Predigt: 1. Korinther 2,6-16

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Die Weisheit Gottes

„Uns aber hat es Gott enthüllt durch den Geist. Der Geist ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes.“

(1. Korinther 2,10 [EÜ])

Das Thema heute ist Weisheit. Ich gehe davon aus, dass jeder von uns mit der Aussage einverstanden ist, dass wir alle Weisheit brauchen. Aber was ist Weisheit? Der christliche Philosoph Dallas Willard hat Weisheit so definiert: „Ein Mensch verfügt über Weisheit, wenn (i) er die sicheren und wahrscheinlichen Ursachen für Frustration und Freude in sich selbst, in seinen Beziehungen zu anderen und in seinen Beziehungen zu seiner nicht-menschlichen Umgebung versteht und (ii) dieses Verständnis gewohnheitsmäßig nutzt, um diejenigen Denk- und Verhaltensweisen zu wählen, die die Erfüllung seines gesamten Systems von Bedürfnissen und Wünschen maximieren.“ Das ist die Definition von einem Philosophen. Hier ist meine extrem vereinfachte Definition basierend auf dem, was Willard sagt: „Weisheit bedeutet, über Wissen zu verfügen, das in der Realität verwurzelt ist, und die Fähigkeit zu besitzen, entsprechend zu leben.“
Wo lernen wir Weisheit? A.N. Whitehead, ein britischer Mathematiker und Philosoph hatte beklagt: „In den Schulen der Antike strebten Philosophen danach, Weisheit zu vermitteln, in modernen Hochschulen ist es unser bescheideneres Ziel, Fächer zu unterrichten.“ Weisheit scheint rar gesät zu sein. Vielleicht bekommen wir einiges an Weisheit in den Familien, in denen wir leben, beigebracht. Was immer der Fall ist, irgendwie müssen wir zu einem Verständnis kommen, von dem, was real ist, um ein gutes Leben führen zu können.
Der heutige Text handelt nicht einfach von irgendeiner Weisheit. Es geht um die Weisheit Gottes. Paulus macht die erstaunliche Aussage, dass wir diese Weisheit bekommen können. Drei Dinge lernen wir hier im Text über die Weisheit Gottes: zum einen, was sie beinhaltet; als zweites, wie man sie bekommt; als drittes, was sie mit uns macht.

1. Was die Weisheit Gottes beinhaltet
In Vers 6 schreibt Paulus: „Und doch verkünden wir Weisheit unter den Vollkommenen, aber nicht Weisheit dieser Welt oder der Machthaber dieser Welt, die einst entmachtet werden.“ Paulus schreibt hier „Und doch…“, weil er sich im Kapitel vorher ziemlich negativ über die Weisheit der Menschen geäußert hatte. 1. Korinther 1,19.20 lautet: „In der Schrift steht nämlich: ich werde die Weisheit der Weisen vernichten / und die Klugheit der Klugen verwerfen. […] Hat Gott nicht die Weisheit der Welt als Torheit entlarvt?“ Die Weisheit, die Paulus verkündigt, ist nicht die Weisheit dieser Welt oder von den Mächtigen dieser Welt, deren Macht eines Tages vergehen wird. Und diese Aussage sollte uns etwas zu denken geben. Ich gebe euch ein Beispiel.
Diese Illustration kommt von Tim Keller. Könnt ihr euch noch daran erinnern, als ihr 15 Jahre alt wart? Wenn ihr als 20-jährige an euer 15-jähriges Ich zurückdachtet, dann kamen euch Gedanken wie: „Oh Mann, ich war ja damals so ein Idiot.“ Als ihr als 30-jährige an euere 20-jährige Version zurückdachtet, denkt ihr: „Oh Mann, ich war damals so ein Idiot.“ Und die über 40-jährigen unter euch denken das Gleiche über euer 30-jähriges Ich. Und wisst ihr was? Wir sind alle immer noch Idioten ganz egal wie alt wir sind. Im Vergleich mit der Person, die wir vor 10 Jahren waren, fühlen wir uns weise wie Meister Yoda. Aber Fakt ist, wir hantieren immer noch nur mit Halbwissen und viel Ignoranz. Wir alle machen immer noch fast täglich dämliche Fehler.
Und das ist irgendwo die Weisheit dieser Welt. Die Mächtigen der Welt zu Paulus‘ Zeit dachten von sich, dass sie die Krönung der Geschichte sind; dass niemand größer und schlauer und brillanter ist als sie. Alle diese Mächtigen gehören heute längst der Vergangenheit an. Sie sind alle entweder vergessen oder richtig schlecht gealtert. Und Gleiches gilt für die Weisheit der Welt von allen Zeiten. Schauen wir auf das zurück, was die Menschen vor 70 Jahren für schlau hielten, können wir oft nur mit dem Kopf schütteln. Ein Beispiel: In den 1950er Jahren gab es eine Studie, die gezeigt hatte, dass Nikotin wach hält und deshalb zur Sicherheit im Straßenverkehr beiträgt. Die ADAC Motorwelt berichtete, dass Autofahrer mit Nikotin weniger durch Alkohol beeinträchtigt wurden, d.h., wer raucht, fährt betrunken besser Auto. Nicht jede menschliche „Weisheit“ ist so schlimm. Aber grundsätzlich schauen wir auf das, was vor Jahren als besonders schlau galt, mit Stirnrunzeln. Und wisst ihr was? In 70 Jahren werden sich unsere Nachkommen für das schämen, was wir heute für so richtig schlau fanden. Wir werden ihnen regelrecht peinlich sein.
Das ist nicht die Weisheit, die Paulus im Sinn hat. Vers 7: „Vielmehr verkünden wir das Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes, die Gott vor allen Zeiten vorausbestimmt hat zu unserer Verherrlichung.“ Was ist diese verborgene Weisheit Gottes? Vers 8: „Keiner der Machthaber dieser Welt hat sie erkannt; denn hätten sie die Weisheit Gottes erkannt, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.“ Sie haben den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt. Genau das hier ist die Weisheit Gottes. Letzte Woche hatte wir im Gottesdienst gehört: „Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ Die Machthaber dieser Welt hatten Jesus umgebracht, weil sie dachten, dass er ein Möchtegern-Messias ist. Jesus ist aber der wahre Messias; er ist der Sohn Gottes; er ist die Herrlichkeit Gottes in Person. Jesus zu ermorden war die größte und schlimmste Bosheit, welche die Menschen jemals hätten vollbringen können. Gott ließ es zu, dass die Menschen die schlimmste Bosheit vollbrachten.
Wir fragen uns an dieser Stelle: Was ist daran weise? Was ist daran weise, dass die Machthaber der Welt in ihrer völligen Ignoranz und Dummheit, das schlimmste Verbrechen der Menschheitsgeschichte vollbracht haben? David Garland schreibt in seinem Kommentar: „Das Böse […] scheint oberflächlich betrachtet stärker zu sein als das Gute. Das Böse trägt jedoch den Keim seiner eigenen Zerstörung in sich, insbesondere wenn es sich im Moment seines scheinbar größten Triumphs, als Jesus gekreuzigt wird, ungewollt selbst zerstört. Das Kreuz ist das entscheidende Ereignis in einem kosmischen Kampf, das die Mächte dieser Welt entlarvt und stürzt.“ Hier ist das, was Garland sagt: Das Kreuz sieht auf der einen Seite aus wie der größte Sieg der Finsternis über das Licht. In Wirklichkeit war der Tod Jesu am Kreuz gerade die Art und Weise, wie Gott das Böse ein und für allemal besiegt. Das Böse begeht Selbstmord indem es das schlimmste Böse vollbringt (John Piper). Das ist Gottes Art und Weise, wie er die verlorene Menschheit rettet. Mit anderen Worten, die Weisheit Gottes ist das Evangelium, die frohe Botschaft, dass Gott diese Welt so sehr geliebt hat, dass er bereit war, seinen einzigen Sohn hinzugeben, damit alle Menschen, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben (Joh 3,16). Welcher Mensch hätte sich das ausdenken können? Paulus schreibt: „Nein, wir verkünden, wie es in der Schrift steht, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was in keines Menschen Herz gedrungen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.“
Diese Weisheit Gottes ist zeitlos. Eine einfache Illustration: Die letzten großem Kompositionen von Beethoven sind seine Streichquartette. Es sind absolute Meisterwerke. Das B-Dur Streichquartett op. 130 wurde vor ziemlich genau 200 Jahren geschrieben und endet mit einer riesigen, extrem komplexen und vor allem sperrigen Fuge, die allein mehr als 15 Minuten dauert. Nachdem das Quartett uraufgeführt wurde, erkundigte sich Beethoven bei einem der Musiker, wie es gelaufen war. Das Konzert war ein großer Erfolg. Einige der Sätze kamen beim Publikum so gut an, dass sie wiederholt werden musste. Beethoven fragte, was mit der Fuge war. Ja, die Fuge wurde nur einmal gespielt. Beethoven wurde sauer: „Die [Fuge] allein hätte wiederholt werden müssen! Rindviecher! Esel!“ Er sollte Recht behalten. Die große Fuge ist ein Meisterwerk. Das Spannende daran ist, dass Musiker, die sich damit beschäftigt haben, häufig sagen, dass es sich um moderne Musik handelt. Das Stück ist seit 200 Jahren modern.
Mein Punkt, den ich machen will, ist folgender: Das, was wirklich gut ist, ist immer aktuell, immer modern, immer eine Herausforderung. Das, was wirklich gut ist, ist zeitlos. Auf einer ungleich viel höheren Ebene gilt das für die Weisheit Gottes. Gottes Weisheit ist immer eine Herausforderung, immer kontraintuitiv, immer radikal neu: für jede Generation. Das Evangelium hat nichts von seiner Aktualität verloren. Gottes Weisheit ist zeitlos, weil seine Weisheit wirklich absolut gut ist.

2. Wie man die Weisheit Gottes bekommt
In Vers 10 erfahren wir, wie wir die Weisheit Gottes bekommen: „Uns aber hat es Gott enthüllt durch den Geist. Der Geist ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes.“ Die Weisheit Gottes ist nichts, was wir uns in irgendeiner Form erarbeiten können, obwohl es auch Dinge gibt, die wir tun müssen. Es ist nichts, was wir studieren können, obwohl das Studium der Schrift notwendig ist. Die Weisheit Gottes muss uns offenbart werden. Das griechische Wort hier ist apekalypsen: etwas, was uns absolut verborgen ist, wird vor unseren Augen enthüllt. Die Weisheit Gottes muss uns gezeigt werden. Wir kommen nicht von allein darauf.
Die Erklärung dafür von Paulus ist sehr aufschlussreich: „Der Geist ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes. Wer von den Menschen kennt den Menschen, wenn nicht der Geist, des Menschen, der in ihm ist? So erkennt auch keiner Gott – nur der Geist Gottes.“ Wenn wir uns ein Ehepaar vorstellen, das goldene Hochzeit feiert, dann können wir davon ausgehen, dass sich die Ehepartner in- und auswendig kennen. Aber auch nach 50 Jahren wird kein Ehepartner 100% wissen können, was in dem anderen vor sich geht. Auch nach vielen Ehejahren braucht es immer noch Kommunikation und Austausch. Mit anderen Worten, der Geist im Menschen, der den Menschen kennt, muss es dem anderen Menschen mitteilen.
Noch viel weniger kann irgendein Mensch Gott erkennen. Gott muss es uns offenbaren. Er tut es durch seinen Heiligen Geist. Vers 12 lautet: „Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist.“
Ich habe einen Freund in London namens P. Er ist einer der intelligentesten Menschen, die ich kenne; ein brillanter, eloquenter, gebildeter Anwalt. Bevor er zum Glauben kam, hatte er ein etwas wildes Leben geführt. Er wurde von einem Freund namens I. zum Bibelstudium eingeladen. Der einzige Grund, weshalb er zum Bibelstudium kam, war der, dass er sich 100% sicher war, dass er nie und nimmer an Jesus glauben würde. Aber dann hatte er doch etwas mehr Freude am Studium als er dachte. Jeden Sonntagabend traf er sich mit I. Sie tranken zusammen Tee und dann diskutierten sie, also richtige Streitgespräche.
Eines Tages studierte er die Stelle in Lukas, in der Jesus seine Jünger fragte: „Für wen halten mich die Leute?“ Die Jünger antworteten: „Einige für Johannes den Täufer, andere für Elia, wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden.“ Jesus fragte seine Jünger dann: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Und an dieser Stelle war es, wie als ob Jesus ihn fragen würde: „P., für wen hältst du mich? Nicht was die anderen sagen. Was sagst du?“ Und er kam zur Schlussfolgerung: „Oh nein! Ich glaube! Ich glaube, dass Jesus der Christus ist.“ Und wisst ihr was? Ich bin zu 100% davon überzeugt, dass es nichts anderes war, als der Heilige Geist. Der Heilige Geist hatte ihn Schritt für Schritt ans Licht geführt, immer ein wenig mehr davon gezeigt, wer Jesus ist und wie Jesus ist. Und irgendwann kam der Moment, an dem er nicht anders konnte, als sich auf diesen Jesus einzulassen.
Vielleicht fragt sich der ein oder andere an dieser Stelle, warum die Weisheit Gottes so wichtig ist. Oder vielleicht fragt ihr euch noch allgemeiner: „Wozu brauche ich Gott? Kann ich nicht einfach ohne ihn ein gutes Leben führen? Kann ich nicht ohne Gott glücklich sein?“ Wir haben Weisheit definiert als Wissen, das in der Realität gegründet ist, gepaart mit der Fähigkeit, dieses Wissen richtig anzuwenden. Um ein gutes Leben zu führen, müssen wir verstehen, worum es im Leben geht. Das ist es, was wir mit Realität meinen. Das gilt für alle Bereiche unseres Lebens.
Angenommen der Fall, du möchtest Biologie oder Medizin studieren. Angenommen du sagst: „Ich kann mich mit allen Konzepten, die in den aktuellen Lehrbüchern vermittelt werden anfreunden. Das Einzige, woran ich nicht glauben kann, ist, dass es so etwas wie Zellen gibt. Ich finde das Konzept von Zellen einfach absurd.“ Wenn das deine Meinung sein sollte, dann muss man kein Biologe oder Arzt sein, um darauf zu antworten: „vielleicht solltest du etwas anderes studieren; oder, vermutlich solltest du gar nicht studieren und lieber etwas Einfaches machen, am besten etwas, wo man nichts mit Kindern zu tun hat.“ Zellbiologie ist zu fundamental und zu elementar innerhalb der Biologie.
Wir haben gelesen, dass der Geist Gottes alles ergründet, auch die Tiefen Gottes. Nur der Geist Gottes erkennt Gott. Hier ist das alles Entscheidende: Wir glauben daran, dass Gott die absolute Realität ist. Gott ist der Anfang und das Ende. Gott ist die prima causa, die erste Ursache. Gott ist der Schöpfer von Himmel und Erde; und als Schöpfer ist er der Erfinder, der Urheber und der Eigentümer deines Lebens. Du wurdest zu seinem Bilde erschaffen. Diesen Gott auszuklammern ist keine Nebensache; es bedeutet, dass du die Rechnung ohne den Wirt gemacht hast, nur dass der Wirt in diesem Fall der Herrscher über das ganze Universum ist. Wer diesen Gott hat, der hat alles inbegriffen. Wer diesen Gott nicht hat, der lebt sprichwörtlich an der Realität vorbei.
Die Frage, ob du Gott in deinem Leben brauchst, ist erst einmal sekundär. Die Frage ist, ob es diesen Gott gibt oder nicht. Wenn es ihn nicht gibt, dann macht natürlich die Predigt und der Gottesdienst keinen Sinn. Aber nicht nur das, unser aller Leben macht keinen Sinn, großzügig zu sein und gut zu sein machen keinen Sinn, nichts macht Sinn. Aber wenn es Gott gibt, dann gibt es keine Ausreden. Du musst dich auf ihn einlassen. Er ist zu groß, zu wichtig, zu real, als dass du ihn ignorieren kannst.

3. Was die Weisheit Gottes mit uns macht
Die Verse 15 und 16 lauten: „Der geisterfüllte Mensch aber urteilt über alles, ihn selbst vermag niemand zu beurteilen. Denn wer begreift den Geist des Herrn? Wer kann ihn belehren? Wir aber haben den Geist Christi.“ Diese Verse klingen ziemlich krass und auch etwas überheblich. Der geisterfüllte Mensch urteilt über alles: „alles“ bedeutet hier alles, was mit dem Weg der Rettung zu tun hat (der Zusammenhang mit Paulus‘ Argument ist wichtig!). Der geisterfüllte Mensch wird von niemanden beurteilt bedeutet, dass die Meinungen anderer Menschen über ihn zweitrangig sind, weil dieser Mensch von Gott angenommen wurde. Das „wer kann ihn belehren?“ bedeutet nicht, dass man den geisterfüllten Menschen nichts mehr beibringen kann. Er sagt im nächsten Satz „Wir aber haben den Geist Christi.“ Er hat die Erkenntnis und die wirklich relevante Weisheit fürs Leben in Jesus gefunden.
Ich bin bisher noch gar nicht auf den Kontext von unserem Text eingegangen. Letzte Woche haben wir gehört, dass es in der Korinther Gemeinde Streit gab, der so ausgeufert war, dass die Gemeinde kurz davor war, sich zu spalten. Verschiedene Gruppen innerhalb der Gemeinde waren der Ansicht, dass sie den richtigen Glauben und die richtige Weisheit hatten und dass sich die anderen besser dem fügen sollten. Vor diesem Hintergrund hatte Paulus über den kategorischen Unterschied zwischen der Weisheit der Welt und der Weisheit Gottes gesprochen. Jede weltliche Weisheit führt zu Überheblichkeit. Die Weisheit der Welt führt zu Eliten, die diese Weisheit haben und dem einfachen Volk, das diese Weisheit nicht hat. Es führt dazu, dass du auf andere herabschaust, die nicht diese Weisheit mit Löffeln gegessen haben so wie du.
Die Geist Christi hingegen ist etwas komplett anderes. Die Weisheit Gottes ist, dass Jesus von den Mächtigen dieser Welt gekreuzigt wurde, weil diese Besserwisser in Wirklichkeit völlige Ignoranten waren. Die Weisheit Gottes war es, völlig verlorene Menschen auf diese Weise zu retten. Als Jesus am Kreuz starb, betete er für all die Menschen, die ihm das angetan hatten: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Spurgeon hatte eine wunderbare Predigt zu diesem einen Vers gehalten. In seiner Predigt zeigte er, dass Jesus wie ein exzellenter Strafverteidiger die besten mildernden Umstände vorbrachte, die er vorbringen konnte. Nichts konnte das Verbrechen entschuldigen, was sie dem Sohn Gottes angetan hatten. Aber ihre Unwissenheit war ein mildernder Umstand. Es war das Beste, was Jesus in dieser Situation vorbringen konnte. Weil Jesus ihnen in seinem Herzen bereits vergeben hatte.
Ein Einwand gegen das Christentum, den ich sehr häufig gehört habe, lautet: Ist es nicht arrogant zu behaupten, dass du den einzig richtigen Glauben hast? Ist es nicht intolerant zu sagen, dass Jesus der einzige Weg ist und dass nur diejenigen Menschen, die an ihn glauben, gerettet sind? Zwei Dinge müssen hier verstehen. Zum einen ist es eine zutiefst menschliche Sache, dass jeder Mensch denkt, dass er recht hat und alle anderen sich irren. D.h., es ist völlig egal, welche Weltanschauung du hast. Du wirst denken, dass deine Weltanschauung die Richtige ist. Und indem zu das tust, schließt du andere Weltanschauungen aus, die mit deiner nicht kompatibel sind. Jeder von uns hat einen exklusiven Glauben. Manche sind nur offener, es zuzugeben, während es bei anderen eher versteckt ist.
Der andere Punkt ist, dass es die Glaubensinhalte sind, die bestimmen, ob ein Glaube intolerant ist oder nicht. Intolerantes Verhalten bedeutet, dass man sich über andere lustig macht, andere verachtet, über andere die Nase rümpft, weil sie andere Anschauungen haben. Was ist das, woran wir glauben? Im Zentrum unseres Glaubens ist der Sohn Gottes, der am Kreuz für seine Feinde stirbt und für ihre Vergebung betet.
Was bedeutet es dann, den Geist Christi zu haben? Es bedeutet, dass wir mit einer Bankrotterklärung anfangen. Wir sind die Unwissenden, die meinen alles zu wissen. Wir sind Unerleuchteten, die in der Finsternis umhertappen. Wir sind die Sünder. Wir sind die Verlorenen, für die es eigentlich keine Hoffnung gab. Den Geist Christi zu empfangen heißt, dass wir eingestehen, dass wir zu 100% auf Hilfe und Rettung von außen angewiesen sind; und dass es nichts gibt, womit wir uns die Rettung verdienen, d.h., dass Gottes Rettung allein seine Gnade und seine Barmherzigkeit sind; dass Gott uns in seiner Liebe und Freundlichkeit unendlich viel besser behandelt, als wir es verdient hätten. Das ist es, was es bedeutet, Jesu Geist zu haben.
Wenn wir das verstanden haben, wo ist dann Raum für Überheblichkeit? Wo ist Raum für jede Form von „ich weiß es besser als du“ oder „ich bin besser als die anderen“? Wo ist Raum für intolerantes Verhalten? Wir sind alle Sünder, wir sitzen alle im gleichen Boot, und wir haben alle die gleiche Gnade erfahren. Das Evangelium ist die Botschaft (und die einzige Botschaft), die uns auf der einen Seite mit so viel Ehre und Ruhm überhäuft und uns gleichzeitig auf der anderen Seite so demütig hält.
Und das ist die Weisheit, die Gott einem jeden von uns anbietet: eine Erkenntnis, die in der Realität gegründet ist; und die Kraft des Evangeliums, die uns befähigt, danach zu leben in Liebe und Eintracht mit anderen Menschen.

 

 

 

 

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