Predigt: Lukas 15,1 – 32

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Die große Liebe des Vaters

„Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“

(20)

Lasst uns uns kurz daran erinnern, in welchem Kontext unser heutiger Abschnitt steht. Letzte Woche ging es um die Gleichnisse vom verlorenen Schaf und vom verlorenen Groschen. Jesus erzählte sie den Pharisäern und Schriftgelehrten, die darüber murrten, dass er die Zöllner und Sünder annahm und mit ihnen aß. Sie hielten sich selbst für gerecht und verurteilten andere, deren Sünde offensichtlich war, als hoffnungslos verloren. Ihre Meinung wog schwer, weil sie vorgaben, Gott zu kennen, und als berechtigt galten, Gottes Worte verbindlich auszulegen. Jesus zeigte ihnen durch die beiden Gleichnisse, dass Gott die Verlorenen keineswegs aufgibt, sondern sie vielmehr sucht, bis er sie findet. Er betonte, dass im Himmel über einen Sünder, der Buße tut, große Freude ist, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die scheinbar keine Buße benötigen. Aber Jesus wusste, dass zwei Gleichnissen nicht ausreichten, damit sie ihre Einstellung wirklich änderten. Darum erzählte Jesus ein weiteres Gleichnis, das wohl das berühmtesten der Bibel ist – das Gleichnis vom verlorenen Sohn. In diesem Gleichnis macht Jesus ihnen und uns das Problem der Verlorenheit anschaulich klar und offenbart Gottes große Liebe zu den unterschiedlichen Arten von Sündern. Möge Gott uns helfen, seine große Liebe zu uns und den andern Sündern neu zu erkennen, zu ihm zu kommen und sie neu zu empfangen!

Betrachten wir die Verse 11 und 12a: „Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht.“ Der Mensch im Gleichnis war Vater zweier Söhne und war wohlhabend, denn er hatte viele Tagelöhner und eigene Knechte. Eines Tages verlangte der jüngere Sohn, dass der Vater ihm sein Erbteil auszahlte. Das war eigentlich eine unverschämte Forderung, da man damals wie heute das Erbe erst erhielt, wenn der Vater gestorben war. In der damaligen Zeit, in der Besitz hauptsächlich in Haus und Land bestand, war die Forderung noch unmöglicher, da diese die Lebensgrundlage bildeten. Aber der jüngere Sohn nahm keine Rücksicht auf seinen Vater, weder auf seine Gefühle noch auf seine Zukunft. Er wollte einfach das Vermögen seines Vaters kriegen, damit er so leben konnte, wie er wollte. Der Vater muss wegen der Forderung seines Sohns tief verletzt und bekümmert gewesen sein. Er muss auch geahnt haben, was sein Sohn mit dem Geld machen wollte. Aber er wollte ihn nicht zwingen, bei ihm zu bleiben, weil er ihn wirklich liebte. So teilte er schließlich sein Hab und Gut und zahlte seinen Sohn aus. Nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land (13a). Er wollte vom Vater möglichst weit weg sein, damit er für ihn unerreichbar alles machen konnte, was er wollte. Wahrscheinlich wollte er nicht von Anfang an zügellos leben. Aber je länger er ohne den Vater in dem fernen Land lebte, desto zügelloser wurde sein Leben. Er feierte eine wilde Party nach der andern und probierte alles aus, was ihm Spaß machen könnte. Auf diese Weise verprasste er sein ganzes Erbe, bis alles Geld aufgebraucht war.

Was passierte dann? Betrachten wir die Verse 14-16. Als er kein Geld mehr hatte, kam auch noch eine Hungersnot und das Land, das für ihn anfangs so verheißungsvoll ausgesehen hatte, sah plötzlich ganz anders aus. Es ging ihm richtig schlecht. In seiner Not dachte er nicht an seinen Vater, sondern klammerte sich an einen anderen Menschen; der ihm schließlich einen Job als Schweinehirt gab. Der Job war nicht nur dreckig, sondern auch so schlecht bezahlt, dass er nicht einmal richtig zu Essen hatte. Als die Juden hörten, dass er bei einem Ausländer Schweine hüten musste, war ihnen klar, dass er tief gefallen und ganz unten angekommen war. Vers 16 sagt: „Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm“ (16). Viele von uns wissen nicht aus eigener Erfahrung, was Hunger bedeutet. Wenn wir mal Hunger verspüren, können wir uns an der nächsten Bäckerei etwas kaufen oder nach wenigen Stunden eine Mahlzeit einnehmen. Aber wenn Menschen wirklich hungern, ist das etwas Schreckliches und Entwürdigendes. Er wurde von Hunger so sehr gequält, dass er sich sogar wünschte, von dem Schweinefutter essen zu dürfen; aber niemand gab ihm davon. Wie schlecht ging es ihm und wie elend muss er sich gefühlt haben! Er war vom Vater weggegangen, damit er frei sein und machen konnte, was er wollte. Lange Zeit sah das gut aus; aber schließlich war er in die Abhängigkeit von einem unbarmherzigen Menschen geraten, der ihn in seiner Not schamlos ausnutzte. Er hatte ein noch interessanteres und noch schöneres Leben als zu Hause beim Vater führen wollen. Aber nun konnte er nicht einmal seine Grundbedürfnisse stillen und musste hungern. Bei seinem Vater wurde er geachtet als Sohn und Erbe seines Vaters; aber im fernen Land zählte nur sein Wert auf dem Arbeitsmarkt und er war weniger wert als ein Schwein.

In dem Sohn zeigt Jesus ein Beispiel für die Menschen, die sich von Gott entfernt haben und ihr Leben in eigener Regie führen und woanders ihr Glück suchen wollen. Die Zöllner und Sünder, die zu Jesus kamen, waren ein Beispiel. Jesu Gleichnis zeigt, dass das eine Weile gut aussehen kann. Damit dass der Sohn eines Tages all sein Erbe verbraucht hat, zeigt Jesus, dass man nicht sein Leben lang so leben kann. Und dass in das anfangs attraktive Land eine Hungersnot kam, zeigt, dass es keinen Ort auf der Erde gibt, wo man ohne Gott auf Dauer befriedigend leben und umfassend satt und zufrieden sein kann. Dass der Sohn in die Abhängigkeit von einem unbarmherzigen Fremden geriet und fast verhungerte, zeigt anschaulich, wohin es führt, wenn Menschen fern vom Vater ihr Glück suchen. Die Zöllner, die sich über die Regeln von Anstand und Nächstenliebe willkürlich hinwegsetzten und ihren egoistischen Wünschen folgten, sahen anfangs vielleicht frei und materiell erfolgreich aus. Aber sie wurden elend, weil sie in ihrer Habgier gefangen und ohne richtige Beziehung zu Gott und zu anderen Menschen einsam waren. So viele junge Menschen und Studenten gehen wie der jüngere Sohn in ein fernes Land und wollen ihr Leben ohne Gott in eigener Regie führen in der Illusion, dass sie so glücklich würden. Wie viele sind aber nicht lange danach innerlich elend und leiden wegen der Enttäuschungen, der Sinnlosigkeit und wegen dem schrecklichen Hunger nach wahrer Liebe und Leben, den sie von niemandem gestillt bekommen, obwohl sie hart arbeiten und Geld verdienen!

Was tat der Sohn, als er so sehr litt? Lesen wir Vers 17: „Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger!“ Diese Worte beschreiben den Wendepunkt in seinem Leben. Als er ganz am Boden war, wurde er nüchtern, wie jemand, der aus seinem Rausch aufwacht. Da dachte er an seinen Vater und daran, wie gut es selbst den Tagelöhnern bei ihm ging, während er am Verhungern war. Der Anfang seiner Buße war nicht von hohen, edlen Motiven geprägt. Doch als er daran dachte, wie gut es den Menschen beim Vater ging, konnte er einsehen, dass er selbst verkehrt gehandelt hatte, als er den Vater verlassen hatte. Er erkannte das nicht nur als einen Fehler, sondern sah ein, dass er gegen Gott und den Vater gesündigt hatte. Das ist wohl die bitterste und schmerzlichste Einsicht eines Menschen, aber sie ist notwendig und heilsam. Aufgrund dieser Einsicht konnte er den Entschluss fassen, sich aufzumachen und zu seinem Vater zurückzugehen. Er sagte: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner!“ (18.19) Viele Menschen weigern sich auch dann, wenn es ihnen schlecht geht, ihre Fehler zuzugeben und beschuldigen die anderen Menschen, die Umstände oder sogar Gott für ihre Misere. Aber der Sohn im Gleichnis ging in sich, erkannte seine Sünde und entschied sich, zum Vater zurückzugehen. Er konnte nicht wagen zu hoffen, dass der Vater ihn wieder als Sohn annehmen würde, weil er durch seine Sünde sein Recht als Sohn wirklich verwirkt hatte. Aber er hoffte so viel auf die Liebe des Vaters, dass er doch als ein Tagelöhner bei ihm sein dürfte. Wie wichtig ist es, dass Menschen in der Not nicht verbittern oder verzweifeln, sondern an den liebevollen Vater denken und sich entschließen, zu ihm zu kommen! Wie wichtig ist es, dass wir die jungen Menschen und Studenten auf die Liebe des Vaters hinweisen, sie durch unseren Mund unser Leben bezeugen!

Vers 20a sagt: „Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater.“ Der Sohn entschied sich nicht nur, zum Vater zu gehen, sondern er machte sich auch tatsächlich auf und ging zum Vater. Je näher er zum Haus des Vaters kam, desto schwerer muss ihm die Last seiner Schuld vorgekommen sein und desto größer seine Sorge, ob der Vater ihn wirklich annehmen würde. Aber er ging weiter in der Hoffnung auf die Liebe des Vaters. Wie reagierte der Vater? V. 20b sagt: „Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater …“ Wie war das möglich? Der Vater konnte ihn sehen, als er noch weit entfernt war, weil er die ganze Zeit darauf hoffte, dass sein Sohn zurückkommen würde, und so oft es ging, auf den Weg schaute, auf dem er zurückkommen sollte. Auch als der Sohn lange Zeit nicht wieder kam, hörte der Vater nicht auf, nach ihm Ausschau zu halten. Was empfand er, als er seinen Sohn erkannte? Es heißt dazu kurz: „und es jammerte ihn“. Er hegte keinen Ärger oder Groll gegen ihn wegen dem, was er ihm angetan hatte. Als er den Sohn sah, wie er in Lumpen reumütig zu ihm kam, war er einfach voller Mitleid und sein Herz brannte vor Liebe zu seinem Sohn.

Was tat der Vater dann? „… und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn“ (20c). Als er seinen Sohn kommen sah, sprang er auf und lief los, ihm entgegen. Damals lief oder rannte man als Erwachsener nie, da dies wirklich als unwürdig galt. Aber der Vater war so froh, dass sein Sohn zurückkam, dass er wie ein Kind aufsprang und seinem Sohn entgegenrannte. Als er ihm entgegenlief, waren seine Arme weit ausgebreitet. Dann fiel er seinem Sohn um den Hals und küsste ihn. Er hatte ihn so sehr vermisst und war nun so froh, dass er ihn wieder hatte. Obwohl der Sohn erbärmlich ausgehen und wegen den Schweinen gestunken haben muss, umarmte der Vater ihn und küsste ihn. Dadurch zeigte er seine unbedingte Liebe zu seinem Sohn und dessen völlige Annahme. Es ist bemerkenswert, dass der Vater den Sohn annahm, noch bevor der ihm seine Sünde bekannte. Es war also nicht sein Sündenbekenntnis, was den Vater dazu bewog, ihm zu vergeben und ihn wieder anzunehmen. Er hatte ihm seine Schuld schon längst vergeben.

Der Sohn sagte zum Vater: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße“ (21). Er wollte den Vater so um Vergebung bitten, damit er ihn wieder annehmen würde, wenigstens als Tagelöhner. Aber der Vater ließ ihn gar nicht zu Ende reden. Er sagte zu seinen Knechten: „Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das gemästete Kalb und schlachtet’s; lasst uns essen und fröhlich sein!“ (22.23). Diese Verse beschreiben mit Nachdruck, wie groß die Freude des Vater über die Rückkehr seines Sohnes war, und dass er ihn bedingungslos annahm. Das beste Gewand war das Feiertagsgewand, das man nur zu ganz besonderen Anlässen trug. Aber gerade das ließ der Vater ihm anziehen und zeigte damit, dass er sein Sohn war. Der Ring zeichnete ihn eindeutig als Sohn aus, unabhängig davon, ob es ein Siegelring oder ein gewöhnlicher Ring war. Dass er Schuhe an seine Füße bekam, unterstreicht seine völlige Wiedereinsetzung als Sohn, denn Sklaven hatten keine Schuhe, nur Söhne. Aber das war nicht genug. Der Vater ließ auch das gemästete Kalb schlachten, um seine große Freude auszudrücken, zu feiern und fröhlich zu sein. „Das gemästete Kalb“ war damals etwas ganz besonderes (Singular!), das man zu ganz besonderen Anlässen schlachtete, etwa einer Hochzeit oder einem sehr ehrenwerten Besuch. Aber der Vater war über die Rückkehr seines Sohnes so froh, dass er aus lauter Freude spontan ein Festmahl veranstaltete.

Wie erklärte er seine Freude? Er sagte im Vers 24: „Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.“ Der Vater war so froh, weil er sich der großen Bedeutung der Rückkehr seines Sohnes bewusst war. Denn als der Sohn weg war, war er für den Vater praktisch tot, als ob er gar nicht existieren würde, durch seine Rückkehr war er aber wieder lebendig geworden. Fern vom Vater war er verloren, aber jetzt war er wieder gefunden worden. Hier drängt das Gleichnis auf seine Übertragung. Denn wenn ein Mensch von seinem irdischen Vater entfernt ist, ist das wohl traurig für den Vater, vielleicht auch für den Sohn, aber der Sohn ist deshalb nicht tot. Aber wie wir längst wissen, steht der Vater im Gleichnis für Gott. Und wenn ein Mensch sich von Gott entfernt und versucht, sein Leben ohne Gott zu führen, ist er geistlich tot. Er lebt zwar noch körperlich, er hat auch noch Gefühle, Ängste und Wünsche, kann lachen und weinen und manches tun; aber er hat kein geistliches Leben mehr. Er ist wie eine abgeschnittene Blume in der Vase, die noch lebendig aussieht, aber nach ein paar Tagen verwelkt und für immer verfault. Im Epheserbrief sagt Paulus, dass Gott „auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht“ hat, und ergänzt: „aus Gnade seid ihr selig geworden“ (Eph 2,5). Wer ohne Gott zu leben versucht, ist geistlich tot, auch wenn das für ihn selbst und andere vielleicht eine Weile noch nicht sichtbar ist (wie bei der Blume in der Vase). Wer fern vom Vater ist, ist nicht nur tot, sondern auch im umfassenden Sinne verloren, nämlich sowohl für Gott verloren, weil er für Gott weg ist, als ob er gar nicht existiert; und auch in dem Sinne verloren, dass er selbst keine Chance auf Rettung hat, wenn er nicht zu Gott zurückkehrt. Jetzt ist uns noch klarer, warum der Vater im Gleichnis so froh über die Rückkehr seines verlorenen Sohnes war. In Wirklichkeit freut sich so rieisig, wenn ein verlorener Sünder zu ihm umkehrt, weil Gott ihn dann geistlich wiederherstellen und ihn wirklich lebendig machen kann. Gott freut sich deshalb so sehr über jeden Sünder, der zu ihm umkehrt, weil er dann wirklich gefunden ist, das heißt dass Gott von nun an mit ihm Gemeinschaft haben kann, die bis in die Ewigkeit andauert. Gott freut sich also so riesig über jeden Menschen, der aus seiner Sünde zu ihm umkehrt, weil er ihn für immer lebendig machen und mit ihm ewig Gemeinschaft haben kann. Diese Freude hat Jesus im Gleichnis durch die Freude des Vaters ausgedrückt. Um das aber wirklich möglich zu machen, hat Jesus selbst den höchsten Preis bezahlt. Die ausgestreckten Arme, mit denen der Vater im Gleichnis dem Sohn entgegenlief, deuten auf die Arme hin, die Jesus wenige Wochen später real am Kreuz weit ausgestreckt hat, damit er den Preis für unsere Sünde bezahlte. Wir waren alle wie der jüngere Sohn und versuchten in unterschiedlicher Weise, unser Leben ohne Gott zu führen und irgendwie glücklich zu werden. Wegen seiner großen Liebe zu uns Sündern bezahlte Gott durch den Tod Jesu selbst den höchsten Preis, der nötig war, dass wir trotz all unserer Sünde und Verlorenheit zu Gott zurückkommen konnten, und als seine Kinder angenommen werden und mit ihm an dem himmlischen Fest teilnehmen können; und das ist für Gott seine größte Freude, weil er uns wirklich so sehr liebt. Diese seine bedingungslose Liebe war von Anfang und ist bis heute die Grundlage unsere Beziehung zu ihm. Gott freut sich über uns, nicht weil wir gut waren oder sind, sondern weil er uns liebt, obwohl wir Sünder waren und sind. Diese seine große Liebe zu uns ändert sich nie und ermöglicht uns, immer neu zu ihm zu kommen, wie wir sind, und Buße zu tun für Sünde, die in uns verblieben oder neu aufgekommen ist, und seine heilsame Gnade zu empfangen und weiter verändert zu werden. Aus dieser Liebe heraus können wir jeden Tag neu anfangen und dafür beten, dass wir Gott ehren und ihm dienen können. Wir sollen uns immer bewusst bleiben, dass Gott sich unabhängig von unserer Leistung oder unserem Versagen über uns freut, weil er uns liebt und uns gefunden hat, und Gott dafür immer danken. Wir sollen auch lernen, unsere Nächsten in der Familie und der Gemeinde mit dem Bewusstein zu sehen, dass Gott sich über sie riesig freut, weil er sie wiedergefunden hat. Wenn wir jeden in der Gemeinde bewusst so sehen, können wir einander immer mit Dankbarkeit und Respekt begegnen.

Wir sollen uns aber auch bewusst bleiben, dass Gott alle Menschen liebt und sich wünscht, dass alle auf seine Liebe vertrauen und zu ihm umkehren und von ihm lebendig gemacht werden. Darum sollen wir den Menschen in unserer Umgebung, in der Familie und Gemeinde, an der Uni und am Arbeitsplatz Gottes große Liebe in Jesus bezeugen, damit sie den Wunsch und den Mut bekommen, so wie sie sind, zu Gott umzukehren und bei ihm auch zu beiben bzw. täglich neu zu kommen. Wir sollen ihnen seine Liebe sowohl mit unserem Mund durch Bibelstudium, Predigt und persönliches Zeugnis bekennen, als auch durch unsere praktischen Werke der Liebe bezeugen, damit sie an seine Liebe wirklich glauben können. Möge Gott uns helfen, täglich neu zu ihm zu kommen, wie wir sind, seine Liebe anzunehmen und davon erfüllt zu werden! Möge Gott uns helfen, seine Liebe unseren Nächsten und vielen Studenten zu bezeugen, und dadurch viele Verlorene zu ihm führen!

Die Zöllner und öffentlich bekannten Sünder, die Jesu Gleichnis hörten, müssen dadurch sehr froh gewesen und zum Glauben ermutigt worden sein. Die Pharisäer und Schrift­gelehrten dagegen müssen darüber schockiert gewesen sein, dass Gott ganz anders ist, als sie ihn sich vorgestellt hatten. Sie sollten ihre Vorstellung von Gott gründlich ändern, weil Gott die Sünder nicht verdammt, sondern sie trotz ihrer Sünde herzlich liebt und mit Sehnsucht auf sie wartet, damit er sie lebendig machen und mit ihnen Gemeinschaft haben kann. Sie sollten vor allem sich selbst vor Gott erkennen, damit sie zu ihm umkehren und sein heilsames Werk erfahren könnten. Um ihnen dabei zu helfen, setzte Jesus das Gleichnis noch fort und ging auch auf den älteren Sohn ein.

Betrachten wir die Verse 25-26. Als der ältere Sohn vom Feld nach Hause kam, hörte er das Singen und Tanzen und fragte einen Knecht nach dem Grund. Als der Knecht ihm erklärte, dass sein Bruder gekommen war und sein Vater das gemästete Kalb geschlachtet hat, weil er ihn gesund wiederhatte, konnte er sich nicht wie sein Vater freuen, sondern wurde zornig und wollte nicht hineingehen (27.28a). In der damaligen Zeit, in der die Familie und ihre Ordnung auch nach dem Erwachsenwerden der Kinder eine viel größere Bedeutung hatte als heute, war das Verhalten des älteren Sohnes unmöglich. Dass der Vater ein Familienfest veranstaltet und der Sohn nicht hineingeht, war wie ein Affront gegen ihn, wegen dem der Vater ihn hätte bestrafen oder sogar enterben können. Aber der Vater war demütig und bestand nicht auf seiner Stellung, sondern ging heraus und bat den Sohn, hineinzukommen. Dies zeigt, dass der Vater auch den älteren Sohn sehr liebte und sich um die Beziehung zu ihm und um dessen Beziehung mit seinem Bruder sehr bemühte. Aber der ältere Sohn hatte viele Gründe für seinen Zorn zu nennen. Er sagte: „Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre. Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet“ (29.30). Seine Worte zeigen vieles über ihn selbst und über seine Beziehung zu seinem Vater und zu seinem Bruder. Er diente seinem Vater schon seit vielen Jahren und hielt seine Gebote scheinbar treu. Aber er sah seinen Vater eher wie einen Arbeitgeber, für den er etwas tat und von dem er dafür etwas bekommen wollte; aber den Vater selbst, sein Herz und seine große Liebe kannte er kaum. Das erklärt auch, dass er unzufrieden war, obwohl er immer bei seinem guten Vater lebte. Er wurde sogar zornig, weil sein Vater wegen der Rückkehr seines Bruders das gemästete Kalb geschlachtet hatte, da er sich schon lange gewünscht hätte, dass der Vater ihm einmal einen Ziegenbock geben würde, sodass er mit seinen Freuden fröhlich sein könnte (ohne den Vater). Das zeigt, dass der ältere Sohn auch keine richtige Beziehung zum Vater hatte, sondern von ihm hauptsächlich etwas bekommen wollte. Obwohl er bei ihm wohnen blieb und ihm äußerlich gehorchte, war er innerlich unzufrieden und vorwurfsvoll und rebellisch gegenüber dem Vater. Er hatte auch keine Liebe und kein Verständnis für seinen Bruder, sondern verurteilte ihn wegen seines Verhaltens hart und distanzierte sich total von ihm, indem er nicht „mein Bruder“ sagte, sondern „dieser dein Sohn“. Seine Beziehung zu seinem Vater war also äußerst problematisch und seine Beziehung zu seinem Bruder eine Katastrophe.

Wie half ihm der Vater? „Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein“ (31). Der Vater nannte ihn weiterhin „mein Sohn“; seine Liebe zu ihm war auch bedingungslos. Er wies ihn auf das große Privileg hin, dass er immer beim Vater sein durfte und dass alles, was der Vater besaß, auch ihm gehörte, weil er der Erbe war. Dann bat er ihn, auch fröhlich und guten Mutes zu sein, weil sein Bruder durch seine Rückkehr nach Hause vom Tod zum Leben gekommen und aus seiner Verlorenheit wiedergefunden war.

Es ist nicht schwer zu erkennen, dass Jesus mit diesen Worten zunächst den Pharisäern und Schriftgelehrten helfen will. Sie waren äußerlich gesehen wie der ältere Sohn nahe bei Gott und hielten seine Gebote. Aber sie hatten keine richtige Beziehung zu Gott und nahme seine Liebe, die er ihnen in Jesus anbot, nicht an. Weil sie seine Liebe nicht persönlich kannten, fanden sie in ihm keine wahre Zufriedenheit und konnten ihre weltlichen Wünsche und Habgier nicht überwinden. Jesus erinnert sie an ihr Privileg, dass sie eigentlich allezeit bei Gott sein durften und dass sie Anteil an seinem Segen haben durften. Sie sollten auch Kinder Gottes und Erben seines Reichs sein, indem sie Jesus annehmen würden. Im Vers 32 heißt es: „Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.“ Dieses Wort verlangte von ihnen eine noch weitergehende Umkehr. Wie der ältere Sohn im Gleichnis seinen Bruder verurteilt und sich von ihm distanziert hat, verurteilten sie die Zöllner und öffentlichen Sünder und distanzierten sich von ihnen sehr. Sie sollten ihre ungläubige und ungeisltiche Haltung völlig verlassen und konsequent Buße tun. Jesus wollte, dass sie sich über die Buße der Zöllner und Sünder freuen und fröhlich sein sollten, weil Gott sie wiedergefunden und lebendig gemacht hatte und sich über sie freute. Jesus ließ im Gleichnis offen, wie der ältere Sohn auf die Ermahnung des Vaters reagiert. Ebenso war es nun an den Zuhörern Jesu, ob sie seine Worte annehmen und Buße tun würden, oder in ihrer verkehrten Gesinnung gegen Gott, gegen Jesus und gegen ihre Nächsten bleiben würden.

Hat Jesus den Abschnitt über den älteren Sohn aber nur für die damaligen Pharisäer und Schriftgelehrten erzählt? Wohl nicht nur. Der ältere Sohn repräsentiert auch die Menschen bis heute, die Gottes Liebe wenig verstanden haben, ihre Privilegien nicht oder mehr kennen und mehr von gesetzlichem Denken als von der Liebe des Vater erfüllt sind. Als Folge davon kritisieren und verurteilen sie leicht die anderen, weil sie Gottes Liebe zu sich selbst und zu ihnen nicht genug wahrnehmen. Was sollten wir tun, wenn wir uns im älteren Sohn wiederfinden oder Elemente von ihm in uns erkennen? Wir sollten auf den Vater hören und das Privileg neu wahr- und annehmen, dass wir wegen der bedingungslosen Liebe Jesu seine Kinder und allezeit bei ihm sein dürfen und dass in Jesus alles, was sein ist, auch uns gehört. Wenn wir diese Liebe und Gnade jeden Tag neu annehmen, verschwinden selbstgerechte Gedanken, Kritik und Unzufriedenheit und wir können über die Liebe Jesu immer mehr staunen und uns freuen. Wenn wir uns bewusst machen, dass Gott dieselbe Liebe auch gegenüber jedem Bruder und jeder Schwester und jedem anderen Menschen hat, können wir nicht anders, als uns jeden Tag zu freuen und fröhlich zu sein und dafür zu beten, dass viele weitere Menschen um uns herum zu ihm kommen und seine Liebe empfangen. Lesen wir noch einmal das Leitwort: „Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ (20)

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