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Weihnachten und unsere wahre Familie
„Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt.“
(Galater 4,4 [EÜ])
Für diejenigen unter euch, die nicht regelmäßig den Gottesdienst besuchen, kurz zur Information: Eine Predigt muss drei Teile haben. Der Text heute lässt sich wunderbar in drei Teile gliedern: erstens, unser Problem; zweitens, Gottes Lösung; und drittens, die Konsequenz dessen. Jetzt ist es aber natürlich so, dass Probleme und Lösungen schrecklich unromantisch und unweihnachtlich klingen. Und vielleicht denken sich manche von euch: „Ich musste mich das ganze Jahr schon mit Problemen herumschlagen. Können wir heute nicht was Besinnlicheres machen?“ Genau.
In Vers 4 lesen wir: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott einen Sohn …“ Ich würde sagen, dass es kaum etwas Weihnachtlicheres gibt, als das, was dieser Text sagt. Der Autor ist Paulus, und er schreibt an Gemeinden in Galatien (das ist in Zentralanatolien in der heutigen Türkei). Das Spannende an diesem Text ist, dass Paulus auf unterschiedlichen Zeitschienen argumentiert. „Als die Zeit erfüllt war“ bezieht sich auf ein Ereignis, das irgendwann um das Jahr Null herum stattgefunden hat, also das erste Weihnachten. Aber gleichzeitig argumentiert Paulus hier, dass jeder Mensch diesen Moment im Leben haben kann, an dem sich die Zeit erfüllt hat. Jeder Menschen kann ein persönliches Weihnachten haben.
Und deshalb würde ich gerne folgende drei Teile vorschlagen: erstens, unsere Realität vor Weihnachten; zweitens, das Wunder von Weihnachten; drittens, unsere wahre Familie durch Weihnachten.
1. Unsere Realität vor Weihnachten
Verse 1 und 2: „Ich sage aber: Solange der Erbe unmündig ist, unterscheidet er sich in keiner Hinsicht von einem Sklaven, obwohl er Herr ist über alles; er steht unter Vormundschaft und sein Erbe wird verwaltet bis zu der Zeit, die sein Vater festgesetzt hat.“ Paulus verwendet hier eine Illustration aus seiner Gesellschaft, und zwar einer wohlhabenden römischen Familie. Jungen galten ab 14 Jahren als Erwachsene. Wenn sie 14 Jahre alt wurden, legten sie ein Amulett ab, das sie seit ihrer Geburt um den Hals getragen hatten. Sie bekamen eine weiße Männertoga und konnten heiraten. Paulus sagt nun, dass, solange die Erben Kinder waren, sie relativ wenige Rechte hatten. Sie waren praktisch wie Sklaven. Schlimmer noch, sie standen in der Regel unter einem Sklaven, der ihr Lehrer war und der die Befugnis hatte, sie bei Bedarf zu maßregeln.
Einen Hauch von Ahnung davon haben wir durch unsere Schulzeit. Fast kein Schüler geht gerne in die Schule. Im besten Fall ist Schule in Ordnung. Johannes Schröder, selbst ein Deutschlehrer, aber mittlerweile ein Comedian hat das – wie ich finde – sehr gut auf den Punkt gebracht: „Schule muss doof sein [eigentlich verwendet er hier ein anderes Wort, aber ich habe sein Wort mit „doof“ ersetzt]. Es ist einer ihrer haupt-pädagogischen Pflichten und Aufgaben, sich eine gewisse Doofigkeit zu bewahren. Schule muss doof sein. Woher sonst nehmen die Schüler den Abstoßungsimpuls, der sie ins Leben hinauskatapultiert, wenn nicht aus dieser Gegenbewegung »hier will ich weg, ich will raus hier, ich will ins Leben hinaus!« […] Das müssen wir den Schülerinnen und Schülern geben. Stellt euch mal vor, Schule wäre ein cooler und hipper Ort. Joko Winterscheidt ist Schulleiter, kommt mit seinem Sushi-Bike in die Schule, 9:30 Uhr geht’s los. […] Dann wollen die Schüler dableiben. Stellt euch mal vor, die bleiben da. Die sagen: ‚Hier habe ich alles, was ich brauche, das ist meine Welt …‘ Das wäre gesellschaftlich verheerend! Die müssen dort wegwollen.“ Die Illustration besagt, dass Kinder von größeren und stärkeren Exemplaren ihrer Spezies an der Ausübung ihres freien Willens gehindert werden. Sie sind unfrei.
Paulus schreibt nun: „So waren auch wir, solange wir unmündig waren, Sklaven der Elementarmächte dieser Welt.“ (3) Die Gelehrten streiten sich, was Paulus mit dem ominösen Wort ‚Elementarmächte‘ gemeint ist. Was immer Paulus im Sinn hatte, er spricht hier von höheren Mächten, denen wir dienen. Und falls dir das Ganze seltsam vorkommt, möchte ich dir gerne nahelegen, dass es weit mehr mit unserer Realität zu tun hat, als wir vielleicht meinen. Die Frage ist, ob wir wirklich frei sind.
In dem Film „Catch me if you can“ spielt Leonardo DiCaprio einen Jungen, der von zu Hause wegläuft und zu einem sehr erfolgreichen Betrüger wird: Er fliegt in der ersten Klasse, lebt in den teuersten Hotels, trägt die feinste Kleidung. Sein Vater weiß von den ganzen Betrügereien. In einer der Schlüsselszenen des Films, erwähnt sein Vater beiläufig, dass das FBI bei ihm war, weil sie seinen Sohn suchten. In diesem Moment bricht Frank Junior fast zusammen und bettelt seinen Vater an: „Bitte mich, dass ich aufhöre!“ Was in dieser erschütternden Szene zu Tage kommt, ist, dass hinter all dem Reichtum, den erfolgreichen Betrügereien eines sehr fähigen Kriminellen, ein einsamer Junge ist, auf der Suche nach einer Person, die ihm die Anerkennung, Aufmerksamkeit, Annahme schenken konnte, nach welcher er sich sein ganzes Leben gesehnt hatte. Er brauchte eine Person in seinem Leben, die ihm zusprach, dass er geliebt ist, dass er gewollt ist, dass sein Leben ein Geschenk ist und dass er unendlich wertvoll ist. Sein Vater ist ein gebrochener Mann, der ihm das nicht schenken kann und ihm einfach nur sagt: „Du kannst nicht aufhören.“ Und das fasst die Gefangenschaft von seinem Sohn sehr treffend zusammen.
Und hier ist der Punkt: Du und ich, wir alle können uns nicht selbst zusprechen, dass wir gut sind. Das wäre wie der Baron von Münchhausen, der behauptet hatte, sich an seinen eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen zu haben: Es funktioniert nicht. Wir brauchen Validierung von außen. Und deshalb suchen wir alle nach der einen Person, nach der einen Autorität, nach der einen Instanz, die uns zusprechen können, dass wir Wert haben, dass wir gut sind und dass wir in Ordnung sind. Für viele von uns mögen das sprichwörtlich unsere Eltern sein. Für andere ist es der Ehepartner, der Freund, die Freundin. Für andere ist es die coole Gruppe in der Schule oder an der Uni. Für andere ist es der Chef oder der Kreis der wichtigen Kollegen auf der Arbeit. Für andere ist es das Paper, das in einer anerkannten Zeitschrift publiziert wird; die Elite-Uni und der Elite-Studiengang, in dem man aufgenommen wurde; der Wettbewerb, den man gewonnen hat; der Traumjob in der Traumfirma, den man ergattert hat.
Was immer es auch ist, wir alle streben bewusst oder unbewusst nach dieser Autorität, die uns Wert zuspricht. Wir sagen uns: „Wenn ich das habe, wenn ich das erreicht habe, dann bin ich jemand.“ Und wir sind bereit, alles dafür zu geben, alles dafür zu tun, alles dafür zu opfern. Und wisst ihr, was das ist? Es sind Elementarmächte, denen wir dienen. Die Realität ist, dass kein Mensch frei ist. Und wenn du dein persönliches Weihnachten noch nicht hattest, ist es deine Realität, dass du nicht frei bist.
2. Das Wunder von Weihnachten
In den Versen 4 und 5 schreibt der Apostel: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen.“ Diese zwei Verse sind so reichhaltig, dass wir uns stundenlang nur darüber unterhalten könnten. Gott sandte seinen Sohn. Der Sohn Gottes wurde von einer Frau geboren. Diese beiden Dinge scheinen so überhaupt, rein gar nicht zusammenzupassen. Und die Tatsache, dass beide doch zusammengehen, ist das Wunder von Weihnachten.
Zwei Aspekte möchte ich hier gerne erwähnen. In den Chroniken von Narnia findet am Ende eine letzte große Schlacht statt, in welcher das Gute ein für alle Mal zu verlieren droht. König Tirian steht sprichwörtlich mit dem Rücken zur Wand, als er in einen kleinen Stall hineinfällt. Zu seiner großen Überraschung stellt er fest, dass sich im Inneren des Stalls eine ganz eigene Welt befindet. Diese Welt ist riesig! Das Innere des Stalls ist größer als die ganze Welt, in welcher sich der Stall befand. Als Tirian seine Verwunderung darüber ausdrückt, erklärt ihm Lucy: „Auch in unserer Welt hat es einmal einen Stall gegeben, der etwas beherbergte, das größer war als die ganze Welt.“ (Diesen Satz hatte ich letztes Jahr in der Weihnachtspredigt schon zitiert).
Jesus, der Sohn Gottes, wurde von einer Frau geboren und in eine Krippe gelegt. Der Schöpfer und der Herrscher des Universums, der Größte von allen, wurde ganz klein. Der Ewige wurde endlich, der Herrliche wurde schwach, der Allmächtige wurde verletzlich, der König aller wurde zu einem Diener aller, Gott wurde Mensch. Jesus, der größer ist, als das ganze Universum, kam in einem Stall auf die Welt.
Der andere Aspekt hat etwas mit Mythen zu tun. Es gab ein paar christliche Lehren, mit den C.S. Lewis richtige Probleme hatte, weshalb er nicht glauben konnte. Eine dieser Lehren hat mit Vers 5 zu tun: „damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen…“ Was hatte Jesu Leben und Sterben bitteschön mit ihm zu tun? Für ihn hatte der Tod Jesu keine Bedeutung, und er verstand nicht, warum das irgendwelche Konsequenzen für irgendeinen Menschen haben sollte. Lewis hatte aber christliche Freunde. Einer von ihnen war J.R.R. Tolkien, der Autor von „Der Herr der Ringe“. Tolkien und ein anderer Freund namens Dyson machten eines Tages mit Lewis einen langen Spaziergang. Und bei einem langen Gespräch kamen sie darauf zu sprechen, dass Lewis ein großer Fan von Mythen war, einschließlich griechischer und römischer Mythologie.
Warum liebte Lewis diese Legenden? In seinen eigenen Worten: „Der Grund dafür war, dass ich in heidnischen Geschichten bereit war, den Mythos als tiefgründig und bedeutungsvoll zu empfinden, auch wenn ich in nüchterner Prosa nicht sagen konnte, was er bedeutete.“ Lewis sagte, dass er in den Mythen eine tiefgründige, bedeutungsvolle Wahrheit fand, die ihn wirklich ansprach; aber der Versuch, diese Wahrheiten in einfachen Worten zu erfassen, blieb immer erfolglos. Mythen sind das, was unsere Fantasie inspiriert, was unsere Herzen anspricht, was in uns Bewunderung hervorruft. Abstrakte Fakten sind das, was unsern Intellekt fordert.
In einem Aufsatz schrieb Lewis dann: „Das Herzstück des Christentums ist ein Mythos, der zugleich auch Tatsache ist. Der alte Mythos vom sterbenden Gott, ohne aufzuhören, ein Mythos zu sein, steigt vom Himmel der Legende und Fantasie auf die Erde der Geschichte herab. Er ereignet sich – an einem bestimmten Datum, an einem bestimmten Ort, gefolgt von definierbaren historischen Konsequenzen. Wir gelangen von einem Balder oder einem Osiris, von denen niemand weiß, wann und wo sie gestorben sind, zu einer historischen Person, die unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde. Indem es zur Tatsache wird, hört es nicht auf, ein Mythos zu sein: Das ist das Wunder.“ Als Jesus, der Sohn Gottes, der selbst Gott ist, ein Mensch wurde, wurde der Mythos zu einer historischen Tatsache. Weihnachten ist etwas, was sowohl unsere Herzen und unsere Sinne anspricht; es ist etwas, was sowohl unsere Seelen erwärmt als auch unseren Intellekt fordert; es ist Nahrung für unsere Emotionen und Nahrung für unsere Gedanken.
Warum sandte Gott seinen Sohn? Warum kam Jesus in diese Welt? „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen.“ Jesu Kommen hat etwas mit unserer Freiheit zu tun. Und mit der Tatsache, dass wir durch ihn Gottes Kinder werden können.
3. Unsere wahre Familie durch Weihnachten
In Vers 5 hatte Paulus geschrieben, dass wir von Jesus freigekauft sind, so dass wir die Sohnschaft empfangen. Als Folge dessen schreibt er: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, den Geist, der ruft: Abba, Vater.“ (6) Ich habe vorhin erwähnt, dass jeder von uns sich Anerkennung von außen wünscht. In der Netflix Serie Cobra Kai gibt es einen ehemaligen Karate-Champion namens Johnny Lawrence. Er ist ein Trinker und ein Verlierer und hat einen Teenager-Sohn namens Robby, um den er sich nie gekümmert hatte. Eines Tages wird Lawrence der Karate-Meister von einem Jungen aus Ecuador, der Miguel heißt. Miguel wächst vaterlos auf. Und es wird ziemlich schnell offensichtlich, dass Lawrence eine Vaterfigur für ihn wird und Miguel wird wie ein Sohn für Lawrence.
Eines Tages ist Lawrence wieder sturzbetrunken. Miguel bringt seinen Sensei in dessen Wohnung und hilft ihm ins Bett. Als Miguel gehen will, sagt Lawrence zu ihm: „Warte, warte, hör zu, hör zu. Ich will … Ich wollte dir ein Vater sein. Das wollte ich wirklich. Ich versuche, dich zu beschützen. Ich versuche, für dich da zu sein. Ich bin nur schlecht darin. Ich bin wirklich schlecht darin. Aber ich will es so sehr.“ Miguel ist durch diese Worte zutiefst gerührt und antwortet: „Du machst das ganz in Ordnung. Ich liebe dich.“ Der betrunkene Lawrence fängt an zu weinen und sagt dann: „Ich liebe dich auch, Robby“ und dreht sich dann weg von ihm. Miguels Herz ist zerbrochen, weil er versteht, dass er nur der Ersatz für den leiblichen Sohn von Lawrence war. Er fängt an zu weinen und geht.
Wir können Beziehungen ganz grob in zwei unterschiedliche Kategorien unterteilen. Es gibt transaktionale Beziehungen, und es gibt bedingungslose Beziehungen. Bei transaktionalen Beziehungen stellt man sich die Frage: „Was ist für mich drin?“ Man gibt, weil man etwas zurückhaben will. Man will ungefähr den Gegenwert rausholen, was man investiert hat. Bei transaktionalen Beziehungen geht mehr um die Sache als um das Gegenüber. Praktisch alle Arten von Geschäftsbeziehungen gehören dazu, einschließlich der Beziehung zum Arbeitgeber, ganz egal wie oft der Chef betont, dass wir „eine Familie“ sind. Transaktionale Beziehungen beruhen auf Leistung.
Beziehungen innerhalb der Familie sollten nicht transaktional sein. Die Beziehung zu unseren Eltern basiert nicht auf Leistung: Wir müssen es uns nicht verdienen, Kinder zu sein. Wir sind Kinder unserer Eltern, wenn wir gut in der Schule sind oder nicht; wenn wir ein Musikinstrument spielen oder nicht; wenn wir sportlich sind oder nicht; wenn wir unser Leben auf die Reihe kriegen oder nicht. Eltern legen ihren Kindern keine Bedingungen auf für ihre Liebe und Fürsorge. Zumindest sollten sie es nicht. Und wenn wir es doch tun, was viel zu häufig der Fall ist, weil Eltern alles andere als perfekt sind, dann ist das Resultat, dass die Kinder später eine Therapie brauchen.
Wenn ein Partner in einer Geschäftsbeziehung nicht liefert, dann ist das normalerweise das Ende der Beziehung. Als ich vor zehn Jahren Personalverantwortung bekam, hatte ich eine Schulung, wie man Mitarbeiter führt. Der Schulungsleiter hatte gemeint, dass wir 80 % unserer Zeit und Energie auf die 20 % stärksten Mitarbeiter aufwenden sollen. Mit anderen Worten, kümmere dich gut um die Mitarbeiter, die Leistung bringen; kümmere dich nicht um Mitarbeiter, die nichts bringen. (Ich bezweifle, dass das ein guter Führungsstil ist.) Aber bei Kindern ist das zum Glück eine ganz andere Geschichte. Eine befreundete Familie hat ein autistisches Kind. Und dieses Kind wird nicht weniger geliebt, es wird mehr geliebt. Wenn Kinder Probleme haben und Probleme machen, liegen sie mehr auf den Herzen ihrer Eltern, nicht weniger; die Eltern wenden mehr Sorge und Liebe auf, nicht weniger; die Beziehung intensiviert sich eher als dass sie weniger wird. Das ist das Wesen von Beziehungen, die nicht an Bedingungen geknüpft sind.
Und genau das ist die Art von Beziehung, die wir zu Gott haben dürfen. Ich habe im ersten Teil gesagt, dass wir nicht wirklich frei sind, wenn wir unser persönliches Weihnachten nicht hatten. Frage: Warum macht die Beziehung zu Gott als seine Kinder wirklich frei? Wenn du den Wert deiner Person davon abhängig machst, eine erfolgreiche Karriere zu haben, ein exzellenter Sportler zu sein, ein Künstler zu sein, perfekte Eltern zu sein, dann hängt alles von deiner Performance ab. Wenn du Bärenleistungen erbringst, fühlst du dich akzeptabel; und wenn du nicht in der Lage bist, den Erwartungen gerecht zu werden, fühlst du dich wie der letzte Versager. Aber wenn du ein Kind Gottes bist, dann beruht dein Wert, dein Angenommensein, dein Status als Geliebter, deine Identität, nicht mehr von dir selbst ab. Dein Verdienst, dein Gehorsam, deine Erfolge tragen nichts dazu bei, von Gott geliebt zu sein. Du darfst dich allein auf der Tatsache ausruhen, dass Gott seinen Sohn gesandt hat, um dich freizukaufen. Sein Kind zu sein, ist sein Geschenk.
Paulus geht hier noch einen Schritt weiter. Wenn wir den Geist Gottes empfangen, sind wir nicht nur Kinder. Die Art und Weise, wie wir Gott anreden, ändert sich radikal. Wir nennen Gott „Abba, Vater“ nennen. „Abba“ ist kein griechisches Wort. Es ist das aramäische Wort für „Papa“. Ist es nicht interessant, dass sowohl Mama als auch Papa in so vielen unterschiedlichen Sprachen so ähnlich ist? Der Grund dafür ist, dass beides fast keine richtigen Wörter sind. Es ist fast ein Brabbeln, das einjährige Babys von sich geben. Wir haben ja zurzeit ein einjähriges Baby zu Hause. Und Baby E. hat erst vor ein paar Wochen angefangen, ihre ersten Wörter zu sprechen. Wir dürfen den allmächtigen Schöpfergott Papa nennen. So zärtlich, so intim, so vertrauensvoll ist unsere Beziehung zu Gott.
Als letztes, in Vers 7 schließt Paulus diesen Gedankengang ab: „Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott.“ Vielleicht ist es euch aufgefallen: In den Versen 3 und 5 sprach Paulus kollektiv von „wir“; wir waren Sklaven, wir empfangen die Sohnschaft; in Vers 6 spricht Paulus dann von „ihr“; ihr seid Söhne; in Vers 7 spricht Paulus plötzlich von „du“. Der anglikanische Theologe N.T. Wright kommentiert: „»Du«, sagt er und zeigt mit dem Finger auf den Leser: Du, nicht die Person, die neben dir sitzt; du bist kein Sklave mehr, sondern ein wahres Kind und Erbe. Solange nicht jeder Leser dieses Wort an sich selbst gerichtet gehört hat, ist die Botschaft nicht angekommen. Paulus, der Schreiber, blieb ein Prediger, und Paulus, der Prediger, wusste, wie man einen Punkt nachhaltig vermittelt.“
Freunde, was ist es, was deinem Leben echten Wert gibt? Das ist die Frage, die Tim Keller in einer Predigt gestellt hat. Was ist es, was dein Leben wirklich lebenswert macht? Ist es Geld? Teilweise. Ist es deine Gesundheit? Teilweise. Ist es, dass man etwas Interessantes studiert oder etwas Erfüllendes arbeitet? Teilweise. Aber was wäre, wenn wir das alles hätten und keine Liebe hätten? Was wäre, wenn wir alles erreicht haben, aber niemanden hätten, den wir lieben und niemanden hätten, der uns liebt? Das wäre nicht nur ein trauriges Leben. Würden wir nicht sagen, dass diese Person, das, worum es wirklich im Leben geht, nicht verstanden hat? Aber welchen Wert hat Liebe, wenn dieses Leben alles ist, was es gibt? Welchen Wert hat Liebe im Angesicht des Todes, der alles Leben auslöscht? Ist es nicht so, dass Liebe entweder etwas Bleibendes, etwas Ewiges an sich haben muss, oder einfach nur eine Illusion ist?
Für Paulus war Liebe keine Illusion, weil der ewige Gott, der selbst Liebe ist, in diese Welt gekommen ist. Paulus sagt, dass wir Erben sind. Was heißt das? Es bedeutet, dass wir nicht nur als Kinder Gottes in die weite Welt geschickt werden. Wir haben bei Gott unser wahres Zuhause. Wir haben bei Gott das Zuhause, nach dem wir unser ganzes Leben lang Sehnsucht hatten; das Zuhause, was der Grund für das Heimweh ist, das wir immer hatten. Gott hat uns einen Tisch bereitet, an dem die ganze Familie Platz nehmen darf. Die besten, die schönsten Weihnachtsfeste, die größten Familienfeste, die wir jemals feiern durften, einschließlich unserer Hochzeit, sind ein Schatten, ein kleiner Hinweis auf das, was uns erwartet, wenn wir unser Erbe antreten.
Ich möchte dich an diesen Weihnachten einladen, alles das durch den dreieinigen Gott zu erfahren: durch Gott den Vater, durch Jesus, seinen Sohn, der in diese Welt gesandt wurde, damit wir den Heiligen Geist empfangen, der uns in die wahre Familie, zu unserem Abba Vater, führt.