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Der Gott, auf den Josef vertraute
„Ihr habt Böses gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn, um zu erreichen, was heute geschieht: viel Volk am Leben zu erhalten.“
(1. Mose 50,20 [EÜ])
Die Grundhypothese, mit welcher wir an das Buch Genesis herangetreten sind, war, dass die Genesis die Geschichte erzählt, wie wir Menschen unser wahres Zuhause verloren haben. Die Genesis sagt, dass es das Resultat dessen ist, dass wir Sünder sind. Aber das ist nur die Ausgangssituation. Gott hat angefangen, den Weg ins Paradies wiederherzustellen. Und der Anfang dessen ist die Berufung von Abrahams Familie und der Bund, den Gott mit Abraham und allen seinen Nachkommen schließt. Die Geschichte der Patriarchen (Abraham, Isaak und Jakob) kommt heute zum Ende mit dem Tod von Josef.
Josef starb so wie er gelebt hatte: mit einer inneren Ruhe, mit sich selbst im Reinen, ohne Bedauern, emotional gesund und gesegnet. Was ist es, was sein Leben auszeichnete? In einem Wort: er hatte Glauben an Gott. Und das ist es, was wir uns in den letzten Versen der Genesis anschauen wollen. Wir wollen uns dabei gar nicht so sehr über die Qualität von Josefs Glauben unterhalten. Es geht vielmehr um das Objekt seines Glaubens: wer ist der Gott, an den Josef glaubte? Wer ist dieser Gott, der sich so großartig in Josefs Leben offenbarte? Wir sehen als erstes, dass dieser Gott der Richter ist; wir sehen als zweites, dass dieser Gott unendlich gut ist; und wir sehen als drittes, dass unsere Zukunft in den Händen dieses Gottes ist.
1. Gott ist der Richter
Der Text beginnt mit einer großen Sorge von Josefs älteren Brüdern: „Als Josefs Brüder sahen, dass ihr Vater tot war, sagten sie: Wenn sich Josef nun feindselig gegen uns stellt und uns tatsächlich alles Böse vergilt, das wir ihm getan haben.“ Für diejenigen, die mit der Geschichte nicht so vertraut sind, ganz kurz zum Hintergrund: Josef war der absolute Lieblingssohn seines Vaters. Die Brüder bekamen die unfaire Bevorzugung von Josef so unter die Nase gerieben, dass sie anfingen Josef abgrundtief zu hassen. Eines Tages trafen sie ihren Bruder in der Wildnis; sie sahen darin ihre Gelegenheit, ihn umzubringen. Im letzten Moment entscheiden sie sich aber, Josef als Sklaven nach Ägypten zu verkaufen. In Ägypten schuftete Josef jahrelang als Sklave, bis er eines Tages verleumdet wurde. Danach verbrachte er mehrere Jahre unschuldig im Gefängnis. Erst danach wendete sich sein Schicksal. Nachdem er die Träume vom Pharao richtig und mit ganz viel Weisheit gedeutet hatte, wurde er befördert. Josef wurde zum Vize-Präsidenten von Ägypten. Jetzt war Josefs Vater Jakob verstorben. Die Brüder hatten große Furcht davor, dass Josef späte Rache an ihnen ausüben könnte.
Sie lassen Josef was ausrichten. Verse 16 und 17: „Dein Vater hat uns, bevor er starb, aufgetragen: So sagt zu Josef: Ach, vergib doch deinen Brüdern ihre Untat und Sünde, denn Schlimmes haben sie dir angetan. Nun also vergib doch die Untat der Knechte des Gottes deines Vaters!“ Ist euch aufgefallen, dass die Brüder sich nicht einmal trauen, Josef das selbst auszurichten? Sie hatten einen Boten geschickt. Es ist so, als ob sie ihm eine WhatsApp Nachricht geschickt hätten: „Papa hat gesagt, dass du uns vergeben sollst.“
Wie reagierte Josef? Als er das hörte, fängt er an zu weinen. Diejenigen, die Josefs Geschichte in der Gänze gelesen haben, wissen, dass Josef nahe am Wasser gebaut war. Er weinte sehr viel, und wenn er weinte, dann meistens auch richtig. Aber Josef hatte gleichzeitig immer guten Grund zu weinen. Warum weinte er hier? Dieser Gnadenersuch der älteren Brüder war sehr plump. Natürlich hatte Josef das durchschaut. Natürlich hatte Josef verstanden, dass die Worte von ihrem Vater Jakob erfunden waren. Jakob hätte so etwas nie gesagt. Josef weinte, weil er erkannte, dass seine Brüder immer noch unter Schuld litten. Er weinte, weil es offensichtlich war, dass es diese Schuld war, die immer noch Angst und Furcht in ihnen schürte. Er weinte, weil sie ihm nach all den Jahren immer noch nicht vertrauen konnten.
In Vers 18 kommen die Brüder schließlich persönlich vor Josef. Sie fallen vor ihm nieder und sagen: „Hier sind wir als deine Knechte.“ Josef gibt ihnen drei Antworten. Und alle drei Antworten sind (wie Derek Kidner es formuliert) ein Gipfel des Glaubens im Alten wie im Neuen Testament. Die erste Antwort ist: „Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes Stelle?“ Für die Brüder war eine ganz zentrale Frage, ob Josef ihnen vergeben hatte. Und Josefs Antwort darauf ist ein entschiedenes Ja! Aber auch ein indirekt gegebenes Ja. Josefs Frage „Stehe ich denn an Gottes Stelle?“ ist eine rhetorische Frage. Die ganz offensichtliche Antwort auf diese Frage ist „Nein, natürlich nicht!“ Hier ist dann das Erstaunliche, was Josef hier sagt: „es steht mir in keiner Form zu, euch zu richten; das Richten ist Gottes Angelegenheit; und deshalb ja, ich habe euch vergeben.“
Was bedeutet das für uns? Jedem von uns wird im Lauf unseres Lebens Unrecht angetan. Jeder von uns erfährt Ungerechtigkeit. Jeder von uns hat Mitmenschen, die uns bewusst oder unbewusst, absichtlich oder unbeabsichtigt auf die Nerven gehen, oder beleidigen, oder verletzen, oder im Stich lassen, oder sogar Gewalt antun. Und weil jeder von uns Unrecht erfährt, wird jeder von uns vergeben müssen. Vergeben bedeutet, dass wir das Unrecht, das uns angetan wurde, anderen nicht anrechnen; dass wir frei sind, von dem Bedürfnis, es ihnen mit gleicher Münze heimzuzahlen; dass wir frei davon sind, der anderen Person, irgendetwas Schlechtes zu wünschen.
Josefs Worte zeigen uns hier etwas ganz Essentielles. Seine Worte „Stehe ich an Gottes Stelle“ zeigen uns, dass anderen Menschen nicht zu vergeben, bedeutet, dass wir uns anmaßen, an Gottes Stelle zu stehen. Wenn du in deinem Herzen einer anderen Person gegenüber Groll hegst, wenn du einer anderen Person Vergeltung wünschst, kurzum wenn du unfähig bist, zu vergeben, dann setzt du dich an die Stelle Gottes. In Römer 12,19 schreibt Apostel Paulus: „Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.“ Tim Keller hatte in einer Predigt gefragt, was dieses Wort bedeutet, dass die Rache Gottes ist? Antwort: Es ist Gottes Art und Weise zu sagen: „Geh runter von meinem Stuhl!“
Nicht zu vergeben, bedeutet, dass wir uns anmaßen, über andere richten zu können. Und wenn wir ein wenig darüber nachdenken, dann müssen wir eingestehen, dass wir absolut unfähig sind, gerecht zu richten. Ein kleines Beispiel: Es gibt eine Person in meinem Leben, von der ich relativ sicher bin, dass sie mich nicht ausstehen kann. Sie verhält sich wie mein persönlicher Erzfeind. Ich habe mir von dieser Person einiges anhören müssen, wo ich das Gefühl hatte, dass ich im falschen Film sitze. Und es gab Anlässe, in denen ich fand, dass sie sich unfair und unverschämt verhalten hatte. Aber ich habe keine Ahnung, was in ihrem Leben vor sich geht. Ich weiß nicht, mit welchen Krisen und mit welchen Dämonen (bildlich gesprochen) sie zu kämpfen hat. Wenn ich die Aufgabe hätte, sein Richter zu sein, wäre ich ein schrecklich uninformierter und ungerechter Richter.
Josef vertraute darauf, dass Gott der Richter ist, und dass der Richter der Welt gerecht richten wird. Auf andere zornig zu sein war daher nicht seine Angelegenheit.
2. Gott ist unendlich gut
Das zweite, was Josef ihnen sagt, ist: „Ihr habt Böses gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn, um zu erreichen, was heute geschieht: viel Volk am Leben zu erhalten.“ Dieser Vers ist eines der absoluten Höhepunkte im Buch Genesis. Josef sagte, dass die Tat seiner Brüder böse war. Und das war sie auch. Sie hatten Josef gekidnappt, in eine Grube geworfen und als Sklave verkauft. Während Josef in der Grube weinte und schrie, aßen sie unbekümmert ihr Mittagessen. Sie waren brutal und niederträchtig; sie waren kaltblütig und skrupellos. Die Tat der Brüder war böse. Da gab es nichts schön zu reden.
Aber Josef sah in der finsteren Tat Gottes guten Willen. Gott verfolge seine guten Absichten. Gottes Absicht war es gewesen, Menschen zu retten und auch Heilung in Jakobs Familie hineinzubringen. Gott gebrauchte selbst das Verbrechen von Josefs Brüdern, um am Ende seinen guten Willen zu vollbringen. Das macht das Verbrechen nicht weniger kriminell; es machte die schlimme Tat nicht in irgendeiner Form besser; es rechtfertigt nicht, was sie getan hatten. Aber es bedeutet, dass Gott alle guten wie auch schlechten Ereignisse so orchestriert, dass am Ende vollkommen Gutes hervorkommt. Nach vielen Jahren des Leidens in Ägypten war Josef zu diesem Schluss gekommen. Josef vertraute auf einen Gott, der fundamental, absolut gut ist.
Was bedeutet das für uns? Dieser Vers tangiert einen der am häufigsten vorgebrachten Einwände gegen den christlichen Glauben. Der Vorwurf lautet: „Es ist offensichtlich, dass diese Welt voller Leid und voller Unrecht ist. Wenn es einen allmächtigen Gott gibt, dann kann er nicht gut sein. Wenn es einen guten Gott gibt, dann kann er nicht allmächtig sein. Was angesichts dieses Leids nicht sein kann, dass Gott sowohl gut als auch allmächtig ist. Diesen Gott gibt es nicht.“ Wir alle haben diesen Einwand in der ein oder anderen Form schonmal gehört. Und vielleicht hatten wir auch schon mit diesem Einwand gerungen; oder wir tun es jetzt gerade. Auf der einen Seite klingt das wie ein intellektueller Einwand. In Wirklichkeit ist es emotionaler Einwand. Häufig haben wir unsere Kämpfe damit, wenn wir selbst durch schwierige Zeiten hindurch gehen.
Vereinfacht gesprochen: Es ist nicht so schwer an die Güte Gottes zu glauben, wenn es uns gut geht, wenn wir im Überfluss leben, wenn so ziemlich alles in unserem Leben einigermaßen rund läuft. Aber es ist eine ganz andere Sache, wenn es uns schlecht geht, wenn wir Nöte haben, wenn alles in unserem Leben verkorkst ist. Vielleicht hast du auch diese Art von Glauben: So lange alles gut ist, ist Gott gut; aber wenn du Leiden, Schmerzen und Trauer erfährst, dann kann Gott nicht gut sein. C.S. Lewis hatte mit genau diesen Fragen gerungen, als seine Frau Joy an Krebs verstorben war: „Wo ist Gott unterdessen? […] Warum ist Er in Zeiten des Wohlstands so präsent und in Zeiten der Not so abwesend? […] Nicht, dass ich (glaube ich zumindest) in großer Gefahr wäre, meinen Glauben an Gott zu verlieren. Die wirkliche Gefahr besteht darin, schreckliche Dinge über ihn zu glauben. Die Schlussfolgerung, die ich fürchte, ist nicht „Es gibt also doch keinen Gott“, sondern „So ist Gott also wirklich. Mach dir nichts mehr vor.“
In Josef begegnet uns aber ein Mensch, der mehr gelitten hat, als wir hoffentlich leiden werden; dem mehr Unrecht angetan wurde als den meisten von uns; und der trotz alledem von einem tiefen Vertrauen erfüllt war, dass Gott absolut, kompromisslos gut ist. Er hatte Gott in einer Tiefe erkannt und verstanden, wie das kaum anderen Menschen im Alten Testament gelungen ist. Und das ist erstaunlich.
3. Gott hält die Zukunft in Händen
Die letzten Verse der Genesis berichten wie Josef seine letzten Lebensjahre verbrachte. Er sah die Kinder und Kindeskinder seiner beiden Söhnen. Und dann nahm Josef Abschied: „Ich sterbe. Gott wird sich gewiss euer annehmen, er wird euch aus diesem Land heraus – und in jenes Land hinaufführen, das er Abraham, Isaak und Jakob mit einem Eid zugesichert hat.“ Und danach mussten Josefs Angehörige ihm schwören: „Gott wird sich euer gewiss annehmen. Dann bringt meine Gebeine von hier mit hinauf.“ Als Josef diese Worte sprach, war er Urgroßvater. Er hatte eine ganze Generation von Nachkommen gesehen, die in Ägypten auf die Welt gekommen waren. Ägypten war damals kein schlechter Ort: er war einer der am meisten fortgeschrittenen und modernsten Länder seiner Zeit. Es war ein relativ reicher Ort. Und trotzdem wusste Josef, dass Ägypten nicht das verheißene Land war.
Durch den Glauben prophezeite Josef den Auszug der Israeliten aus Ägypten und den Einzug ins verheißene Land. Der Autor vom Hebräerbrief sah darin den wichtigsten Akt des Glaubens in Josefs Leben. Denn von den vielen Geschichten, die er von Josef hätte erwähnen können, ist es gerade das, was er erwähnt: „Aufgrund des Glaubens dachte Josef sterbend an den Auszug der Söhne Israels und gab Weisung wegen seiner Gebeine.“ Wie lange würde es dauern, bis sich diese Prophezeiung erfüllen würde? Ungefähr 400 Jahre. Das wäre ungefähr so, wie ein Ereignis von globaler Tragweite das heute eintreffen würde, das aber ungefähr im Jahr 1625 vorhergesagt wurde. In all den Jahren dazwischen lag der einbalsamierte Leichnam von Josef in einem Sarg, bereit, jederzeit mitgenommen zu werden. Bruce Waltke kommentierte trocken, dass Josef äußerlich ein Ägypter aber innerlich ein Israelit war.
Denkt ihr nicht, dass der Sarg von Josef ein lebendiges Zeugnis für viele kommende Generationen von Israeliten war? Ein Pastor hatte das so verbildlicht: Stellen wir uns vor, dass es in Goschen (die Region in Ägypten, wo die Israeliten lebten), ein Museum gibt. Und ein Lehrer gibt einer Schulklasse von Hebräern eine Führung: „Das hier ist die Machete mit der Abraham fast Isaak geschlachtet hätte. Hier ist die Schaufel, mit der Isaak ein paar Brunnen gegraben hat. Hier ist der Hirtenstab von Jakob. Und hier ist der Sarg von Josef. Josef hat gesagt, dass Gott uns eines Tages heimsuchen wird; und wenn dieser Tag gekommen ist, dann sollten seine sterblichen Überreste nach Kanaan kommen.“ Die Kinder würden dann vielleicht fragen: „Wie lange ist Josef im Sarg?“ Und der Lehrer würde sagen: „Mehr als 300 Jahre schon.“ Und alle Kinder hätten an dieser Stelle dann „wow!“ gesagt. Was für eine Predigt vom längst verstorbenen Josef. Uwe Schäfer hatte mal gesagt, dass in dem Leichnam von Josef mehr Glauben an Gott war als im ganzen Volk Israel. Ich denke, dass er recht hatte.
Was glaubte Josef also? Josef glaubte daran, dass seine Zukunft in der Hand Gottes war. Der Einzug ins verheißene Land war ein Bild. Es war ein Bild für den Einzug in sein wahres Zuhause: die unvergängliche, die bleibende Stadt, die Gott auch für ihn gebaut hatte; der Ort, an dem seine Vorväter bereits auf ihn warteten; der Ort, an dem der Gott, den er sein ganzes Leben lang geliebt hatte, in seiner ganzen Fülle und Herrlichkeit wohnt. Das war die Hoffnung, die er hatte.
Wir haben viel über den Glauben von Josef gesprochen. Und als christliche Gemeinde sind wir eine Glaubensgemeinschaft. So weit so offensichtlich. Vielleicht hat der ein oder andere bei uns mit dem Konzept des Glaubens so seine Probleme. Vielleicht denkst du, dass Glaube eine richtig unsichere Sache ist, so fiktiv und so erfunden. Es gibt einen Youtube-Kanal, den meine Jungs und ich ab und zu gerne schauen. Auf diesem Kanal werden häufig gerne Lego-Sets kritisiert, weil Lego in den letzten Jahren unglaublich teuer geworden ist, bei immer schlechter werdender Qualität. Und der Held der Steine (so heißt der Kanal) sagt dabei immer wieder sehr sarkastisch: „Wisst ihr, Lego ist eine Glaubensgemeinschaft. Ihr müsst euch einfach nur vorstellen, dass das Set gut ist, und dann habt ihr keine Probleme damit.“ Vielen geht es so, dass Glaube einfach nur Wunschdenken ist.
Zwei Dinge möchte ich gerne als Antwort darauf sagen, bevor wir die Predigt abschließen. Zum einen ist es so, dass jeder Mensch ohne Ausnahme an etwas glaubt. Glaube bedeutet ganz einfach, dass wir davon ausgehen, dass etwas, was wir nicht sehen und nicht beweisen können, für wahr oder real halten. Wir tun das ständig. Zum Beispiel, letzte Woche bin ich zum Bahnhof gegangen in dem Glauben, dass der Zug kommen wird. Ich hatte Glauben, dass das, was mir die Bahn-App anzeigt, der Realität entspricht. Ich gehörte zur Gemeinschaft des Glaubens derer, die auf die Bahn angewiesen sind. Und unser Glaube wurde bitter enttäuscht, weil der Zug nicht kam.
Wie ist es mit dem Glauben an Gott? Vielleicht denkst du, dass der Gott, an den Josef glaubte, ein schönes Konzept ist, aber zu schön um wahr zu sein. Mein Punkt ist, dass deine Einstellung zu diesem Gott ein Glaubensstandpunkt ist. Lass mich erklären. Es gibt im Prinzip nur zwei Möglichkeiten. Entweder du glaubst an diesen Gott. Oder aber, du glaubst, dass dieser Gott nicht existiert; oder dass wenn es diesen Gott gibt, er für dein Leben nicht so wichtig und relevant ist. Aber diese Alternative ist ein alternativer Glaube. Denn du kannst nicht beweisen, dass dieser Gott nicht da ist. Wir unterscheiden uns darin, an was wir glauben; aber wir unterscheiden uns nicht in der Tatsache, dass wir an etwas glauben. Jeder von uns glaubt an etwas.
Das bringt uns zum nächsten Punkt. Die Tatsache, dass zu glauben bedeutet, dass wir etwas, was wir nicht sehen und nicht beweisen können, für so wahr halten, dass wir bereit sind, aufgrund dessen zu leben, heißt nicht, dass wir unser Gehirn ausschalten und an alles Mögliche glauben. Niemand von uns glaubt an den Osterhasen oder an fliegende Rentiere. Warum? Weil die Evidenz dafür ziemlich dünn ist. Um auf meinen Glauben an die Bahn-App zurück zu kommen: Es hat schon sooo viele Momente gegeben, in welchen die Informationen dieser App unzuverlässig waren. Natürlich hätte ich es besser wissen müssen. Es ist in Ordnung, dass dieser Glaube schwach ist. Zu glauben, bedeutet nicht, dass wir uns nicht immer wieder Gedanken darüber machen, ob das, woran wir glauben, hält, was es verspricht; ob das Objekt unseres Glaubens Substanz hat; dass das, woran wir festhalten, es wirklich wert ist, dass wir dem vertrauen.
Josef glaubte daran, dass Gott der gerechte Richter ist, dass Gott unendlich gut ist und dass dieser Gott ihm ein Zuhause bereitet hatte. Das Erstaunliche an Josef ist, dass er diese tiefen Einsichten hatte, obwohl er auf der anderen Seite lebte: im AT. Wir hingegen leben auf der Seite des NT. Mit anderen Worten, in Jesus Christus hat Gott uns ganz andere Ressourcen zur Verfügung gestellt, nicht nur an seine Existenz zu glauben, sondern auch daran zu glauben, dass Er unendlich gut ist.
Josef sagte, dass die Brüder böse Absichten hatten, aber dass Gott es gut meinte und am Ende alles gut gemacht hat. Es ist ein kleiner Vorgeschmack auf das, was viele Jahre später folgen würde. In Apostelgeschichte 2 predigte Petrus vor Tausenden von versammelten Menschen in Jerusalem, was mit Jesus geschehen war. Und er sagte dann: „ihn, der nach Gottes beschlossenem Willen und Vorauswissen hingegeben wurde, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht.“ Es war das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte.
John Piper schrieb darüber: „Der Höhepunkt der Herrlichkeit Christi ist die Herrlichkeit seiner Gnade – Menschen unendlich besser zu behandeln, als sie es verdienen […]. Und der Höhepunkt dieser Gnade ist die Ermordung des Gottmenschen außerhalb Jerusalems um 33 n. Chr. Der Tod Jesu Christi war Mord. Es war die spektakulärste Sünde, die jemals begangen wurde. An diesem entscheidenden Wendepunkt der Menschheitsgeschichte diente die schlimmste Sünde, die jemals begangen wurde, dazu, die größte Herrlichkeit Christi zu zeigen […]. Gott hat am Kreuz nicht nur das Böse überwunden. Er hat das Böse dazu gebracht, der Überwindung des Bösen zu dienen. Er hat das Böse dazu gebracht, Selbstmord zu begehen, indem das Böse sein schlimmstes Übel begangen hat.“
Um Josefs Worte darauf anzuwenden: „Wir haben Böses gegen Jesus im Sinne gehabt. Aber Gott hatte Gutes im Sinn, um zu erreichen, was heute geschieht: die ganze Menschheit zu retten, alle, die bereit sind, auf diesen Jesus zu vertrauen.“ Am Kreuz zeigt Gott, wie er das Schlimmste gebraucht, was jemals geschehen ist, um das Beste hervorzubringen, was es geben kann: die Offenbarung seiner Liebe, in dem er Menschen vergibt und sie mit Gnade überschüttet. So gut ist dieser Gott.
Das ist der Gott, an den Josef glaubte. Und das ist der Gott, der uns einlädt, an ihn zu glauben.