Weide meine Lämmer!
„Als sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber, als mich diese haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer!“
(21,15)
Wir erreichen heute das letzte Kapitel des Johannesevangeliums, das seit mehr als einem Jahr nicht nur unser Wegbegleiter gewesen ist, sondern vor allem auch unser Wegweiser. Für mich persönlich hatte das Studium dieses Buches ganz besonderen Gehalt, weil ich dadurch Jesus auf ganz unmittelbare Art begegnen und sein direktes Wort, wie ein damaliger Jünger, empfangen konnte. Auf gleiche Weise können wir dem letzten Kapitel dieses wunderbaren Evangeliums begegnen. Wir begegnen Jesus, der sich ein drittes Mal als der Auferstandene von den Toten offenbarte, dieses Mal hauptsächlich um dem Jünger Simon Petrus zu helfen. Durch das heutige Kapitel wird einmal mehr das liebende Herz Jesu deutlich, mit dem er sich bis zuletzt um seine Jünger kümmerte. Die Wiederherstellung der Liebesbeziehung zu Simon ist hierbei von zentraler Bedeutung. Möge Gott uns durch die Liebe Jesu ansprechen und auch in uns Liebe erwecken.
Teil I Kommt und haltet das Mahl (1-14)
Was geschah am See Tiberias? Vers 1 lautet: „Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so:“ Der See Tiberias hat mehrere Namen, er wird auch als See Genezareth oder als das galiläische Meer bezeichnet. Bisher war Jesus den Jüngern in Jerusalem begegnen, nun waren die Jünger in Galiläa. Denn vor seiner Kreuzigung hatte Jesus zu seinen Jüngern gesagt: „Wen ich aber auferstanden bin, will ich vor euch hingehen nach Galiläa“. (Mt. 26,32) Diesen ausdrücklichen Willen Jesu hatten die Engel nach der Auferstehung ebenfalls verkündet: „Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen.“ (Mt. 28,7) Als die Jünger also zum See Tiberias kamen, dann im Einklang mit dem Willen des Herrn.
Was taten sie aber als sie beieinander waren? Verse 2 und 3 lauten: „Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts.“ Petrus traf die Entscheidung fischen zu gehen und die anderen stimmten zu und in der Nacht gingen sie alle fischen. Diese Aktion könnte in uns keine besondere Beachtung finden, schließlich waren die meisten Jünger Fischer gewesen und sie befanden sich an ihrem Heimatsee und hatten sicherlich Hunger. Doch wenn wir ihre Handlung im Gesamtkontext betrachten, können wir etwas über die Jünger schlussfolgern. An keiner anderen Stelle in der Bibel finden wir einen vergleichbaren Zeitvertreib der Apostel. Nach der Himmelfahrt Jesu kamen sie bspw. einmütig im Gebet zusammen. Nach dem Pfingstwunder fingen sie an von Jerusalem aus die Welt zu evangelisieren. Doch im heutigen Text können wir nichts Vergleichliches vorfinden. Sie müssen einfach nur beieinander gesessen haben ohne wirklich zu wissen was zu tun war. Und diese fehlende Orientierung führte sie zu alten Gewohnheitsmustern. Fischen zu gehen ist alles andere als schlecht. Doch sie waren soeben zweimalige Zeugen der Auferstehung Jesu von den Toten geworden und sie hatten den Auftrag erhalten hinzugehen und der Welt Sühne zu bringen. Sie verhielten sich aber so, als wären sie dem auferstandenen Jesus nie begegnet und stünden auch in keiner geistlichen Verantwortung.
Dieses Problem kennen wir auch aus unserer Zeit. Durch verschiedene Veranstaltungen und Ereignisse machen wir großartige Erfahrungen mit Gott. Diese Erfahrungen bewirken in uns nicht selten große Glaubensentscheidungen. Doch sobald wir in unser Alltagsleben zurückkehren, gehört das geistliche Erlebnis immer mehr der Vergangenheit an und gerät immer mehr ins Abseits und ist schließlich dem Vergessen ausgeliefert. Deshalb ist es für uns dringend erforderlich, die empfangene Gnade auch auszuleben.
Bei den Aposteln war das leider nicht der Fall. Nun waren sie also Fischen. Waren sie wenigstens erfolgreich? Betrachten wir Vers 3. Ganz und gar nicht. Obwohl sie die ganze Nacht gefischt hatten, waren sie nicht in der Lage einen einzigen Fisch zu fangen! Was für eine peinliche Niederlage! Nicht nur dass sie nicht in der Lage waren nach dem göttlichen Willen zu leben, sie waren nicht einmal in der Lage das zu tun, was sie am besten tun konnten. Ohne Jesus waren die Jünger in jeder Lebenslage hilflos.
So sah er also aus, der triste Alltag der Jünger. Jenseits von Besonderheiten und Bedeutung. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Es geschah etwas; etwas Besonderes, etwas nahezu weltbewegendes. Etwas, wodurch die Jünger mit einem Mal aus dem monotonen Alltagsrhythmus herausgerissen wurden.
Was geschah, als der nächste Morgen anbrach? Betrachten wir Vers 4: „Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.“ Jesus erschien, das veränderte die Situation grundlegend. Was mögen aber Gründe für das Nichterkennen Jesu gewesen sein? Der große Fischfang? Sicherlich nicht. Fehlendes Licht und Nebel? Vielleicht. Wir müssen jedoch auch berücksichtigen, dass die Jünger, inmitten ihres geistlichen und existentiellen Versagens nicht den brennenden Wunsch hatten, Jesus ausgerechnet in dieser peinlichen Lage zu begegnen.
Was tat Jesus? Betrachten wir den Vers 5: „Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.“ Jesus nahm Kontakt mit ihnen auf. Doch weder durch seine bekannte Stimme noch durch seine spezifische Wortwahl, die Jesu Liebe und Fürsorge zum Ausdruck brachte, wurde er von seinen Jüngern erkannt. In dieser Lage wollten sie Jesus wirklich nicht begegnen.
Welchen Rat gab Jesus ihnen daraufhin? Vers 6 lautet: „Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten’s nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.“ Da war es schon wieder! Jesus wusste es einfach besser als Simon und die übrigen Fischerjünger. Fast das gleiche hatten sie doch einige Jahre zuvor erlebt! Auch damals war Simon mit anderen fischen und sie hatten die ganze Nacht nichts gefangen. Dann kam Jesus und sagte er solle sein Netz ein weiteres Mal auswerfen und Jesus hatte ihm auch den genauen Ort genannt. Damals war Simon noch kein Jünger Jesu gewesen. Er war nur ein einfacher Fischer. Er war müde und erschöpft und sicherlich auch hungrig, aber er hörte auf Jesus und warf sein Netz ein weiteres Mal aus, aber genau dort wo Jesus es angewiesen hatte. Und siehe da, er machte einen großen Fang, so groß, dass die Netze anfingen zu reißen und die Boote anfingen zu sinken. Dieses Wunder hatte Simons Welt völlig durcheinander gebracht. Durch dieses Wunder erkannte er in Jesus den Herrn, den Herrn über alle Dinge und sich selbst als Sünder. Gerade da bot ihm Jesus ein neues Leben an. Ein Leben als Jesu Jünger. Nicht mehr als Fischer, sondern als Menschenfischer. Doch nach etwa 3 jährigem Jüngerdasein war in Simon kein Menschenfischer zu erkennen. Vielmehr war er wieder ein normaler Fischer, wie vor seiner Berufung. Ein erfolgloser Fischer, um genau zu sein. Und erneut kam eine Stimme, die es besser wusste. „Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden.“ Erneut befolgten sie den Rat, der zu schön war um wahr zu sein. Wiederum geschah ein Wunder. Sie fingen so viele Fische, so dass das Ziehen zum Problem wurde.
Was hätte dieses „Déjà-vu-Erlebnis“ in Simon hervorrufen sollen? Er hätte Jesus spätestens hier erkennen müssen. Was erfahren wir aber durch Vers 7? „Da spricht der Jünger, den Jesus liebhatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser.“ Nicht Petrus, sondern Johannes erkannte Jesus. Aber nicht Johannes, sondern Petrus zog sich an und sprang ins Wasser. (Interessante Arbeitsteilung)
Was erfahren wir hierdurch über Petrus? Gerade der Sprung ins kalte Wasser zeigt uns seinen Charakter. Das Boot war nicht weit entfernt vom Land, doch Simon konnte es einfach nicht länger aushalten. Während die anderen Jünger im Boot blieben, ruderten und sich um die Fische kümmerten, warf sich Petrus ins Wasser und zog sich vor Ehrfurcht vorher an und schwamm so schnell er konnte zu Jesus. Wir sehen, dass er mehr Eifer hatte als die übrigen Jünger. Seine Liebe zu Jesus hatte im wahrsten Sinne des Wortes Sprungkraft.
Welche Überraschung wartete auf die Jünger, als sie ans Land kamen? Vers 9: „Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot.“ Auch dieser Vers offenbart Jesus als den Herrn. Jesus verfügte über das, wofür sich die Jünger eine ganze Nacht vergeblich abgerackert hatten. Jesus erwies sich auch deshalb als den Herrn, weil er sich um seine Kinder kümmerte. Er kümmerte sich um ihre Bedürfnisse.
Betrachten wir nun die Chronologie der folgenden Ereignisse in den Versen 10-14. Welches seltsame Schauspiel ereignete sich? Jesus hatte den Grill nicht für sich, sondern für die Gemeinschaft mit den Jüngern angeschmissen. Die Jünger sollten auch ihre Fische bringen, dadurch würde gute Grillgemeinschaft entstehen und für vollkommene Freude sorgen. Doch die Jünger waren – unglaublich aber wahr – erst einmal mit dem Zählen der Fische beschäftigt. Also forderte sie Jesus im Vers 12 ein weiteres Mal auf: „Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl!“ Doch niemand traute sich zu Jesus zu kommen. Sie zögerten, die Einladung Jesu anzunehmen. Was verursachte diese Distanz? Es war nicht Jesus, der die Distanz hervorrief. „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“ (Hebr. 13,8) Jesu Liebe war unverändert. Wie bei der ersten Begegnung liebte Jesus seine Jünger bedingungslos und vollkommen. Gerade seine Einladung zur Essensgemeinschaft zeugte von dieser Liebe. Warum aber konnten die Jünger diese Einladung nicht annehmen? Die Ursache ist eine Fehlinterpretation, zu der wir neigen, wenn wir versagen. Wenn wir darin scheitern, den göttlichen Willen zu beherzigen, wenn wir darin scheitern, Gott von ganzem Herzen zu lieben und unseren Herrn Jesus Christus von ganzem Herzen zu lieben und zu folgen, dann meinen wir, die Liebe Gottes oder die Liebe Jesu hätte sich verändert, er würde uns nicht mehr so bedingungslos und intensiv lieben wie zuvor. Wie gesagt, ist das eine Fehlinterpretation. Unsere Gefühle, Empfindungen und unser Verhalten verändern sich ständig. Doch Jesus Christus ist gestern und heute derselbe wie auch in Ewigkeit! Wer ist also schuld an unser Zögern, an unserer reservierten Haltung und an unser Blockieren der liebevollen Gemeinschaft? Keine äußeren Umstände sind schuld, sondern einzig und allein mein Herz, mein Herz, das Blockade betreibt.
Die Distanz zwischen Jesus und den Jüngern war nicht gewaltig, vielleicht nur ein Steinwurf. Warum aber birgt eine solche, wenn auch zunächst geringe Distanz große Gefahren? Eine ungepflegte Beziehung führt zwangsläufig zur Distanz herbei. Zunächst bemisst die Distanz nur einen Katensprung, doch sie wird zunehmen, bis die Beziehung schließlich erkaltet und letztendlich erstirbt. Zwischen Jesus und seinen Jüngern kann es also nichts Schlimmeres geben, als eine solche Distanz, wie klein sie auch immer sein mag. Die Jünger aber waren nicht imstande diese zu überwinden. Auch nach Jesu wiederholtem Rufen kamen sie einfach nicht. Wie sah die Lösung aus?
Betrachten wir Vers 13: „Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt’s ihnen, desgleichen auch die Fische.“ Weil die Jünger nicht imstande waren zu Jesus zu kommen, kam Jesus zu ihnen. Wir sehen hier die Initiative Jesu, über die es in der Offenb. heißt: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.“ Jesus lässt seine Kinder nicht einfach los. Er bemüht sich, damit sie nicht verloren gehen. Er steht vor der Herzenstür eines jeden von uns und klopft. Hörst du sein Klopfen? Hörst du seine Stimme, mit der er nach dir ruft? Was wirst du tun? Wirst du die Tür auftun? Wenn ja, wird er hineinkommen und das Abendmahl mit dir halten! So sehr liebt Jesus seine Kinder, dass er kommt und sie zur Gemeinschaft einlädt.
Doch Jesu Liebe hörte an dieser Stelle nicht auf. Im heuten Text gipfelte sie durch den folgenden Dialog mit Simon Petrus.
Teil II Hast du mich lieber, als mich diese haben? (15-25)
Jesus hatte die Jünger mit Brot und Fisch gefüttert. Letztendlich müssen sie gute Grillgemeinschaft gehabt haben. Auch Simon muss guter Dinge gewesen sein. Aber Jesus wollte etwas Persönliches mit ihm besprechen. Anscheinend war die Angelegenheit von großer Bedeutung. Simon muss sehr gespannt gewesen sein. „Als sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon Sohn des Johannes, hast du mich lieber, als mich diese haben?“ Simon blickte womöglich auf die übrigen Jünger. Keine Frage, natürlich liebte er Jesus mehr als die anderen, das hatte er oft genug unter Beweis gestellt. Als man Jesus gefangen nehmen wollte, war er der einzige gewesen, der nach dem Schwert gegriffen hatte um Jesus zu verteidigen. Und eben war er der einzige, der ins Wasser gesprungen war! „Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer!“ Doch das vertrauliche Gespräch war noch lange nicht beendet. „Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?“ Jesus fragte ihn ein zweites Mal! „Ich hab doch schon geantwortet“, dachte sich Simon vielleicht. „Jesus weiß doch, dass ich ihn liebe, hätte ich sonst Haus und Frau und Beruf und alles verlassen, um ihm nachzufolgen?“ „Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!“ Konnte er sich nun wieder dem Grill widmen? Denkste! „Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?“ Nun muss sich in Simon etwas getan haben. Jesus ließ nicht locker, er meint es ernst. Liebte Simon Jesus wirklich? Und siehe da: „Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?“ Warum wurde Simon traurig? Weil er sich wohlwissend darüber im Klaren war, dass er Jesus nichts vormachen konnte. Jesus wusste alles. Auch damals, als er lieber sterben wollte, als Jesus zu verleugnen, hatte ihn Jesus zurechtgewiesen und tatsächlich hatte er Jesus verleugnet, anstatt Jesus zu lieben. Und dieses Mal spuckte Simon keine großen Worte und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich liebhabe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!“
Diese drei Verse waren für Simons Leben von unheimlich großer Bedeutung. Welche zwei Tatsachen eröffnen sich uns durch diesen Dialog? Zum einen erfahren wir, dass Jesus von Petrus geliebt werden wollte. Was bedeutet es, Jesus zu lieben? Es bedeutet, Jesus zum Ziel des Lebens zu machen. Jesus soll das Ziel der Anbetung werden. Es bedeutet, für Jesus zu leben und für Jesus zu atmen. Jesus sollte Simons Lebensinnhalt und Lebensmotivation sein. Bisher hatte Jesus für ihn gelebt und für ihn gesorgt. Nun sollte Simon die Liebe Jesu erwidern. Zwar hatte Simon früher Anstrengungen unternommen, sich in der Liebe zu üben, doch erfolglos. Aus Liebe zu Jesus hatte er bspw. Malchus ein Ohr abgeschlagen, aus Liebe hatte er Jesus daran hindern wollen den Weg des Kreuzes zu gehen und war deswegen hart getadelt worden und letztendlich hatte er Jesus dreimal verleugnet. Seine Liebe war voller Mängel und Schwächen. Doch Jesus gab ihm die Möglichkeit, alle negativen Erfahrungen der Vergangenheit endgültig zu begraben und einen Neubeginn mit Jesus zu machen.
Zum anderen brachte seine Liebe zu Jesus eine konkrete Aufgabe mit sich. Nämlich sich um Jesu Lämmer und Schafe zu kümmern. Die Lämmer und Schafe waren Jesu Herzensanliegen. Jesus liebte sie von ganzem Herzen und hatte sogar sein eigenes Leben für sie gelassen. Mit seinem eigenen Blut hatte er seine Schafe vom Sündentod frei gekauft. Mit dem Auftrag seine Schafe zu weiden, übergab Jesus ihm die wichtigste Angelegenheit auf dieser Erde. Keine andere Aufgabe ist würdiger und wichtiger, nicht einmal das Amt des Bundespräsidenten.
Durch die wunderbare Initiative Jesu wurde Simon als Hirte eingesetzt. Was bedeutet es aber ein Leben als Hirte zu führen? Betrachten wir die Verse 18 und 19: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hin wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst. Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde. Und als er das gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!“ Früher war Simon absolut frei. Mit seiner unbegrenzten Autonomie konnte er tun was er wollte, ein Leben führen, als gäbe es keinen Gott und keine persönliche Berufung für ihn. Doch ein Hirte zu sein bedeutet ein höheres Ziel zu haben, als das eigene Leben. Nur mit Jesus als höchstem Ziel konnte er seine Freiheit für die Schafe opfern und letztendlich auch sein eigenes Leben für die Verherrlichung Gottes. Aus menschlicher Sicht vielleicht keine beneidenswerte Zukunft. Doch der Schein trügt. In Wirklichkeit würde er ein edles Leben führen, einen göttlichen Wandeln vorweisen, er würde ein lebendiges Zeugnis und eine Segensquelle für alle Gläubigen sein, weil er für andere seine Zeit, seinen Eifer und alles was er hatte, einsetzen würde, um sie im Namen des Herrn zu weiden und zur Herrlichkeit Christi zu führen. Mit dieser Hingabe würde er Gott preisen. Jesus selbst, der gute Hirte, hatte diesen Weg vorgelebt.
Wie war dieser drastische Wandel in seinem Leben möglich? Wie konnte er ein hingebungsvolles Hirtenleben nach dem Vorbild Jesu führe? Es ist unvorstellbar, dass er sich hätte selbst verändern können, nicht wahr? Die Antwort liefert Jesus im Vers 19: „Folge mir nach!“ Wir können uns selbst nicht verändern, wie sehr wir uns auch bemühen. Doch Gott kann und wird uns verändern, wenn wir ihm treu und beständig nachfolgen.
Was berichten uns die letzten 5 Verse des Johannesevangeliums? Betrachten wir die Verse 20-23. Simon hatte die klare Berufung zur Nachfolge erhalten. Er schaute sich aber, wohl aus Neugier, nach dem Jünger Johannes um. Jesus machte ihm aber unmissverständlich deutlich, dass er sich auf dem Weg der Nachfolge weder nach links, rechts oder nach hinten umblicken sollte. Warum ist das wichtig? Die Nachfolge hat eine sehr persönliche Note. Wir neigen, wie Petrus, oft dazu zu schauen was andere so machen, ob sie Jesus auch so intensiv nachfolgen und fragen uns manchmal: „Warum führt er ein bequemeres Leben als ich? Herr, was ist mit diesem?“ Doch meine persönliche Nachfolge geht nur Jesus und mir etwas an. Selbst wenn die ganze Welt in die Irre gehen sollte, so stehe ich doch in der Verantwortung, mein Bestes zu tun, um Jesus zielstrebig zu folgen. Gott helfe uns auf diesem Weg!
In den letzten beiden Versen meldet sich der Verfasser zu Wort und bekräftigt sein Zeugnis, als die Wahrheit. Das ist eine große Hilfe für uns, auch hinsichtlich der Verse 30 und 31 aus Kapitel 20, an die Worte des Evangeliums zu glauben.
Am Ende angelangt bleibt noch eine Frage offen. Was hat die ganze Geschichte dann mit mir zu tun? Die Wiederherstellung der Liebesbeziehung, die Frage: „Hast du mich lieb“ und der Befehl: „Weide meine Schafe“ gelten nur Simon, aber nicht mir. Ist das so? Wenn es tatsächlich so wäre, dann wäre ich kein wiedergeborener Christ. Denn ich bin gerade durch den ersten Fischfang, im Lk 5, zum Glauben gekommen und habe gerade durch diesen Text meine persönliche Berufung als Hirte empfangen. Auch wir werden von Jesus geliebt, auch dir stellt Jesus die Frage: „Hast du mich lieb?“ Und wenn wir Jesus lieben, dann teilen wir Jesu Herzensanliegen, dann teilen wir seine Gebetsanliegen. Und es sind gerade die Schafe Jesu, die ihm am Herzen liegen. Wenn wir Jesus lieben, dann überträgt er auch uns die Verantwortung über seine geliebten Schafe.
Durch den Vers 17 habe ich, wie gesagt, meine persönliche Berufung empfangen. Das war auf der europäischen Sommerkonferenz im Jahr 2000. Ich kannte die große Liebe Jesu zu mir bereits. Durch viele Bibelstellen hatte ich die Liebe Jesu erfahren. Auch durch persönliche Glaubenserfahren, nämlich dass er mich annahm obwohl ich sündig war und dass er mich mit seiner Gnade heimsuchte, statt mit verdientem Gericht, nachdem ich Buße getan hatte. Doch mir fehlte der Weg Jesus zu lieben. Ich war orientierungslos. Gerne wollte ich es tun, wusste aber nicht wie. Doch durch diesen Text, durch die Berufung Simons, erhielt ich klare Antwort. Weide meine Schafe! Bingo, dachte ich. Ich soll Bibelschüler durch das Bibelstudium weiden, wenn ich Jesus liebe. Das war der Beginn meines Hirtenlebens. Doch nach vielen Jahren drang dieses Berufungswort immer mehr in die Vergangenheit und in Vergessenheit. Heute erkenne ich durch den Text, dass eine gewisse Distanz zwischen Jesus und mir entstanden ist. Ich erkenne auch, dass mein eigenes Herz Ursache dieses unschönen Problems ist. Doch durch den heutigen Text erfahre ich zugleich das Klopfen Jesu an meiner Herzenstür. Jesus hat leckere Speise vorbereitet und möchte mit mir das Abendmahl halten. Gerne tue ich ihm die Tür auf und freue mich. Und erneut fragt mich Jesus: „Aydin, hast du mich lieb?“ Ich sage: Ja, Herr, du weißt es. Doch Jesus fragt mich noch einmal: „Aydin, hast du mich lieb?“ Und ich sage wieder: Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Aber Jesus hört nicht auf und fragt mich ein drittes Mal: „Aydin, hast du mich lieb?“ Und ich werde sehr traurig und sage: Herr, du weißt doch alle Dinge, du weißt, dass ich dich liebe.“ Und Jesus sagt: „Weide meine Schafe.“ Ich freue mich auf die Wiederherstellung unserer Liebesbeziehung. Möge Gott mir helfen Jesus mehr als alles andere zu lieben und seine Schafe zu weide.
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