Predigt: Richter 6,1-32

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Gott macht aus Gideon Jerubbaal

„Da erschien ihm der Engel des HERRN und sprach zu ihm: Der HERR mit dir, du streitbarer Held!“
Richter 6,12

Wir setzen unser Studium des Buches Richter fort. Wie die meisten von euch wissen, finden wir im Buch Richter einen Zyklus, der sich auf erschreckende Weise wiederholt. Der Zyklus geht wie folgt: Israel begeht schwere Sünde vor Gott, Gott weist sie durch umliegende Feinde zurecht und bringt sie in Bedrängnis, Israel schreit zu Gott, Gott rettet sie durch einen Richter, Israel hat Frieden, und alles beginnt wieder von vorn. Es ist auf der einen Seite ein schrecklicher Kreis. Aber auf der anderen Seite können wir auch sagen, dass es ein Zyklus voller Barmherzigkeit ist: immer wieder aufs Neue sehen wir Gottes verschwenderisch großzügige Liebe, sein freundliches Erbarmen, immer wieder aufs Neue sehen wir Gottes Antwort auf kärgliches Gebet, und immer wieder aufs Neue sehen wir, wie Gott die unkonventionellsten, die ungewöhnlichsten und die unmöglichsten Wege auftut, um Israel zu retten. Und daher ist Gott und ihm allein alle Ehre und Herrlichkeit.
Jeder der Richter, die Gott berief, ist einzigartig. Gott gebrauchte jeden von ihnen trotz ihrer Handicaps. Wir haben letzte Woche gehört, wie Gott Otniel, Ehud, Schamgar und Debora gebrauchte. Wir studieren heute die Berufung von Gideon. Die Bibel widmet Gideon mehr Platz als allen anderen Richtern. Die Bibel berichtet von mehr göttlichen Offenbarungen in seinem Leben als bei allen anderen Richtern. Die Erlösung von Midianitern wird später vom Propheten Jesaja als Illustration für die Erlösung durch Christus verwendet. Gideon nimmt im Buch der Richter die prominenteste Rolle ein. Er ist der bedeutendste Richter. Deshalb widmen wir ihm auch mehr Zeit beim Studium.
Aber was für eine Person war Gideon eigentlich? Und wer ist Gott, der Gideon zu der Person machte, die wir heute studieren? Unser heutiger Text gibt Antwort darauf. Wir sehen heute zum einen die Sünde Israels und die Not, der sie ausgesetzt wurden. Wir sehen als zweites wie Gott Gideon berief, um Israel zu retten. Wir sehen als drittes Gideons erste Heldentat in Israel. Das ist die Gliederung der heutigen Predigt. Es ist mein Gebet, dass Gott in diesem Text hier und jetzt zu uns spricht, dass es zu persönlichen Berufungen kommt und Gott sich in seiner Majestät heute unter uns offenbart.

Teil 1 Die geistliche und politische Not israels (1-10)
Betrachten wir den Vers 1. Israel tat schon wieder, was dem HERRN missfiel. Wie schon in Kapitel 3,12 und 4,1 verzichtet der Verfasser zunächst darauf, uns zu sagen, was für eine Sünde die Israeliten begingen. Aber der Kontext verrät uns das sehr anschaulich. Es war schon wieder Götzendienst. Die Israeliten beteten schon wieder die Götzen der Amoriter an. Habt ihr schon einmal Bilder von den Götzen gesehen? Es waren meist entweder hölzerne oder steinerne Figuren. Jesaja hat das so treffend formuliert: „Er hatte Fichten gepflanzt, und der Regen ließ sie wachsen. Das gibt den Leuten Brennholz davon nimmt er und wärmt sich; auch zündet er es an und bäckt Brot; aber darauf macht er auch einen Gott und betet’s an; er macht einen Götzen daraus und kniet davor nieder. Die eine Hälfte verbrennt er im Feuer, auf ihr brät er Fleisch und isst den Braten und sättigt sich, wärmt sich auch und spricht: Ah! Ich bin warm geworden, ich spüre das Feuer. Aber die andere Hälfte macht er zum Gott, dass es sein Götze sei, vor dem er kniet und niederfällt und betet, und spricht: Errette mich, denn du bist mein Gott! Sie wissen nichts und verstehen nichts;“ Ich weiß nicht, wie es euch erging. Aber wenn ich Richter lesen, dann tut es mir richtig im Herzen weh. Immer wieder lesen wir vom wiederholten Treubruch und Götzendienst der Israeliten. Und ich frage mich: „Oh mann, wie kann man nur!?! Wie kann man nur vor ein lebloses Stück Holz oder Stein niederfallen und es anbeten?“ Aber was ist ein Götze eigentlich?
Götzen müssen nicht unbedingt Figuren, Bilder oder Statuen sein, wie damals bei den Israeliten. Alles und jeder kann uns zu einem Götze werden. Auch gute Dinge können ebenfalls Götzen sein, wenn wir unser Leben daran hängen. Geld ist für viele Menschen ein Götze, Beziehung ist sehr vielen ein Götze, Karriere ist für viele ein Götze, Musik kann ein Götze sein, unsere Kinder können zum Götzen werden, ja sogar Erfolg im Evangeliumswerk und in der Gemeinde. Alles kann uns zum Götzen werden, wenn wir unser Herz und unser Leben daran hängen. Götze ist alles, worin wir etwas suchen, was nur Gott allein uns geben kann. Jeder von uns sehnt sich nach etwas oder nach jemand, der unserem Leben wahre Bedeutung und Bestätigung geben kann. Es muss von außen kommen. Ganz offensichtlich finden wir Bedeutung und Bestätigung nicht in uns selbst. Ein Götze ist etwas, bei welchem wir sagen: „wenn ich das haben, dann bin ich glücklich. Oder wenn ich das verliere, dann hat mein Leben keine Bedeutung mehr.“
Keine anderen Götter neben Gott zu haben, ist das erste Gebot, das Gott uns gab. Die ersten zwei Gebote handeln von Götzendienst. Und das hat auch seinen Grund. Luther sagte, dass Götzendienst die erste Sünde ist. Bevor wir irgendeines der anderen 10 Gebote brechen, haben wir bereits das erste Gebot gebrochen. Warum zum Beispiel lügen wir? Warum beneiden wir andere um das, was sie haben? Weil uns in diesem Moment etwas anderes wichtiger ist als Gott selbst. Gott nicht an erster Stelle zu haben, Gott nicht zum absoluten und einzigen Ziel unseres Lebens zu machen ist Götzendienst und die erste Sünde, der alle anderen Sünden folgen. Haben wir das verstanden?
Götzen anzubeten war die Entscheidung der Israeliten. Und so überließ Gott sie ihren Götzen und gab sie in die Hand der Midianiter, für sieben Jahre. Wer waren die Midianiter? Midianiter waren ein Nomadenstamm, die sich später mit den Moabitern verbündeten. Auf Bileams Rat hin waren sie es, die Israel in Ehebruch und Unzucht brachten. Sie wurden dadurch zu Israels erklärten Feinden. Und sie erlangten militärische Übermacht. Wir sehen in den Versen 2-6 wie die Midianiter Israel drangsalieren. Verse 3 und 4 sagen: „Und immer, wenn Israel gesät hatte, kamen die Midianiter und Amalekiter und die au dem Osten heraus über sie und lagerten sich gegen sie und vernichteten die Ernte im Land bis hin nach Gaza und ließen nichts übrig an Nahrung in Israel, weder Schafe noch Rinder noch Esel.“ Sie eroberten nicht primär Städte, sie verübten keine Anschläge, sie versklavten die Israeliten auch nicht. Aber die Midianiter vernichteten systematisch Jahr um Jahr die Ernte der Israeliten. Jahr um Jahr kamen sie und plünderten und zerstörten den gesamten Ertrag, die sich durch harte Arbeit eingebracht hatten.
Wir finden hier des weiteren zwei Gründe, weshalb die Israeliten ihnen nichts entgegen zu setzen hatten: die Midianiter kamen in großer Zahl. Vers 5 sagt, dass sie wie Heuschrecken über das Land kamen und dass weder sie noch ihre Kamele zu zählen waren. (Übrigens ist das eine der ersten geschichtlichen Erwähnungen, dass Kamele zu Kriegszwecken eingesetzt wurden.) Habt ihr schon einmal einen Heuschreckenschwarm gesehen? Der ganze Horizont verfärbt sich schwarz. Und eine gewaltige Wolke bestehend aus Millionen von Insekten fällt über ein Feld. Und in wenigen Minuten ist das Feld abgegrast und verwüstet. Wir bekommen wir sehr anschaulich vermittelt, mit welcher Übermacht die Midianiter kamen.
Der andere Grund für Israels Schwäche war, dass sie bald kaum mehr Essen hatten. Wir erinnern uns dieses Jahr an die Finanzkrise. (Deutschland ist noch sehr glimpflich davon gekommen). Weltweit kam es zu Verarmung, Abbau von Arbeitsplätzen, Konjunkturpaketen und Steuererhöhungen. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was Israel durchmachen musste. In einem Land, in welchem Landwirtschaft den größten Umsatz ausmachte, in welchem Naturprodukte einen Großteil des umgesetzten Wertes ausmachten, brachten die zerstörerischen Raubzüge der Midianiter die komplette Wirtschaft Israels zum Kollaps. Vers 6 sagt: „So wurde Israel sehr schwach vor den Midianitern.“ Die Israeliten wurden aufgerieben und zermürbt. Sie waren so mit Durchhalten beschäftigt, dass sie aus eigener Kraft keine Armee stellen konnten. Sie wollten nur noch überleben. Sieben Jahre gingen die Israeliten durch dieses Elend. Sieben Jahre mussten sie sich Hoffnung auf Rettung machen. Nach sieben Jahren kamen sie endlich auf die Idee, zum HERRN zu beten.
Wie reagierte Gott? Das Schlamassel, in dem sich die Israeliten befanden, hatten sie sich selbst zuzuschreiben. Sie hatten es absolut verdient. Aber Gott ließ sie nicht im Stich. Wieder war Gott barmherzig. Wieder erhörte Gott ihr Gebet. Betrachten wir die Verse 7-10: „Als sie aber zum HERRN schrieen um der Midianiter willen, sandte der HERR einen Propheten zu ihnen, der sprach zu ihnen: So spricht der HERR, der Gott Israels: Ich habe euch aus Ägypten geführt und aus der Knechtschaft gebracht. Und habe euch errettet aus der Hand der Ägypter und aus der Hand aller, die euch bedrängten, und habe sie vor euch her ausgestoßen und ihr Land euch gegeben und zu euch gesprochen: Ich bin der HERR, euer Gott! Ihr sollt nicht fürchten die Götter der Amoriter, in deren Land ihr wohnt. Aber ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht.“ Der Prophet lehrte die Israeliten, dass sie sich an Gott versündigt hatten. Er sagte ihnen sozusagen: „Hallo! Ägypten, Gott, Erlösung, Bund mit Gott, war da nicht was?“ Sie hatten ihrem Erlöser und ihrem Erretter den Rücken zugekehrt. Sie hatten seine helfende Hand ausgeschlagen. Sie hatten Gottes Treue mit ihrer Untreue vergolten. Das waren die tadelnden Worte des Propheten.
Frage: war das für die Israeliten eine Hilfe? Von Gott gesagt zu bekommen, dass sie seiner Stimme nicht gehorcht hatten? Inmitten ihres Überlebenskampfes? Auf alle Fälle. Israels Problem waren nicht die Midianiter. Es war ihre Sünde und ihr Götzendienst. Ihr Problem waren nicht feindliche Armeen. Das Problem war ihre feindselige Haltung gegenüber Gott. Ihr Problem war nicht ihr wirtschaftlicher Bankrott. Ihr Problem war ihr Bankrott und ihre Pleite vor Gott. Ihre Aufgabe war es Buße zu tun. Gottes Aufgabe würde es dann sein, die Midianiter zu schlagen. Und dafür hatte Gott bereits einen wundervoll unkonventionellen Plan. Wir kommen zum zweiten Teil.

Teil 2 Gideon, der unfreiwillige und unwillige Held (11-24)
Sehen wir uns Vers 11 an. Ein Mann namens Gideon drosch Weizen in der Kelter. Normalerweise wurde der Weizen auf einem freien Platz gedroschen, damit der Wind gleich die Spreu vom Weizen trennen konnte. Aber Gideon drosch seinen Weizen in einer Kelter, um das von den Midianitern geheim zu halten. Der Engel des HERRN erschien diesem Gideon. Wer ist der Engel des HERRN? Wenn man die englischen Bibeln aufschlägt, dann sieht man, dass Engel hier an dieser Stelle mit einem Großbuchstaben anfängt. Es war nicht irgendein Engel des HERRN, sondern der eine Engel des HERRN. Engel bedeutet Bote oder Gesandte. Wenn wir das Gespräch zwischen dem Engel und Gideon betrachten, stellen wir fest, dass es manchmal heißt, dass der Engel mit ihm sprach und ein anderes Mal: „Der HERR aber sprach mit ihm.“ Die meisten Kommentatoren gehen daher davon aus, dass dieser Engel niemand anderes war, als unser Herr Jesus Christus. Gideon hatte eine Erscheinung Gottes, eine Theophanie. Gott war hier, um Gideon zum Richter über Israel und zum Retter von den Midianitern zu berufen. Wir wollen hier vier Punkte lernen über die Art und Weise, wie Gott Gideon berief.
Erstens, Gott sah in Gideon nicht das, was er im Moment war, sondern das, was er in Zukunft werden würde. Lesen wir gemeinsam den Vers 12. „Da erschien ihm der Engel des HERRN uns sprach zu ihm: Der HERR mit dir, du streitbarer Held!“ Gott begrüßte Gideon als streitbaren Held. War Gideon das wirklich? Was sagt der Text? Wir haben gesehen, dass Gideon seinen Weizen im Verborgenen drosch. Er hatte genauso Angst vor den Midianitern wie alle anderen Israeliten. Gideon war kein Superheld. Er war kein einsamer Freiheitskämpfer. Er war nicht tapfer und mutig. Er war ein schwacher Mensch genau wie wir! Wir sehen im nächsten Kapitel, wie Gideon das Lager der Midianiter bespitzelte. Kapitel 7,13.14 sagen: „Siehe, ich habe geträumt: ein Laib Gerstenbrot rollte zum Lager der Midianiter; und er kam an das Zelt, stieß es um, dass es einfiel, … Da antwortete der andere: Das ist nichts anderes als das Schwert Gideons.“ Sie träumten von einem Gerstenbrot. (Kein schönes, dunkles, kräftiges, deutsches Vollkornbrot!) Gerste war im Vergleich mit Weizen billiges Getreide. Und Gerstenbrot war das Brot für arme, einfache Leute. Es wurde mit Stroh vermischt an Pferde verfüttert. Und übrigens, wisst ihr, was der Name Gideon bedeutet? Man ist sich nicht zu 100% sicher, was der Name bedeutete, aber viele schlagen folgende Übersetzung vor: „mit verletzter Hand“. Und wenn das stimmt, dann schien selbst der Name von Gideon zu implizieren, dass er ein Handicap hatte. Aber Gott begrüßte ihn mit den Worten: „Du streitbarer Held!“ Wäre es nicht angebracht gewesen, wenn Gott gesagt hätte: „Der HERR mit dir, du Angsthase!“ oder „du Verlierer!“ oder „du Loser!“ Gideon war ein Loser.
Wie konnte Gott ihn mit den Worten „streitbarer Held“ grüßen? Die Antwort lautet: weil Gott in ihm nicht die Person sah, die er im Moment war, sondern die Person, zu welcher er von Gott verändert werden würde. Gott sah in ihm den Retter Israels. Gott sah in ihm einen Hauptmann, der eine Schar von Menschen anführen würde, die zu allem entschlossen waren. Gott sah in ihm den Anführer und Leiter Israels. Wir finden hier ein Muster, das sich durch die ganze Bibel zieht. Gott nannte Abram Abraham, als er nur Ismael hatte, der noch nicht einmal sein rechtmäßiger Erbe war. Gott nannte Jakob Israel, obwohl er zu jenem Zeitpunkt noch ein hinterhältiger Betrüger war. Gott nannte Maria eine Begnadete Gottes, als sie eine verlobte Jungfrau war. Jesus nannte Simon Kephas, als er noch ein leidenschaftliches Großmaul war. Gott nannte den frisch bekehrten Saulus sein auserwähltes Werkzeug zur Bekehrung der Heiden, als dieser noch blind war. Und das Wunderbare ist: sie wurden das, was Gott vorher verkündigte. Abraham ist der Vater vieler Völker, Jakob wurde Israel, Maria wurde die leibliche Mutter Jesu, Simon wurde ein Fels, und Paulus wurde der größte Apostel aller Zeiten. Gottes Hoffnung erfüllte sich an diesen Menschen.
Was lernen wir hier also? Es spielt keine Rolle wie wir uns sehen. Es ist völlig irrelevant wie wir uns gerade fühlen. Es ist absolut nebensächlich, was wir uns zutrauen. Die entscheidende Frage ist: „Wie sieht Gott dich? Welchen Gruß hast du von Gott empfangen? Welche Hoffnung hat Gott für dein Leben?“ Der Engel des HERRN würde vielleicht sprechen: „Der HERR mit dir, du streitbarer Bibellehrer! Der HERR mit dir, du Hirte und Diener Heidelbergs! Der HERR mit dir, du Beter für die Welt!“ Möge Gottes Hoffnung das Leben eines jeden von uns zu dem verändern, was Er im Sinn hat!
Zweitens, Gott versprach, bei ihm zu sein. Wie antwortete Gideon auf diesen schönen Gruß? Betrachten wir Vers 13: „Gideon aber sprach zu ihm: Ach, mein Herr! Ist der HERR mit uns, warum ist uns dann das alles widerfahren? Und wo sind alle seine Wunder, die uns unsere Väter erzählten und sprachen: Der HERR hat uns aus Ägypten geführt? Nun aber hat uns der HERR verstoßen und in die Hände der Midianiter gegeben.“ Sind das nicht Worte voller Unglauben? Wenn man Gideons Worte würden heute vielleicht so klingen: „ Wenn es einen liebenden, allmächtigen Gott gibt, warum gibt es dann so viel Leid auf Erden? Sind die Wunder, von den uns unsere Väter erzählten nichts anderes als Ammenmärchen? Und wenn es einen Gott gibt, dann kann er nicht liebend und nicht gut sein, denn er hat alle diese Probleme zugelassen.“ Das haben wir alles schon gehört, nicht wahr? Aber wie antwortete Gott ihm? Lesen wir Vers 14 gemeinsam: „Der HERR aber wandte sich zu ihm und sprach: Geh hin in dieser deiner Kraft; du sollst Israel erretten aus den Händen der Midianiter. Siehe, ich habe dich gesandt!“ Gideon sollte in Gottes Kraft wandeln. Gideon antwortete: „Entschuldigung, ich glaube du beliebst zu scherzen. Ach, mein Herr, womit soll ich Israel erretten? Siehe, mein Geschlecht ist das geringste in Manasse, und ich bin der Jüngste in meines Vaters Hause.“ Und wir sehen wieder Gottes Antwort darauf: „Ich will mit dir sein, dass du die Midianiter schlagen sollst wie einen Mann.“ Die Worte des Gottesboten müssen von solcher Autorität gewesen sein, dass Gideon danach nicht mehr widersprechen konnte. Gideon sollte die unzählbaren, auf Kamelen reitenden, in jeder Hinsicht überlegenen Midianiter schlagen. Das war Gottes Auftrag und Mission.
Wie beantwortete Gott all die zweifelnden, negativen Antworten von Gideon? Gott sagte: „Der HERR mit dir!“, „Siehe, ich habe dich gesandt.“ und „Ich will mit dir sein.“ Und warum ist das so entscheidend? Wir alle haben Jesu Worte gehört: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur.“ Unsere Antworten darauf mögen lauten: „aber ich kann kein Deutsch“, oder „ich habe kein Visum“, oder „ich habe keinen Arbeitsplatz“, oder „ich habe keinen Ehepartner, der mich dabei unterstützen kann“, oder „ich bin zu dick, zu alt, zu ungeschickt, zu unmusikalisch“ usw. Gideon hatte ganz richtig erkannt, dass er ein Verlierer war. Und er hatte auch ganz richtig erkannt, dass er gegen die Heeresmacht der Midianiter nichts tun konnte. Aber Gott wollte ihm zeigen, dass das alles keine Rolle mehr spielt, wenn er mit uns ist. „Der HERR mit dir“ sind die einzigen Worte, die den wirklichen Unterschied ausmachen. Und warum ist das so? Weil Gott der Herr der Geschichte ist, weil er der wahre Herr und Herrscher des Universums ist, weil in ihm alle Herrlichkeit, alle Macht im Himmel und auf Erden, alle Kraft, alle Fähigkeiten innewohnen, weil er der Geber aller Talente und aller Gaben ist, weil er alle unsere Mängel und alle unsere Unzulänglichkeiten mit seinen göttlichen Eigenschaften ausfüllt und weil die ganze Welt in seinen Händen ist, so dass nicht einmal ein Tautropfen auf die Erde fällt, wenn er es nicht zulässt.
Haben wir diesen Glauben? Haben wir den Glauben, dass wenn wir sein Werk tun, zu welchem er uns gerufen hat, er auch mit uns ist, mit jedem Schritt und Tritt den wir unternehmen, bei jedem Problem, das sich vor uns auftürmt, in allen siegreichen Zeiten wie auch wenn wir im finsteren Tal sind? Und dann sollten wir auch davon Gebrauch machen. Indem wir allezeit sein Angesicht suchen.
Drittens, Gott antwortet auf zweifelndes Gebet. Die Erscheinung von Gottes Engel muss auf Gideon einen schweren Eindruck gemacht haben. Gideon musste auch eine leise Ahnung gehabt haben, mit wem er es wirklich zu tun hatte. Sehen wir uns Verse 17 und 18a an: „Er aber sprach zu ihm: Hab ich Gnade vor dir gefunden, so mach mir doch ein Zeichen, dass du es bist, der mit mir redet. Geh nicht fort, bis ich wieder zu dir komme und bringen meine Gabe und lege sie vor dir hin.“ Gideon ist uns alle sehr bekannt, als jemand der immer wieder Zeichen haben wollte. Wir kennen alle die Geschichte, wie er ein Fell auslegte. Und Gideon wollte auch schon bei seiner Berufung ein Zeichen haben. Wir sollten seinem Beispiel nicht folgen. Jesus sagte, dass die Menschen selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
Aber auf der anderen Seite sehen wir, wie freundlich Gott auf sein Gebet antwortete. Gott versprach, zu bleiben. Vers 19 berichtet, wie Gideon ein Essen vorbereitete. Und es war ein absolut großzügiges Essen. Ein Ziegenböcklein kann etliche Menschen satt machen. Und ein Scheffel Mehl reicht einem erwachsenen Menschen für mindestens 10 Tage. Gideon machte also nicht einfach nur ein Essen. Er bereitete stattdessen ein Opfer vor und brachte es dem Engel. Was geschah dann? Vers 21: „Da streckte der Engel des HERRN den Stab aus, den er in der Hand hatte, und berührte mit der Spitze das Fleisch und die Brote. Da fuhr Feuer aus dem Fels und verzehrte das Fleisch und die Brote. Und der Engel des HERRN entschwand seinen Augen.“ Gideon bekam das Zeichen, nach dem er gefragt hatte. Auf diese Weise antwortete Gott auf Gideons zweifelndes Gebet. Jeder von uns hat ab und zu Zweifel. Gott antwortet nicht immer unserem Verlangen nach Zeichen. Aber wir sehen hier, dass Gott gerne gewillt ist, unsere Zweifel zu stillen, wenn wir aufrichtig und ehrlich zu ihm kommen.
Viertens, Gott ist Jahwe Schalom. Wie reagierte Gideon auf das Zeichen? Er sagte nicht einfach: „wow! Was für ein Spektakel!“ Er sagte etwas komplett anderes. Er schrie: „Ach, Herr HERR! Habe ich wirklich den Engel des HERRN von Angesicht zu Angesicht gesehen?“ Es war ein Ausruf aus Todesfurcht und größter Not. Woher kam die Furcht in Gideons Herzen? Es war die gleiche Furcht die Jesaja hatte, als er die Herrlichkeit Gottes sah. Es war das gleiche Entsetzen, das Simon Petrus befiel, als er erkannt hatte, welche Macht in Jesus ist. Es war die gleiche Überwältigung wie bei Apostel Johannes, als er in Offenbarung 1 die Herrlichkeit seines geliebten Herrn sah. Gideon sah Gott, und Gott sah ihn. Gideon sah unverfälschte Heiligkeit, und Gott sah Sünde. Kein Mensch kann mit seiner Sünde vor dem heiligen Gott bestehen.
Aber Gottes Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Friede sei mit dir! Fürchte dich nicht, du wirst nicht sterben.“ Gott vergab Gideon seine Sünde. Gideon baute einen Altar und nannte ihn Jahwe Schalom, was „der HERR ist Friede“ bedeutet. (Spurgeon würde nur über diesen einen Vers eine ganze Predigt halten). Wir haben wie immer nicht die Zeit hier in die Tiefe zu gehen. Aber ist das nicht wunderbar? Gideon erfuhr, was es bedeutet, wenn Gott von Sünden rettet. Und er fand in Gott seinen wahren Herzensfrieden. Und inmitten einer turbulenten Zeit, inmitten der Drangsale und Nöte durch die Midianiter, inmitten von Kriegsgeschrei und Schlachtenlärm konnte Gideon sagen: „Jahwe Schalom! Der HERR ist Friede!“ Gideon hatte erkannt, dass es wahren Frieden nur bei Gott gibt. Haben wir ebenfalls diesen Frieden? Dieser Friede kommt in unser Herz, wenn Jesu Blut uns von aller Missetat reinigt, wenn wir versöhnt sind durch das Lamm Gottes, und wenn Jesus, der Friedefürst die Herrschaft in unserem Leben übernimmt.
Vier Punkte haben wir also durch Gideons Berufung gelernt: Gott sieht in uns nicht die Person die wir jetzt sind, sondern die Person die wir durch sein Erbarmen werden, Gott ist mit uns, wenn wir uns nur auf ihn einlassen, Gott antwortet freundlich und gnädig auf unsere Zweifel, und Gott, der HERR ist unser Friede.

Teil 3 Gideons erste Heldentat (25-32)
Gideons erste Mission ließ nicht lange auf sich warten. In derselben Nacht bekam Gideon den Auftrag, den Altar Baals niederzureißen, das Bild der Aschera zu Kleinholz zu machen, mit diesem Holz ein Feuer zu zünden auf dem Altar des einzig wahren Gottes. Unser Text sagt uns, dass Gideon sich fürchtete. Und daher vollbrachte er seine erste Tat für Gott lieber nachts als am helllichten Tage. Was können wir aber doch zu seiner Verteidigung sagen?
Zum einen sehen wir, dass Gideon Gott gehorsam war. Es gibt Befehle Gottes, in welchen er uns sehr genau mitteilt, was wir zu tun haben. Es gibt aber auch andere Befehle von ihm, die uns Freiraum zur Gestaltung lassen. Gott hatte Gideon nicht gesagt, dass er bei Tage die Altäre niederreißen sollte. Und deshalb hatte Gideon die Freiheit es entweder bei Tag oder bei Nacht zu tun.
Wir sehen zum andern, dass der Angriff auf die Götzen beim Volk gar nicht gut ankam. Vers 28 sagt: „Als nun die Leute in der Stadt früh am Morgen aufstanden, siehe, da war der Altar Baals niedergerissen und das Ascherabild daneben umgehauen und der zweite Stier als Brandopfer dargebracht auf dem Altar, der gebaut war.“ Nach einigen Nachforschungen stellte sich schnell heraus, dass Gideon dafür verantwortlich war. Und sie wollten ihn umbringen dafür. Und es war die Weisheit seines einsichtigen Vaters, die ihm das Leben rettete. Gideons Furcht war also verständlich.
Was lernen wir hier also über die Zeit von Gideon? Unser Text hat zu Beginn gesagt, dass die Israeliten taten, was dem HERRN missfiel. Das war ihr Götzendienst. Aber wir sehen hier, wie tief sie in dieser Sünde verwurzelt waren. Sie hatten nicht nur eine verkehrte Haltung, sondern sie hassten es, wenn jemand sie darauf hinwies. Sie hatten nicht nur Gottes Gesetze weit hinter sich gelassen, sie wollten sogar einen Menschen umbringen, der ihnen Gottes Gesetze wieder nahe bringen wollte.
Für uns heute im 21. Jahrhundert mag es nicht so besonders scheinen, dass Gideon zwei Götzenbilder zerstört hat. Aber in der Tat war es seine erste Heldentat. Und er riskierte sein Leben dafür. Und es ist unsere Aufgabe und Mission, in unserer Zeit dasselbe zu tun. Wir haben gesehen, dass Götzen alles und jeder sein kann, zu welchen wir uns hinwenden, um etwas zu finden, was nur Gott uns geben kann. Unsere Aufgabe ist es, die persönlichen, die kulturellen und die religiösen Götzen dieser Zeit zu identifizieren. Und danach sollen wir die Götzen abreißen und sie zu Kleinholz machen, wie Gideon es tat. Apostel Paulus tat genau dasselbe in seiner Zeit. In Ephesus brach ein Industriezweig zusammen, weil Paulus in seiner Predigt die Götzen dieser Stadt entlarvte. In Athen ergrimmte Paulus, als er die Götzen sah und hielt eine vollmächtige Predigt, um die Überlegenheit Christi über alle falschen Götzen zu zeigen. Pastor Tim Keller sagte, dass wir, ohne die Götzen der heutigen Zeit bloßzustellen, keine effektiven Evangelisten sein können.
Aber hier ist eine Mission, durch welche wir uns sehr viele Feinde machen werden. Niemand will gerne hören, dass das, worauf man sein ganzes Leben gebaut hat, in Wirklichkeit eine Lüge war. Vor allem wird uns diese pluralistische Gesellschaft vorwerfen, religiöse Fanatiker zu sein. Jeder wird uns sagen: „Alle Religionen sind doch gleichberechtigt! Warum bist du so intolerant? Keiner hat das Recht, seine religiösen Ansichten über andere zu erheben.“ Wir sollen verstehen, dass gerade diese Haltung ebenfalls eine exklusive religiöse Ansicht ist, die den Anspruch erhebt, absolut zu sein.
Lesen wir den Vers 32: „Von dem Tag an nannte man Gideon Jerubbaal, das heißt ‚Baal streite mit ihm’, weil er seinen Altar niedergerissen hat.“ Gott, der HERR, sucht die Jerubbaals unserer Generation. Bist du bereit dafür?

Lesen wir gemeinsam das Leitwort: „Da erschien ihm der Engel des HERRN und sprach zu ihm: Der HERR mit dir, du streitbarer Held!“ Wir sind am Ende des Textes. Wir wollen aber noch über einen letzten Punkt nachdenken. Wenn wir an Gottes Stelle wären, wen hätten wir berufen? Hätten wir nicht auf die Besten der Besten gesetzt? Hätten wir nicht nach den Arnold Schwarzeneggern der damaligen Zeit gesucht? Und doch scheint es immerzu Gottes Art und Weise zu sein, den menschlich unmöglichsten und den unkonventionellsten Weg zu gehen. Nicht nur im heutigen Text, sondern in der ganzen Bibel.
Zum Beispiel: wenn du ein Volk aus dem nichts erschaffen willst, nimm dir einen alten, kinderlosen Rentner mit einer unfruchtbaren Frau. Wenn du eine Stadt erobern willst, dann gehe sieben Tage lang um die Stadt und blas am letzten Tag ein wenig Trompete dabei. Wenn du einen Riesen erlegen willst, der gerade ein ganzes Land tyrannisiert, halte Ausschau nach einem Pizzaboten mit einer Steinschleuder. Wenn du willst, dass Feuer vom Himmel dein Brandopfer verzehrt, dann gieße 12 Eimer Wasser darüber. Wenn du eine Menge von 5000 Menschen speisen willst, dann suche einen Jungen und knöpfe ihm sein Mittagessen ab. Wenn du die ganze Welt evangelisieren willst, stelle 12 ängstliche Jünger auf. Und wie wir heute gehört haben: wenn du ein unzählbares Heer von midianitischen Terroristen loswerden willst, berufe dafür einen Verlierer. Ist das alles nicht zu wunderbar und zu hoch für unseren menschlichen Verstand?
Zwei Prinzipien wollen wir hierdurch behalten. Erstens, Gott beruft nicht die Fähigen, sondern er befähigt die Berufenen. Zweitens, Gott wählt immer den Weg, durch welchen er am Ende die meiste Ehre und die meiste Herrlichkeit bekommt. Haben wir das verstanden?
Möge unser Leben daher menschlich unkonventionell, menschlich unmöglich, ja sogar menschlich verrückt und unsinnig verlaufen, solange es Gott Preis, Ehre, Ruhm und Herrlichkeit bringt: jetzt und in alle Ewigkeit!

Eine Antwort

  1. Christin sagt:

    Diese Erklärung fand ich ausgezeichnet, ich bin Gott dankbar, dass Er mich zu dieser Seite geführt hat. Sie ist für jeden super und hat mir persönlich sehr viel gesagt.
    Gottes Segen zurück an den Autor!
    Christin

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