Abschied von der Epheser Gemeinde
„Und jetzt vertraue ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade an, das die Kraft hat, aufzubauen und das Erbe in der Gemeinschaft der Geheiligten zu verleihen.“
(Apostelgeschichte 20,32 [EHÜ])
Wir haben gesagt, dass die Apostelgeschichte ein Bericht darüber ist, wie Gott durch die christliche Gemeinde seine Verheißungen an Israel erfüllt. Nur ein Beispiel unter unzähligen: In Hesekiel 34 verspricht Gott, dass er sich um seine Schafe kümmern wird. „Ich, ich selber werde meine Schafe weiden und ich, ich selber werde sie ruhen lassen spricht Gott, der HERR.“ Natürlich erfüllt sich dieses Wort in Jesus: Jesus ist der gute Hirte, der sein Leben für die Schafe gegeben hat. Und Jesus ist der Herr seiner Gemeinde, in der dieses Versprechen gelebt wird, wie wir im heutigen Text sehen.
Paulus befindet sich auf der Reise zurück nach Jerusalem. Er hat in der Stadt Philippi das Passafest gefeiert, vermutlich als Osterfest. Er hatte die Absicht, noch vor Pfingsten in Jerusalem zu sein. Weil Paulus keine Zeit zu verlieren hatte, trifft er die Entscheidung, nicht nach Ephesus zu reisen. Stattdessen lässt er die Ältesten der Gemeinde von Ephesus nach Milet kommen. Und er hält seine Abschiedsrede. Lukas überliefert uns in der Apostelgeschichte eine ganze Anzahl von öffentlichen Ansprachen und Predigten gehalten von Petrus, Stephanus und vor allem von Paulus. Manche von diesen Reden wurden in sehr feindseligen Umgebungen gehalten, z. B. vor Menschen, die den Redner umbringen wollten. Praktisch alle diese Reden richteten sich an nichtgläubige Menschen. Die Rede von Paulus im heutigen Text ist die große Ausnahme. Es ist die einzige Rede in der Apostelgeschichte, die sich an Christen richtet. Paulus war praktisch der Pastor der Epheser Gemeinde gewesen, eine Funktion, die er nicht länger ausüben konnte.
Wir können durch diesen reichhaltigen Text einiges über die christliche Gemeinde lernen. Mindestens drei Punkte können wir hier mitnehmen. Erstens, die Gemeinde ist gründet auf Wahrheit; zweitens, sie ist verbunden in Liebe; und drittens, sie ist Gott und dem Wort seiner Gnade anvertraut.
1. Gegründet auf Wahrheit
In mindestens fünf Stellen seiner Rede sagt Paulus ihnen, dass er vor allen Dingen immer wieder eine Sache getan hatte: Er hatte gepredigt, gelehrt, bezeugt, verkündigt, ermahnt. Vers 20: „wie ich nichts verschwiegen habe von dem, was heilsam ist. Ich habe es euch verkündet und habe euch gelehrt, öffentlich und in den Häusern.“ Vers 21: „Ich habe vor Juden und Griechen Zeugnis abgelegt für die Umkehr zu Gott und den Glauben an Jesus, unseren Herrn.“ Vers 24: „das Evangelium von der Gnade Gottes zu bezeugen.“ Vers 27: „Denn ich habe mich der Pflicht nicht entzogen, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkünden.“ Vers 31: „Seid also wachsam und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Tag und Nacht nicht aufgehört habe, unter Tränen jeden Einzelnen zu ermahnen.“
Paulus‘ Rückblick deckt sich perfekt mit dem, was Lukas über Paulus‘ Wirksamkeit berichtet hatte. Drei Monate hatte Paulus in der Synagoge gelehrt. Danach hatte er zwei Jahre lang täglich im Lehrsaal des Tyrannus gepredigt. Paulus‘ primäre Tätigkeit bestand also darin, zu lehren. Die christliche Gemeinde ist zu vielen verschiedenen Diensten berufen. Aber eine ganze zentrale Berufung der Gemeinde Jesu ist es, die Wahrheit zu verkünden. Und die Gemeinde Jesu selbst ist auf Gottes Wahrheit gegründet. Weil dem so ist, ist die größte Bedrohung der Gemeinde nicht äußere Verfolgung, sondern falsche Lehre. Verse 29 und 30 sagen dazu: „Ich weiß: nach meinem Weggang werden reißende Wölfe bei euch eindringen und die Herde nicht schonen. Und selbst aus eurer Mitte werden Männer auftreten, die mit ihren falschen Reden die Jünger auf ihrer Seite ziehen.“ Gottes Wahrheit ist das Fundament der Gemeinde.
Ein paar Gedanken dazu, was das eigentlich bedeutet. Hier ist ein Beispiel, das ich von Tim Keller gelernt habe. Angenommen jemand würde sagen: „Ich würde gerne J. kennenlernen. Für mich ist J. ein ganz typischer bayrischer Braumeister.“ Dann könnte man drei Dinge dazu sagen: zum einen, nichts gegen bayrische Braumeister; die machen richtig gutes Bier. Als zweites, wir leben in einem Land, indem Meinungsfreiheit herrscht; d. h., du kannst gerne alles Mögliche über J. denken und meinen, und du hast die Freiheit, das zu tun. Aber drittens, J. ist ein vielseitig begabter, talentierter junger Mann. Das, was er nicht ist, ist Braumeister und bayrisch schon gar nicht. Und wenn du dich auf J. einlassen willst, wenn du eine persönliche Beziehung zu ihm haben willst, dann musst du verstehen, wer er wirklich ist. Dein Verständnis von ihm muss auf der Wahrheit gegründet sein.
Auf einer ungleich viel höheren Ebene gilt das für Gott. In unserer Gesellschaft meinen viele, dass es kein „richtig“ und „falsch“ gibt, was den Glauben betrifft: „Jeder kann das glauben, was er will, weil es keine absolute Wahrheit gibt.“ Die Bibel widerspricht dieser Annahme vehement. Ich hatte vor einiger Zeit schonmal erzählt, wie mein ehemaliger Chef und ich uns während einer Autofahrt über den Glauben unterhalten hatten. Er meinte: „Ach weißt du, im Prinzip sind doch alle Religionen gleich. Alle glauben an den gleichen Gott.“ Und meine Antwort war: „Das stimmt nicht. Im Zentrum des christlichen Glaubens ist der Sohn Gottes, der am Kreuz für seine Feinde stirbt, und für die Vergebung der Menschen betet, die ihm das angetan haben.“ Keine andere Religion verkündet so etwas. Wenn du ein Leben führen willst, das etwas mit dem zu tun hat, was real und was wirklich ist, dann brauchst du Wahrheit. Jesus sagte: „Gott ist Geist und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ (Joh 2,24 [EHÜ])Wenn du eine persönliche Beziehung zu Gott haben willst, dann musst du Gott in Wahrheit begegnen. Du musst wissen, wer dieser Gott ist, und du musst verstehen, wer du vor diesem Gott bist.
Wir haben gesehen, dass Paulus die Wahrheit verkündigt hat. Seine Rede gibt uns auch Einblicke in die Art und Weise, wie Paulus die Wahrheit verkündete. In Vers 20 sagt, dass er nichts verschwiegen hat von dem, was heilsam ist. Wir können davon ausgehen, dass Paulus Lehre in den zwei Jahren sehr gründlich und sehr systematisch war. Paulus hat nichts ausgelassen. Seine Lehre war vollständig.
Sehen wir uns noch einmal Vers 20 an: „Ich habe es euch verkündet und habe euch gelehrt, öffentlich und in den Häusern.“ Paulus Verkündigung war vielseitig. Es waren öffentliche Ansprachen, also Predigten im klassischen Sinne. Das tat er vor vielen Leuten, vielleicht vor hunderten von Zuhörern. Und Paulus lehrte auch im privaten Umfeld, wenn er von den Christen in ihre Familien nach Hause eingeladen wurde. Und er tat es auch ganz persönlich. N.T. Wright fasst das Ganze zusammen: „Und wenn [Paulus] weiter zurückblickt und an die vielen späten Nächte in beleuchteten Räumen und die vielen langen Nachmittage im Hörsaal des Tyrannus sowie an die tausend persönlichen Gespräche denkt, die er über einen Text der Heiligen Schrift gebeugt mit einem halbfertigen Zelt auf der Bank neben sich geführt hat, spricht er davon, dass er ihnen entschlossen den ganzen Plan Gottes erklärt hat.“
„Plan“ ist ein gutes Stichwort. Wir bekommen einen kleinen Einblick in den Inhalt seiner Verkündigung. Vers 27 noch einmal: „Denn ich habe mich der Pflicht nicht entzogen, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkünden.“ Das Wort Ratschluss in Vers 27 kann mit Plan übersetzt werden. Paulus hat den ganzen Plan Gottes verkündigt. Der Plan Gottes sind nicht einfach Gebote oder Regeln („Tu dies, tu das, das lässt du schön bleiben“) oder Lehrsätze. Der Plan Gottes ist eine Geschichte. Der Plan Gottes beginnt mit der Berufung von Abraham, er geht weiter mit Israel, danach Jesu Kommen, sein Leben, sein Sterben, seine Auferstehung, und die Geschichte endet mit Jesu Rückkehr, wenn er richten wird und alle Dinge rechtmachen wird. Der Plan Gottes handelt davon, wie der Gott Israels eine verlorene Welt rettet und wiederherstellt.
Eine Anwendung noch, bevor wir fortfahren: Gottes Wahrheit kann richtig unbequem sein. Die Bibel kann noch unbequemer und noch schmerzhafter sein, als zum Arzt zu gehen und vom Arzt gesagt zu bekommen: „Sie haben Übergewicht und Diabetes. Wenn Sie ihr Essverhalten und ihre Lebensweise nicht ändern, werden Sie frühzeitig versterben.“ Gottes Wahrheit stellt uns die Diagnose aus, dass wir alle verloren sind. Und Gottes Wahrheit zeigt uns die einzige therapeutische Intervention, die uns retten kann, ist, Vertrauen auf Jesus. Ganz viele Leute in unserer Zeit sagen: „Ich kann mit der Bibel oder mit dem christlichen Glauben nichts anfangen, weil es Dinge darin gibt, mit denen ich nicht einverstanden bin. Ich fühle mich vor dem Kopf gestoßen“ oder „die Bibel ist intolerant“. Vielleicht geht es dir in Teilen ähnlich?
Und wisst ihr was? Die Tatsache, dass es in der Bibel Aussagen gibt, die uns nicht in den Kram passen, ist ein Indiz dafür, dass die Bibel wirklich Gottes Wort ist. Es gibt keine Kultur, die wirklich mit der Bibel konform ist. Die Bibel wird in jeder Gesellschaft, in jeder Kultur, egal aus welcher Zeit, anecken. Zum Beispiel, unsere Gesellschaft kann nicht akzeptieren, dass Gott den Menschen als Mann und Frau schuf, weil unsere Gesellschaft der Meinung ist, dass Geschlecht Teil unserer selbstbestimmten Identität ist. Oder unsere Gesellschaft hat damit Probleme, dass das Leben von Ungeborenen geschützt werden muss; oder, dass Sex außerhalb der Ehe Sünde ist. Im Nahen Osten würden die muslimischen Menschen sagen, dass sie das, was die Bibel zu Sexualität und Geschlechteridentität sagt, sehr gut finden; vielleicht könnte es noch ein wenig strenger sein. Aber sie ecken mit Aussagen an, dass wir unsere Feinde lieben sollen, dass wir einander vergeben sollen, oder dass Gott in Jesus Christus für uns am Kreuz litt.
Die Bibel macht selbst christlichen Denominationen zu schaffen. Evangelikale Christen sind vor dem Kopf gestoßen, weil die Bibel sagt, dass wir die Armen lieben sollen (Paulus sagt das auch in Vers 35), dass soziale Gerechtigkeit essenziell ist, und dass wir zu den Ausländern barmherzig sein sollen, dass deshalb jede Form von Xenophobie und Fremdenhass selbst unter dem Deckmantel christliche Werte zu verteidigen, Sünde ist. Liberale Christen werden vor den Kopf gestoßen, weil die Bibel sagt, dass Jesus kommen wird, die Lebenden und die Toten zu richten und dass nur in Jesu Namen das Heil ist. Die Bibel macht es niemanden recht. Selbst wir werden immer wieder aufs Neue herausgefordert, obwohl wir uns auf die Bibel berufen. Und das spricht dafür, dass die Bibel wahr ist.
Diese Wahrheit ist es, auf welcher die christliche Gemeinde gegründet ist.
2. Verbunden in Liebe
S.L., einer meiner besten Freunde hatte einmal gesagt, dass wenn man mit jemanden Fußball spielt, man die Leute noch einmal ganz anders kennenlernen kann. Da können sich ganz neue Facetten auftun. In dieser Rede sehen wir bei Paulus ganz neue Facetten, die wir sonst in der Apostelgeschichte nicht gesehen hatten. Um noch einmal N.T. Wright zu zitieren: „Hier sehen wir Paulus also in einem anderen Modus, verletzlich, nachdenklich, beständig in seiner treuen Beharrlichkeit, aber ohne jeden Anflug von Triumphalismus […]. Er ist ruhig, nicht kämpferisch; nachdenklich, nicht streitlustig. Es ist, als hätten wir ihn endlich gefunden, der nicht mehr durch die Gegend rennt, sondern lange genug stillsitzt, um sich porträtieren zu lassen. Und was für ein Porträt.“
Welche persönliche Seite bekommen wir von Paulus also zu sehen? Paulus begann seine Rede mit den Worten: „Ihr wisst, wie ich vom ersten Tag an, seit ich die Provinz Asien betreten habe, die ganze Zeit in eurer Mitte war.“ (Vers 18b) Paulus hatte mitten unter ihnen gelebt. Er hatte sein Leben mit ihnen geteilt. Alle konnten sprichwörtlich hautnah miterleben, wer er war, wie er war und wie er sein Leben tagtäglich führte. Wir haben vorhin auch gesehen, dass er die Christen in ihren Häusern besucht hatte. Paulus war ein Mann der Gemeinschaft.
Was sie zu sehen bekamen, waren Paulus‘ ungefilterte Emotionen. Uns erstaunt, wie oft der Text von Tränen und Weinen spricht. Vers 19: „und wie ich dem Herrn in aller Demut diente unter Tränen und vielen Prüfungen…“ Vers 31: „Seid also wachsam und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Tag und Nacht nicht aufgehört habe, unter Tränen jeden Einzelnen zu ermahnen.“ Und schließlich in Vers 37: „Und alle brachen in lautes Weinen aus, fielen Paulus um den Hals und küssten ihn.“ Diejenigen, die mich schon öfter predigen gehört haben, wissen vermutlich, dass ich nah am Wasser gebaut bin. Aber das ist nicht nur bei mir so. Paulus war jemand, der viel geweint hat. Sein Dienst hatte ihn viele Tränen gekostet.
Und was war das Resultat? Wir haben vorhin viel von Wahrheit gesprochen und wie unermüdlich Paulus diese Wahrheit gepredigt hatte. Es ging niemals um Rechthaberei. Alles Lehren hatte einen höheren Zweck. Wir sehen das am herzzerreißenden Abschied. Die Ältesten fielen Paulus um den Hals, küssten ihn und weinten bei seinem Abschied. In Kapitel 21,1 lesen wir, dass sich Paulus und seine Gefährten von ihnen losreißen mussten. So sehr haben sie an ihm gehangen. Was war das Resultat von Paulus‘ Predigten? Es war eine Gemeinschaft der Liebe. Die Verkündigung der Wahrheit führte nicht zu Ausgrenzung, Unterdrückung und Spalterei. Seine Predigt formte eine Gemeinschaft der Liebe: Liebe zu Gott und Liebe zu den Mitmenschen.
Was bedeutet das für uns? Die Gemeinde ist ein Ort der Gemeinschaft. Jeder Christ ist aufgefordert, Teil einer Gemeinde zu sein. Wenn du Jesus nachfolgst, wenn du Jesus liebst, dann solltest du Teil einer christlichen Gemeinschaft sein. Christliche Gemeinschaft ist ein essenzieller, nicht verhandelbarer Teil deines Glaubenslebens. Diese Gemeinschaft trifft sich im öffentlichen Rahmen wie dieser Gottesdienst hier. Und diese Gemeinschaft trifft sich in vielen kleinen Gruppen wie auch in Gesprächen zu zweit. Im Kontext dieser Gemeinschaft lernen wir als Christen um in Liebe zu wachsen. Wir lernen mitunter vielen Schmerzen, einander zu lieben, einander zu vergeben und das gemeinsame Leben zu teilen.
Frage an uns: Wer von uns ist gut darin, ein so transparentes Leben zu führen wie Paulus in Ephesus? Wer von uns kann behaupten, dass es Mitmenschen gibt, die so einen tiefen Einblick in unser Leben haben? Viele von uns sind ziemlich gut darin, oberflächliche Beziehungen zu führen. Social Media hat ganz viel dazu beigetragen. In den sozialen Medien bestimmen wir, wie viel wir von uns preisgeben und was wir mit anderen teilen. Wir kontrollieren und managen und manipulieren vielleicht auch unser Bild, das wir nach außen geben, sprichwörtlich.
Warum tun wir das? Weil wir wissen, dass die Wahrheit über uns preiszugeben, uns verletzlich macht. C.S. Lewis hatte es richtig gut auf den Punkt gebracht: „Zu lieben bedeutet, verletzlich zu sein. Wenn du irgendetwas liebst, wird dein Herz ausgewrungen und möglicherweise gebrochen. Wenn du sicher sein willst, dass es unversehrt bleibt, darfst du es niemandem schenken, nicht einmal einem Tier. Umschließe es sorgfältig mit Hobbys und kleinen Genüssen; vermeide alle Verwicklungen. Verschließe dein Herz sicher in den Sarg deiner Selbstsucht. Aber in dieser Schatulle, sicher, dunkel, unbeweglich, luftleer, wird es sich verändern. Dein Herz wird nicht zerbrechen; es wird unzerbrechlich, undurchdringlich, unerlösbar werden. Zu lieben bedeutet, verletzlich zu sein.“
Woher kommt der Mut, das zu tun?
3. Gott und dem Wort seiner Gnade anvertraut
In Vers 28 verwendet Paulus ein ganz prominentes Bild: „Gebt Acht auf euch und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist zu Vorstehern bestellt hat, damit ihr als Hirten für die Gemeinde des Herrn sorgt, die er sich durch sein eigenes Blut erworben hat!“ Und in Vers 32 sagt er: „Und jetzt vertraue ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade an, das die Kraft hat, aufzubauen und das Erbe in der Gemeinschaft der Geheiligten zu verleihen.“
Die Ältesten der Epheser Gemeinde sind berufen, Hirten zu sein für die Gemeinde Jesu. Und das ist eine repräsentative Aufgabe. Sie sind Hirten (mit einem kleinen „H“), die selbst unter der Fürsorge und Herrschaft des wahren Hirten (mit einem großen „H“) stehen. Letzte Woche zu Ostern, hat R. gepredigt, dass Gott unser Hirte ist, und dass wir deshalb keinen Mangel haben. Ein Hirte ist ein Leiter. Ein Hirte hat Autorität. Tim Keller sagte: „Ein Hirte stellt sich nicht morgens vor die Schafe hin und fragt sie, worauf sie heute Lust haben.“ Der Hirte gibt die Richtung an. Er zeigt, wo es lang geht. Und gleichzeitig ist er eine Autorität der Liebe. Die Führung des guten Hirten besteht aus Fürsorge, Geduld, Sanftmut und auch Freude und Frieden.
Paulus vertraute die Epheser Gemeinde Gott und seinem Wort der Gnade an. Das Wort, das Paulus predigte, handelte primär von Gottes Gnade. Das ist es, was er auch in Vers 24 sagte. Seine Berufung war es, das Evangelium von der Gnade Gottes zu bezeugen. Gnade bedeutet Gottes Güte, mit welcher er uns beschenkt, obwohl wir es nicht verdient haben. Gnade bedeutet, dass Gott uns unendlich viel besser behandelt, als wir es verdient hätten. Gnade bedeutet, dass Gott den Preis bezahlt hat, den wir nicht hätten bezahlen können, um uns zu erkaufen. Gnade ist die Tatsache, dass Jesus nicht nur ein Hirte ist: Er ist der eine wahre gute Hirte, der sein Leben gegeben hat, damit wir leben können. Jesus ist der Hirte, der das Lamm geworden ist.
Es gibt zwei grundverschiedene Art und Weisen, zu einer Identität zu kommen; zwei Möglichkeiten, die definieren, wer wir sind. Die eine Art und Weise ist unser eigener Verdienst: Wir sind jemand, weil wir etwas erreicht haben, weil wir ein gutes und moralisches Leben geführt haben, weil wir Leistung erbracht haben, weil wir eine Position mit Prestige erlangt haben. Die andere Identität beruht auf Gnade: Wir sind jemand, nicht weil wir etwas Tolles erreicht haben; wir sind jemand, obwohl wir nichts vorzuweisen haben und obwohl wir Sünder sind. Unser Wert und unsere Würde kommen von außen. Sie beruhen auf der Tatsache, dass Gott uns so sehr geliebt hat, dass er für uns in den Tod gegangen ist. D. h., auf der einen Seite sind wir schlimm, so schlimm, dass wir auf Rettung von außen angewiesen sind; weit schlimmer als wir befürchtet hatten; auf der anderen Seite sind wir mehr geliebt, als wir zu träumen gewagt hätten. Wir sind von Gott geliebt. Wir sind seine Kinder.
Woher kommt der Mut, ehrlich zu sein, die Masken fallen zu lassen, zu lieben und verletzlich zu sein? Der Mut kommt vom Kreuz. Dort wo Jesus für uns starb. Gnade ist das, was uns verändert. Es ist das einzige, das uns von Grund auf erneuern kann und was uns erbaut. Gottes Wort der Gnade macht aus uns Menschen der Liebe. Es formt uns zusammen zu einer Gemeinschaft der Liebe.
Die Gemeinde Jesu ist gegründet in Wahrheit, verbunden in Liebe und Gott und seinem Wort der Gnade anvertraut. Als der große Prediger Spurgeon im Sterben lag, bekam seine Frau einen kurzen Brief, der voller Mitgefühl und Ermutigung war. Sie schrieb zurück, aber Spurgeon musste diesem Brief noch ein paar Worte hinzufügen. Er schrieb: „Dein Wort ist ein Wort der Liebe, wie es nur diejenigen schreiben, die im Land des Königs waren und viel von seinem Angesicht gesehen haben. Meine Herzensliebe für dich.“
Paulus‘ Rede an die Ältesten von Ephesus war ein Wort der Liebe, gehalten von jemand, der im Land des Königs war und der viel von dessen Angesicht gesehen hatte.
Das ist unsere Berufung.