Predigt: 1. Mose 11,1 – 9

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Der Turm und die Stadt

„Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Welt Sprache und sie von dort zerstreut hat über die ganze Erde.“

(1. Mose 11,9)

Eine gute Freundin von mir kommt ursprünglich aus Indien. Aber sie lebt und arbeitet seit einigen Jahren in Frankreich. Zu Beginn ihrer Anstellung im Labor, musste sie zu einer Betriebsärztin. Die Krankenschwester, die sie empfangen hatte, konnte nur Französisch. Und anscheinend war sie eine etwas grobe und schroffe Person. Meine Bekannte war noch relativ neu in Frankreich. Eigentlich konnte sie nicht nicht wirklich Französisch. Aber sie versuchte es so gut sie es konnte. Und dann erzählte sie mir, dass die Schwester so bewegt und angetan war und sie ganz freundlich und lieb behandelt hatte. Sprachen können sprichwörtlich dazu führen, dass sich Türen auftun.
Gleichzeitig wissen wir alle, dass Kommunikation wirklich schwierig ist. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir uns hier in der Gemeinde auf deutsch unterhalten, obwohl die meisten von uns sich im Deutschen nicht wirklich zu Hause fühlen. Es gibt den Ausdruck „lost in Translation.“ Sprache steht nicht nur für Reden und Kommunikation. Hinter der Sprache ist eine ganze Kultur, eine Denk- und Lebensweise, eine geteilte Geschichte. Vieles davon lässt sich nicht einfach übersetzen. Weil dem so ist, leben wir in einer unweigerlich geteilten, zersplitterten Welt. Unser Text erzählt die Geschichte davon, wie es dazu kam.
Drei Punkte sehen wir hier: erstens, unser Ehrgeiz; zweitens, Gottes Intervention; drittens, die Gnade auf die der Text hinweist.

Erstens, unser Ehrgeiz
Die Geschichte beginnt damit, dass die Menschen nach Osten zogen. Luther übersetzt hier, dass die Menschen von Osten aufbrachen. Was aber eher gemeint ist, dass die Menschen ostwärts zogen. Sie lassen sich im Land Schinar nieder. Mit dem Land Schinar ist ganze Mesopotamien gemeint. In den Versen 3 und 4 sagen die Menschen zueinander: „Auf, formen wir Lehmziegel und brennen wir sie zu Backsteinen. … Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis in den Himmel!“ Die Menschen im heutigen Text starteten ein ambitioniertes Bauprojekt. Die Menschen wollten zwei Dinge bauen: eine Stadt und einen Turm. Die Eigenschaft des geplanten Turmes ist interessant: die Spitze des Turmes sollte bis an den Himmel reichen. Warum bis an den Himmel?
Wenn wir diesen Text lesen, dann hört sich das Ganze an, wie ein Sakrileg. Vielleicht denken wir, dass es die Absicht der Menschen damals war, in den Himmel zu kommen. Vielleicht interpretieren wir es als deren kläglicher Versuch, Gott zu finden; oder zumindest sprichwörtlich nach den Sternen zu greifen. Ich denke, dass es nur teilweise richtig ist. Die meisten Ausleger sind sich darin einig, dass der Turm, von dem die Rede ist, eine Zikkurat ist. Eine Zikkurat ist ein Tempelturm in mehreren Stufen. In der Gegend von Mesopotamien, wo unser heutiger Text angesiedelt ist, hat man ca. zwei Dutzend Ruinen von solchen Zikkurats nachweisen können. Man nimmt an, dass Menschen bereits im 5. Jahrtausend vor Christus damit angefangen hatten, solche Tempeltürme zu bauen. Oben auf der Zikkurat befand sich ein Tempel. Alternativ wurde eine Zikkurat neben einem Tempel gebaut. Frage ist dann, wozu diese Türme dann dienten.
Zikkurats waren heilige Gebäude. Es ging nicht darum, dass Menschen durch diesen Turm zu Gott kommen sollten. So ziemlich das Gegenteil ist der Fall. Der griechische Historiker Herodot berichtet, dass die Babylonier daran glaubten, dass die Götter in den Tempel eintreten und dort ruhen. Eine Zikkurat war dazu da, dass Gott zu den Menschen herab kommt. Das war die Hoffnung, die die Menschen hatten, als sie sich ans Bauen machten.
Warum wollten die Menschen, dass Gott herab kommt? Vers 4 antwortet: „So wollen wir uns einen Namen machen, damit wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen.“ Das war ihre Motivation: sie wollten sich einen Namen machen. Sie wollten Bedeutung und Berühmtheit erlangen. Sie wollten Ruhm und Ehre. Sie wollten, von anderen gekannt werden. Gott war dafür ihr Mittel zum Zweck. Gott sollte herab kommen, Gott sollte sie besuchen kommen; nicht deshalb, weil sie ein intrinsisches Interesse hatten, ihn anzubeten; nicht deshalb, weil sie glaubten, dass Gott würdig ist; nicht deshalb, um Gottes Namen groß zu machen. Es ging ihnen um ihren eigenen Namen und um ihre eigene Herrlichkeit. Das ist es, was Gott für sie tun sollte.
Die Geschichte vom Turmbau zu Babel ist wie die anderen frühen Geschichten der Bibel geheimnisvoll. Ich finde die Geschichten zutiefst faszinierend. Wir müssen verstehen, dass keine von diesen Geschichten isoliert dasteht. Die 9 Verse, die über den Turmbau von Babel berichten, stehen in einem größeren Zusammenhang zu den Texten vorher und nachher (wir gehen nachher etwas darauf ein). Diese einzelnen Geschichten sind daher Teil einer viel größeren Geschichte. Fakt ist, die Bibel erzählt eine große Geschichte angefangen von Genesis bis zum Buch Offenbarung. Und hier ist der zweite Punkt, den ich faszinierend finde: wir alle, jeder einzelne von uns, wir sind Teil dieser Geschichte. Die Geschichte, welche die Bibel erzählt ist unsere Geschichte.
Wir könnten diesen Text lesen und denken: „Diese primitiven Völker dachten wirklich, dass wenn sie nur einen Tempel noch genug in den Himmel bauen, Gott sie besuchen und segnen kommt. Da sind wir aufgeklärte Menschen viel weiter.“ Stimmt das wirklich? Die Tempeltürme waren nicht unbedingt Orte der Anbetung (es fanden dort keine Gottesdienste oder Opfer statt); die Zikkurats waren Ausdruck der Anbetung. Jeder Mensch betet etwas an. Und wir haben nicht aufgehört, Türme zu bauen, die dem Ganzen Ausdruck verleihen. Diese Türme sollen bis an den Himmel reichen. Wir nennen sie daher Wolkenkratzer. Wo stehen die höchsten Gebäude in Europa? Wie im heutigen Text stehen die Türme in großen Städten, z.B. in Frankfurt. Das höchste Gebäude der EU ist der „Commerzbank Tower“. Das derzeit höchste Gebäude in Europa ist das „Lakhta Center“ in St. Petersburg und ist das Hauptquartier von Gazprom. Sie sind Ausdruck dessen, was wir anbeten: das Geld und die Wirtschaft. Sie sind Ausdruck dessen, wie wir versuchen, uns einen Namen zu machen. Der Turmbau von Babel erzählt nicht einfach eine Geschichte von vor vielen Tausenden von Jahren. Es ist unsere Geschichte vom Hier und Jetzt.
Wir leben im Moment mit ungefähr 7,8 Milliarden anderen Menschen auf diesem Planeten. Das ist eine Zahl, die man sich kaum vorstellen kann. Wenn wir jeden Menschen 1 Sekunde lang ins Gesicht schauen wollten, würden wir dafür fast 250 Jahre brauchen. Angenommen jemand würde angesichts dieser Tatsache argumentieren: „Weißt du, es gibt Milliarden von anderen Menschen jetzt; es hat bereits Milliarden von Menschen vor uns gegeben und es wird sie nach uns geben; dein Leben kann doch gar nicht so wichtig sein. Du bist nichts anderes als ein einziges Sandkorn an einem Strand“. Wir würden uns mit dieser Antwort niemals zufriedengeben – absolut nicht. Wir wollen Bedeutung. Wir wollen, dass andere uns kennen. Wir wollen uns einen Namen machen. Wir wollen ein besonderes Sandkorn sein. Natürlich wissen wir, dass nicht jeder von uns kann so bekannt werden kann wir Beethoven oder Einstein. Trotzdem wollen wir kein Leben führen, das in Vergessenheit gerät. Wir wollen einen Unterschied in dieser Welt machen.
Wie versuchen wir das zu erreichen? Wir tun dies, indem wir irgendetwas anbeten. Jeder von uns tut das. Anbetung klingt nach Gottesdienst und geistliche Aktivitäten. Aber die Anbetung der frühen Babylonier hat sich darin geäußert, dass sie Ziegelsteine en masse produziert haben und Gebäude in die Höhe gezogen haben. Ihre Anbetung kam durch harte Arbeit zum Ausdruck. Was arbeiten wir so fleißig? Was ist die Arbeit, die uns keine Ruhe lässt? Für manche mag es das Studium sein oder der Beruf. Wir arbeiten, weil wir uns beweisen wollen, dass wir jemand sind. Für andere mag es Sport oder Kunst oder Musik sein oder irgendetwas anderes von dem wir uns erwarten, dass es uns eine einzigartige Identität geben kann. Hier ist der Punkt, den viele von uns nicht wahrhaben wollen: es können auch geistliche Aktivitäten sein.
Viele von uns haben den Eindruck, dass unsere Gemeinde im Moment so passiv und zurückhaltend ist; und einige von uns wünschen sich, dass mehr Menschen anpacken und wieder mehr Leben in die Gemeinde einkehrt. Das wünsche ich mir auch! Ich weiß, dass es ein sehr kontroverses Thema ist, aber vielleicht ist jetzt eine gute Zeit, darüber nachzudenken, weshalb wir früher all die guten Dinge getan haben, die wir getan haben. Was war unsere Motivation tatsächlich? Studenten einladen, Dienst im Zentrum, Bibelstudien, Konferenzen planen und durchführen, opfern. Vielleicht denkt ihr: „Natürlich habe ich das alles für Gott getan!“ Ich will das nicht in Frage stellen. Gleichzeitig möchte ich dazu einladen, unsere Motivation sorgfältig zu prüfen. Denn wenn wir wirklich allein zur Ehre Gott arbeiten, warum schauen wir auf andere herab, die nicht so fleißig und hart arbeiten wie wir? Wenn wir wirklich allein für Gottes Namen arbeiten, warum sind wir so schlecht darin, gesunde und liebevolle Beziehungen zu unseren Brüdern und Schwestern in der Gemeinde aufzubauen? Warum gibt es in unseren Gemeinden so viele Spaltungen? So viele Wunden und Verletzungen?
Hier ist eine Frage, die jeder für sich beantworten muss: wofür arbeiten wir? Denn selbst die guten und heiligen Dinge, die wir tun, können ein babylonischer Turmbau sein, wenn wir sie für uns und für unseren Namen tun. Das ist der erste Punkt. Die fleißigen, disziplinierten und religiösen Babylonier werfen ein Licht auf unseren eigenen Ehrgeiz.

Zweitens, Gottes Intervention
Unser Text ist sehr symmetrisch aufgebaut. Und wir finden hier auch sehr viel Ironie. Ich habe argumentiert, dass die Zikkurat dazu da war, damit Gott vom Himmel herabkommt. In Vers 5 lesen wir dann: „Da stieg der HERR herab, um sich Stadt und Turm anzusehen, die die Menschenkinder bauten.“ Gott kam tatsächlich herab. Und in Vers 7 lesen wir ein weiteres Mal wie Gott spricht: „Auf, steigen wir hinab…“ Ich hatte mich früher immer gefragt, weshalb Gott herabkommen musste, um sich die Stadt und den Turm anzusehen. „Ist Gott nicht allwissend? Ist er nicht omnipräsent? Konnte er nicht vom Himmel sehen, was unten auf der Erde vor sich ging?“ Ich denke, dass der Autor von Genesis eine bildliche Sprache verwendet, um etwas zu illustrieren. Der Turm, der den Anspruch hat, bis zum Himmel zu reichen, ist so klein, dass Gott bildlich gesprochen herabkommen „muss“, um ihn überhaupt sehen zu können.
Gott kommt also herab. Aber Gott tut nicht das, was sich die Menschen erhofft hatten. Gott verwirrt die Sprache der Menschen. Die Begründung ist in Vers 6: „Und der HERR sprach: Siehe, ein Volk sind sie und eine Sprache haben sie alle. Und das ist erst der Anfang ihres Tuns. Jetzt wird ihnen nichts mehr unerreichbar sein, wenn sie es sich zu tun vornehmen.“ Gott sah ihr Tun, das nicht gut war. Um ihrem Tun Einhalt zu gebieten, verwirrt er ihre Sprache.
Hier ist ein weiterer ironischer Punkt. Vers 9 sagt, dass die Stadt den Namen Babel bekam. Babel lässt sich eigentlich aus dem akkadischen Wort babilu ableiten und bedeutet „das Tor Gottes“. Das könnte kaum besser klingen. Aber Babel klingt erstaunlich ähnlich mit „babbeln“. Interessanterweise gibt es das Wort „babbeln“ nicht nur im Deutschen sondern in ähnlichen Formen in vielen anderen Sprachen. Im Englischen, Deutschen, Französischen und etlichen anderen Sprachen kennen wir außerdem den Ausdruck „bla, bla“. Meinen tun wir damit unverständliches oder unwichtiges Gelaber. Vers 9 sagt jetzt: „Darum gab man der Stadt den Namen Babel…“ Weil niemand mehr in der Lage war, die Sprache des anderen zu verstehen, hieß die Stadt „Babbeln“. Die Einheitsübersetzung fügt an dieser Stelle hinzu, dass Babel „Wirrsal“ bedeutet, weil Gott die Sprache der ganzen Welt verwirrt hat.
Noch mehr Ironie: Die Menschen in Babel wollten eine Stadt und einen Turm bauen, um nicht über die ganze Erde zerstreut zu werden. Wir lesen dann in Vers 8: „Der HERR zerstreute sie von dort aus über die ganze Erde, und sie hörten auf, an der Stadt zu bauen.“ Ihnen geschah genau das, was sie eigentlich unbedingt vermeiden wollten.
Gottes Eingreifen war sein Gericht. Aber es war ein sehr gnädiges Eingreifen. Gott löscht die Menschen nicht aus. So ziemlich das Gegenteil ist der Fall. Das sehen wir vor allem im dritten Teil.

Drittens, die Gnade, auf die der Text hinweist
Ich hatte vorhin erwähnt, dass Genesis 9 ein Puzzlestück zu einer größeren Geschichte darstellt. Innerhalb von Genesis ist dieser Text wie ein Bindeglied. Es weist zurück vor vorherige Texte. Wie nach dem Brudermord Kains, ist davon die Rede, dass die Menschheit nach Osten zog, weg von Gottes Angesicht und dass die Menschen eine Stadt bauten. Wie der Anfang von Genesis 6 (der ominöse Text von den Gottessöhnen und Menschentöchtern) weist die Geschichte auf dem moralischen Niedergang der Menschen hin. Aber der Text ist auch ein Hinweis auf das, was noch kommen wird. Etwas genauer gesagt, der Text gibt uns zwei Hinweise auf biblische Realitäten, die erst nach und nach entfaltet werden. Die eine Realität hat mit unserem Namen zu tun. Die andere Realität hat mit dem Herabkommen Gottes zu tun.
Die Menschen in Babel wollten sich einen Namen machen. Und ich habe versucht zu argumentieren, dass dieses Bedürfnis, sich einen Namen zu machen, universell ist. Wir alle haben dieses Bedürfnis, ob wir wollen oder nicht. Jeder von uns wendet sich irgendetwas zu, von dem wir erwarten, dass es uns eine einzigartige Identität und einen Namen schenken kann; und das, dem wir uns zuwenden, ist gerade das, was wir anbeten. Ein Kapitel später lesen wir, wie Gott Abram beruft. In Vers 2 sagt Gott dann: „Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.“ Gott verspricht hier Abram, dass er ihm einen großen Namen machen würde. Was Gott damit zu sagen scheint, ist folgendes: „Du willst einen großen Namen haben; die einzige Art und Weise, wie du dazu kommen kannst, ist, wenn ich dir einen großen Namen mache.“
Wie macht Gott das dann? Die Menschen in Babel wollten sich einen Namen machen, indem sie sich eine Stadt und einen Turm gebaut hatten. Der Name, den Gott uns geben will, hat ebenfalls mit einer Stadt zu tun. In Offenbarung 3,12 heißt es dazu: „Wer siegt, den werde ich zu einer Säule im Tempel meines Gottes machen und er wird nicht mehr hinausgehen. Und ich werde auf ihn den Namen meines Gottes schreiben und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herabkommt von meinem Gott, und auch meinen neuen Namen.“ Einen berühmten Namen zu haben ist untrennbar damit verknüpft, in einer Stadt angenommen und akzeptiert zu sein. Der typische Weg eines Künstlers ist es, als ein Nobody in die Stadt zu kommen und sich dort einen Namen zu machen. Beethoven kam als ein relativ unbekannter Künstler nach Wien und machte sich dort einen Namen, den heute fast jeder Mensch zumindest mal gehört hat. In Offenbarung bekommen wir die Verheißung, dass Gott uns einen bleibenden Namen schenkt, und zwar in der einzigen Stadt, die wirklich zählt: im Neuen Jerusalem, das vom Himmel herabkommt. Wie kann Gott das tun?
Wir finden die Antwort, wenn wir uns darüber Gedanken machen, wo Jesus gestorben ist. Jesus zog in die Stadt Jerusalem ein. Aber Jesus wurde nicht in Jerusalem gekreuzigt. Jesus wurde aus der Stadt herausgeführt. Hebräer 13,12 und 14 sagen: „Deshalb hat auch Jesus, um durch sein eigenes Blut das Volk zu heiligen, außerhalb des Tores gelitten. … Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern wir suchen die zukünftige.“ Was bedeutet das? Draußen vor den Toren der Stadt hingerichtet zu werden, bedeutete, dass Jesus von der Stadt abgelehnt wurde. Jesus erfuhr die Ablehnung der Menschen; den Ausschluss aus der Gemeinschaft; die Isolation. Die Ablehnung Jerusalems war aber nichts weiter als ein Symbol für die wahre Ablehnung, die Jesus erdulden musste: der Ausschluss aus der Gemeinschaft mit dem Vater. Jesus litt außerhalb der irdischen Stadt, als Zeichen dessen, dass er die himmlische Stadt für uns verlassen hatte. Jesus litt außerhalb des irdischen Jerusalems und außerhalb des himmlischen.
Was bedeutet das dann für uns? Die einzige Art und Weise, wie wir uns einen Namen machen können, ist, indem wir aufhören, uns selbst einen Namen zu machen. Gott gibt uns einen bleibenden Namen. Wir bekommen einen bleibenden Namen nicht durch das, was wir tun oder was wir leisten oder vollbringen oder bauen oder schaffen. Unser bleibender Name beruht darauf, was Jesus für uns an unserer Stelle vollbracht hat. Der Name, den Gott uns schenkt, beruht auf Gnade. Diese Identität, die Gott uns schenkt, macht uns frei von Stolz: auch frei von unserem verletzten Stolz. Wenn wir das verstanden und angenommen haben, und erst dann, wenn wir das verstanden und angenommen haben, sind wir wirklich fähig für Gemeinschaft und für Freundschaften. Die anderen sind nicht länger unsere Konkurrenten; die anderen sind nicht länger eine Bedrohung für uns. Sie sind unsere Gefährten auf dem Weg in die wahre Stadt, die herabkommen wird.
Die zweite Realität, auf die der Text hinweist, ist das Herabkommen Gottes. Der Turm war ein heiliger Ort und wurde in der Hoffnung gebaut, dass Gott herabkommt. Später, im Verlauf der Bibel sehen wir, wie Gott selbst einen heiligen Ort erschafft, um mit den Menschen Gemeinschaft haben zu können. In Exodus kommt Gott herab, und bleibt unter den Israeliten in der Stiftshütte. In 1. Könige kommt Gott herab, in den Tempel, um mit seinem Volk Gemeinschaft zu haben. Aber alles im AT ist nur ein Schatten der kommenden Wirklichkeit, wie Hebräerbrief und sagt. In Johannes 1,14 lesen wir: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“ In Jesus Christus ist Gott selbst Mensch geworden, um mit uns Menschen zu sein, so dass wir im Angesicht Jesu nichts weniger sehen als die Herrlichkeit Gottes. Mit anderen Worten, Gott hat Jesus als den Turm in der Mitte der Stadt aufgerichtet: der heilige Ort, an dem Gott herabkommt und uns Menschen begegnet.
Und das ist immer noch nicht alles. Die meisten Interpreten sind sich darin einig, dass Apostelgeschichte 2 eine Umkehrung von unserer Geschichte ist. Jesus sandte seinen Heiligen Geist, damit Gott selbst durch seinen Heiligen Geist fortan in allen Menschen wohnen kann, was jeden einzelnen Menschen, der an Jesus glaubt, zu einem Tempel Gottes macht. Das Kommen des Heiligen Geistes hat für einen kurzen Moment die Verwirrung der Sprachen aufgehoben. Noch ist es nicht permanent. Aber es gibt wieder einen Hinweis darauf, wie es sein wird, wenn Gottes Reich vollständig da ist und wenn seine Stadt vom Himmel herabkommt.
Die Frage ist, ob wir bereit sind, um der Stadt Gottes willen aufzuhören, unsere eigene Stadt und unseren eigenen Namen zu bauen.

 

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