Predigt: Apostelgeschichte 9,1-19a

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Die Bekehrung von Saulus

„Er stürzte zu Boden und hörte, wie eine Stimme zu ihm sagte: Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“

(Apostelgeschichte 9,4)

Wenn wir uns mit der Geschichte der westlichen Philosophie beschäftigen, dann darf ein Name eigentlich nicht fehlen: Paulus aus Tarsus. Paulus wird relativ bald anfangen, der gesamten Apostelgeschichte seinen Stempel aufzudrücken. Paulus ist nicht nur innerhalb der Apostelgeschichte eine prägende Figur. Er ist der Autor von einem Drittel des NT. Und er gilt als einer der einflussreichsten und größten Denker des Abendlandes. Im heutigen Text geht es um das vermutlich wichtigste Ereignis im Leben von Paulus: seine Bekehrung. Woher wissen wir, dass diese Begebenheit absolut zentral ist? In der Apostelgeschichte wird diese Geschichte nicht weniger als dreimal erzählt.
Die Bekehrung von Paulus ist dramatisch. Die Apostelgeschichte zeigt uns, dass nicht jede Bekehrung so dramatisch sein muss. Im Text von letzter Woche war es ein Lesen und Diskutieren der Schrift, die einen Mann zum Glauben geführt hat. Während ich nicht behaupten würde, dass die Umkehr von Paulus Vorbildfunktion hat, wie so etwas zu passieren hat, glaube ich trotzdem, dass man ein paar Prinzipien ableiten kann, die von allgemeiner Bedeutung sind. Die meisten von uns hier im Raum würden sich als bekehrte Christen bezeichnen. Manche von uns sind sich vielleicht nicht so sicher. Vielleicht seid ihr noch auf der Suche. Egal in welcher Situation ihr euch befindet, ich glaube, dass dieser Text uns zu den Fundamenten des christlichen Glaubens führt. Und daher ist dieser Text für alle relevant: für die Suchenden und für die Gefundenen.
Zum Glauben an Jesus zu kommen bedeutet erstens, dass wir vom Pferd fallen; zweitens, dass wir uns der Realität stellen; drittens, dass wir vergebende Liebe empfangen.

1. Vom Pferd fallen
In den Versen 1 und 2 begegnen wir einem übertrieben motivierten jungen Mann: „Saulus wütete noch immer mit Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn. Er ging zum Hohepriester und erbat sich von ihm Briefe an die Synagogen in Damaskus, um die Anhänger des Weges Jesu, Männer und Frauen, die er dort finde, zu fesseln und nach Jerusalem zu bringen.“ Saulus war ein Christenverfolger. Nicht nur irgendeiner, er war besessen von der Idee, die christliche Bewegung so schnell wie möglich im Keim zu ersticken. Wir hatten gesehen, dass nach der Steinigung von Stephanus eine große Christenverfolgung in Jerusalem begann. Tausende von Christen verließen daher die Stadt und verstreuten sich in alle Himmelsrichtungen. Einige von diesen Christen nahmen ihren Glauben mit nach Damaskus. Saulus war bereit, bis nach Damaskus zu reisen, um diese Christen nach Jerusalem vor Gericht zu stellen. Der Text erwähnt zwar nicht, dass Saulus auf Pferden unterwegs war. Aber wir können ziemlich sicher davon ausgehen. Damaskus war von Jerusalem aus gesehen nicht gerade um die Ecke: es waren ca. 250km Entfernung (ca. die Entfernung von Heidelberg nach Köln). Selbst auf Pferden war man da einige Tage unterwegs. Der Hohepriester muss sich ziemlich darüber gefreut haben, dass so jemand wie Saulus bereit war, für ihn die Drecksarbeit zu übernehmen.
Saulus und seine Schergen waren auf dieser langen Reise. Sie waren fast in Damaskus angekommen. Und dann geschah es. Verse 3 und 4: „Unterwegs aber, als er sich bereits Damaskus näherte, geschah es, dass ihn plötzlich ein Licht vom Himmel umstrahlte. Er stürzte zu Boden und hörte, wie eine Stimme zu ihm sagte: Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ Ein übernatürliches Licht vom Himmel erscheint. Saulus erlebt etwas, was er noch nie zuvor erfahren hatte. Er ist geblendet von dem Licht. Er erschrickt. Und er stürzt vom Pferd.
Bildlich gesprochen würde ich behaupten, dass du nicht wirklich Christ sein kannst, wenn du nicht diesen Sturz erlebt hast, in welcher Form auch immer. Wofür steht das Pferd? Saulus war jemand, der sprichwörtlich hoch zu Ross saß. Als Saulus nach Damaskus ritt, war er jemand, der zu 100% von sich überzeugt war. Saulus war intellektuelle Elite, er war Musterschüler und danach Musterstudent gewesen. Die Lehrer und die Professoren hatten ihn zunächst geliebt, danach bewundert und danach vielleicht sogar gefürchtet, weil Saulus smart, intelligent und brillant war. Wenn es jemanden gegeben hatte, der das Examen mit Auszeichnung bestanden hatte, dann er. Was die Zielstrebigkeit und den Ehrgeiz angeht, könnten wir uns vielleicht an die Art von Studenten erinnert fühlen, die mit weißem Hemd, schwarzer Hose und schicken Schuhen zur Uni kommen. Jeder Student in der Mensa sieht, dass das die Mannheimer BWLer sind, die bei der Deutschen Bank Praktikum machen; und jeder weiß, dass sie bald nach dem Abschluss einen schwarzen Mercedes der Luxusklasse fahren und FDP wählen.
Aber Saulus war mehr als das. Er war auch religiöse Elite. Er war moralisch anstandslos. Er kannte die Schrift in- und auswendig, er hielt sich an die strengsten religiösen Praktiken, er fastete, er sprach seine Gebete, er reinigte sich. Saulus auf dem Pferd war sprichwörtlich jemand, der fest im Sattel saß. Hier war jemand, der sein Leben wirklich im Griff hatte. Hier war jemand, der wusste, was er wollte; er wusste, wohin er wollte und wie er seine ehrgeizigen Ziele erreichen konnte. Hier war jemand, der sich von niemanden irgendetwas sagen lassen wollte.
Und vielleicht oder besser sehr wahrscheinlich bis du nicht ganz so extrem drauf. Aber je nachdem, wo du im Leben stehst, meinst auch du auch zu wissen, was du im Leben willst. Du hast gewisse Vorstellungen darüber, wer du bist und was du kannst. Vielleicht denkst du, dass du anständig und moralisch bist, weil du dich ja eigentlich an alle Gesetze gehalten hast. Vielleicht denkst du auch, dass du Gott im Leben nicht unbedingt brauchst, weil, „bisher lief das Leben ohne Gott ja auch völlig in Ordnung.“
Aber dann kommt dieser Moment. Das Licht strahlt. Und du fällst vom Pferd. Es ist der Moment, an dem du zur Erkenntnis kommst, dass so ziemlich alles, woran du geglaubt hast, eine Illusion ist; wenn du dachtest, dass du smart bist, dann die Erkenntnis, dass du eigentlich gar nichts weißt und blind bist; wenn du davon überzeugt warst, dass du ein guter und moralischer Mensch bist, die Erkenntnis, alle deine guten Taten nichts sind als eine Handvoll Asche und tief in deinem Innersten ein hässliches Monster schlummert; wenn du davon überzeugt warst, dass du dein Leben echt meisterst, dann die Erkenntnis, dass dir die Kontrolle über dein Leben völlig entgleitet.
Als Paulus Jahre später in Apostelgeschichte 26 diese Geschichte erzählt, erwähnt er ein weiteres Wort von Jesus. Jesus sagte ihm: „Es wird dir schwerfallen, gegen den Stachel auszuschlagen.“ Jesus sprach von einem Stachel. Das klingt schmerzhaft. Oft sind die Momente, in denen wir zu Boden fallen, wenn unser Leben sprichwörtlich auseinanderfällt, Zeiten von Verlust und Schmerzen und tragischen Ereignissen. C.S. Lewis hatte gesagt: „Sogar die Freude können wir ignorieren. Aber der Schmerz besteht darauf, beachtet zu werden. Gott flüstert uns in unseren Freuden zu, spricht in unser Gewissen, aber ruft in unseren Schmerzen: es ist sein Megafon, um eine taube Welt zu wecken.“ Und falls du durch solche Zeiten gehst, ist es vielleicht Gottes liebevolle Art und Weise, dich vom Pferd zu holen.

2. Sich unbequemen Wahrheiten stellen
In Vers 4 beginnt ein kurzer Dialog zwischen Jesus und Saulus. Jesus fragt: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ Allein die Tatsache, dass Jesus Saulus‘ Namen zweimal ausspricht, ist schon beachtlich. In der Bibel ist es so, dass wenn Gott einen Namen zweimal ruft, es fast immer bedeutet, dass man gerade Ärger hat.
Mindestens zwei unbequeme Wahrheiten sehen wir im Text. Die erste unbequeme Wahrheit ist, dass Jesus wirklich auferstanden und zur Rechten Gottes sitzt. Als ein frommer Jude, stand Jesus repräsentativ für alles, was er inakzeptabel und anstößig fand. Bereits als Kind hatte er rezitiert, dass es nur einen Gott gibt. Wenn Jesus ebenfalls Gott ist, bedeutet es nicht, dass es zwei Götter gibt? Das wäre Ketzerei! Gotteslästerung! Und dann war da auch noch die Tatsache, dass Jesus vor nicht langer Zeit von den Römern hingerichtet worden war. Der verheißene Retter Israels am Kreuz! Das war einfach nur skandalös und so lächerlich, dass einem davon schlecht werden konnte. Die Tatsache, dass Jesus am Kreuz gestorben war, war für ihn der Beweis, dass er nicht derjenige sein konnte, auf den Israel gewartet hatte.
Gott hätte Paulus erscheinen können, und ihm sagen können: „Lieber Saulus, ich möchte dir jetzt das Konzept von der Trinität erklären.“ Oder: „Saulus, du hast da ein paar Texte im AT ein bisschen missverstanden. Komm, ich helfe dir auf die Sprünge.“ Aber das war nicht das, was passierte. Jesus stand vor ihm. Jesus redete mit Paulus. Jesus offenbarte sich ihm als der Auferstandene. Und das ist so eine unbequeme Wahrheit. Was bedeutet diese Wahrheit dann für uns?
Tim Keller brachte ein anschauliches Beispiel. In New York gab es immer wieder Skeptiker, die behaupteten, dass sie niemals Christen werden könnten. Warum nicht? Weil es manche Aussagen in der Bibel gibt, die sie anstößig finden, z. B. Aussagen über unseren Umgang mit Geld oder Sex. Und Tim Keller würde sie dann zurückfragen: „Moment, bedeutet es, dass, weil es Aussagen in der Bibel gibt, die du nicht magst, Jesus nicht von den Toten auferstanden sein kann?“ Und dann gibt es überraschte Gesichter. „Nein, das meine ich natürlich nicht.“ Und dann sagte Tim: „Wenn Jesus von den Toten auferstanden ist, dann musst du dich mit allem, was in der Bibel steht, anfreunden. Wenn Jesus nicht von den Toten auferstanden ist, dann verstehe ich nicht, warum du dich wegen dieser Dinge quälst. Tatsache ist, dass Paulus vom Christentum noch viel mehr angewidert war, als du. Er hat Christen umgebracht! Aber als er verstanden hat, dass Jesus von den Toten auferstanden war, spielte alles das keine Rolle mehr.“
Um noch einmal C.S. Lewis zu zitieren: „Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass das Christentum eine Aussage ist, die, wenn sie falsch ist, von keinerlei Bedeutung ist, und, wenn sie wahr ist, von unendlicher Bedeutung. Das Einzige, was es nicht sein kann, ist mäßig wichtig.“ Es spielt keine Rolle, ob du Jesus interessant oder toll oder nicht so toll findest. Wenn Jesus von den Toten auferstanden ist, wenn seine Auferstehung eine historische Tatsache ist, dann wirst du dich mit ihm auseinandersetzen müssen. Du kommst nicht drumherum. Du kannst ihm nicht aus dem Weg gehen. Dafür ist er viel zu groß und viel zu wichtig. Jesus Christus ist in deinem Leben unvermeidlich. Das ist die eine unbequeme Wahrheit.
Die andere unbequeme Wahrheit ist, dass Saulus diesen Jesus verfolgte. Vers 15: „Der Herr sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst.“ Dieser Vers sagt so viel aus. Wir sehen wie tief und wie innig sich Jesus mit seiner Gemeinde identifiziert. Jesus war so eins mit den Christen, dass er sagen konnte, dass Saulus Ihn verfolgte. Aber es steckt da noch mehr dahinter.
Es war eindeutig, dass Saulus sich in einem religiösen Wahn befand, der dem von religiösen Terroristen nicht unähnlich ist. Jesus hätte ihm sagen können: „Saulus, du verstößt gerade gegen das Gebot der Nächstenliebe.“ Stattdessen sagte Jesus ihm „du verfolgst mich.“ Und damit brachte Jesus eine tiefe und profunde Wahrheit aus: „du brichst nicht nur ein paar Gebote, sondern alle deine bösen Taten richten sich am Ende des Tages gegen mich. Deine Verbrechen brechen mir das Herz.“ Und das ist es, womit Jesus uns konfrontiert. Jedes unserer Vergehen, jede Sünde, die wir begehen, sind ein Affront gegen Jesus.
Jesus gab Paulus einen Auftrag: „Steh auf und geh in die Stadt; dort wird dir gesagt werden, was du tun sollst!“ Wir können uns vermutlich kaum vorstellen, was in Saulus‘ Kopf vor sich gegangen sein musste, nachdem er Jesus begegnet war. N.T. Wright schreibt in seinem Kommentar: „Plötzlich wurde Sauls Welt auf den Kopf gestellt und umgedreht. Schrecken, Verderben, Scham, Ehrfurcht, Entsetzen, Herrlichkeit und erneuter Schrecken überkamen ihn. Jahre später würde er schreiben, dass er die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu, des Messias, gesehen hatte.“ War wirklich alles, woran er vorher geglaubt hatte falsch? Wie würde er mit der neuen Weltanschauung zurechtkommen? Was würde jetzt auf ihn zukommen?
Saulus war ausgezogen, um den Christen in Damaskus das Fürchten zu lehren und sie gefangen und gefesselt nach Jerusalem zu bringen. Aber jetzt war er blind. Seine Begleiter mussten ihn wie ein Kind an die Hand nehmen und ihn in die Stadt führen. Drei Tage lang aß und trank er nicht. F.F. Bruce ging davon aus, dass er so unter Schock stand, dass er ohnehin nicht essen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Wir kommen damit zum dritten Teil.

3. Vergebene Liebe empfangen
Der Text lenkt unsere Aufmerksamkeit zu einem Jünger namens Hananias. Hananias kommt nur an dieser einen Stelle vor. Aber die Aufgabe, die er bekommt, könnte nicht wichtiger sein. Jesus gibt ihm folgenden Auftrag: „Steh auf und geh zu der Straße, die man Die Gerade nennt, und frag im Haus des Judas nach einem Mann namens Saulus aus Tarsus! Denn siehe, er betet und hat in einer Vision gesehen, wie ein Mann namens Hananias hereinkommt und ihm die Hände auflegt, damit er wieder sieht.“ Verständlicherweise hatte Hananias gewisse Bedenken. In seiner Vision antwortet er Jesus: „Herr, ich habe von vielen gehört, wie viel Böses dieser Mann deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat. Auch hier hat er Vollmacht von den Hohepriestern, alle zu fesseln, die deinen Namen anrufen.“ Jesus akzeptiert keine Ausreden: „Geh nur! Denn dieser Mann ist mir ein auserwähltes Werkzeug: Er soll meinen Namen vor Völker und König und Söhne Israels tragen. Denn ich will ihm zeigen, wie viel er für meinen Namen leiden muss.“
In Vers 17 kommt der große Auftritt von Hananias. Er tut das, was ihm von Jesus befohlen wurde. Er geht in das Haus, in dem Saulus sitzt. Er legt ihm die Hände auf, eine Geste der Heilung und eine Geste der Salbung. Und dann sagt er: „Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Weg, den du gekommen bist, erschienen ist; du sollst wieder sehen und mit dem Heiligen Geist erfüllt werden.“ Alle Kommentare, die ich zu diesem Text gelesen habe, heben die Tatsache hervor, dass Hananias den Saulus mit den Worten „Bruder Saulus“ anspricht. Saulus ist nicht zweit- oder drittrangiges Mitglied des Haushalts wie irgendwelche Sklaven. Er ist nicht irgendein Anhang. Saulus gehört jetzt offiziell zur Familie der Christen. Er ist ein Kind Gottes. Er ist jetzt nicht nur ein leiblicher, sondern jetzt auch ein geistlicher Nachkomme Abrahams; nicht nur ein nationaler, sondern jetzt auch ein geistlicher Bürger Israels.
Nur zur Erinnerung: der Christenverfolger, der Christenmörder und der Christenfeind Nummer Eins der Urgemeinde ist jetzt ohne Wenn und Aber, ohne Abstriche Teil von ihnen. Nicht nur Teil ihrer Glaubensgemeinschaft, nicht nur, dass er ihre Werte und Anschauungen teilt, sondern Teil ihrer Familie. Saulus ist Hananias Bruder. Und genau das ist nichts anderes als die vergebende Liebe von Jesus Christus. Saulus hat die Gnade Jesu in seinem Leben erfahren.
Es war diese Liebe Jesu, die den Bürgerrechtler Martin Luther King inspiriert hatte. Martin Luther King ist bekannt für seinen gewaltfreien Widerstand gegen Ungerechtigkeit. Die Kraft und die Inspiration dafür bekam er durch die Liebe Jesu. Er richtete folgende Worte an die Rassisten, die ihn hassten: „Wir werden eurer Fähigkeit, Leid zuzufügen, mit unserer Fähigkeit, Leid zu ertragen, gleichkommen. Wir werden eurer physischen Stärke mit seelischer Stärke begegnen. Macht mit uns, was ihr wollt, und wir werden euch trotzdem lieben. […] Werft uns also ins Gefängnis und wir werden euch immer noch lieben. Brennt unsere Häuser nieder und bedroht unsere Kinder, und so schwer es auch sein mag, wir werden euch immer noch lieben. Schickt eure vermummten Gewalttäter um Mitternacht in unsere Gemeinden und verprügelt uns, zerrt uns an den Straßenrand und lasst uns halb tot zurück, und so schwer es auch ist, wir werden euch trotzdem lieben. Aber seid versichert, dass wir euch durch unsere Leidensfähigkeit zermürben werden, und eines Tages werden wir unsere Freiheit gewinnen. Wir werden so sehr an eure Herzen und Gewissen appellieren, dass wir euch dabei gewinnen werden. Und unser Sieg wird ein doppelter Sieg sein.“ Aus seinen Worten spricht die Macht der Liebe Jesu.
Am Ende des Tages war es das, was Saulus niedergerungen hatte. Saulus wurde vom Pferd gestoßen, er wurde mit unbequemen Wahrheiten konfrontiert. Aber am Ende empfing er vergebende Liebe. Saulus wurde zu Paulus, zu einem Mann, der von der Gnade Jesu überwältigt wurde. Und das soll das Schicksal von jedem Einzelnen von uns sein: überwältigt von der vergebenden Liebe Jesu. Es ist die einzige Kraft des Universums, die uns tief in unserem Innersten verändern kann, neumachen kann, erwecken kann. Hast du diese vergebende Liebe erfahren, die dich ganz macht, die dich heilt, die dich in die Familie Gottes aufnimmt?
Eine letzte Anwendung zum Schluss für diejenigen unter uns, die gläubig sind und für die Bekehrung von anderen Menschen beten. Dieser Text zeigt uns, dass Jesus selbst die hoffnungslosesten Fälle erreichen kann. Wenn Gott einen religiösen Fanatiker wie Saulus zu einem Apostel der Liebe Gottes verändern kann, dann gibt es Hoffnung für alle. Hier ist deshalb eine wichtige Frage an euch: wer von euch hat schon einmal für eine Person gebetet, aber innerlich gedacht: „Ey, diese Person wird sich im Leben nie bekehren“? Wer von uns hatte schonmal solche Gedanken? Jetzt könnte man natürlich meinen, dass das ein „Glaubensproblem“ ist: „Du hast halt nicht genug Glauben, und deshalb hast du solche negativen Gedanken.“
Aber ich glaube, dass das Problem, das dahintersteht etwas anders ist. Die Frage ist, weshalb du an Jesus glauben kannst aber die andere Person nicht. Woran liegt es? Was wir tief verinnerlichen müssen, ist, dass jede Bekehrung Gnade Gottes ist, einschließlich der unseren. Jeder gläubige Christ ist daher ein Wunder, jeder einzelne von uns. Mit anderen Worten, wenn wir denken, dass sich die Person XYZ niemals bekehren wird, dann sagen wir damit: „ich glaube an Jesus, weil ich einfacher zu bekehren war. Ich bin halt nicht ganz so stur oder nicht ganz so rebellisch oder nicht ganz so schlimm gewesen wie diese Person da.“ Wir sagen damit, dass unsere Bekehrung nicht völlige Gnade war. Wir sagen damit, dass wir zwar auch aus Gottes Gnade gerettet sind, aber nicht zu 100 %, weil „ganz so schlimm waren wir ja doch nicht.“ Und genau das ist ein riesiger Irrtum. Vielleicht gab es bei unserer Bekehrung kein Licht vom Himmel, keine Stimme, die hörbar mit uns spricht gefolgt von drei Tagen physischer Blindheit. Und trotzdem ist die Tatsache, dass wir an Jesus glauben dürfen und Teil seiner Familie sein dürfen, nicht weniger ein Wunder als die Bekehrung von Paulus.
Wenn wir verstanden haben, dass unser eigenes Glaubensleben ein Wunder der Gnade Jesu ist, dann verändert das unser Gebet. Dann beten wir nicht länger „Gott, und ich bitte dich, dass XYZ zum Glauben kommt, aber es scheint mir so unmöglich.“ Wir beten dann eher: „Gott, die Tatsache, dass ich an dich glaube, ist ein Wunder. Ich danke dir dafür. Und jetzt, Gott, tue das Wunder wieder. Tue es noch einmal für meine Freunde, für meine Kollegen, für meine Familie.“