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Jesus lehrt uns beten
„Er aber sprach zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme.“
(Lukasevangelium 11,2)
In der Kirchengeschichte hat es viele großartige Männer und Frauen des Gebets gegeben. Martin Luther, den ich nachher noch öfters erwähnen werde; Susanna Wesley, die Mutter von John und Charles Wesley war eine beeindruckende Frau des Gebets; Georg Müller, der ein ganzes Waisenhaus nur durch Gebet finanzierte und unterhielt; David Livingstone, der Missionar in Afrika, war ein Mann des Gebets: wenn er betete, war er von einer solchen Gegenwart Gottes umgeben, dass kaum einer wagte, ihn zu stören. Oder der radikale Reformator John Knox, der Erzfeind von der katholischen Königin von Schottland Maria Stuart. Maria Stuart soll gesagt haben: „Ich fürchte die Gebete von John Knox mehr als eine Armee von zehntausend Leuten.“ Wer würde so etwas über unsere Gebete sagen? Die Liste ließe sich beliebig erweitern. Als Prinzip können wir festhalten: Alle großen Männer und Frauen in der Kirchengeschichte waren auch große Beter und Beterinnen und zwar ohne Ausnahme.
Trotz der Liste an wirklich großartigen Betern und Beterinnen würde niemand bestreiten, dass der größte und beste Beter der Menschheitsgeschichte Jesus selbst war. Aber zum Glück waren seine Jünger so wie wir. Und zum Glück lehrte Jesus seine Jünger beten. Und zum Glück berichtet die Bibel darüber. Drei Dinge lernen wir hier übers Gebet: erstens, die Schwierigkeit des Gebets; zweitens, Jesu praktischer Rat fürs Gebet; drittens, Jesu Stärkung unseres Gebets.
1. Die Schwierigkeit des Betens
Vers 1 sagte: „Und es geschah: Jesus betete einmal an einem Ort; als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat!“ Jesus betete an einem Ort. Das klingt etwas seltsam. Ich finde die freieren Übersetzungen machen da etwas mehr Sinn. Die „Neue Genfer“ und die „Neues Leben“ Bibel sagen, dass Jesus unterwegs Halt machte, um zu beten. Das finde, ich klingt etwas plausibler. Jesus war unterwegs, und er legte eine beabsichtigte Pause ein, um zu beten.
Ich kann mich an eine Predigt von meinem Papa über genau diesen Text erinnern, was mehr als 20 Jahre her ist. In seiner Predigt über diesen Text versuchte er sich diese Szene bildhaft vorzustellen. Seine Illustration ging ungefähr folgendermaßen: Jesus und die Jünger haben Gebetszeit; Petrus versuchte so gut es ging zu beten. Aber nach kurzer Zeit wusste er nicht mehr, wofür er beten sollte. Aber jetzt schon aufzuhören zu beten, kommt für ihn nicht in Frage: „Wie würde ich dann bei meinen Konkurrenten, ups, ich meinte natürlich bei meinen Freunden dastehen?“ Also hält er weiter die Augen geschlossen und tut so, als ob er noch weiterbeten würde. Irgendwann aber hält er es nicht mehr aus. Er öffnet ein Auge halb und stellt erleichtert fest, dass die anderen Jünger schon längst aufgehört hatten zu beten. Nur Jesus war noch im Gebet vertieft. Nach 1-2 Stunden war Jesus mit dem Gebet fertig. Hört sich das nach einer realistischen Beschreibung der Situation an?
Für Jesus war Gebet etwas völlig Natürliches. Es schien ihn keine besondere Kraft und Mühe zu kosten. Es schien ihm ein Leichtes zu sein. Jesus liebte das Gebet. Für ihn war Gebet eine Freude. Aber für die Jünger war Gebet vor allen Dingen anstrengend. Es war Arbeit. Es war mühselig. Es hatte etwas Unangenehmes an sich. Vielleicht war es auch ein wenig lästig. Vermutlich konnten sie sich, ohne groß anzustrengen 100 Aktivitäten einfallen lassen, die sie lieber taten als zu beten.
Vielleicht geht es manchen wie uns ähnlich wie den Jüngern. Mir geht es ähnlich. Hier sind ein paar Fragen (viele davon habe ich euch schon mal gestellt als ich vor ein paar Jahren über das Gebet gepredigt hatte). Wer von euch hat das Problem beim Gebet ständig in Gedanken abzudriften? Wer von euch ist im Gebet schon einmal eingeschlafen? Wem von euch ist es schon einmal passiert, dass ihr dachtet, dass ihr ganz schön lange gebetet habt; aber als ihr dann auf die Uhr geschaut habt, habt ihr festgestellt, dass es doch nur 5 Minuten waren? Wem von euch ist es schon öfters passiert, dass ihr nach dem Aufstehen wisst, dass ihr jetzt sofort beten solltet, aber ihr verschiebt das ein wenig; und nur kurze Zeit spät ist der ganze Tag vorbei und ihr habt nicht gebetet? Wer von euch hat beim gemeinsamen Gebet schon einmal gedacht: Ich hoffe, dass die anderen mein Gebet richtig gut fanden? Wer von euch hat beim gemeinsamen Gebet schon einmal gedacht: Oh Mann, warum betet er / sie so lang? Wann hört er endlich auf?
Tim Keller meinte einmal, dass Predigen natürlich eine große Herausforderung ist. Aber Predigen ist längst nicht so schwierig wie Beten. Ihm ist es beim Predigen noch nie passiert, dass er inmitten seiner Predigt vergessen hatte, dass er gerade predigte. Aber beim Beten passiert ihm das ständig.
Das Tragische an der Tatsache ist folgendes: Wir sind als Kinder Gottes auf das Gebet angewiesen wie Fische aufs Wasser. Martin Luther sagte: „Man kann keinen Christen finden ohne Beten, so wenig als einen lebendigen Menschen ohne den Puls, welcher steht nimmer still, reget und schlägt immerdar für sich, obgleich der Mensch schläft oder anders tut, dass er sein nicht gewahr wird.“ Was er damit meinte ist: alle lebenden Menschen haben einen Herzschlag. Unser Herz klopft, auch wenn wir nicht groß darüber nachdenken. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit sollten wir ohne Unterlass beten. Das Gebet sollte so elementar und so natürlich zu unserem Leben dazugehören wie unser Puls; und wenn es das nicht tut, dann haben wir ein Problem.
Francis Chan erzählte einmal in einer Predigt, wie er die Mitarbeiter der Cornerstone-Gemeinde adressiert hatte, wo er lange Jahre Pastor war. Er sagte seinen Mitarbeitern: „Falls irgendjemand unter euch nicht mindestens eine Stunde am Tag im Gebet mit Gott verbringt, könntet ihr mir bitte Bescheid geben, damit ich euch feuern kann und euch mit Menschen ersetzen kann, die das tun?“ Ich wäre der Erste, der gefeuert werden müsste. Und Francis Chan hat absolut recht. Gebet ist so elementar und so grundlegend, dass jedes Leben, das gebetsarm ist, ein echtes Problem hat.
Unser Dilemma ist also, dass die Wichtigkeit des Gebets nicht überbetont werden kann; aber dass es eine schwierige Disziplin ist, in der wir vermutlich alle noch Wachstumsbedarf haben. Die Bitte der Jünger „Herr, lehre uns beten“ ist heute mindestens so aktuell und notwendig wie vor 2.000 Jahren. „Herr, lehre uns beten“ ist unser Gebet. Die gute Nachricht ist, dass Jesus uns hier nicht alleine lässt.
2. Jesu praktischer Ratschlag fürs Gebet
In Vers 2 sagt Jesus: „Wenn ihr betet, so sprecht…“ Jesus gibt weitere Hinweise fürs Gebet, die nur in Lukas zu finden sind, sowohl hier in Kapitel 11 als auch in Kapitel 18: „Jesus sagte ihnen durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten.“ Und in dieser Tatsache finden wir die erste Ermutigung: du kannst ein Beter sein. Jeder von uns kann ein Beter sein.
Anfang 2017 hatte ich eine Entscheidung getroffen, die mein Leben verändert hatte: regelmäßig laufen zu gehen. Zu Beginn hatte ich verschiedene Ratgeber gelesen. Es gab einen Ratgeber, der mich besonders angesprochen hatte. Es ging um Tipps für absolute Lauf-Anfänger. Der Autor gab für die ersten Wochen ein kleines Laufprogramm, in dem man sich langsam steigern konnte. Zunächst läuft man nur wenige Minuten, anschließend geht man. Dann läuft man wieder und geht wieder. Nach und nach werden die Laufminuten gesteigert. Das Ganze geschieht schrittweise, so dass es gut machbar ist. Die größte Ermutigung kam zum Schluss. Der Autor schrieb: „Wenn du diese vier Wochen absolviert hatte, dann herzlichen Glückwunsch! Du bist du ein Läufer. Es spielt keine Rolle ob es das erste Mal in deinem Leben war, dass du läufst. Du bist ein Läufer.“
Ich denke, dass es im Gebet ebenfalls so ist. Das Wichtigste ist, dass man einfach mal anfängt zu beten. Vielleicht sollte man sich am Anfang keine zu ambitionierten Ziele setzen: Die Hauptsache ist, dass man regelmäßig, d.h. täglich betet und lernt, täglich mit Gott Zeit zu verbringen. Und wenn wir das tun, dann spielt es keine Rolle, ob wir früher gute Beter waren oder nicht. Es spielt keine Rolle, ob wir gestern erst zum Glauben gekommen sind oder schon seit Jahrzehnten gläubig sind. Wenn du erstmals vier Wochen täglich gebetet hast, dann herzlichen Glückwunsch! Du bist ein Beter. Und genau das ist es, wozu Jesus uns ermutigen möchte. Das ist das Erste, was Jesus tut: Er ermutigt uns, Beter zu werden, ganz egal wo wir im Leben stehen.
Das andere, das Jesus tut, ist auch sehr interessant. Er gibt uns das Vater Unser. Bevor wir auf den Inhalt des „Vater Unser“ eingehen, wollen wir ganz kurz darüber nachdenken, was es bedeutet, dass Jesus uns ein vorformuliertes Gebet schenkt. Und ich denke, dass es sehr aufschlussreich ist, dass wir zwei unterschiedliche Versionen von diesem Gebet haben. Die längere Variante vom „Vater Unser“ ist in Matthäus Evangelium. Im Lukas-Evangelium fehlt nach Vater der Zusatz „unser“ und „im Himmel“. Das Anliegen „dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“ fehlt. Und dann fehlt der Zusatz „sondern erlöse uns vom Bösen.“ Es sind einige Unterschiede.
Diese Unterschiede zeigen uns etwas: zum einen unterstreichen sie die Tatsache, dass Jesus das „Vater Unser“ mehrfach lehrte, sowohl als Teil der Bergpredigt als auch im kleinen privaten Umfeld der Jünger. Und das sind die beiden Male, von denen wir es wissen. Vermutlich hat Jesus dieses Gebet noch öfters und bei anderen Gelegenheiten gelehrt. Der andere Punkt, den wir mitnehmen können, ist folgender: Das „Vater Unser“ ist keine strikte Formel, die man genau in dieser Form aufsagen soll. Es ist keine Formel, sondern es ist ein Muster. Dieser Punkt ist wirklich wichtig.
Martin Luther hatte einen Freund namens Peter Balbirer aus Beskendorf. Peter Balbirer war alles andere als ein „guter“ Menschen. Wahrscheinlich war er stark angetrunken, als er sich mit seinem eigenen Schwiegersohn gestritten hatte und ihn schließlich erstochen hatte. Luther setzte sich für seinen Freund ein. Meister Peter wurde enteignet und verbannt, was eine relativ glimpfliche Strafe war. Luther tat noch etwas anderes für seinen Freund. Meister Peter hatte wie viele andere Menschen Probleme damit, wie man beten sollte. Luther schrieb für ihn ein kleines Büchlein. Er beginnt sein Büchlein mit den Worten: „Lieber Meister Peter, ich gebe es Euch, so gut wie ich es habe und wie ich mich selbst beim Beten verhalte.“ (Falls ihr es nicht mitbekommen habt, ich kann dieses kleine Büchlein wirklich jedem empfehlen).
Was ist der konkrete Ratschlag, den Luther Meister Peter erteilt? Luther gibt ihm verschiedene sehr nützliche Tipps. Im Zentrum aber steht das Vater Unser. Luther betete es jeden Tag. Luther benutzte die Anliegen und füllte sie jeden Tag mit neuen Gedanken und neuen Worten aus. Er hatte verstanden, dass es nicht darum ging, das „Vater Unser“ als eine Formel einfach herunter zu plappern. Er schrieb: „Viele beten in einem Jahr vielleicht etliche tausend Vaterunser, und wenn sie tausend Jahre so beten würden, so hätten sie doch noch keinen Buchstaben oder Punkt davon geschmeckt noch gebetet.“ Mit anderen Worten, das „Vater Unser“ wird erst dann lebendig und erst dann wirksam, wenn wir lernen, es mit unserem Herzen und mit unserem Verstand zu erfassen, mit eigenen neuen Worten zu erfüllen. Wenn wir das tun, erfahren wir das, was Luther schrieb: „Denn noch heutigen Tages sauge ich am Vaterunser wie ein Kind; ich trinke und esse davon wie ein alter Mensch, und kann es nicht satt werden. Es geht mir selbst über den Psalter, den ich doch sehr liebhabe. Es ist das allerbeste Gebet.“ Luther hat recht. Es ist das allerbeste Gebet. Es ist eines der besten und größten Geschenke, die Jesus uns gebracht hat.
Zwei Dinge haben wir also gesehen: Jesus ermutigt uns, Beter zu werden, weil jeder ein Beter werden kann; und Jesu hilft uns, indem er uns ein unendlich reichhaltiges Gebet schenkt, das keine Formel ist, sondern ein Muster.
3. Jesu Stärkung unseres Gebets
In Vers 2 stärkt Jesus unser Gebet durch drei Dinge: durch eine radikale Art und Weise, Gott zu begegnen; durch einen Fokus auf Anbetung; durch ein Erbitten von Gottes Herrschaft.
Wir sehen die radikale Art und Weise, Gott zu begegnen, in der Anrede: Vater. Um zwei kleine Illustrationen zu gebrauchen, wie schön und wie wunderbar die Tatsache ist, dass Gott unser Vater ist: angenommen wir würden versuchen unangemeldet ins Kanzleramt von Olaf Scholz hinein zu marschieren. Wir werden vermutlich getasert(1). Aber stellen wir uns vor, er hätte einen 5-jährigen Sohn (in Wirklichkeit haben er und seine Ehefrau keine Kinder). Dieses Kind hätte uneingeschränkten Zugang zum Kanzler, weil der Kanzler sein Papa ist. Ein anderes kleines Beispiel: wenn unsere Jungs am Wochenende von alleine aufstehen und zu uns in Schlafzimmer kommen, dann versuchen Grace und ich unsere riesige Freude darüber auszudrücken: „Eliot!“ Und manchmal sieht man in den Kindergesichtern, wie sie innerlich zu strahlen anfangen, weil sie wissen, dass wir uns über sie freuen.
Durch Jesus Christus haben wir uneingeschränkten Zugang zu Gott. Der allmächtige, allgegenwärtige, allwissende, unendliche herrliche, unendlich gute, unendlich heilige, ewige Gott ist dein Vater und mein Vater. Und wenn wir ihn anrufen, mit den Worten „Vater“ freut er sich über uns. Frage ist: wenn du Gott anrufst, spürst du seine Freude über dich? Fühlst du seine Liebe für dich? Falls nicht, dann liegt es an uns, in seine Gegenwart zu kommen, bis dem so ist.
Jesus lehrt ein Fokus auf Anbetung. Das erste Anliegen in Vers 2 lautet: „geheiligt werde dein Name.“ Heiligen ist kein ganz einfaches Wort. Aber um es doch einfach zu halten, verwende ich einfach Dallas Willard’s Umschreibung: „wertschätzen“ und „lieben“. Wir beten also, dass Gottes Name von allen Menschen wertgeschätzt und geliebt werden möge. Das erste Anliegen ist, wenn man so will, kein richtiges Anliegen. Es ist Ausdruck von unserem Lob und Preis. Es ist Anbetung. Hier ist der Punkt: wir alle haben in unserem Leben etwas, was wir über alles wertschätzen und lieben. Wir alle haben etwas in unserem Leben, dem wir einen absoluten Rang geben. Wir alle beten etwas an.
Frage: warum betest du? Vielleicht betest du vor allem, wenn du in einer Notlage bist. Vielleicht betest du, weil du dir nicht anders aus der Patsche helfen kannst. Vielleicht betest du, weil du das, was du über alles liebst, in Gefahr siehst. Wenn dem so ist, dann beten wir vor allem, um von Gott das zu bekommen, was wir wirklich wollen. Und das ist dann auch die Antwort auf die Frage, warum unser Gebetsleben so kärglich ist. Wenn es uns gut geht, dann sehen wir keinen Grund mehr zu beten. Unser Gebet wird erst dann leidenschaftlich, wenn es uns schlecht geht. Das „Vater Unser“ ist deshalb ein so effektives und hilfreiches Muster, weil es vom ersten Moment an unseren Blick auf Gott selbst lenkt. Es lehrt uns zu beten, nicht in erster Linie um von Gott etwas zu bekommen, sondern um Gott selbst zu bekommen. Wenn wir beten: „geheiligt werde dein Name“, dann rückt Gott ein wenig mehr ins Zentrum unseres Universums.
Und als drittes, Jesus lehrt uns Gottes Herrschaft zu erbitten. „Dein Reich komme!“ Was genau bedeutet das? Fast jedes Mal, wenn ich über Gottes Reich spreche, erwähne ich die Tatsache, dass der christliche Philosoph Dallas Willard eine große Hilfe für mich war, das besser zu verstehen. Wir haben vorhin gesehen, dass in Lukas-Evangelium der Zusatz „dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden“ fehlt. Und in gewisser Weise braucht man diesen Zusatz nicht, weil „Dein Reich komme“ und „Dein Wille geschehe“ praktisch identisch sind. Das Reich Gottes ist überall dort, wo der Wille Gottes geschieht; wo der Wille Gottes effektiv in die Tat umgesetzt wird.
Was wir als nächstes unbedingt verstehen müssen, ist, wie gut es ist, wenn Gottes Reich kommt. Wir haben bei allem, was mit Autorität und Herrschaftsansprüchen daherkommt, immer große Skepsis und Misstrauen: mit gutem Grund, wenn man sich unsere Geschichte anschaut. Aber das Kommen von Gottes Reich ist gute Nachricht. In Lukas 7 gibt Jesus eine kurze Zusammenfassung von dem, wie das Reich Gottes aussieht: „Geht und berichtet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet.“ Kein Wunder, dass das Kommen vom Reich Gottes gute Nachricht ist. Es ist die gute Nachricht, die Jesus selbst verkündigt hat.
Vor einigen Jahren hatten wir Weihnachtsgottesdienst. Ein sehr guter Freund von mir hatte eine wunderbare Predigt gehalten. Ich fand die Predigt deshalb gut, weil er das die frohe Botschaft wirklich verständlich und ansprechend erklärt hatte. Zwei Freunde aus meiner alten Firma von mir waren auch beim Gottesdienst. Und eine von ihnen sagte zu mir, dass sie durch die Predigt sehr bewegt worden war. Sie ist keine gläubige Person, zumindest noch nicht. Ich habe versucht ihr zu erklären, dass auch wenn sie vielleicht (noch) nicht daran glauben kann, sie sich zumindest wünschen sollte, dass alles das wahr wäre. Sie hatte dann angefangen zu weinen und gesagt, dass sie sich so sehr wünscht, dass es wahr wäre. So ist das Reich Gottes.
Jesus lehrt uns beten, dass mehr von diesem Reich kommen möge: in unsere kaputte und gespaltene Gesellschaft, in unser immer mehr vereinsamendes Land, in unsere immer mehr von Kurzlebigkeit und digitaler Unterhaltung geprägten Kultur. Dein Reich komme, mit seinem Frieden, mit seiner Freude, mit seiner Kraft zum Heilen, mit seiner Versöhnung, mit der Vergebung von Sünden.
Um zusammenzufassen: jeder von uns kann und darf ein Beter sein. Und ich möchte gerne jeden ermutigen, mit mir selbst angefangen, in den nächsten vier Wochen täglich mindestens mal 20 Minuten im Gebet zu verbringen, mit dem Vater in seiner Gegenwart, mit viel Anbetung, so wie uns das „Vater Unser“ inspiriert. Wenn wir das tun, dann werden Wunder in unserem Leben passieren. Das Gebet selbst ist der Ort, an dem Gott uns in seiner ganzen Dreieinigkeit begegnet. In dem Buch Mere Christianity hatte C.S. Lewis geschrieben: „Ein gewöhnlicher Christ kniet nieder, um seine Gebete zu sprechen. Er versucht, mit Gott in Kontakt zu kommen. Aber wenn er ein Christ ist, weiß er, dass das, was ihn zum Beten veranlasst, auch Gott ist: Gott ist sozusagen in ihm selbst. Aber er weiß auch, dass all sein wirkliches Wissen über Gott durch Christus kommt, den Mann, der Gott war – dass Christus neben ihm steht, ihm hilft zu beten, für ihn betet. Du siehst, was hier geschieht. Gott ist das Ziel, zu dem er betet – das Ziel, das er zu erreichen versucht. Gott ist auch das, was ihn in seinem Inneren antreibt – die treibende Kraft. Gott ist auch die Straße oder Brücke, auf der er zu diesem Ziel geschoben wird. Das ganze dreifache Leben des dreipersönlichen Wesens spielt sich also tatsächlich in diesem einfachen kleinen Schlafzimmer ab, in dem ein gewöhnlicher Mensch seine Gebete spricht.“
Lieber Vater, der du uns immer nahe bist,
möge dein Name wertgeschätzt und geliebt werden,
möge deine Herrschaft in uns vollendet werden –
dein Wille geschehe hier auf Erden
so wie er im Himmel getan wird.
Gib uns heute die Dinge, die wir heute brauchen,
und vergib uns unsere Sünden und Vergehen an dir
wie auch wir allen vergeben, die uns in irgendeiner Weise beleidigen.
Bitte lass uns nicht durch Prüfungen gehen,
sondern erlöse uns von allem Bösen.
Denn du bist derjenige, der das Sagen hat,
und du hast alle Macht, und auch die Herrlichkeit ist ganz dein – für immer –
und das ist genau so, wie wir es uns wünschen!
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(1) mit einem Elektroschocker angreifen
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