffen Lot aus der Patsche zu helfen. Und in Kapiteln 13 und 14 hatten wir gesehen, dass Abram ein außerordentlich großzügiger Mensch war: er gab seinem Neffen den Vorzug, sich das Land auszusuchen, was eigentlich unerhört war. Und er lehnte die Kriegsbeute ab, die ihm eigentlich rechtmäßig zugestanden hatte. Das war der Kontext. Und das war die Situation, in der Abram sich befand: er hatte guten Grund sich zu fürchten und Sorgen zu machen; und er hatte guten Grund, Verlustgefühle zu haben.
In diese Situation spricht Gott dann: „Fürchte dich nicht, Abram! Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.“ Schild ist natürlich ein Bild für Bewahrung und Schutz. Der sehr große Lohn ist selbsterklärend. Das Erstaunliche an Gottes Aussage ist folgendes: Gott sagte, dass er genau das für Abram ist. Gott sagte nicht: „ich gebe dir Schutz“, sondern: „ich bin dein Beschützer“; und Gott sagte auch nicht: „ich gebe dir eine große Belohnung“, sondern „ich bin deine große Belohnung“. Abram würde sein ein und alles in Gott finden. Gott selbst für ihm alles und mehr als genug sein. Das war das prophetische Wort, das Abram zu hören bekam. Es war genau das Wort, das er in seiner Situation gebraucht hatte. Und es ist das prophetische Wort an uns: Gott will unser Gott sein. Er ist unser Schild und unser sehr großer Lohn.

Zweitens, die Reaktion
Wir sehen im Großen und Ganzen zwei Reaktionen von Abram. Beide Reaktionen sind auf dem ersten Blick grundverschieden. Und trotzdem gehören sie eigentlich zusammen wie Licht und Schatten.
Abrams erste Reaktion ist vielleicht nicht ganz, was wir erwarten würden. Noch einmal, Gott erscheint in einer Vision und spricht mit großer Klarheit und Deutlichkeit davon, dass Abram keinen Grund hatte, sich zu fürchten, weil Gott sein Schild und sein sehr großer Lohn war. Abram hätte an dieser Stelle „Dankeschön“ sagen können und dann anfangen können, für Gott Anbetungslieder zu singen. Aber genau das tut Abram nicht. Er sagt stattdessen: „Herr HERR [im Urtext steht einmal „adonai“, gefolgt von „Jahwe“], was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder und mein Knecht Elieser von Damaskus wird mein Haus besitzen.“ Abram war noch nicht fertig. Weiter sagte er: „Siehe, du hast mir keine Nachkommen gegeben; so wird mich mein Haussklave beerben.“ Abram sagte: „Gott, du hast mir Nachkommen versprochen. Wo sind diese Nachkommen? Ich kann sie nicht sehen.“ Diese Reaktion ist umso erstaunlicher, weil es die ersten Worte sind, die wir aus Abrams Mund hören und die wirklich an Gott adressiert sind. Vorher haben wir nur gelesen, wie Gott einfach in Stille gehorchte. Was ist das für eine Reaktion? Abram sagte nicht „Ja und Amen!“. Abrams Antwort war ein: „Aber…“ Abrams Reaktion war kein „ich kann es kaum erwarten, Herr“. Es war ein: „Im Ernst jetzt?“ Abram ist sichtlich frustriert. Er klagt. Er äußert seine Zweifel.
Bevor wir fortfahren, sollten wir uns ein wenig Gedanken darüber machen. Wie wir alle wissen, befand sich Abram auf einer Reise des Glaubens. Er hatte alles hinter sich gelassen: sein Zuhause, seine Verwandtschaft, seine vertraute Umgebung; er hatte sich auf das Abenteuer seines Lebens eingelassen. In der Bibel ist Abram der Mann des Glaubens par excellence. Und trotzdem wurde er von Zweifeln geplagt. Was folgern wir daraus? Wenn ein Mann des Glaubens wie Abram Zweifel hatte, warum sollte es uns besser ergehen? Wie könnten wir erwarten, dass wir keine Zweifel haben werden? Natürlich werden wir Zweifel haben. Zweifel sind unvermeidlich.
Die Bibel berichtet von so vielen Menschen, die Zweifel hatten. Wir denken an den Vater eines besessenen Jungen, der Jesus um Heilung; und wo Jesus sagte: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt!“ Und wir hören diesen Schrei der Verzweiflung: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ Das sind Zweifel. Oder wir denken an Johannes den Täufer, der furchtlos ein ganzes Volk dazu herausfordern konnte, Buße zu tun. Er hatte keine Hemmungen, Herodes zu konfrontieren, was ihn sprichwörtlich den Kopf gekostet hat. Er hatte Jesus getauft und ihn als den Messias verkündigt. Aber dann saß er bei Herodes im Gefängnis und wartete auf seine Hinrichtung. Und er hat Zweifel und lässt Jesus fragen: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Wenn Jesus der Messias ist, warum geht es mir dann so dreckig? Wenn Jesus der Heiland ist, warum heilt er mich nicht von den Schmerzen, unter dem ich jetzt gerade leide? Wenn Jesus der Erretter ist, warum rettet er mich nicht aus dieser verfahrenen Lage? Warum ist die Welt dann in diesem Chaos?
Ein guter Freund von mir hatte erzählt, wie er einen älteren gläubigen Menschen beim Sterben begleitet hatte. Der Sterbende war ein leid-geprüfter Christ, der schon so viele Krisen gemeistert hatte; der standhaft im Glauben gewesen war; ein Mann des Glaubens. Als er im Sterben lag, sagte er nicht: „ich freue mich, bald beim Vater zu sein; ich weiß, dass der Tod nicht über mich triumphieren kann; Jesus ist bei mir.“ Das waren nicht seine Worte. Er sieht die Finsternis des Todes wie sie über ihn hereinbricht und sagte er dann folgendes: „Das ist schwerer als ich dachte.“ Das sind Worte des Zweifels inmitten der letzten Krise seines Lebens.
Hier ist eine interessante Beobachtung. In christlichen Kreisen gibt es vor allem zwei Art und Weisen, wie mit Zweifeln umgegangen wird. In eher konservativen Kreisen sind Zweifel nicht willkommen. Zweifel werden als Unfähigkeit angesehen, zu glauben. Wer Zweifel hat, der hat halt einfach ein Problem. Manche christlichen Gemeinden haben wenig Geduld, Verständnis und Mitgefühl für Zweifler, weil Zweifel einfach etwas ist, wofür man halt Buße tun muss und gut ist. Vielleicht auch deswegen, weil man Furcht davor hat, dass man durch die Zweifel die anderen ansteckt. Auf der anderen Seite gibt es dann eher etwas liberale Kreise. Und dort heißt es dann, dass Zweifel völlig in Ordnung sind; Zweifel sind überhaupt kein Problem. Vielleicht ist da auch Furcht im Spiel: die Furcht davor zu dogmatisch zu sein. Weder der eine Ansatz noch der andere Ansatz sind aber wirklich biblisch. Das sehen wir daran, wie Gott auf Abram eingeht.
Gott schimpft nicht wegen Abrams Zweifel. Er hört Abram zu und nimmt ihn an. Gleichzeitig adressiert Gott Abrams Zweifel direkt. Er verspricht ihm einen leiblichen Nachkommen als Erben, keinen adoptierten Haussklaven. Gott lässt Abram aus dem Zelt herrausgehen, zeigt ihm den Himmel: „Sieh doch zum Himmel hinaus und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst! Und er sprach zu ihm: So zahlreich werden deine Nachkommen sein.“ In Kapitel 13 war es Staub auf Erden, von dem man im Nahen Osten zu jederzeit mehr davon hat als einem lieb ist. Hier sind es dieses Mal die Sterne am Himmel, deren Anblick absolut atemberaubend gewesen sein muss. D.h., Gott tut beides: auf der einen Seite nimmt Gott uns in unseren Zweifeln an; auf der anderen Seite tut er etwas, um unseren Zweifel abzubauen.
Zweifel ist also die eine Reaktion von Abram. Die andere Reaktion sehen wir in Vers 6: „Abram glaubte dem HERRN, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.“ Abram zweifelte und glaubte. Pastor Uwe Schäfer sagte, dass Zweifel der kleine Bruder vom Glauben ist. Und ich denke, dass er absolut Recht hat. Zweifel und Unglauben sind nicht dasselbe. Unglauben ist die Ablehnung zu glauben, auch wenn es eigentlich guten Grund gibt zu glauben; oder weil man nicht bereit ist, sich mit den Indizien auseinanderzusetzen. Es ist eine bewusste und willentliche Ablehnung. Zweifel sind die Unsicherheiten der Menschen, die Glauben haben.
Was sollen wir tun, wenn wir Zweifel haben? Wir dürfen zwei Dinge tun. Das erste ist, wirklich ehrlich mit unseren Zweifeln zu sein. C.S. Lewis hat zwei Bücher über das Leid geschrieben. Das erste Buch ist länger und etwas philosophisch und sehr durchdacht. Das zweite Buch ist wesentlich kürzer und ist eigentlich vor allem eine Aufarbeitung von seinem Schmerz, als seine geliebte Ehefrau gestorben war. Es ist voll von Zweifel. Aber die rohen Emotionen und die Ehrlichkeit, mit der er schreibt, macht dieses Buch fast zu einer Art Psalm. Man entdeckt sich darin wieder. Und es ist die Aufrichtigkeit, durch welche viele Menschen Trost gefunden haben.
Das zweite, das wir tun dürfen, ist, unsere Zweifel zu beten. Es ist okay, wenn wir unsere Zweifel anderen Menschen mitteilen; aber auch das braucht Weisheit, weil es nicht immer ermutigend ist. Die meisten von uns wissen aus eigener Erfahrung, wie destruktiv es sein kann, wenn man sich in der Gegenwart von Menschen befindet, die nur jammern und sich beschweren. Es gibt kaum etwas Anstrengenderes als mit Menschen zusammen zu sein, die sich in einer Negativspirale befinden. Zweifel, Skepsis, Frust, Enttäuschung und Wut können ihre eigene Dynamik entwickeln; aus Klagen kann schnell Murren werden; es kann sich so leicht eine Negativität entwickeln, die einen selbst und alle Menschen in der Umgebung mit in den Abgrund hinunterziehen.
Aber es gibt ein offenes Ohr, das nicht müde wird, uns zuzuhören. Es gibt ein unendlich großes Herz, das sich nicht durch uns entmutigen lässt. Es gibt die ewigen Arme Gottes, die immer bereit sind, uns zu empfangen. Hier ist der Punkt: Männer und Frauen des Glaubens haben gezweifelt, aber sie haben ihre Zweifel immer wieder vor Gott gebracht. Männer und Frauen des Glaubens haben viel geklagt, aber diese Klage richtete sich direkt an Gott. Männer und Frauen des Glaubens haben auch ihrem Frust und ihrer Wut Ausdruck verliehen, aber sie taten es vor allen Dingen im Gebet; im direkten Gespräch mit Gott. Das macht den ganzen Unterschied.

Drittens, die Versicherung
Abram glaubte Gott. Aber das hielt ihn nicht davon ab, wieder zweifelnde Fragen zu stellen. In Vers 7 verheißt Gott, dass er Abram das Land geben würde. Das Problem war nur, dass das Land schon zu Abrams Zeiten bewohnt war. Verschiedene kanaanitische Stämme hatten sich schon niedergelassen. Insgesamt werden in den Versen 19-21 zehn verschiedene Stämme erwähnt. Abrams fragte: „Herr HERR [Abram gebraucht die gleiche Anrede wie vorher], woran soll ich merken, dass ich es besitzen werden?“ Gott hätte an dieser Stelle sagen können: „Abram, ist es nicht genug, dass ich dir das versprochen habe? Was soll ich denn noch tun?“ Aber das ist es nicht, was Gott sagt. Gott tut das genaue Gegenteil.
Er lässt Abram ein Rind, eine Ziege, ein Widder und zwei Tauben bringen. Vers 10 sagt, dass Abram Gott diese Tiere nicht nur brachte. Er fing sofort damit an, sie zu zerschneiden. Es erweckt den Eindruck, dass Abram nicht nur wusste, was zu tun ist. Er hatte auf Anhieb verstanden, worum es Gott ging. Diese Tiere waren keine Opfertiere. Es handelt sich hier um ein anderes Ritual. In Vers 18 lesen wir, dass Gott mit Abram an diesem Tag einen Bund schloss. D.h., das Zerteilen der Tiere war Teil dieses Bundes. Wir haben so etwas Ähnliches bei uns im Alltag. Wenn wir in eine Wohnung einziehen, dann unterschreiben wir einen Mietvertrag. In diesem Vertrag sind die Rechte und Pflichten der Vertragspartner festgehalten. Dieser Vertrag ist fast immer schriftlich. Und wenn sich einer der Partner nicht daran hält, dann kann der andere Partner aufgrund dieses Vertrags Schadensersatz verlangen, klagen oder kündigen etc.
Hier in Genesis 15 schließt Gott mit Abram einen Vertrag ab. Und damals waren die Verträge nicht schriftlich. Sie waren zeremoniell. D.h., die Vertragspartner haben in einem Schauspiel das nachgespielt, was einem passieren sollte, wenn man sich nicht an den Vertrag hält. Man hat einen assyrischen Vertragstext aus dem 8. Jahrhundert vor Christus gefunden, wo das verbürgt ist. In diesem Fall wurde ein Lamm zerteilt. Und dann heißt es: „Dieses Haupt ist nicht das Haupt des Lammes, es ist das Haupt des Mati’lu [die Person, die den Vertrag abgeschlossen hat]. Wenn Mati’lu gegen diesen Vertrag sündigt, so möge, genau wie diesem jungen Lamm das Haupt abgerissen wurde, das Haupt von Mati’lu und seiner Söhne abgerissen werden.“ .
Die Tatsache, dass Gott so einen Bund mit Abram abschließt, ist erstaunlich. Wir lesen diesen Text mit unserer kulturellen Brille und mögen denken: „Tiere zerteilen: was für eine primitive Kultur!“ Und vielleicht ist es das auch. Ich denke, dass es ein großer Fortschritt ist, dass wir einen schriftlichen Mitvertrag haben und keine Ziege mehr zerteilen müssen. Aber Gott nutzt die archaischen Mittel von Abrams Zeit, um ihm etwas zu zeigen. Gott spricht ganz gezielt in seine Zeit hinein auf eine Art und Weise wie Abram es verstehen kann. Wenn Gott mit einem 8-jährigen Kind aus unserer Zeit einen Bund geschlossen, vielleicht hätte Gott dann einen „Pinky swear“ gemacht? Es zeigt, wie sehr sich der allmächtige, ewige Gott erniedrigt, um mit uns auf solche Art und Weise zu kommunizieren, dass wir es nachvollziehen und verstehen können und damit es für uns Bedeutung hat.
Aber hier ist noch viel mehr. Im Text passieren seltsame, mysteriöse Dinge. Vers 12: „Bei Sonnenuntergang fiel auf Abram ein tiefer Schlaf. Und siehe, Angst und großes Dunkel fielen auf ihn.“ Auf einmal ist eine tiefe Finsternis. Es ist aber nicht einfach nur physische Dunkelheit; es ist eine Finsternis der Seele voller Angst und Horror. Vers 17: „Die Sonne war untergegangen und es war dunkel geworden. Und siehe, ein rauchender Ofen und eine lodernde Fackel waren da; sie fuhren zwischen jenen Fleischstücken hindurch.“ Inmitten der Finsternis sehen wir einen rauchenden Ofen und eine brennende Fackel. Wir begegnen dem rauchenden Ofen und der brennenden Fackel in Exodus, auf dem Berg Sinai. Sie repräsentieren die Gegenwart Gottes. Was tut Gott? Gott geht inmitten der zerteilten Tiere hindurch.
Was bedeutet das dann? Gott willigt als Bundespartner ein, dass ihm das widerfahren soll, was den Tieren passiert, wenn er sich nicht an den Bund halten sollte. Und das scheint noch unvorstellbarer. Tim Keller kommentierte, dass das was Gott hier Abram zusagte, folgendes war: „Möge meine Unsterblichkeit sterblich werden; möge meine Unveränderlichkeit veränderlich werden; möge meine Unendlichkeit endlich werden; möge das Unmöglich möglich werden; möge ich zerteilt werden; möge ich zerschnitten werden; möge ich verworfen werden.“ Das an sich ist bereits einzigartig. Auf der anderen Seite, machen wir uns wirklich Sorgen darum, dass es an Gott scheitern sollte? Gott ist Gott: er ist treu; er hält sich an seine Abmachungen; er steht zu seinen Verheißungen; er macht keine leeren Versprechungen. Wenn Gott einen Bund mit uns schließt, dann liegt es nicht an Gott, dass der Bund scheitert.
Abram musste verstanden haben, dass er der Wackelkandidat ist. Er muss sich gefragt haben: „Gott ist treu. Aber was ist, wenn ich untreu werde? Was ist, wenn ich in meinem Glaubensleben versage? Was ist, wenn ich wieder aufgrund einer Hungernot nach Ägypten gehe? Was ist, wenn ich aus Furcht schon wieder krumme Dinge mache und meine Frau als meine Schwester ausgebe? Was ist, wenn ich versage?“ Um den Text richtig zu erfassen, müssen wir nicht nur verstehen, wer durch die zerteilten Tiere ging: das war Gott selbst. Wir müssen auch verstehen, wer nicht hindurchging: und das war Abram.
Wenn ein König damals mit einem Untertanen einen Bund geschlossen hatte, war es üblich, dass der Untertan alleine zwischen die zerteilten Tiere ging. Warum sollte der König sich das auch antun? Er war ja derjenige, der Macht über seine Untertanen hatte. In Ausnahmefällen, wenn der König besonders großzügig war, ging der König gemeinsam mit seinem Untertanen hindurch. Aber hier ist es Gott alleine und nicht Abram. Gott verspricht, dass er die Strafe auch dann noch auf sich nimmt, wenn es Abram ist und nicht Gott, der den Bund verletzt. Der Bund, den Gott mit Abram schließt, ist ein Bund der Gnade. Gott bezahlt für Abram. Gott bürgt für Abram. Gott hält seinen Kopf für Abram hin. Gott verspricht, dass er sein Leben dafür gibt, wenn Abram versagt.
Wie hat sich dieser Text erfüllt? In Matthäus 27,45 lesen wir: „Von der sechsten Stunde an war Finsternis über dem ganzen Land bis zur neunten Stunde.“ Wieder begegnet uns eine unnatürliche Finsternis, die schlimmer ist als jede Nacht. Wieder haben wir es mit einer Finsternis voller Horror und Schrecken zu tun. Es ist die Finsternis der Abwesenheit Gottes. Und Jesus schrie in unvorstellbarem Schmerz und Leid: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Jesus starb am Kreuz in sprichwörtlicher Gottverlassenheit. Gott wurde Gewalt angetan. Gott wurde von Gott verlassen. Gott wurde zerteilt. Seine ewige Gemeinschaft wurde auseinandergerissen. Er nahm den Fluch auf sich. Er nahm die Strafe auf sich.
Wir haben die Prophetie gesehen: Gott ist unser Schild und unser sehr großer Lohn. Wir haben unsere Reaktion gesehen: wir haben Zweifel, ob dem wirklich so sein kann. Und wir haben die Versicherung gesehen: Gott hat in Jesus Christus unseren Fluch auf sich geladen, damit Er uns segnen kann. Wenn wir Jesus für uns verlassen am Kreuz sehen, dann wissen wir, wie ernst Gott es mit uns meint. Wenn wir Jesus am Kreuz für uns sterben sehen, dann schwinden die Zweifel. Und wenn wir an diesen Jesus glauben, dann wird das für uns wahr, was in Vers 6 geschrieben steht: „Abram glaubte dem HERRN, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.“

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