Das Lobpreisgebet
„Klatscht in die Hände, ihr Völker alle! Jauchzt Gott zu mit fröhlichem Schall! Denn der HERR, der Höchste, ist zu fürchten, ein großer König über die ganze Erde.“
(Psalm 47,2.3)
Einmal fragte mich jemand: „Wenn wir tatsächlich durch den Glauben gerettet werden, warum werden die Gläubigen nicht sogleich nach ihrer Bekehrung in den Himmel geholt?“ Das ist, wie ich finde, eine sehr berechtigte Frage. Meine Antwort damals war, dass Gott uns für die Rettung anderer gebrauchen möchte. Auf eine weitere Antwort auf diese Frage kam ich erst viele Jahre später, also in der Zeit, als ich meine jetzige Frau kennenlernte. In unserer Verlobungszeit lasen wir ein Buch, das uns half, die Verlobung aus biblischer Sicht besser zu verstehen. In der Verlobungszeit geht es nicht mehr darum, seine Entscheidung zu bedenken oder zu überprüfen – vielmehr geht es um eine ganz andere Sache: Vorbereitung, die Vorbereitung auf das gemeinsame Leben. Dies ist ein wunderbares Bild für die Gemeinde, die mit Christus verlobt ist. Unsere Zeit hier auf Erden ist eine Art Vorbereitung auf die himmlische Ewigkeit, in der die Hochzeit zwischen Christus und der Gemeinde stattfinden wird.
Aber man kann natürlich weiter fragen: Warum müssen wir eigentlich auf die himmlische Ewigkeit vorbereitet werden? Als ich ein Kind war, fand ich den Gottesdienst unheimlich anstrengend. Später las ich in der Bibel, dass Gott im Himmel Tag und Nacht angebetet wird, es also im Himmel ständig Gottesdienst gibt. „Wie kann das schön sein?“, fragte ich mich. Aber was zeigten diese Gedanken über mich? Sie zeigten, dass ich noch gar nicht auf die himmlische Ewigkeit vorbereitet war. Wie kann man auf die Ewigkeit vorbereitet sein, wenn die Anbetung Gottes im eigenen Leben fehlt? Wenn wir die Ewigkeit damit verbringen, Gott anzubeten, dann ist es wohl recht und billig, hier schon damit anzufangen. Mit Anbetung stimmen wir uns sozusagen auf die himmlische Ewigkeit ein. Mit Anbetung holen wir ein Stück Himmel auf die Erde. Anbetung ist auch die höchste Form des Gebets. Diese Form des Gebets ist gerade der Inhalt vieler Psalme. Die Psalme geben Zeugnis von einer tiefen, innigen Beziehung mit Gott und laden auch jeden dazu ein. Die Lobpreispsalme rufen den Leser zur Anbetung Gottes auf und nennen auch die Gründe dafür, warum wir Gott loben sollten. So auch im Psalm 47, den wir heute betrachten wollen. Anhand dieses Psalms wollen wir heute über zwei Punkte bzgl. des Lobpreisgebets nachdenken: [1]. Warum soll Gott gelobt werden? 2. Wie soll Gott gelobt werden?
1. Gründe zum Lobpreis Gottes
Die Bibel nennt zahlreiche Gründe dafür, warum Gott gelobt werden soll. Welchen Grund nennt Psalm 47 dafür, Gott zu loben? Wir erfahren ihn in Vers 3, der mit „denn” einleitet. Gott soll gelobt und gepriesen werden, weil Er zu fürchten ist. Gott ist ernst zu nehmen, Ihm gebührt Hochachtung. Daher soll er gelobt und gepriesen werden. Weil wir nicht in der unmittelbaren Nähe Gottes sind, vergessen wir leicht, dass Gott zu fürchten ist. Aber am Verhalten der Engel, die in der unmittelbaren Nähe Gottes sind, können wir sehen, wer Gott eigentlich ist. In Psalm 104,4 steht, dass Gott Seine Engel zu Winden macht. Ohne zu Zögern, eben in Windeseile führen die Engel Gottes Auftrag aus. Das zeigt, wie sehr Gott zu fürchten ist.
Am Ende von Vers 3 erfahren wir auch, warum Gott zu fürchten ist: „ein großer König über die ganze Erde.“ Gott ist König. Könige waren gefürchtete Personen. In Pred. 10,20a heißt es: „Fluche dem König nicht einmal in deinen Gedanken…“ In Spr. 19,12 steht: „Wie das Knurren eines Junglöwens ist die Wut des Königs…“ In Spr. 20,2 heißt es: „Wie das Knurren eines Junglöwen ist der Schrecken des Königs, wer sich seinen Zorn zuzieht, verwirkt sein Leben.“ Könige waren wirklich gefürchtete Personen. In einer Demokratie sind ja die Gewalten geteilt. Aber bei einem König ist es anders – wer beim König in Ungnade fiel, konnte im Nu ins Gefängnis landen oder gar hingerichtet werden. Sie hatten ja in ihrem Land die uneingeschränkte Macht. Also schon allein wegen der Tatsache, dass Gott König ist, ist er zu fürchten. Gott ist aber nicht ein König unter vielen – am Ende von Vers 3 heißt es: „großer König über die ganze Erde.“ Die Territorien von Königen konnten sehr unterschiedlich ausfallen – manche waren nur König über einen Stadtstaat, mächtigere waren König über ein Land und noch mächtigere König über ein Reich. Gott aber ist König über die ganze Erde. Viele Herrscher haben es seit jeher versucht, über die ganze Welt zu herrschen. Wie groß auch deren Reiche waren, niemandem gelang die Weltherrschaft. Doch Gott ist der eine König über die ganze Erde und damit ein großer, ja gewaltiger König! Er ist also nicht nur ein mächtiger König, sondern der allmächtige König. Seine Macht ist weder territorial noch zeitlich noch vom Potential her eingeschränkt. Daher ist Gott überaus zu fürchten und eben das nennt Psalm 47 als Grund dafür, Gott zu loben und zu preisen.
Wie hängen Gotteslob und Gottesfurcht miteinander zusammen? Denken wir einmal an Personen, vor denen wir Hochachtung haben. Das sind eben auch die Menschen, die wir bewundern und ehren, die wir als Vorbilder nehmen. Um wie viel mehr sollte dann Gott verehrt und gepriesen werden, dem die höchste Achtung gebührt? Angenommen, man ist Zuschauer in einem Konzert. Das Orchester spielt das Stück hervorragend, einfach überwältigend! Als das Stück zu Ende ist, denkt man, dass jetzt ein riesiger Beifall folgt. Doch am Ende des Stücks kein Applaus, kein einziger klatscht, null Zurufe, null Jubel, sondern im gesamten Publikum Schweigen – was würden wir denken? Wohl etwa so: „Das geht doch nicht. Solch ein Meisterstück muss doch anerkannt werden – das kann man doch nicht einfach so stehen lassen! Das ist ja unerhört!“ Manch einer würde vielleicht sogar das Publikum auffordern: „Klatscht gefälligst!“ Eben das empfindet der Psalmist – „wie kann solch ein großer König ohne Verehrung bleiben?“ Und so kann der Psalmist gar nicht anders, als zu befehlen: „Klatscht in die Hände, ihr Völker alle! Jauchzt Gott zu mit fröhlichem Schall!“ (Vers 2), ebenso auch im Vers 7: „Lobsingt Gott, lobsingt! Lobsingt unserem König, lobsingt!“ Die Begründung ist dieselbe – im Vers 8 heißt es: „Denn Gott ist König der ganzen Erde“.
Aber machen wir uns nichts vor, Gott ist zwar jetzt schon König über die ganze Erde, aber noch nicht als solcher von der ganzen Erde anerkannt. Das ist etwa so, wie wenn ein neuer Chef in die Firma kommt. Obgleich er rechtlich der neue Chef ist, kann es gut sein, dass er nicht von allen Mitarbeitern als solcher anerkannt wird, wie z.B. von denen, die Jahrzehnte lang in dieser Firma schon sind. Der Chef muss sich dann erst einmal Respekt verschaffen. Heutzutage machen sich viele Menschen über Gott lustig, reden schlecht über ihn oder murren gegen ihn. Gott wird leider von den meisten Menschen eben nicht gefürchtet. Doch Vers 9 berichtet darüber, dass die Nationen einst Gott als König anerkennen werden – in der Elberfelder steht nämlich: „Gott ist König geworden über die Nationen“. Feierlich wird verkündigt: „Gott hat sich auf seinen heiligen Thron gesetzt“ (Elb). Mit Setzen ist nicht einfach nur das Gegenteil von Stehen gemeint. Das Sitzen vielmehr als das sein kann, haben die meisten von uns bestimmt schon erlebt: Wenn man sich nach vielem Laufen einmal hingesetzt hat, kann man das Sitzen so richtig erleben – sobald man sich hingesetzt hat, kommt erst einmal ein aus tiefster Seele kommendes: „Aaah“. Dieses Sitzen ist ein „Zur-Ruhe-kommen“ – eben das Gegenteil von „Aktiv-sein“. Solange Gottes Feinde existieren, toben und ihr Unwesen treiben, ist Gott aktiv dabei, allem Widerstand ein Ende zu machen, wie es auch in 1. Kor. 15,25 heißt: „Denn er muss herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat.“ Doch eines Tages, wenn alle Feinde vernichtet sind, wird das endlich geschehen, wovon Vers 9 spricht: „Gott hat sich auf seinen heiligen Thron gesetzt“.
Betrachten wir Vers 10. Hier ist von „Mächtigen der Welt” die Rede, die sich einst zusammen mit dem Volk Gottes versammeln werden. Dann wird sich endlich das deutlich zeigen, was Gott schon immer war, ist und sein wird – am Ende von Vers 10 steht es: „denn Gott gehören die Schilde der Erde; er ist sehr erhaben.“ Mit „Schilde“ sind Könige gemeint (vgl. Ps. 84,10; 89,19). Am Ende der Zeit wird es deutlich: Gott gehören alle Herrscher der Welt. Anders gesagt: Gott ist der König der Könige. Sehr bzw. über alles erhaben! Der Amoklauf in Heidelberg sowie viele andere schreckliche Nachrichten können den Eindruck erwecken, dass Gott nicht über Allem erhaben, nicht der König der Könige ist. Doch eines Tages wird diese Wahrheit auf der Erde zu einer spürbaren Realität! Die Bitte um das Kommen des Reiches Gottes wird zur Erfüllung kommen. Und eben dieses herrliche Ereignis wird in Psalm 47 gefeiert!
Viele lieben es zu feiern. Manche suchen regelrecht nach Anlässen zu feiern. Sobald einer da ist, heißt es: „Das muss gefeiert werden!“ Doch Psalm 47 gibt uns einen viel besseren Grund zu feiern, als es jemals die Welt uns bieten kann: Einst wird die ganze Welt Gott bzw. Jesus als König anerkennen. Dies ist eine großartige Nachricht! Denn es gibt keinen besseren König als ein König, der sein Leben für die Untertanen lässt. Kein König kann es mit seinen Untertanen besser meinen, als einer, der sein Leben für sie gibt. Wie gut, dass solch ein König einst über die ganze Welt herrschen wird! Gott soll als König gefeiert werden – sowohl in unserem Gebet als auch durch unser Leben! Wenn wir zu Gott beten, lasst nicht allein Bitten zu Ihm bringen, sondern ihn auch stets dafür loben und preisen, dass er König ist!
Bemerkenswert ist, dass der Psalmist nicht sagt: „Ich lobe, ich schlage froh in die Hände“, sondern: „lobsingt“ (V.7); „Klatscht in die Hände, ihr Völker alle“ (V.2). Er ruft die ganze Welt dazu auf, Gott zu loben und zu singen. Warum? Damit fordert er die Welt indirekt dazu auf, Gott als ihren König anzuerkennen bzw. sich ihm freiwillig zu unterwerfen. Durch Anbetung können auch wir zum Ausdruck bringen, dass wir Ihn als unseren König von Herzen anerkennen.
In Jes. 29,13 heißt es: Und der Herr hat gesprochen: Weil dieses Volk mit seinem Mund sich naht und mit seinen Lippen mich ehrt, aber sein Herz fern von mir hält Demnach kann man Gott also auch in einer Art und Weise loben, die Ihm nicht gefällt. Daher die Frage: Was ist die Art und Weise der Anbetung, die Gott erfreut? Lasst uns das im zweiten Teil der Predigt betrachten?
2. Die Art und Weise, wie wir Gott loben sollten
Gerade die Verse, die uns zum Gotteslob auffordern, offenbaren einige Aspekte über die Art und Weise des Lobpreises, die Gott erfreut: Im Vers 2 werden die Worte „fröhlich“ und „jauchzen“ verwendet. Wenn man „Jauchzen“ in Google eingibt, bekommt man diese Definition: „seiner Freude, Begeisterung durch Rufe, Schreie Ausdruck geben; laut jubeln“. Echte Anbetung Gottes geschieht also mit voller Freude! Manche Christen loben Gott allein mit dem Verstand, ohne Emotionen; andere Christen hingegen loben Gott nur mit Emotionen. D.h. ihre Gefühle kommen nicht in erster Linie aufgrund der Bedeutung der Worte, sondern aufgrund der Melodie, des Sounds. Dazu kann es leicht kommen, wenn man Lieder singt, in der nicht der Text, sondern die Melodie im Vordergrund steht. Der deutsche Komponist Johann Georg Ebeling, der Melodien zu Liedern von Paul Gerhard erstellte, schrieb einmal: „Meine Melodien sollen klangvolle Reden sein. (…) Die Melodie soll das unterstreichen, was mir an dem Text gefällt und wichtig ist“1 Die Melodien dienen also dem Text, nicht umgekehrt. Die Schreiber von Psalm 47 gehörten weder zu den Anbetern, die Gott ohne Gefühle priesen, noch zu denen, deren Lobpreis eine rein emotionale Sache war. Sie lobten Gott nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit Emotionen – doch diese kamen in erster Linie aufgrund der Wahrheiten, die in dem jeweiligen Psalm verkündigt werden.
Auch wir können Gott in der Art und Weise anbeten, wie es die Psalmisten taten. Man kann leicht denken: „Gefühle habe ich nicht im Griff. Darüber kann ich nicht entscheiden – ich kann mit ihnen nicht einfach on oder off machen“. Aber das ist ein Irrtum – denn sonst würde die Bibel nicht an so vielen Stellen zur Freude aufrufen. Wenn man einmal die Psalme, in der Gott gepriesen wird, liest, fällt auf, dass sie ganz klare Gründe nennen, warum Gott zu loben ist. Manchmal werden diese Gründe auch explizit mit einem „Denn“ eingeleitet (vgl. Ps. 66,8 & 10, Ps. 100,5). Wenn wir über das, was Gott ist, und das, was Gott tut, nachsinnen und dem glauben, kann der Heilige Geist in uns wirken und dazu veranlassen, Gott mit voller Freude zu loben und zu preisen.
In den Versen 7 und 8 erfahren wir einen weiteren Punkt darüber, wie wir Gott auf einer Ihm wohlgefälligen Art und Weise loben können. In diesen Versen taucht das Wort „singen“ fünfmal auf. Warum? Singen und sich freuen gehören einfach zusammen. Wie ein Hemd ohne Krawatte oder wie ein Schuh ohne Schnursenkel ist Freude ohne Singen. Das gewisse Etwas fehlt. Zur Freude gehört einfach das Singen dazu. Im Vorwort eines Gesangbuches las ich einmal ein geniales Wortspiel. Es lautete: „Ein singender Christ ist ein siegender Christ.“ An diesem Zitat ist was dran! Singen kann gerade in Zeiten der Anfechtung von Bedeutung sein. Denn in solchen Zeiten kann es schwer sein, Bibelworte zuzuhören und sie im Herzen zu behalten. Emotionen der Angst, Traurigkeit, des Ärgers usw. können uns so sehr beherrschen, dass es schwierig ist, klare Gedanken zu fassen. Da können geistliche Lieder sehr hilfreich sein, weil sie Emotionen ansprechen und dabei gleichzeitig eine geistliche Wahrheit in unser Herz transportieren können. Sie ersetzen zwar nicht das Lesen von Gottes Wort, können aber eine Art Erste Hilfe sein, um dem Wort Gottes wieder besser zuhören zu können.
Oder wie ist es mit Zeiten des Stresses? Ich erinnere mich hierbei an einem Satz von einem Kollegen. An diesem Tag war es sehr heiß, was das Arbeiten sehr unangenehm machte. Zudem war ich in großem Stress, weil ich wegen Corona noch einen Haufen an Korrekturen zu erledigen hatte. Was das Fass zum Überlaufen brachte, war der Ventilator im Lehrerzimmer. Sein Motor summte unaufhörlich. Ich beklagte mich beim Kollegen über diesen Ventilator – er sagte zu mir, dass er zum Takt des Ventilators ein christliches Lied singe. Das würde ihm helfen, ruhig zu bleiben.
Das Lobsingen sollte zu einer alltäglichen Gewohnheit werden. Das gilt auch für diejenigen von uns, die nicht gut singen können. In diesem Sinne ist es auch sehr wertvoll, geistliche Lieder auswendig zu lernen. Eltern sollten darauf Wert legen, dass ihre Kinder so früh wie möglich das Singen und das Spielen eines Instrumentes lernen. Selbst wenn sie nicht so eine gute Stimme haben, können sie doch lernen, wie sie die Töne zumindest einigermaßen treffen. Wie schade, wenn man das in der Kindheit versäumt. Das hernach nachzuholen, ist meistens gar nicht so einfach. Ich rede hier aus eigener Erfahrung.
In der ersten Strophe eines uns bekannten Liedes heißt es: „Ich habe einen herrlichen König, den einzigen erkenne ich an; ich will keinen andern auf Erden, und stünd ich allein auf dem Plan. Jesus, mein Stolz, meine tiefe Ruhe, Jesus, dir jauchze ich selig zu! Ich habe einen herrlichen König, o Jesus, Jesus nur du.“
Weil wir einen herrlichen König haben, haben wir immer Grund Gott zu loben und zu danken.
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[1] aus: https://schott-campus.com/wp-content/uploads/2016/07/kaiser_telgte.pdf
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